Gespaltenen Gesellschaft
Zwischen WeltenMeine Meinung und Inhalt
"Lieber Stefan, bleibt uns denn etwas anderes übrig? Als stark sein, meine ich. Jeder nach seinen Möglichkeiten, jeder in seinem Bereich. Ich kann mir nicht helfen, aber ich ...
Meine Meinung und Inhalt
"Lieber Stefan, bleibt uns denn etwas anderes übrig? Als stark sein, meine ich. Jeder nach seinen Möglichkeiten, jeder in seinem Bereich. Ich kann mir nicht helfen, aber ich halte diese ganze neue Kultur der Schwäche für einen Irrweg. Verletzlichkeit, Empfindlichkeit, Opferstolz - ich frage mich, wo das hinführen soll. Das hätte doch nur Sinn, wenn es eine Macht gäbe, die für ausgleichende Gerechtigkeit sorgt. Wenn wir quasi alle Kinder wären und uns beim Übervater beschweren könnten. Da es den aber nicht gibt (jedenfalls nicht in Ostdeutschland), bleibt doch nichts anderes übrig, als anzupacken, damit der Laden läuft. Der eigene Laden im Kleinen und der große Laden im Ganzen." (ZITAT)
Ich habe schon viele Bücher von Juli Zeh gelesen, unter anderem „Spieltrieb“, „Schilf“, „Nullzeit“, „Unterleuten“ und war von jeden wirklich überwältig. Ihr Schreibstil ist - auch in diesem Buch - absolut großartig und schön zu lesen. Die Story "Zwischen Welten" passt sehr in die aktuelle Zeit, also sehr gegenwartsnah, was auch daran liegt, dass die Handlung im Jahr 2022 spielt. Die Probleme sind greifbar und brisant. Viele Themen werden angesprochen, welche wir aber ohnehin schon aus der täglichen Medienflur geliefert bekommen.
„Wer existenziell lebt (ich), muss nicht sensationell leben (du). Wer das Existenzielle verloren hat (du), braucht die Sensation. Das unterscheidet dich und mich. Es unterscheidet Stadt und Land.“ (ZITAT)
Die Kapitelaufteilung finde ich, ebenso wie die Whatsapp/E-Mail-Nachrichten zwischen den Protagonisten, sehr gelungen. Diese Harte Dialog-Kost, die aber nie monologisch wird, sondern zu jeder Rede die Gegenrede parat hält, so schwer erträglich sie einem auch im Einzelnen sein mag. »Zwischen Welten« wird so zum hochdramatischen Plädoyer für die Rückkehr zu einer toleranteren Gesellschaft. Absolute Leseempfehlung für dieses Werk, welches auch im Nachhinein noch zum Nachdenken andregt!
Inhalt
Zwanzig Jahre sind vergangen, als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig. Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung DER BOTE gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen.
Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen. Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen, sich per E-Mail und WhatsApp gegenseitig aus ihren Welten zu erzählen. Doch während sie einander näherkommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Und können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken?
„Und verdächtig wird es in meinen Augen, wenn sich ein Mainstream entwickelt, der keinen Widerspruch mehr duldet. Wenn Leute (wie du) auf einmal blind werden für Gegenargumente und abweichende Meinungen. Wenn es keine Diskussion mehr geben soll, sondern nur noch alternativloses Handeln.“ (ZITAT)
Juli Zeh (Jahrgang 1974) ist eine echte Ausnahmeerscheinung im deutschen Literaturbetrieb. Die studierte Juristin und Völkerrechtlerin fesselt ihre Leser immer wieder mit zeitkritischen Romanen, in denen markante Figuren einzigartige Geschichten erleben. Ihr erster Roman „Adler und Engel“ (2001) bewegt sich zwischen rasanter Roadstory, brutalem Drogenthriller und einfühlsamer Initationsgeschichte. Er begeisterte bereits ein Millionenpublikum und wurde in 31 Sprachen übersetzt. Die schlichte, nüchterne Sprache Zehs und ihr gesellschaftskritischer Sarkasmus kommen auch in den folgenden Romanen „Spieltrieb“, „Schilf“, „Nullzeit“ und „Unterleuten“ zum Einsatz, die allesamt zu Bestsellern wurden. Juli Zeh, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in Brandenburg lebt, wurde mit unzähligen Literaturpreisen ausgezeichnet und konnte sich auch als Essayistin und Journalistin einen Namen machen. Sie ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und engagiert sich politisch für die SPD.
Der deutsche Autor Simon Urban kommt 1975 in Hagen zur Welt. Auf ein Germanistikstudium in Münster folgt eine Ausbildung an der Texterschmiede Hamburg sowie ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Für seine Werke wird er 2003 mit dem Erker-Preis, 2005 dem Literaturförderpreis Ruhrgebiet und 2006 mit dem Limburg-Preis der Stadt Bad Dürkheim ausgezeichnet. 2009 gewinnt er bei den Clio-Awards, die zu den wichtigsten Kreativpreisen der Welt zählen, den Grand Prix und Gold für die erste literarische Live-Werbepause. Simon Urban lebt und schreibt in Hamburg sowie dem Ost-Holsteinischen Techau.
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