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Veröffentlicht am 03.10.2018

Die Wurzel allen Übels

Das Geheimnis der Grays
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Die Grays waren mal alteingesessene Gutsbesitzer, inzwischen sind sie nur noch eine abscheuliche, verstrittene Sippe. Die Geschwister kehren mit ihren Familien nur ungern an Weihnachten ins Elternhaus ...

Die Grays waren mal alteingesessene Gutsbesitzer, inzwischen sind sie nur noch eine abscheuliche, verstrittene Sippe. Die Geschwister kehren mit ihren Familien nur ungern an Weihnachten ins Elternhaus zurück, eigentlich nur, weil sie vom alten Gray Geld wollen. Was sie nicht wissen, dass er selbst durch Spekulationen total überschuldet ist. Die Söhne und Töchter sind einander in herzlicher Abneigung, bis hin zum Hass verbunden.

Dann stirbt Gray in der Weihnachtsnacht in seiner Bibliothek, es ist ein plötzlicher Tod. Der Leser wird Zeuge seiner Ermordung und der Versuche des Mörders seine Spuren zu verwischen. Im Gegensatz zu den Whodunit-Krimis stellt sich hier also nie die Frage nach dem Täter, sondern nach dem Auslöser der Tat. Die Autorin legt in ihrem Buch sehr viel Wert auf die psychologischen Gründe und ihrer Auswirkung. Ein jedes Familienmitglied und die Ehepartner werden beschrieben und analysiert, das wirkt fast wie eine Familienaufstellung. Weil oft auch die herrschenden Moralvorstellungen der Zeit einfließen, wirkt es in manchen Teilen ungewollt komisch und antiquiert. Dass einer der Schwiegersöhne Grays, Eustache Moore, ein windiger Spekulant, natürlich Jude ist und alle negativen Charaktereigenschaften diesem Umstand zugeschrieben wird, fällt unangenehm auf. Das ist dem Zeitgeist der 1930iger Jahre geschuldet, aber es bleibt ein schlechter Beigeschmack.

Natürlich sind die Bemühungen des herabgerufenen Kriminalbeamten nutzlos. Es bleibt einem Schwiegersohn Grays - übrigens mit seiner Frau die einzigen sympathischen Protagonisten - überlassen, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ich verfolge seit einiger Zeit die Wiederentdeckung klassischer Krimis im Klett Cotta Verlag. Die liebevolle wertige Ausstattung lässt ein Sammlerherz höher schlagen. Diese Neuübersetzung hat mich allerdings nicht überzeugen können, auch wenn im Nachwort die euphorische Besprechung von Dorothy L. Sayers zitiert wird.

Veröffentlicht am 04.09.2018

A grausliche Leich

Walter muss weg
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Von der Dorfidylle zum Vorhof der Hölle ist es nur ein kurzer Weg. Und in Glaubenthal, dem Dörfchen zwischen grünen Wiesen und sanften Hügeln scheint er besonders kurz.
Hannelore Huber, die Huberin, darf ...

Von der Dorfidylle zum Vorhof der Hölle ist es nur ein kurzer Weg. Und in Glaubenthal, dem Dörfchen zwischen grünen Wiesen und sanften Hügeln scheint er besonders kurz.
Hannelore Huber, die Huberin, darf endlich nach 53 mehr oder weniger qualvollen Ehejahren ihren Walter zu Grabe tragen. Aber einem Sargträger rutscht das Seil aus der Hand, der Sarg poltert senkrecht in die Grube, springt auf und da liegt kein friedvoller Walter drin.
Selbst ein ausführlicher Leichenschmaus bringt kein Licht in die Angelegenheit, nur einige Leute, die sich die Hanni Huber schon verwundert anschaut. Da weint sich eine Frau die Augen aus, ein Stück von Walters Prothese taucht in einer Hundeschnauze auf und Dorfarzt und Pfarrer verwickeln sich in seltsame Widersprüche.
Diese Dorfroman ist schwarzhumorig und bitterböse. Die Huberin als Mittelpunkt dieses Rätsels um den verschwunden Toten ist eine gallige, verbittert gewordene Alte. Aber dumm ist sie nicht, auch wenn man sie gern so hinstellt. Es braucht eine ganze Menge skurriler Wendungen und Anspielungen bis sie das Spiel durchschaut, aber dann ist sie am Zug.
Thomas Raabs Krimis um den Wiener Restaurator Metzger waren immer ein Muss für mich. Deshalb war ich auf den Start einer neuer Serie schon sehr gespannt. Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch. Dieser Dorfkrimi hat mich jedenfalls nicht überzeugen können. Er wirkte mit seinen vielen skurrilen Einfällen zu überzogen und den feinen Humor, den ich bei Raab sonst so schätze, kommt hier eher brachial daher. Auch sprachlich konnte mich das Buch nicht überzeugen, die Sätze sind verschachelt und dennoch abgehackt. Nebensätze bleiben in der Luft hängen und ich hatte das Gefühl, das auch hier Raab unbedingt ganz besonders skurril und urig sein wollte und deshalb diesen Sprachstil wählte. Mir fehlt die Leichtigkeit und der österreichische Charme, der für mich immer ein Markenzeichen des Autors war.
Die Figurenzeichnung ist dick aufgetragen und erinnert mich an ein Bauerntheater. Es gab komische Szenen, aber auch die Auflösung erinnerte mich eher an eine Dorfgroteske, als an einen Krimi.
Schade, ich hatte mich so sehr das neue Buch von Thomas Raab gefreut.

