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Veröffentlicht am 16.05.2023

Gelobtes Land?

Polnischer Abgang
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Jarek Sobota und seine Eltern leben im oberschlesischen Dorf Salesche. Nach dem Mauerfall will die Familie auf ins "gelobte Land" Deutschland. Vor acht Jahren ist Jareks Großmutter Agnieszka still und ...

Jarek Sobota und seine Eltern leben im oberschlesischen Dorf Salesche. Nach dem Mauerfall will die Familie auf ins "gelobte Land" Deutschland. Vor acht Jahren ist Jareks Großmutter Agnieszka still und leise in die damalige Bundesrepublik geflohen. Ohne es ihrem Mann oder ihren Söhnen mitzuteilen, war sie eines Tages verschwunden. Getarnt mit einem Touristenvisa und der Einladung der Großmutter fahren die Sobotas mit dem Schlepper Hübner Richtung Grenze. Zuhause wurde alles verschenkt und verkauft.
Im Zwischenlager Unna-Massen leben sie auf engstem Raum mit anderen Flüchtlingen. Dort lernt Jarek Monika kennen, mir der er sich anfreundet.
Vom Aussiedlerlager geht es weiter in Notquartiere und Jarek fragt sich, wann er endlich seine Großmutter Agnieszka treffen wird. Doch das Geheimnis um ihre Flucht halten die Eltern selbst am Weihnachtstag aufrecht...

Die Geschichte spielt 1990 nach dem Fallen des eisernen Vorhangs. In vierzig kurzen Kapiteln erzählt der Autor von der Flucht und der ersten Zeit in Deutschland. Dazu gibt es immer wieder Rückblicke in die nahe Vergangenheit, in die damals sehr unruhige Zeit in Polen. Mariusz Hoffmann wechselt dabei zwischen verschiedenen zeitlichen Ebenen, die nicht wirklich gekenntzeichnet sind. Das hat mich manchmal in meinem Lesefluss gebremst.

Die erste Hälfte hat mir sehr gut gefallen. Der Schreibstil ist humorvoll. Besonders geschmunzelt habe ich über die Episode mit dem Gartenzwerg. Es gibt jedoch auch einige kritische Töne.
Die Zeit in Polen und die Flucht wurde sehr bildhaft und emotional dargestellt. Ich habe mit Jarek und seinen Eltern an der Grenze mitgezittert und die Anspannung gespürt, war entsetzt von den Auffanglagern, in die sie untergebracht wurden und neugierig auf die verschiedenen Menschen, die sie getroffen haben. Die pfiffige Monika nimmt dabei einen größeren Teil ein. Jarek und seine Familie erkennen bald, dass die Bürokratie in Deutschland eine größere Hürde ist, als sie dachten. Die Behördenwege sind lange und aufreibend, die Aufnahme durch die Bewohner nicht immer herzlich. Ihnen schlagen viele Vorurteile und typische Klischees entgegen. Wir begleiten Jarek und seine Familie in eine ungewisse Zukunft, die nicht ganz so rosig aussieht, wie sie dachten.

Die zweite Hälfte konnte mich hingegen nicht mehr so mitreißen. Die Figuren werden nicht greifbarer und bleiben eher blass. Von den Gefühlen und Ängsten der Eltern hat man kaum etwas erfahren. Einzig Jarek konnte ich durch die Ich-Perspektive besser kennen lernen. Der Aufenthalt in Deutschland war zeitweise auch etwas langatmig. Das Ende bleibt leider auch etwas offen.

Fazit:
Das Buch hat mir in der ersten Hälfte sehr gut gefallen, jedoch fand ich die zweite Hälfte leider nicht mehr so stark. Mir fehlte etwas die Tiefe der Figuren und die emotionale Erzählweise, die bis zur Ausreise vorhanden war. Dennoch finde ich die Thematik - besonders für Jugendliche - sehr interessant und aufschlussreich und empfehle den Roman für diese Altersgruppe gerne weiter.

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Veröffentlicht am 09.05.2023

Schwächer als Band Eins

Belgische Schatten
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Vor 2 1/2 Jahren habe ich den ersten Band dieser Reihe gelesen, der mir gut gefallen hat. Irgendwie habe ich die Veröffentlichung des zweiten Buches versäumt. Dieses werde ich mir noch kaufen und den Kriminalfall ...

