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Veröffentlicht am 26.04.2023

Magie und Mystik zwischen Leben und Tod

Als wir Vögel waren
2

„Als wir Vögel waren“ ist der erste Roman aus der Feder von Ayanna Lloyd Banwo - ihre Wurzeln sind in Trinidad. Auch wenn sie seit kurzem in London lebt, so bleibt sie ihrer Heimat verbunden. Die vielschichtig ...

„Als wir Vögel waren“ ist der erste Roman aus der Feder von Ayanna Lloyd Banwo - ihre Wurzeln sind in Trinidad. Auch wenn sie seit kurzem in London lebt, so bleibt sie ihrer Heimat verbunden. Die vielschichtig angelegte Erzählung ist Leben und Tod, ist Magie und Phantasie.

Yejides geliebte Großmutter verzaubert sie schon als Kind mit geheimnisumwobenen Geschichten und dieses Mystische, verstandesmäßig nicht sofort Fassbare, schlängelt sich immer mal wieder dazwischen. „Als ich klein war, hat meine Granny oft eine Geschichte über sprechende Tiere und einen großen Krieg erzählt. In der Geschichte wird die Welt durch den Tod zerrissen, die Lebenden schaffen es nicht mehr, die Toten aufzuwiegeln. Da verwandeln sich die Vögel der alten Zeit in Corbeaux – Aasvögel – und vertilgen die Toten. Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt…“

Um viele, um verschiedene Arten von Liebe geht es, auch und vor allem um Darwin und Yejide, zwei junge Außenseiter. Port Angeles auf Trinidad ist ihre Heimat, ihrer beider Leben könnte unterschiedlicher nicht sein und es dauert eine ganze Weile, bis sie sich begegnen.

„Emmanuel (Darwin) ist er. Ein Name, der auf ihrer Zunge süß und schwer klingt.“ „Sag nicht Ma´am zu mir, sag Yejide.“

Es ist eine leise Geschichte. Man meint, dass nicht viel passiert und doch geschieht eine ganze Menge. Emmanuel, der sich Darwin nennen lässt, lebt in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Mutter, die von seiner Arbeit in Fidelis nichts wissen will. Und auch er schämt sich, hier arbeiten zu müssen, aber die Schlange der Arbeitssuchenden ist lang, zu lang. Er, der bis soeben ein Rastafari war, verwandelt sich auch äußerlich, schneidet sich die Haare und die Vergangenheit radikal ab. Er ist nun Totengräber und mit ihm gehe ich abends, bevor er das Tor zusperrt, über den Friedhof, auch um keinen einzuschließen.

Die zweite Hauptakteurin hier ist Yejide. Sie ist umgeben von starken Frauen. Vor allem die Verbindung zu ihrer Großmutter war von Liebe und absolutem Vertrauen geprägt. Und auch ihre Mutter, die eher kühle Distanz ausstrahlt, gibt ihr Ratschläge wie diesen: „Lauf. Nimm deinen Mann, nimm dich und lauf. Sollen die Toten die Toten begraben.“

Man sollte sich Zeit gönnen, sich in Ruhe der Geschichte widmen. Der Umgang mit dem Tod ist in einer uns eher fremden Kultur ein anderer, es ranken sich viele Mythen um ihn. „Alle Geistergeschichten sind Liebesgeschichten…“ so lese ich im Nachwort und nachdem ich dieses Buch zugeklappt habe, verstehe ich diese Aussage, vorher wäre ich eher verwirrt gewesen.

Es ist eine magische Liebesgeschichte und noch mehr… Über das Leben und Sterben, den Überlebenskampf, mit zuweilen nicht immer ganz legalen Mitteln, erzählt die Autorin in einer bildhaften, gut lesbaren Sprache, in einem gemächlichen Tempo. Magisch und mystisch angehaucht.

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Veröffentlicht am 25.04.2023

Vergnüglicher Spionagekrimi

Der treue Spion
2

„Der treue Spion“ erzählt von „Gryszinski und seinem schwierigsten Fall“ - für mich ist es der erste Fall mit ihm. Nachdem ich die ersten zwei Bände versäumt habe, war ich doch neugierig auf Gryszinski. ...

