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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.01.2024

Ein Roman über Musik und so viel mehr

Becks letzter Sommer
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Lehrer Robert Beck führt ein tristes Leben, bis er beinahe gleichzeitig auf seine erste große Liebe Lara und auf den musikalisch hochbegabten Schüler Rauli trifft. Dieser weckt Erinnerungen an seine eigene ...

Lehrer Robert Beck führt ein tristes Leben, bis er beinahe gleichzeitig auf seine erste große Liebe Lara und auf den musikalisch hochbegabten Schüler Rauli trifft. Dieser weckt Erinnerungen an seine eigene Karriere als gescheiterter Musiker und den Traum, diese wieder aufleben zu lassen.

Benedict Wells überrascht in jedem seiner Romane mit einem anderen Stil: In "Becks letzter Sommer" schreibt er humorvoll, sarkastisch und trotzdem todernst.
Die ganze Geschichte ist sehr dynamisch, lebendig, gleichzeitig tiefgründig und melancholisch. Sie nimmt einen als Leser*in einfach mit, man kann gar nicht anders als ihr zu folgen.
Jeder Charakter überzeugt durch seinen Charme und seine Eigenheiten und obwohl es manchmal ins Absurde geht, nimmt man dem Autor alles ab.

Es geht um Musik, um das Streben nach Glück, um Liebe und um grundlegende Fragen des Daseins. Die Story ist ein Auf und Ab, ebenso wie das reale Leben.

Ich habe mich wieder einmal gern auf Benedict Wells' Charaktere und Geschichte eingelassen, es ist kaum zu glauben, dass er das Buch schon mit Anfang 20 geschrieben hat.

Zur Hörbuchversion: Ich hatte zuerst meine Zweifel, ob Christian Ulmen und Benedict Wells zusammenpassen, sobald ich losgehört habe, wurde mir allerdings bewusst, dass es keine bessere Besetzung hätte geben können. Ulmen inszeniert Beck so perfekt, haucht aber auch allen anderen Figuren so viel Leben ein, dass es ein wahres Vergnügen war, dem Hörbuch zu folgen.

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Veröffentlicht am 05.04.2023

Nicht nur fast genial

Fast genial
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Der siebzehnjährige Francis lebt mit seiner psychisch erkrankten Mutter in einem Trailerpark. Als er eines Tages erfährt, dass sein ihm unbekannter Vater ein Genie ist, macht er sich gemeinsam mit zwei ...

Der siebzehnjährige Francis lebt mit seiner psychisch erkrankten Mutter in einem Trailerpark. Als er eines Tages erfährt, dass sein ihm unbekannter Vater ein Genie ist, macht er sich gemeinsam mit zwei Freunden auf die Suche nach ihm - quer durch die USA.

"Fast genial" ist mein zweites Buch von Benedict Wells und ich wurde auch diesmal nicht enttäuscht.
Der Schreibstil ist etwas schnörkelloser als ich es von ihm kannte, die Sprache ist klar und verständlich und daher ließ sich das Buch angenehm leicht und flüssig lesen.
Dennoch ist es nicht weniger tiefgründig, im Gegenteil: Es behandelt existenzielle Themen rund um (genetische) Herkunft, Fremd- und Eigenverantwortung für das Leben, die eigene Persönlichkeitsentwicklung.

Gut gefallen hat mir der Aufbau des Buches, der den Inhalt geschickt unterstreicht: Während die drei Freunde auf der Suche nach Francis' Vater sind, ist die Storyline geradlinig und zielgerichtet. Nachdem dieses Ziel erreicht wurde, verläuft die weitere Handlung genauso orientierungslos und wirr wie Francis sich gerade fühlt.

Wells lässt die Lesenden gekonnt die ganze Geschichte hindurch Francis' Emotionen mitspüren, sei es Liebe, Wut, Trauer, Enttäuschung oder zu guter letzt die Desillusionierung.
Spannend waren die daraus relsutierenden unerwarteten Handlungen und Francis' gesamte charakterliche Entwicklung.
Das Ende ist meiner Meinung nach genial - auch wenn ich es auf eine gewisse Weise hasse.

Für mich war es ein sehr kurzweiliger, flüssig zu lesender Roman über einen Roadtrip, der einerseits die Leichtigkeit und Naivität der Jugend widergibt, andererseits auch tiefgründige Themen aufgreift.

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Veröffentlicht am 14.07.2024

Schonungslos ehrlich

Die schönste Version
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“Die schönste Version” erzählt die Geschichte von Jella und Yannick. Das Buch fängt mit einer romantischen Erinnerung an einen Urlaub der beiden an, um dann mit dem Schlimmsten weiterzumachen: Yella sitzt ...

“Die schönste Version” erzählt die Geschichte von Jella und Yannick. Das Buch fängt mit einer romantischen Erinnerung an einen Urlaub der beiden an, um dann mit dem Schlimmsten weiterzumachen: Yella sitzt auf einer Polizeistation, um Yannick wegen häuslicher Gewalt anzuzeigen.
In den darauffolgenden Kapiteln erfährt man immer mehr über die Vergangenheit der jungen Frau, man folgt ihr bei der Beantwortung der Frage, wie es so weit kommen konnte.

In kurzen, schnellen Wechseln erfahren wir viel über ihre Vergangenheit und die Gegenwart nach dem Übergriff; dies bewirkt eine unglaubliche Dynamik.
Die Erinnerungen an ihr Frauwerden sind teils schön, teils traumatisch. Der Schreibstil ist dabei vor allem eins: direkt. Er ist schonungslos ehrlich, derb und oft sogar abstoßend. Genau deswegen wusste ich lange nicht, ob mir das Buch gefällt oder es mich anekelt.
Jedoch bringt Ruth-Maria Thomas das Thema häusliche Gewalt extrem wirkungsvoll zu Papier, die Szenen sind absolut glaubwürdig und ungeschönt. Auch die ambivalenten Gefühle Jellas nach der Tat, das Zweifeln an sich selbst, sowie das Ende fand ich sehr realitätsnah und das hat mich überzeugt.