Vor 2 1/2 Jahren habe ich den ersten Band dieser Reihe gelesen, der mir gut gefallen hat. Irgendwie habe ich die Veröffentlichung des zweiten Buches versäumt. Dieses werde ich mir noch kaufen und den Kriminalfall nachholen. Bei Lovelybooks ist mir dann "Belgische Schatten" aufgefallen und ich freue mich sehr, dass ich nun wieder mit Piet Donker ermitteln darf.

Nach der Trennung von seiner Freundin fällt Piet in ein tiefes Loch. Er nimmt sich eine Auszeit, bleibt jedoch antriebslos. Eigentlich möchte er sich wieder aufraffen und auf die Beine kommen, doch er verfällt immer mehr in eine Depression. Piet trinkt zu viel und verschleudert sein Geld bei Sportwetten.
Bis sein Freund Francis Albert, der die Leitung der Lütticher Kripo übernommen hat, Piet um Hilfe bittet. In Eupen wurde eine Politikerin brutal ermordet. Mit diesem Fall möchte er Piet wieder aus seinem Tief holen. Alles deutet auf eine politisch motivierte Tat hin, doch dann wird ein weiterer Toter aufgefunden. Der Ermordete war in seiner Jugendzeit in derselben Clique, wie die tote Politikerin. Damals verschwand ein Mädchen aus der Gruppe spurlos. Bis heute gibt es keine Spuren.

Stephan Haas erzählt in der Gegenwart in der Ich-Form aus der Sicht von Piet, in der Vergangenheit aus der Sicht der verschwundenen Joleen. Dazwischen befinden sich noch Dialoge in kursiver Schrift, die einen kleinen Einblick in die Gedanken des Täters aufzeigen.
Obwohl Piet durch den neuen Fall etwas aus seinem Loch herauskommt, ist sein Spürsinn doch etwas getrübt. Mit seinen beiden Kolleginnen hat er ebenfalls zu kämpfen, vorallem mit Melchior, die kaum menschliche Regungen zeigt. Uma hingegen scheint nett, gehörte jedoch zur damaligen Jugendclique und darf deswegen nicht ermitteln - was sie natürlich nicht befolgt. Es gibt jede Menge Verdächtige und es scheint, als hätten hier so einige Einwohner etwas zu vertuschen.
Lange tappt Piet im Dunkeln und gerät schließlich selbst in Gefahr. Genau bei diesem Aspekt fand ich einige Handlungen von ihm etwas unglaubwürdig. Schwer verletzt ermittelt Piet weiter, als wäre nichts geschehen. Das war mir etwas too much. Auch die Auflösung fand ich leider nicht ganz rund. Ansonsten war die Krimihandlung aber abwechslungsreich und spannend.

Der Schreibstil ist flüssig und auch das eingebaute Lokalkolorit ist gelungen. Eupen wird sehr bildhaft dargestellt und ich konnte mir auch das Leben in der Stadt sehr gut vorstellen. Die drei gewählten Perspektiven waren gut aufeinander abgestimmt und sorgten für ordentlich Spannung.

"Belgische Schatten" ist im Vergleich zu Stephan Haas Debütkrimi "Belgische Finsternis" leider trotzdem etwas schwächer. Dennoch möchte ich mir noch auf jeden Fall den zweiten Band der Reihe holen und erfahren, was Piet in diese tiefe Depression gestürzt hat und welchen brisanten Fall ich verpasst habe.

Fazit:
Ein dritter Teil, der für mich nicht ganz an den ersten Band der Reihe herankommt, mich aber trotzdem gut unterhalten und mir spannende Lesestunden bereitet hat. Wegen der genannten Kritikpunkte gibt es diesmal 3 1/2 Sterne.

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Veröffentlicht am 26.04.2023

Das Leben im Rückblick

Die Sekunde zwischen dir und mir
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Nach dem Beenden dieses Romans bin ich noch immer etwas unentschlossen, wie ich diese Geschichte bewerten soll. Der Aufbau ist ungewöhnlich und der Plot wirklich interessant. So ganz konnte mich der Roman ...

Nach dem Beenden dieses Romans bin ich noch immer etwas unentschlossen, wie ich diese Geschichte bewerten soll. Der Aufbau ist ungewöhnlich und der Plot wirklich interessant. So ganz konnte mich der Roman jedoch nicht überzeugen...