Veröffentlicht am 16.12.2017

Nicht überzeugend

Totengrab
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„Totengrab“ ist der erste Band einer geplanten Reihe um den DI Solomon Gray.
Gray wird zu einem Selbstmord gerufen, ein 16jähriger ist wohl vom Balkon gesprungen, das trifft den DI tief, denn das ist auch ...

„Totengrab“ ist der erste Band einer geplanten Reihe um den DI Solomon Gray.
Gray wird zu einem Selbstmord gerufen, ein 16jähriger ist wohl vom Balkon gesprungen, das trifft den DI tief, denn das ist auch das Alter seines Sohnes, der vor Jahren spurlos von einem Rummelplatz verschwand. Gray konnte das nie verwinden, an der Trauer zerbrach seine Ehe, seine Frau brachte sich um und innerlich fühlt er sich leer. Er ist ausgebrannt, aggressiv und der Alkohol gibt ihm den Rest.
Damit ist das Szenario fast schon programmiert, die Probleme Grays stehen im Mittelpunkt, der Kriminalfall, denn als solcher entpuppt sich der angebliche Selbstmord, rankt sich drum herum. Wem kann Gray noch trauen? Dann häufen sich die Morde in Grays engerer Umgebung, kein Wunder, dass er selbst in den Fokus der Ermittlungen gerät.
Es scheint, dass alle Beamten etwas zu verbergen haben und ihr eigenes Süppchen kochen. Ganz ehrlich, ich bin nicht immer durchgestiegen, welche Beziehung wer zu wem hat und was der hinzukommende Beamte Pennance eigentlich damit zu tun.

Mir hat der Stil nicht sonderlich gefallen, es wurde für mich zu tief in die Klischeekiste gegriffen. Polizist, Typ einsamer Wolf, am Rande des Zusammenbruchs und immer mit einer Flasche in der Tasche und einer Zote auf den Lippen, man sollte Empathie fühlen. Aber die Figuren blieben mir einfach zu oberflächlich, zu überzogen gezeichnet und das riss dann auch das überraschende Finale nicht mehr raus.

Totengrab – den Titel finde ich auch recht beliebig, vor allem weil die Liste der Krimis, die mit Toten…. beginnen, unendlich ist. Vielleicht wäre eine wortgetreuere Übersetzung des englischen Titels origineller gewesen.

Veröffentlicht am 06.08.2017

Rachemond

Rachemond
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Die Journalistin Elvira wird vom Chefredakteur ihrer Zeitung, des Wiener Tagesboten, nach Kärnten geschickt. Dort wurde die Leiche des Vorsitzenden der Christine-Lavant-Gesellschaft aus dem Bach gefischt. ...