“Die schönste Version” ist ein Roman, der definitiv Diskussionsbedarf schafft und obwohl (oder gerade weil?) der Schreibstil manchmal abstoßend war, zieht die Autorin ihre Leser*innen in einen Sog und bringt ihnen das harte Thema des Buches fühlbar näher.

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Veröffentlicht am 03.06.2024

Tod durch KI?

Der 1. Patient
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Eine Routineoperation sollte für die erfahrene Chirurgin Sasha Müller kein Problem sein - wird es aber, als der Patient währenddessen völlig unerwartet verstirbt.
Als sie wegen fahrlässiger Tötung angeklagt ...

Eine Routineoperation sollte für die erfahrene Chirurgin Sasha Müller kein Problem sein - wird es aber, als der Patient währenddessen völlig unerwartet verstirbt.
Als sie wegen fahrlässiger Tötung angeklagt wird, wendet sie sich an den Strafverteidiger Rocco Eberhardt, welcher den Fokus auf etwas ganz anderes lenkt: Der OP-Plan wurde durch eine künstliche Intelligenz generiert und seine Mandantin hat sich gewissenhaft daran gehalten. Müsste nicht eigentlich die KI auf der Anklagebank sitzen?

“Der erste Patient” ist bereits der vierte Band aus der Krimireihe von Michael Tsokos und Florian Schwiecker. Wie die drei Vorgänger kann man ihn aber auch losgelöst von den anderen lesen.
Er besticht durch seine kurzen Kapitel mit vielen Orts- und Perspektivwechseln, welche für schnell aufkommende und anhaltende Spannung sorgen. Auch hier wird der Schwerpunkt wieder auf den Gerichtsprozess gelegt und auch hier sind diese Szenen wieder besonders gut gelungen. Durch die Expertise der Autoren sind sie realitätsnah dargestellt und doch für den Laien verständlich.
Strafverteidiger Rocco Eberhardt glänzt wie gewohnt durch seine klugen Einfälle und pointierte Fragen vor Gericht. Seinen “Kollegen” Justus Jarmer und die ganze Rechtsmedizin habe ich allerdings etwas vermisst. Sie finden hier kaum Erwähnung und spielen keine wichtige Rolle.

Die Besonderheit dieses Bandes ist wohl die Thematik: Der Einsatz von KI in der Medizin. Die Debatte darum wird ausführlich mit all seinen Pros und Kontras dargestellt und ich konnte viele neue Informationen daraus mitnehmen.

Eine große Schwäche hingegen ist meiner Meinung nach die Auflösung bzw. das Motiv. Dieses wirkt doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen und nicht wirklich verständlich.

“Der erste Patient” ist für mich bisher der schwächste Band der Reihe, dennoch ein solider Justizkrimi, der wieder einmal ohne Nervenkitzel auskommt und seine Leser*innen doch temporeich in seinen Bann zieht.

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Veröffentlicht am 01.06.2024

Authentisch und sensibel

Nie, nie, nie
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Die Protagonistin in Linn Strømsborgs “Nie, nie, nie” ist Mitte dreißig und wusste schon immer, dass sie keine Kinder haben möchte. Der Roman befasst sich damit, wie ihr Umfeld auf ihre Entscheidung reagiert ...

Die Protagonistin in Linn Strømsborgs “Nie, nie, nie” ist Mitte dreißig und wusste schon immer, dass sie keine Kinder haben möchte. Der Roman befasst sich damit, wie ihr Umfeld auf ihre Entscheidung reagiert und behandelt damit ein wichtiges feministisches Thema.


Noch heute werden Frauen ohne Kinderwunsch gesellschaftlich unter Druck gesetzt, müssen sich absurde Vorwürfe anhören oder werden nicht ernstgenommen (“Du hast nur noch nicht den richtigen Mann getroffen.”). Dabei sprechen rational gesehen mindestens genauso viele Gründe gegen Kinder wie dafür - wahrscheinlich sogar mehr.


“Nie, nie, nie” beschreibt die Themen Muttersein und Nicht-Muttersein sehr authentisch, ungeschönt und sensibel, ist dabei aber angenehm wertfrei.

Die Protagonistin ist anderen Entscheidungen gegenüber tolerant, eine warmherzige und liebevolle Freundin, Partnerin und Tante (man muss keine Kinderhasserin sein, um sich gegen Kinder zu entscheiden) und ich mochte es, ihren Gedanken und Erzählungen zu folgen.


Der Roman folgt dabei nicht dem klassischen geradlinigen Aufbau einer Geschichte, sondern erinnert mehr an ein Journal, bestehend aus Gedanken der Protagonistin und dem Umgang ihres Umfeldes mit ihrer Kinderlosigkeit.


Der Schreibstil ist sehr einfach und die Abschnitte kurz gehalten, sodass man das Buch am liebsten in einem Stück weglesen möchte. Obwohl ich selbst Mutter bin und glücklich mit meiner Entscheidung, konnte ich alle Gedanken und Argumente dagegen gut verstehen und nachvollziehen. Es zeigt einem noch einmal auf, wie absolut selbstverständlich es für viele Außenstehende ist, das intime Thema Kinderwunsch anzusprechen und zu bewerten. ⭐️4/5⭐️


*Aus dem Norwegischen von Stefan Pluschkat

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