Edingburgh 2019. Als Robbie und Jen sich nach einer längeren Pause in ihrer Beziehung wieder näherkommen, rast ein LKW auf ihr Auto zu. Die Sekunden bevor dies passiert, erlebt der Leser auf den ersten Seiten mit und hat mich bei der Leseprobe sofort gefesselt. Im Hinterkopf hatte ich den Film "Die Dinge des Lebens" mit Romy Schneider und Michel Piccoli.
Doch diese Geschichte ist anders, auch wenn wir ebenfalls auf die Vergangenheit der beiden Figuren zurückblicken. Als der LKW auf das Auto zurast, steht die Zeit sill. Robbie reist in dieser Zeitspanne durch Jenns Erinnerungen. Diese Rückblicke verlaufen jedoch nicht zeitlich linear. Vorallem zu Beginn hatte ich deswegen Schwierigkeiten in den Roman zu finden. Die Rückblicke sind bunt durcheinander gewürfelt. Sie erzählen einmal von Jennys Kindheit und dann von Robbie und ihrer Beziehung kurz vor der Trennung. Man wechselt immer wieder zwischen den Zeiten und den Figuren.

Der Schreibstil von Emma Steele lässt sich sehr gut lesen und nachdem man sich an die Zeitsprünge gewöhnt hat, habe ich sehr gut in die Handlung gefunden. Etwas befremdlich fand ich hingegen, dass beide Protagonisten auf das Leben von Jenn zurückblicken. Robbie ist dabei Zuschauer. Er sieht sich selbst und blickt auf ihre Beziehung und auf das Leben davor zurück. Dabei spürt er auch Jenns Gefühle und erkennt, dass er einiges falsch gemacht hat. Mit der Zeit hat Robbie das Gefühl, dass er den Unfall abwenden kann, wenn er herausfindet, was Jenn ihm kurz vor dem Zusammenstoß sagen wollte. Wird er das Geheimnis herausfinden?

Nach und nach gewöhnt man sich an die Zeitsprünge und lernt die beiden Charaktere immer besser kennen. Jenn ist eine symathische junge Frau, die keine einfache Kindheit hatte. Sie ist ehrgeizig und hat Ziele im Leben. Ihr Wunsch Ärztin zu werden, steht an erster Stelle. Robbie ist hingegen das komplette Gegenteil. Er liebt es Party zu machen und seinen Job als Koch. Doch die beiden ziehen sich an, wie das Licht die Motten.
Robbies Sicht von außen auf sich und Jenn zeigt ihm auch, wie unsensibel er war und wie die beiden sich vor der Trennung schon ziemlich voneinander entfernt haben. Ich war neugierig, wie sie zueinander gefunden haben und wieso sich Jenn schließlich getrennt hat. Kann Robbie herausfinden, was vor acht Monaten passiert ist? Und wenn er es weiß, kann er verhindern, was gleich geschehen wird?

Ich mag Geschichten, die ein bisschen Zeitreise beinhalten oder das "Was wäre wenn" Attribut haben. "Die Sekunde zwischen dir und mir" ist eine Mischung aus beiden Elementen und deshalb schwer einzuordnen. Ich war vorallem auch gespannt, wie die Autorin die Geschichte auflösen wird. Leider gibt es einige offene Inhaltsfragen, aber das Ende ist aufgelöst.

Cover:
Obwohl der Roman aus dem Englischen übersetzt wurde, habe ich keine anderen Cover gefunden. Angeblich soll das Buch erst 2024 im Original veröffentlicht werden....?

Fazit:
Ein außergewöhnlicher Roman mit einem tollen Thema, das mich neugierig gemacht hat. Es ist ein emotionales und tiefgründiges Buch und alles andere als kitschig. Ich mochte es sehr, dass man hier eine Geschichte abseits des aktuellen Buchmarktes bekommt. Trotzdem konnte mich "Die Geschichte zwischen dir und mir" nicht völlig überzeugen.

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Veröffentlicht am 06.04.2023

Zurück in Cherry Hill

A Place to Grow
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Ich bin zurück in Cherry Hill und der Obstfarm der Familie McCarthy. Nachdem mir der erste Band rund um Juniper sehr gut gefallen hat, musste ich wissen, wie es mit den anderen Familienmitgliedern weitergeht.

