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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.04.2023

Nachdenklich, bedrückend, genial geschrieben

Dinge, die wir brennen sahen
3

Der Roman von Hayley Scrivenor beginnt schon mit dem Auffinden einer Leiche – und liest sich daher ganz zu Beginn fast wie ein Thriller. Aber sehr bald wird klar, dass es sich bei diesem Roman um so viel ...

Der Roman von Hayley Scrivenor beginnt schon mit dem Auffinden einer Leiche – und liest sich daher ganz zu Beginn fast wie ein Thriller. Aber sehr bald wird klar, dass es sich bei diesem Roman um so viel mehr handelt: Eine einfühlsame Studie der Gefühlswelt einer ganzen Stadt, die den Leser trotz feststehendem Ausgang mit den Menschen in der Stadt mitfiebern lässt als Esther verschwindet und die groß angelegte Suche zunächst nichts ergibt. Nach und nach kommen durch den Druck, den die Ermittlungen in der Gesellschaft auslösen, Risse in der Oberfläche zutage, die einen Einblick in die Geheimnisse und Probleme der Kleinstadt geben.
Hayley Scrivenor erzählt die Geschichte in einem unaufgeregten, poetischen Ton, der perfekt zu der bedrückten Atmosphäre passt, der es aber auf der anderen Seite auch schafft, dass die schrecklichen Ereignisse und Wendungen den Leser beinahe überraschend überfallen und für mich beim Lesen besonders eindrücklich waren.
Ab dem Mittelteil überwiegt eine eher melancholische Stimmung, die gut dazu passt, dass nach und nach immer mehr Menschen die Hoffnung auf einen guten Ausgang des Verschwindens verlieren und scheinbar nur auf die schlimmsten Nachrichten warten. In diesem Zusammenhang waren auch die „Wir“-Kapitel – Einschübe, die aus einer interessanten Gemeinschaftsperspektive heraus geschrieben sind – wunderschön geschrieben und ein bisschen verwirrend gleichzeitig. Lange hatte ich beim Lesen das Gefühl, wie vor einem Puzzle zu sitzen, bei dem mir immer noch ein paar Teilchen fehlen, um das Gesamtbild zu erkennen. Zwar kommen nach und nach viele „Randteile“ dazu, das Ende weiß dann aber trotzdem zu überraschen.
Die kleinstädtische Gemeinschaft ist absolut glaubwürdig dargestellt und dadurch, dass einige Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und erzählt werden, ergibt sich ein dichtes Bild der Stimmung in dieser Situation, die für die Bewohner der Stadt vieles für immer verändern wird.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, auch wenn (oder gerade weil?) mich das Buch in einer melancholischen Stimmung zurückgelassen hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 12.04.2021

Witzig, bissig, tiefgründig, authentisch!

Tausend kleine Lügen
0

Tausend kleine Lügen – Liane Moriarty
Jane ist neu in der Küstenstadt Pirriwee und freundet sich durch ihren Sohn schnell mit anderen Müttern an: Sie lernt Madeleine und Celeste kennen, die beide Kinder ...