Die Journalistin Elvira wird vom Chefredakteur ihrer Zeitung, des Wiener Tagesboten, nach Kärnten geschickt. Dort wurde die Leiche des Vorsitzenden der Christine-Lavant-Gesellschaft aus dem Bach gefischt. Selbstmord, wie es gleich heißt, aber der Chef wittert eine Story.
Bei der Polizei fällt Elviras Recherche unangenehm auf, Inspektor Speckbacher hält nichts von neugierigen Journalistinnen, die seine Schlussfolgerung in Frage stellen. Aber nach einigen Gesprächen ist Elvira sicher: es war Mord.
Der Krimi führt ins tiefste Kärnten, ins Lavanttal. Dort lebte und starb die beeindruckende Dichterin Christine Lavant. Es ist ein Verdienst des Autors, Person und Werk dieser Künstlerin in den Focus zu rücken, sie war für mich bisher nur ein Name im Literaturlexikon. Auch die Idee ein geheimnisvolles Manuskript zum Mittelpunkt des Plots zu machen, gefiel mir.
Allerdings bin ich mit der Hauptfigur, der Journalistin Elvira nicht warm geworden. Sie blieb eine Figur ohne Kontur. Trotz der vielen, sich oft wiederholenden Beschreibungen. Muss ich denn bei jeder Getränkebestellung der Protagonistin wieder erfahren, warum sie Tee dem Kaffee vorzieht und wie sie ihn am liebsten mag? Reicht nicht einmal die Erklärung zu ihrem Fleischverzicht, ohne die dauernde Wiederholung bei jedem Gaststättenbesuch?
Überhaupt, die Beschreibungen – manchmal dachte ich, Wolfgang Jezek traut seinen Lesern nicht viel zu. Statt Handlung und Personen aus Situationen oder Dialogen zu charakterisieren, werden immer wieder langatmige Erklärungen eingeschoben. Ist da der Brotberuf des Debütautors eingeflossen? So konnte kein rechter Lesefluss entstehen und ich muss zugeben, darüber habe ich mich auch geärgert. Der Schreibstil ist mir manchmal als hölzern aufgefallen, die Dialoge wirkten nicht unbedingt lebensecht. Nach der Beschreibung hatte ich mehr erwartet. Etwas mehr Charme und Sprachwitz hätten mir gefallen. Ein Minuspunkt ist auch die Auflösung des Falls, ich finde mich immer unterschätzt, wenn zum Schluss plötzlich ein Täter aus dem Hut gezaubert wird und dann noch einmal Tathergang und Motive zusammengefasst und erklärt werden.
Das ist eigentlich schade, denn ich fand viele gute Ansätze und der Plot hatte Potenzial. Der Krimi spielt in jüngster Vergangenheit, in Kärnten ist die Ära Haider grade erst zu Ende gegangen und ich spürte, dass die Probleme des Bundeslandes ein echtes Anliegen des Autors sind. Das hat mir über die Krimilektüre hinaus viel Stoff zum Nachdenken und Nachlesen gegeben.
Ich bin sehr neugierig, wie sich der Autor nach diesem Debütkrimi weiterentwickelt.

Veröffentlicht am 02.07.2017

Armer Hund

Scharfe Hunde
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Irmi Mangold und Kollegin Kathi Reindl – die immer wie eine Bulldogge auf Speed agiert – bearbeiten einen Mord mit Pflanzengift, das Opfer hat sich vehement mit dem allmächtigen Werdenfelser Touristikverband ...

Irmi Mangold und Kollegin Kathi Reindl – die immer wie eine Bulldogge auf Speed agiert – bearbeiten einen Mord mit Pflanzengift, das Opfer hat sich vehement mit dem allmächtigen Werdenfelser Touristikverband angelegt. Dorthin führen auch erste Spuren. Genug Gelegenheit für Exkurse gegen „Geiz ist geil“-Vertreter, Anzugträger und das alles mit erhobenen Zeigefinger und einer Besserwisser-Attitüde, was mir schon im ersten Drittel immer mal wieder unangenehm aufgefallen ist.
Der Krimi nimmt dann mit einem Zufallstreffer Fahrt auf, ein LKW verunglückt, die Ladung sind Dutzende illegal eingeschmuggelte Welpen aus osteuropäischen Qualzüchtungen. Irmi findet einige Querverbindungen zu der sonst so honorig wirkenden Dame aus dem Touristikverband und sieht sich mit den schlimmen, skrupellosen Machenschaften der Tiermafia konfrontiert.
Nachdem ich einige Jahre keinen neuen Krimi der Autorin mehr gelesen hatte, bin ich auf diesen „Alpenkrimi“ neugierig geworden. Aber schon nach einigen Dutzend Seiten war mir wieder deutlich warum Nicola Förg nicht mehr ganz oben auf meiner Liste stand. Sie bringt viele wichtige Themen und ihre persönliche Weltanschauung mit ein, was legitim ist. Aber wie gesagt, geraten ihr diese Szenen manchmal sehr penetrant und belehrend. Wenn sie dann auch darüber vergisst einen spannenden Plot aufzubauen, sich mit holzschnittartigen beschriebenen Figuren und schlichten Dialogen begnügt, leidet das Lesevergnügen erheblich. Gerade bei den Personen hätte mir eine differenzierte Charakterisierung besser gefallen. Ich denke da besonders an die Tourismusexpertin Mann.
Insgesamt hat mich der Krimi nicht recht fesseln und überzeugen können.