Diesmal ...

Ich bin zurück in Cherry Hill und der Obstfarm der Familie McCarthy. Nachdem mir der erste Band rund um Juniper sehr gut gefallen hat, musste ich wissen, wie es mit den anderen Familienmitgliedern weitergeht.

Diesmal begleiten wir Lilac, die mit ihrem Farmladen und der Liebe zum Backen, die ruhigere der McCarthy Schwestern ist. Für sie ist Cherry Hill der schönste Fleck der Erde und sie könnte sich nie vorstellen, irgendwo anders zu wohnen. Dazu gehört auch das alljährliche Peach Festival, welches sie als Vorsitzende des Veranstaltungskomitees mit großer Liebe organisiert.
Als sie jedoch hört, dass ihre erste große Liebe Bo Radisson aus Frankreich zurück in seine Heimat gekommen ist, um seinen Eltern mit der größten Obstfarm vor Ort zu helfen, ist es mit Lilacs Ruhe vorbei. Bo hat ihr vor Jahren das Herz gebrochen. Als er sich noch dazu die Frechheit herausnimmt, ihr seine Veränderungen für ihr geliebtes Peach Festival zu unterbreiten, ist Lilac am explodieren. In ihrem Farmladen und im Peach Festival steckt ihr ganzes Herzblut! Aber nicht nur Bo hat Pläne für das Festival, die Lilac nicht wirklich gefallen... Wird es etwas ihr geliebtes Festival bald nicht mehr geben?

Im Gegensatz zum ersten Band wissen wir von Beginn an, dass sich hier alles um Bo und Lilac und ihrer Hassliebe drehen wird. Es ist eine Second Chance Story, die eigentlich von Beginn an klar ist und trotzdem habe ich den Roman wieder sehr gerne gelesen. Auch diesmal gibt es Rückblenden in die Vergangenheit und man erfährt mehr über ihre damaligen ersten Annäherungen. Vorallem Bo lernt man dadurch besser kennen und zu verstehen. Die Enemy-to-Lovers Vibes sind besonders zu Beginn einen guten Lacher wert. Danach wird es eine zeitlang etwas zäher, denn es passiert nicht so wirklich viel. Die Rückblenden haben mir hingegen sehr gut gefallen. Man erfährt genauer, was zwischen den beiden vor acht Jahren vorgefallen und der Grund für Lilacs anfängliche Ablehnung Bo gegenüber ist. Es ist allerdings relativ schnell ersichtlich, was genau dahintersteckt.

Der Schreibstil ist wieder leicht und luftig und man fühlt sich sofort wieder wohl in Cherry Hill. Das zauberhaftes Setting hat mich auch diesmal wieder sofort gefangen genommen. Die Familienmitglieder und Freunde der McCarthys sind dem Leser aus dem ersten Band bereits bekannt und man hat das Gefühl "nach Hause zu kommen". Ich liebe es einfach, wenn man Charaktere aus vorherigen Büchern trifft. Die neuen Nebenfiguren sind ebenfalls interessant und gut gezeichnet.
Trotzdem hat mir der erste Band der Reihe besser gefallen, der etwas mehr Themen angesprochen hat und nicht nur eine reine Liebesgeschichte erzählt. Gespannt warte ich nun auf den dritten Teil, bei dem diesmal keine der drei Schwestern Hauptprotagonistin ist. Das macht es wirklich spannend!

Fazit:
Der erste Band der Cherry Hill Reihe hat mir einen Ticken besser gefallen, aber auch diesmal war ich wieder sehr gerne in Colorado und konnte nicht nur "alte Bekannte" treffen, sondern auch am Peach Festival teilnehmen. Auch die Second Chance Story mochte ich gerne. Im Vergleich zu ersten Teil fehlte aber etwas "der Pep". Nun bin ich gespannt, was der dritte Teil bringen wird.

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Auf einer Reise zu sich selbst

Agnes geht
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Mit ihrem Roman "Die wundersame Reise der Bienen" hat mich Katja Keweritsch letztes Jahr begeistern können. Mit "Agnes geht" hat die Autorin nun eine völlig andere Geschichte geschrieben.

Ihr neuer Roman ...