Tausend kleine Lügen – Liane Moriarty
Jane ist neu in der Küstenstadt Pirriwee und freundet sich durch ihren Sohn schnell mit anderen Müttern an: Sie lernt Madeleine und Celeste kennen, die beide Kinder im selben Alter wie ihr Sohn haben und mit denen sie eine Art „Dreier-Clique“ bildet. Es stellt sich schnell heraus, dass das Städtchen Porriwee nicht so idyllisch ist, wie es sich am Anfang präsentiert und während man als Leser schon ganz zu Anfang den Ausgang der Geschichte erfährt ohne das auf Details eingegangen wird, erschließen sich erst nach und nach die kleinen und großen Dramen, mit denen die drei Freundinnen (und zum Teil auch andere Personen in der Geschichte) zu kämpfen haben und wie sie ins Gesamtbild einzuordnen sind.
Liane Moriaty schafft es in diesem Roman einerseits, die Verstrickungen und das Gerede in dem Kleinstadtmilieu perfekt einzufangen und andererseits ein komplexes Beziehungsdrama aufzubauen und auf so auf einen Höhepunkt zulaufen zu lassen, das es sich so liest, als könnte es jederzeit und überall auch in der eigenen Umgebung so passieren. Die Charaktere sind zum Teil natürlich überzeichnet dargestellt, vor allem die Nebenpersonen, die gewisse Rollen der Gesellschaft repräsentieren, aber die drei Hauptcharaktere sind sympathisch und nachvollziehbar gestaltet. Jede der drei Frauen ist auf ihre Art stark und kämpft um ihren Platz im Leben und in der Gesellschaft in Pirriwee, in der es ziemlich schwer zu sein scheint irgendetwas richtig zu machen. Alle Eltern an der Schule scheinen ständig alle und alles mit Argusaugen zu beobachten, nur um selber besser dazustehen. Dieser Aspekt ist schön jeweils am Ende der einzelnen Kapitel in die Geschichte mit eingewebt, da dort jeweils verschiedene Mitglieder dieser Kleinstadt zu Wort kommen und Teile der Geschichte aus ihrer Sicht erzählen dürfen, sodass man als Leser ganz unterschiedliche Einblicke bekommt.
Der Schreibstil der Autorin ist so flüssig und der Humor zum Teil so treffend und bissig, dass ich das Buch mittlerweile wiederholt (gern!) gelesen habe. Die Beschreibung der Eltern und ihres Verhaltens untereinander sind absolut authentisch und witzig dargestellt, das man meint, den ein oder anderen Charakter aus dem eigenen Leben wiederzufinden. Wirklich schön ist auch die Freundschaft der drei Frauen dargestellt, die es allen dreien ermöglicht, an den Herausforderungen zu wachsen und damit fertig zu werden – immer natürlich mit ein klein bisschen Hilfe der Freundinnen. Absolute Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.04.2018

Eindrücklich beklemmender Tatort

Tiefer denn die Hölle (Ein Martin-Bauer-Krimi 2)
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Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einem Tatort gerufen, der so beklemmend und verstörend ist, dass ein Ermittler mit einer Panikattacke kämpft und Bauers Amtskollege Rüdiger Vaals, der zuerst am Tatort ...

Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einem Tatort gerufen, der so beklemmend und verstörend ist, dass ein Ermittler mit einer Panikattacke kämpft und Bauers Amtskollege Rüdiger Vaals, der zuerst am Tatort war, beim Anblick der Leiche einen Herzinfarkt erlitten hat. Ebenjener scheint über den Toten mehr zu wissen und stammelt im Notarztwagen, er hätte „nicht aufgepasst… [vor] fünfzehn Jahre[n]“ (S.47), er sei verdammt und erwähnt den Namen Josef Hartwig, bevor er nicht mehr ansprechbar ist. Bauer versucht, mehr über Hartwig und auch über den Toten herauszufinden und übertritt dabei (wie schon zuvor?) seinen Kompetenzbereich. Einzig Kommissarin Verena Dohr hilft ihm wiederwillig, aber bis die beiden die Zusammenhänge hinter den Morden, den Anschuldigungen und längst vergangener Verbrechen erkennen, ist es beinahe zu spät.
Gallert und Reiter schaffen mit Martin Bauer einen Ermittler, der so untypisch ist und dessen Blickpunkte auf die menschlichen Abgründe so ganz anders sind als die gewohnten, der Schuld nicht nur im rechtlichen Sinn verurteilen will, sondern auch auf christlich-moralischer Ebene agiert, ohne irgendwie belehrend zu wirken. Der Aspekt, der den Krimi so herausragend, so eindrücklich macht, ist der ungewöhnliche Tatort und die äußerst gelungene Tatortbeschreibung: Die Ermittlungen, die in die Tiefe eines ehemaligen Bergwerkstollens führen, sind sehr bedrückend geschildert, man kann die Enge, die Klaustrophobie als Leser buchstäblich fühlen. Die Beschreibungen von Orten und Personen sind sehr anschaulich, sehr eingängig, dass sofort ein Film im Kopf entsteht, ohne dass die Beschreibungen zu detailreich, zu ausführlich oder langgezogen sind. Das der Fall dann noch gut konstruiert ist und bis zum Ende spannend bleibt und die eine oder andere Überraschung oder Wendung bereithält, rundet Lesevergnügen ab. Mir haben auch die Begriffe und Erklärungen aus dem Bergbau gefallen, die auch die Mentalität der Bewohner des Ruhrgebiets einfangen.
Die beiden Hauptcharaktere sind vielschichtig gezeichnet und durch ihre persönlichen Probleme irgendwie greifbarer, ohne dass es zu ausführlich beschrieben wird. Zwar werden immer wieder Hinweise auf den vorangegangenen Band gegeben, dieser Krimi lässt sich aber auch gut lesen, wenn man den Vorgänger nicht kennt.

