Die Macht der Sprache - und der Herkunft
BabelBabel ist ein Epos, eine gigantische Geschichte über Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Rassismus. Ein Buch, dass in die Translationstheorien einführt und unglaublich viel Wissen vermittelt und das nicht ...
Babel ist ein Epos, eine gigantische Geschichte über Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Rassismus. Ein Buch, dass in die Translationstheorien einführt und unglaublich viel Wissen vermittelt und das nicht nur über Sprachen, sondern auch über Kulturen und dem Wesen des Menschen selbst. Ein gesellschaftskritischer Roman mit einem Hauch Fantasy - aber eben kein Fantasyroman und auch keiner, der mit Harry Potter verglichen werden muss, einfach, weil Babel das auch gar nicht nötig hat.
In Babel geht Robin Swift - ein Junge zwischen den Kulturen der Englänger und der Chinesen, der eigentlich aus Kanton stammt, seine Heimat aber bereits in jungen Jahren verlässt und auch die Verbindungen zu dieser kappt - auf die Suche nach sich selbst. Dabei gerät er immer wieder zwischen die Fronten seiner Herkunft, zwischen die Kolonialmacht England und dem als rückständig verschriebenen China. Die Reise, auf die man Robin begleitet, ist brutal ehrlich und immer wieder werden die gigantischen Unterschiede aufgezeigt, die zwischen Engländern und Ausländern bestehen. Denn Robin darf in England leben, England dienen, doch gleichzeitig wird er nicht als vollwertiger Bürger akzeptiert. Ähnlich geht es seinen drei Freunden, die mit ihm in Babel beginnen, zu studieren: Ramy, Letty und Victoire.
Das Leben der vier Freunde im Übersetzungsinstitut Babel nimmt viel Raum ein. Ich mochte diese ruhigen Lesestunden, in denen man vor allem viel über die Sprachen selber erfährt. Die Autorin glänzt mit gigantischen Hintergrundwissen und erläutert in eingestreuten Fußnoten historische oder sprachwissenschaftliche Details. Hier wird deutlich, dass es ihr scheinbar wichtig war, die Geschichte trotz des Fantasyaspektes so historisch korrekt wie möglich zu erzählen. Mich hat dieses Wissen wirklich beeindruckt und es macht den Charme des Buches aus, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass es nicht jeden anspricht.
Das Silberwerken, dass den fantastische Aspekt in dem Werk ausmacht, ist eine tolle neue Idee, um Magie zu wirken. Durch die äußerst realitätsnahe Erzählweise wirkt es beinahe so, als hätte es das Silberwerken wirklich gegeben. Möglicherweise war dies so beabsichtigt, um LeserInnen aufzuzeigen, dass diese Geschichte genauso gut in der realen Welt hätte spielen können, für mich ging dabei leider über Weite Teile des Buches die Magie verloren. Mitunter fiel es mir schwer, weiterzulesen, weil des Roman immer düsterer wird und man sich auf unschöne Wahrheiten einstellen muss, die definitiv keine leichte Lektüre darstellen.
Inhaltlich ist es schwer, das Buch zusammenzufassen. Auf einen großen, ruhigen, sprachwissenschaftlich gefüllten Teil folgt im letzten Viertel ein brutaler Leseabschnitt, der liebgewonnene ProtagonistInnen in ihre persönliche Hölle führt. Denn liebgewonnen sind mir viele der Protagonisten, trotz des mitunter eher sachliche Schreibstils: Da wäre zuallererst Robin Swift, den man beim Heranwachsen beobachtet und dessen ruhiges, sanftes Wesen ich sehr geschätzt habe, oder den hitzköpfigen Ramy, der das Herz absolut am rechten Fleck hatte und dem ich stundenlang beim Reden hätte "zuhören" können. Victoire ist sehr besonnen, sehr menschlich und empathisch, aber auch stark und Letty wirkt kalt, kratzbürstig, aber auch ein Blick in ihre Vergangenheit zeigt, was sie für ein Päckchen zu tragen hatte. Es gibt weitere, ambivalente Figuren, wie Professor Lovell, bei dem ich über lange Zeit nicht wusste, wohin seine Reise gehen würde.
Schlussendlich fällt es mir schwer, für diese gigantische Reise die passenden Worte zu finden. Das Buch hat mir fiel mitgegeben und wird mir lange im Kopf bleiben, auch wenn ich definitiv anderes erwartet hatte. Es ist keine leichte Lektüre und nicht immer fiel es mir leicht, zu dem Buch zu greifen, auf der anderen Seite konnte ich es stellenweise nicht weglegen und wollte nie auch nur ein einziges Wort überfliegen, weil es wichtig schien und eine tiefere Bedeutung hatte.