Mit ihrem Roman "Die wundersame Reise der Bienen" hat mich Katja Keweritsch letztes Jahr begeistern können. Mit "Agnes geht" hat die Autorin nun eine völlig andere Geschichte geschrieben.

Ihr neuer Roman erzählt die Geschichte einer Ehekrise. Es geht um Wut, Selbstfindung, Rollenklischees und Mental Load.
Agnes hat nach ihrem Biologie-Studium geheiratet und ihre Kinder bekommen. Sie blieb zuhause, während sie ihrem Mann Tom den Rücken stärkte und seine Karriere unterstützte. Zusätzlich arbeitet sie gemeinsam mit ihrer Freundin an einem sozialen Projekt für Kinder und Jugendliche, welches ihre Freundin leitet. Während sich Tom als Arzt immer mehr profiliert und sogar eine Auszeichnung erhält, fühlt sich Agnes immer mehr als Anhängsel. Beim Event zu Toms Ehrung kommt es zwischen den Beiden zum Eklat. Agnes flüchtet in ein Hotel und beschließt zu streiken. Sie fühlt sich von ihrer Familie weder geschätzt, noch als ebenbürtig angenommen, nachdem sie wegen ihrer Familie zurückgesteckt und ihren Traum "ad acta" gelegt hat. Sie beschließt aus diesem Hamsterrad auszubrechen und über den ihr vorgeschlagen Job als Biologin in Berlin nachzudenken. Das gelingt ihr am besten, wenn sie geht. Und so macht sich Agnes auf und geht quer durch Hamburg und entlang der Elbe bis nach Berlin. Auf ihrem Weg begegnet sie verschiedenen Menschen, zu denen sie mehr oder weniger intensive Kontakte hat. Dabei wird ihr bewusst, wie unglücklich sie mit ihrem Leben, ihrem Körper und ihrem Dasein als unbezahlte Familienmanagerin ist. Sie sehnt sich nach Anerkennung, Glück und Zufriedenheit.

Die Geschichte lässt sich, wie schon "Die wundersame Reise der Bienen", wunderbar lesen. Die landschaftlichen Beschreibungen sind sehr bildhaft. Die Landschaft, die Katja Keweritsch beschreibt, war für mich als Österreicherin ungewohnt. Doch die lebendige Darstellung und die zusätzlich gezeigten Fotos bei der Leserunde konnten mir wahre Bilder im Kopf zaubern. Besonders gut beschreibt die Autorin jedoch die Gefühle und Emotionen der Figuren. Sie werden sehr authentisch dargestellt. Immer wieder konnte ich die verschiedenen Gefühlsregungen tatsächlich spüren und miterleben.

Gut gefallen hat mir auch, dass Katja Keweritsch nicht nur aus der Sicht von Agnes erzählt, sondern auch aus der von Tom. Es dauert etwas, bis er bemerkt, was seine Frau eigentlich leistet und wie nebeneinander sie alle bereits gelebt haben. Jeder in der Familie nimmt ihre Arbeit als selbstverständlich hin. Ist ja im wirklichen Leben genauso und macht nachdenklich. Man fragt sich unwillkürlich, wie viel Mental Load man sich aufhalsen möchte...

Trotzdem war ich nicht mit allen Verhaltensweisen der beiden Protagonisten im Einklang. Es gab so einige Dinge, die ich weder bei Agnes, noch bei Tom gutheißen wollte. Auch empfand ich die Entwicklung bei Agnes nicht ganz so stark, wie erwartet. Das Ende ist jedoch stimmig und lässt genug Raum für eigene Gedanken.

Am Ende des Buches gibt es ein kleines Literaturverzeichnis zu den Themen Mental Load, Mutterschaft, Körperwahrnhmung und Gleichberechtigung.

Fazit:
Für mich konnte der zweite Roman der Autorin leider nicht an "Die wundersame Reise der Bienen" anschließen. Das Thema ist jedoch ein sehr wichtiges und zeigt auf, wie es größtenteils noch immer abläuft und man als Frau viel zu viel auferlegt bekommt. Man zerreibt sich oftmals zwischen Beruf, Haushalt, Garten und anderen Dingen, die alle als selbstverständlich angesehen werden.
Mit "Agnes geht" zeigt die Autorin auf, dass man seine Träume leben sollte.

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