„Der treue Spion“ erzählt von „Gryszinski und seinem schwierigsten Fall“ - für mich ist es der erste Fall mit ihm. Nachdem ich die ersten zwei Bände versäumt habe, war ich doch neugierig auf Gryszinski. Trotz des Neueinstiegs hatte ich nie das Gefühl, Gravierendes verpasst zu haben. Ich lasse mich also ganz auf diesen historischen Krimi ein, der in zwei Zeitebenen erzählt wird.

Harper Audio hat diesen spannenden Kriminalfall in der Hörbuchfassung aufgelegt, routiniert vorgetragen von Michael Schrodt. Diese ungekürzte Hörbuchfassung hat eine Spieldauer von 13 Stunden und 20 Minuten.

Gleich mal gehe ich zurück ins Jahr 1986, als ein französischer Diplomat aus einem Münchner Hotel spurlos verschwindet. Gryszinskis Ermittlungen führen ihn bis nach St. Petersburg und drüber hinaus, den Spuren eines russischen Paares folgend. Es geht um Geheimpläne – wo sind sie abgeblieben? Jahrzehnte später tritt Fritz in die Fußstapfen seines Vaters, auch er in geheimer Mission unterwegs. Was seinem Vater damals nicht gelang, wird nun er fortsetzen.

Es geht für Gryszinski quer durch Europa und darüber hinaus – neben München führt ihn seine Tätigkeit nach Paris und Wien, auch Konstantinopel und wie schon erwähnt Petrograd werden von ihm anvisiert. Es ist später dann der Sohn, der direkt von der Front abberufen wird, um den lange zurückliegenden, noch immer unaufgeklärten Fall zu lösen. Er kann sich frei bewegen, stößt auf wenig Widerstand, was in dieser Zeit doch eher schwierig gewesen sein dürfte - diese historischen Eckpunkte übergehe ich mal großzügig. Das Hörbuch und die ganze Geschichte um Gryszinski in beiden Zeitebenen haben mir gut gefallen, ich bin mit ihnen weit gereist und das sehr gerne.

„Mit welch kolossalem Irrtum diese Geschichte begann…“ höre ich mit Vergnügen, ich begebe mich auf eine Reise in die Vergangenheit. Schon der Erzählstil ist dieser Zeit angepasst, ohne altbacken zu wirken. Nicht Hektik bestimmt ihr Leben, es ist eher beschaulich, Schrodts angenehme Stimme und sein lebendiger Vortrag tun ein Übriges. Die vielschichtigen Charaktere, allen voran Vater und Sohn, kommen authentisch rüber, die Geschichte baut sich langsam auf.

„Die Menschheitsgeschichte ist voll von Falschmeldungen in der ganzen Vielfalt ihrer Formen“ und diese falschen Identitäten, all die unterschiedlichen Wahrnehmungen und noch mehr werden aufs Unterhaltsamste dargeboten. Ein historischer Krimi, der gut unterhält und –soviel sei verraten - schlussendlich auch diesen Fall aufklären wird.

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Veröffentlicht am 24.04.2023

Nette Geschichte rund um das Steckerl-Eis

Träume aus Eis
2

Wer diese kühle Köstlichkeit liebt, dessen „Träume aus Eis“ werden wohl nie ausgeträumt sein. Franziska Winkler hat mich mit einem Gute-Laune-Song von Bill Ramsey super in den Auftakt ihrer historischen ...

Wer diese kühle Köstlichkeit liebt, dessen „Träume aus Eis“ werden wohl nie ausgeträumt sein. Franziska Winkler hat mich mit einem Gute-Laune-Song von Bill Ramsey super in den Auftakt ihrer historischen München-Saga eingestimmt, denn „Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer“ ist ein Ohrwurm, der sich beim Lesen immer mal wieder eingeschlichen hat. Diese kleine Story habe ich vorab aufgeschnappt, hat sich die Autorin doch davon inspirieren lassen, mehr über die Geschichte rund um das Speiseeis zu recherchieren.

