Gelobtes Land?
Polnischer AbgangJarek Sobota und seine Eltern leben im oberschlesischen Dorf Salesche. Nach dem Mauerfall will die Familie auf ins "gelobte Land" Deutschland. Vor acht Jahren ist Jareks Großmutter Agnieszka still und ...
Jarek Sobota und seine Eltern leben im oberschlesischen Dorf Salesche. Nach dem Mauerfall will die Familie auf ins "gelobte Land" Deutschland. Vor acht Jahren ist Jareks Großmutter Agnieszka still und leise in die damalige Bundesrepublik geflohen. Ohne es ihrem Mann oder ihren Söhnen mitzuteilen, war sie eines Tages verschwunden. Getarnt mit einem Touristenvisa und der Einladung der Großmutter fahren die Sobotas mit dem Schlepper Hübner Richtung Grenze. Zuhause wurde alles verschenkt und verkauft.
Im Zwischenlager Unna-Massen leben sie auf engstem Raum mit anderen Flüchtlingen. Dort lernt Jarek Monika kennen, mir der er sich anfreundet.
Vom Aussiedlerlager geht es weiter in Notquartiere und Jarek fragt sich, wann er endlich seine Großmutter Agnieszka treffen wird. Doch das Geheimnis um ihre Flucht halten die Eltern selbst am Weihnachtstag aufrecht...
Die Geschichte spielt 1990 nach dem Fallen des eisernen Vorhangs. In vierzig kurzen Kapiteln erzählt der Autor von der Flucht und der ersten Zeit in Deutschland. Dazu gibt es immer wieder Rückblicke in die nahe Vergangenheit, in die damals sehr unruhige Zeit in Polen. Mariusz Hoffmann wechselt dabei zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen, die nicht wirklich gekenntzeichnet sind. Das hat mich manchmal in meinem Lesefluss gebremst.
Die erste Hälfte hat mir sehr gut gefallen. Der Schreibstil ist humorvoll. Besonders geschmunzelt habe ich über die Episode mit dem Gartenzwerg. Es gibt jedoch auch einige kritische Töne.
Die Zeit in Polen und die Flucht wurde sehr bildhaft und emotional dargestellt. Ich habe mit Jarek und seinen Eltern an der Grenze mitgezittert und die Anspannung gespürt, war entsetzt von den Auffanglagern, in die sie untergebracht wurden und neugierig auf die verschiedenen Menschen, die sie getroffen haben. Die pfiffige Monika nimmt dabei einen größeren Teil ein. Jarek und seine Familie erkennen bald, dass die Bürokratie in Deutschland eine größere Hürde ist, als sie dachten. Die Behördenwege sind lange und aufreibend, die Aufnahme durch die Bewohner nicht immer herzlich. Ihnen schlagen viele Vorurteile und typische Klischees entgegen. Wir begleiten Jarek und seine Familie in eine ungewisse Zukunft, die nicht ganz so rosig aussieht, wie sie dachten.
Die zweite Hälfte konnte mich hingegen nicht mehr so mitreißen. Die Figuren werden nicht greifbarer und bleiben eher blass. Von den Gefühlen und Ängsten der Eltern hat man kaum etwas erfahren. Einzig Jarek konnte ich durch die Ich-Perspektive besser kennen lernen. Der Aufenthalt in Deutschland war zeitweise auch etwas langatmig. Das Ende bleibt leider auch etwas offen.
Fazit:
Das Buch hat mir in der ersten Hälfte sehr gut gefallen, jedoch fand ich die zweite Hälfte leider nicht mehr so stark. Mir fehlte etwas die Tiefe der Figuren und die emotionale Erzählweise, die bis zur Ausreise vorhanden war. Dennoch finde ich die Thematik - besonders für Jugendliche - sehr interessant und aufschlussreich und empfehle den Roman für diese Altersgruppe gerne weiter.