Veröffentlicht am 17.01.2018

Ein Psychopath der Extra-Klasse!

The Fourth Monkey - Geboren, um zu töten
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Seit Jahren jagt Detective Sam Porter von der Mordkommission einen Serienmörder, der seine Opfer entführt und Ohren, Augen und Zunge in Päckchen verschickt, bevor er sie tötet, um damit Angehörige zu bestrafen, ...

Seit Jahren jagt Detective Sam Porter von der Mordkommission einen Serienmörder, der seine Opfer entführt und Ohren, Augen und Zunge in Päckchen verschickt, bevor er sie tötet, um damit Angehörige zu bestrafen, die sich in seinen Augen schuldig gemacht haben. Er schafft es, außer diesen Päckchen keine Spuren zu hinterlassen. Als Porter zu einem Unfall gerufen wird, bei dem ein Fußgänger von einem Bus erfasst wurde und er dort ein Päckchen mit einem Ohr findet, stellt sich die Frage, ob die Mordkommission so viel Glück hat, den Serienmörder auf diese Weise zu fassen. Doch wer ist der Mann und ist das Opfer, dessen Ohr er verschicken wollte, noch am Leben? Am Tatort wird außerdem das persönliche Tagebuch des Mörders gefunden, das Einblicke in den Kopf eines Psychopathen enthält. Schaffen es Porter und sein Team, die Hinweise am Tatort richtig zu deuten? Wer ist das neuste Opfer und wie lange kann es noch überleben?

Als ich mit dem Buch angefangen habe, habe ich mich noch etwas über den Namen des Serienkillers gewundert (der ja schon im Titel vorkommt: The fourth monkey, kurz: 4MK), aber schon bald gab es dafür die Auflösung: Indem er Ohren, Augen und Zunge seiner Opfer verschickt, spielt er auf die 3 Affen des japanischen Sprichworts an: Ohr (höre nichts Böses), Augen (siehe nichts Böses), Zunge (nichts Böses sagen). Den 4. Affen (nichts Böses tun) repräsentiert er selber und seinen Versuch, die Bösen zu bestrafen.

Ganz zu Beginn bin ich mit den Konversationen vor allem zwischen den Ermittlern nicht so richtig warm geworden, aber das hat sich schon bald geändert. Ich denke, dass das darauf zurückzuführen ist, dass der Autor am Anfang noch nicht so viel über die Privatleben der Ermittler verraten will, wodurch die Unterhaltungen am Anfang vage sind. Je weiter man liest, desto besser funktioniert die Interaktion im Team, sodass auch die Ermittler an Plastizität gewinnen. Was mir sehr gut gefällt, ist der lockere Umgangston innerhalb der Truppe, trotz oder vielleicht gerade wegen all der erschreckenden Dinge, die um sie herum passieren. So musste ich einige Male schmunzeln, wenn sich Nash und Clair gegenseitig necken und man merkt auch, dass zwischen Nash und Porter ein Vertrauens-, wenn nicht gar Freundschaftsverhältnis besteht. Ich finde es auch gut, dass die Ermittlungsarbeit tatsächlich im Team gemacht wird und nicht, wie oft in diesem Genre ein „einsamer Wolf“ die ganze Arbeit allein macht. Die Charaktere sind gut gewählt, die Ermittler sympathisch, der „Bösewicht“ beängstigend brutal und berechnend, unzweifelhaft eine Konstellation von der ich gern mehr lesen würde.

J. D. Parker schafft es gekonnt, den Leser auf falsche Fährten zu locken und durch außergewöhnliche und unvorhergesehene Wendungen in der Geschichte vor immer neue Tatsachen zu stellen, die alle Überlegungen, alle Erklärungsversuche wieder von neuem beginnen lassen. Er schafft es, die atemlose Spannung bis ganz zuletzt aufrecht zu erhalten, sodass es eigentlich unmöglich ist, das Buch aus der Hand zu legen. Dadurch, dass die Kapitel relativ kurz sind, denkt man sich beim Lesen „naja, ein Kapitel noch, dann höre ich auf“ aber es folgt immer noch eins…