Wer kennt sie nicht, die mobilen Eisverkäufer mit ihren Eiswagen, die an heißen Sommertagen in belebten Freizeitparks und wo auch immer sonst noch zu finden sind. Auch Josef Pankofer ist mit seinem italienischen Freund und Partner Mario durch die Straßen Münchens getingelt, doch diese Zeit ist vorbei, Josef eröffnet mit seiner Frau Erna ein kleines Eiscafé, die beiden Töchter helfen natürlich mit und in Fanny haben sie eine tüchtige Hilfe, die überall mit anpackt. Das Glück scheint ihnen hold und doch ist es nicht von Dauer, auch sie spüren die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Das Geld ist knapp, zudem verliebt sich ihre Älteste ausgerechnet in den Spross eines großen Konkurrenten und die jüngere Tochter hat einen schweren Unfall.

„Träume aus Eis“ führt seine Leser fast hundert Jahre zurück, ich hab mich wohlgefühlt im München von damals. Gleich mal lese ich von den Backfischen, von den jungen Mädchen, die schon mal geflunkert haben, wollten sie ins Kino oder sich heimlich mit einem Jungen treffen.

Neben der fiktiven Familiengeschichte erzählt Franziska Winkler von JOPA-Eis, es ist die wahre Geschichte von Josef Pankofer und seinem Steckerl-Eis. Er hat experimentiert, er war ein Tüftler, der nie aufgab. Schöller hat JOPA noch lange weitervertrieben, heute gibt es die Marke nicht mehr.

So einiges habe ich über die Eisherstellung und speziell über das Eis am Stiel erfahren. Die Familienmitglieder waren mir meist sympathisch, auch wenn ich deren Handlungen nicht immer gut heißen konnte. Und doch waren sie mir nah, auch (aber nicht nur) deshalb, weil der Dialekt in gut lesbarer Form dem Ganzen noch mehr Authentizität verleiht.

Josef Pankofer kommt aus einer wohlhabenden Familie, er hat aber die falsche, weil standesmäßig nicht ebenbürtige Frau, geheiratet. Er stand mittellos da, hat sich mit viel Fleiß und noch mehr Enthusiasmus seinen Traum verwirklicht und ist doch immer wieder an seine Grenzen gestoßen. Eine Geschichte, die das Leben schreibt mit Höhen und Tiefen, so wie das Leben eben ist. Josef Pankofers Idee vom Steckerl-Eis und deren Umsetzung sind lebensnah geschildert, die „Träume aus Eis“ geben Einblick in die Gesellschaft von damals, sie sind gut lesbar umgesetzt.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Gelungener Auftakt um Vito Grassi – ein Ligurien-Krimi

Abschied auf Italienisch
2

Vito Grassi ist mit seinem roten Flitzer unterwegs nach Ligurien, er hat hier ein Haus geerbt. Direkt an der Küste der so malerisch gelegenen fünf Bergdörfer, der Cinque Terre, bin auch ich gedanklich ...

Vito Grassi ist mit seinem roten Flitzer unterwegs nach Ligurien, er hat hier ein Haus geerbt. Direkt an der Küste der so malerisch gelegenen fünf Bergdörfer, der Cinque Terre, bin auch ich gedanklich bei Vito, ich mache es mir auf dem Beifahrersitz seines Elektroautos gemütlich und betrachte mir dabei das Buch näher. Es lohnt sich allemal, ist doch auf der aufklappbaren hinteren Innenseite eine Karte von diesem Küstenabschnitt zu finden. Von La Spezia bis hinauf nach Sestri liegen diese doch sehr bekannten Orte am Ligurischen Meer. Der Autor kennt sich hier aus, er lebt und schreibt hier. Im Innenteil des vorderen Umschlags beantwortet Andrea Bonetto Fragen zu seiner Hauptfigur, zu Spannungsliteratur und zu Italien überhaupt, dem la dolce vita und noch mehr.

Ein wenig Fernweh ist schon auch dabei, während ich mich mit Vito an die Aufklärung der zwei Mordfälle mache. Denn nachdem der Commissario endlich das Haus gefunden und die engen Straßen bezwungen hat, wird er erstmal mit Toni konfrontiert. Und ja, er weiß schon, dass Toni das Haus hütet, aber er erwartet logischerweise einen Mann…

Das Private wird aufs unterhaltsamste dargestellt, aber er hat zu ermitteln. Und das zunächst zu einem Todesfall, der viele Rätsel aufgibt. Daneben hat er auch noch seine neuen Kollegen und Kolleginnen, auch hier muss Vito sich erst beweisen. Mit diesem ersten Todesfall kommen sie nicht recht vorwärts, da wird auch schon eine zweite Leiche eher durch Zufall entdeckt.

Die Ermittlungen und das private Geplänkel vermengen sich. Zuweilen hatte ich eher das Gefühl, dass sich die Story nach dem unterhaltsamen Auftakt zieht, sie eher dahinplätschert. Zwar nicht uninteressant, die kriminalistischen Elemente waren meist da und doch wollte ich mehr, wollte weiter, wollte die Ermittlungen vorantreiben.

Die Charaktere, allen voran Vito und Toni, sind gut nachvollziehbar gezeichnet, sie haben genug Ecken und Kanten – beide. Der Ligurien-Krimi zeichnet sich aus durch Lokalkolorit, neben den beiden Hauptakteuren mischen noch so einige andere mit, denen ich nicht näher gekommen bin, sie blieben letztendlich blass. Die Story lebt mit und durch den Commissario Vito Grassi und der eher verschlossenen, oftmals bärbeißigen Toni. Alles in allem ein kurzweiliger Trip in eine wunderschöne Gegend, ein Ligurien-Krimi, der gelesen werden will. Und gerne bin ich bei Vitos nächstem Fall wieder dabei.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

Samuel Finzi hat viel Interessantes zu erzählen

Samuels Buch
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Samuel Finzi – ich kenne und schätze ihn als Schauspieler, sein privates Ich war mir komplett unbekannt. Und nun hat er von sich erzählt, von seiner Kindheit, von seiner Herkunft, von seiner Jugend in ...

Samuel Finzi – ich kenne und schätze ihn als Schauspieler, sein privates Ich war mir komplett unbekannt. Und nun hat er von sich erzählt, von seiner Kindheit, von seiner Herkunft, von seiner Jugend in Bulgarien. Es waren kurzweilige Stunden, genauer: 5 Stunden und 31 Minuten lang hat er mich gut unterhalten und ein mich wenig hinter die Kulissen schauen lassen.

„Ich sitze in meiner Berliner Küche und betrachte den Boden. Es ist ein Boden aus Terrazzo. Das tue ich oft und mit Nachdruck. Die bunten Zementsteinchen beginnen sich zu drehen, ein Wirbel saugt mich ein und ich lande auf der Terrasse des Hauses meiner Großeltern…“ In den Balkan geht er gedanklich zurück, eine spannende Zeitreise beginnt.

Er wuchs in einer jüdischen Familie auf. Der Vater war ein bekannter Theaterschauspieler, der sich eher am Rande für ihn zu interessieren schien, seine Mutter war Pianistin. Eine Künstlerfamilie - was liegt da für ein Kind näher, als einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Er war umgeben von Künstlern, sein Interesse galt schon früh dem Schauspiel. Er blickt zurück in seine Kindheit und Jugend und endet, als er 23 ist.

Autobiografische Romane lese bzw. höre ich selten. Ganz einfach deshalb, weil ich nicht zu sehr in das Leben bekannter Persönlichkeiten eindringen, nicht unbedingt ganz private Details wissen möchte. Samuel Finzi hat mich jedoch durchweg positiv überrascht. Etwa mit der Schilderung seines Weges hin zum Schauspieler, wie er den Wunsch hatte, ein anderer zu sein. Finzi erzählt unterhaltsam und humorvoll, gibt Einblick in das kommunistische Bulgarien seiner Kindheit und der damit einhergehenden nicht sehr rosigen Zukunft, die er, so bald es ihm möglich war, zurücklassen wird.

„Samuels Buch“ ist eine unterhaltsame Reise zurück mit interessanten Anekdoten von dem kleinen Samuel, der schon früh begreift, dass er als Dirigent oder Diplomat der Enge seines Heimatlandes entfliehen könnte und es später dann auch geschafft hat, als renommierter Schauspieler im Westen anzukommen. Einige wenige Aspekte habe ich herausgegriffen, das selber Hören bzw. Lesen bietet kurzweilige und nachdenkliche Stunden. Samuel Finzi erzählt über das Erwachsenwerden an sich, über seine Familie, seine Freunde, seine Heimat und seine Sehnsucht nach Freiheit. Sehr offen und warmherzig. Ich habe ihm gerne zugehört, habe die Stunden mit ihm genossen.

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