Ein bisschen erinnert mich der Killer an Francis Ackerman junior, den Serienkiller aus „Ich bin die Nacht“ von Ethan Cross. Beide suchen sie die direkte Konfrontation mit dem Ermittler, der sie jagt und beide sind sie „erschaffen“ worden durch die wahnwitzigen Ideen ihrer Väter. Die Idee, Tagebucheinträge des Täters, der seine Taten und Motivation erklären will, in der Geschichte zu verweben, ist sehr gut gelungen. Man erhält Einblick in die kranke Gedankenwelt des 4MK, der auch seine Kindheit schildert. Man weiß nicht genau, ob man mit dem Täter nicht sogar ein bisschen Mitleid haben müsste und stellt gleichzeitig fest, wie soziopathisch der Täter agiert, wodurch das Grauen und die Angst um das Opfer noch zusätzlich gesteigert werden.

Also unbedingt lesen, auch wenn es vielleicht am Anfang etwas abschreckend dick ist (fast 540 Seiten), die sind es ganz klar wert! Aber Vorsicht: Manche Beschreibungen sind nichts für schwache Nerven.

Veröffentlicht am 15.01.2018

Porträt über eine beeindruckend starke Frau

Die amerikanische Prinzessin
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Inhalt: Der Roman beleuchtet das Leben von Allene Tew, eine der schillernden Persönlichkeiten der amerikanischen Society der „goldenen Jahre“. Der Leser erfährt in der gut recherchierten Geschichte über ...

Inhalt: Der Roman beleuchtet das Leben von Allene Tew, eine der schillernden Persönlichkeiten der amerikanischen Society der „goldenen Jahre“. Der Leser erfährt in der gut recherchierten Geschichte über die Herkunft, den Aufstieg, aber auch die Rückschläge und die Verluste die Allene im Laufe der Zeit durchlebt hat. Es ist die Lebensgeschichte einer bemerkenswert starken, zielstrebigen Frau, die ein Leben führt, das genug Dramen für ein Filmdrehbuch enthält. Zusammen mit ihr durchlebt der Leser die verschiedensten Epochen der amerikanischen Geschichte, den Wirtschaftsboom aber auch die große Depression, Zeiten des Aufbruchs, aber auch die beiden Weltkriege.
„Es stecken letzten Endes drei Bücher in Die amerikanische Prinzessin. Es ist eine wundersame Lebensgeschichte, die so voller Wendungen steckt, dass es sich für mich fast wie ein Abenteuerroman anfühlt. Es kann auch als kleine Geschichte Amerikas gelesen werden. Und schließlich ist es meine sehr persönliche kleine Studie über die Frage: Wie geht man mit Verlusten um?“
Annejet van der Zijl; Nachwort S.228

Meinung: Die Geschichte von Allene Tew ist so packend, so berührend, dass es, obwohl es sich um eine Biographie handelt, schwer fällt, das Buch aus der Hand zu legen. Annejet van der Zijl schafft es, ein packendes Porträt von einer Person zu zeichnen, von der meines Erachtens nach in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt ist. Sie zeigt sie uns als Vorbild für Durchhaltevermögen, als eine starke Frau, die trotz zahlreicher Rückschläge nie den Mut zum und den Spaß am Leben verloren hat.
Es ist ihr gelungen, die persönliche Geschichte und den historischen Hintergrund so zu verweben, dass man als Leser diese Zeiten mit ihr erlebt. Sie lässt die Persönlichkeit Allenes lebendig wieder aufleben.
Mein Lieblingssatz dazu: Und vielleicht war das ja Allenes größte Leistung – mehr als ihr Reichtum, ihre Titel, ihre vielen Häuser und ihr imponierendes Gästebuch: dass sie sich, was immer sie auch erlebt und durchgemacht hatte, nie die Fähigkeit nehmen ließ, das Leben zu genießen und dankbar dafür zu sein (S. 197). Es ist die Persönlichkeit einer beeindruckenden Frau, die ich gern getroffen hätte und die ich durch dieses Buch zumindest ein bisschen kennen lernen durfte! Danke dafür.
Der Hintergrund ist akribisch recherchiert und durch Zitate, Zeitungsartikel und Zeitzeugenberichte gestützt. Dabei finde ich es gut, dass einige der Zitate in der Originalsprache (englisch) enthalten sind, meist mit einer sinngemäßen Übersetzung im folgenden Text.
Definitiv eines meiner Lese-highlights!