Profilbild von Lui_

Lui_

Lesejury Profi
offline

Lui_ ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Lui_ über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.04.2023

Ein gespenstisches Hörerlebnis

Gallant
0

Das Cover sieht wundervoll aus, macht gekonnt neugierig und passt hervorragend zum Inhalt und den düsteren, mysteriösen Vibes der Geschichte.
Zum Inhalt: Olivia Prior wächst im Waisenhaus auf. Von ihren ...

Das Cover sieht wundervoll aus, macht gekonnt neugierig und passt hervorragend zum Inhalt und den düsteren, mysteriösen Vibes der Geschichte.
Zum Inhalt: Olivia Prior wächst im Waisenhaus auf. Von ihren Eltern ist ihr nur das verwirrende Tagebuch ihrer Mutter geblieben. Dann erhält Olivia jedoch einen Brief von einem Familienmitglied, das sie einlädt, nach Hause auf das familiäre Anwesen zu kommen. Doch ist dieses Angebot vielleicht tatsächlich zu schön, um wahr und so unkompliziert zu sein?
Gleich vorab: Ich bin sehr froh, dieses Buch gehört und nicht gelesen zu haben. Das Lesen hätte ich sicher nicht bis zum Ende durchgezogen. Die Sprecherin macht jedoch einen so fabelhaften Job, dass sie mich über inhaltliche Mankos hinwegsehen lässt. Ihre raue Stimme verleiht dem Hörbuch eine grandiose Atmosphäre und setzt die gewollte Spannung inklusive Gruselmomenten dermaßen gekonnt um, dass das Hören zu einem wahren Genuss geworden ist. Es fiel mir sogar schwer, das Hörbuch zu unterbrechen.
Olivia, unsere Protagonistin, kann nicht sprechen, was in der Konsequenz zu sehr wenig Dialog und einem Fokus auf die Gedankenwelt der Protagonistin führt. Auch bekommen wir - abgesehen von einigen wenigen anderen Erzählelementen - nur ihre einseitige Erzählperspektive, wodurch Spannung aufgebaut wird und die Handlung gewissermaßen funktioniert, was zeitweise aber auch etwas eintönig wirkt.
Zudem ist Olivia keine besonders sympathische, sondern eine sture, teilweise regelrecht verbohrte Protagonistin mit unnachgiebigen Zügen. Gemessen an ihrer Persönlichkeit kommen mir ihre Entscheidungen gegen Ende der Handlung, die übrigens zuletzt generell recht schnell abgehandelt wird, auch recht unglaubwürdig vor. Der interessanteste Charakter war für mich fast noch der Bösewicht der Geschichte, dessen Schicksal jedoch ebenfalls ab einem gewissen Punkt im Eiltempo abgearbeitet wird. Das ist ziemlich schade, überschattet das Ende so den Gesamteindruck. Vielleicht ist es hier jedoch wichtig, zu erwähnen, dass die Geschichte sich eigentlich an eine jüngere Leserschaft richtet und vielleicht gerade deshalb auch einige seichte Handlungselemente beinhaltet.
Die trostlose, düstere Atmosphäre macht dieses Hörbuch zu keiner leichten Lektüre, verleiht der Handlung und dem gelungenen Setting aber eine großartige Authentizität. Gerade deshalb würde es wohl auch gut in die Zeit um Halloween oder zu einem verregneten Aprilnachmittag passen. Die Geschichte ist eher kurz gehalten, weshalb man sie durchaus an einem freien Tag oder einem Wochenende genießen könnte.
Insgesamt wurde ich gut unterhalten, was ich zu großen Teilen der Performance der Sprecherin verdanke. Wer eine grandios gelesene, dunkle Geschichte mit einer kleinen Portion Grusel und Mystery, einer eigenwilligen Protagonistin sowie einer interessanten Erzählstruktur sucht, sollte hier definitiv einmal reinhören.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.02.2023

Lesenswertes Retelling

STONE BLIND – Der Blick der Medusa
0

Das Cover ist hübsch gestaltet, ein echter Eyecatcher, der einem besonderen Mythologie-Werk würdig ist.
Zum Inhalt: Natalie Haynes erzählt die Geschichte von Medusa neu. Dabei hinterfragt sie aus verschiedenen ...

Das Cover ist hübsch gestaltet, ein echter Eyecatcher, der einem besonderen Mythologie-Werk würdig ist.
Zum Inhalt: Natalie Haynes erzählt die Geschichte von Medusa neu. Dabei hinterfragt sie aus verschiedenen Blickwinkeln, inwiefern die Medusa anhaftende Bezeichnung eines Monsters tatsächlich zutreffend ist, und wagt damit eine moderne Neuinterpretation des Mythos.
Gleich vorab sei erwähnt, dass ich in letzter Zeit viele Neuerzählungen von Mythen verschlungen habe, besonders solche, die sich rühmten, einen feministischen Ansatz zu präsentieren. Und siehe da, hier habe ich endlich einen Roman gefunden, der in dieser Hinsicht all seine Versprechen zu halten vermag.
Der Roman ist grundsätzlich gut lesbar, allerdings braucht man ein gewisses Maß an Konzentration, da mit jedem kurzen Kapitel das Setting und die handelnden Personen wechseln und man sich so ständig in einen neuen Kontext hineindenken muss. Dabei sind auch Vorkenntnisse in griechischer Mythologie durchaus nützlich.
Im Klartext heißt das, dass Medusas Perspektive bzw. Geschichte nicht durchgängig im Fokus der Handlung steht. Die vielen Nebenschauplätze haben mich anfangs verwirrt, werden allerdings später gelungen zusammengeführt, sodass alles einen höheren Sinn ergibt. Das bedeutet allerdings auch, das wir immer nur einen schlaglichtartigen Einblick in Charaktere bekommen, weshalb immer eine gewisse Distanz zu ihnen bestehen bleibt. So kommen zwar viele weibliche Charaktere zu Wort, hier hätte ich mir gelegentlich jedoch mehr Charakterfokus gewünscht.
Langweilig wird es aufgrund der komplizierten Erzählstruktur aber wenigstens nie und die kurzen Kapitel tragen dazu bei, dass man das Buch schnell weggelesen hat. Das alles, was mit griechischer Mythologie zu tun hat, eher düster, tragisch und emotional ist, brauche ich hoffentlich nicht zu erwähnen.
Der Schreibstil ist bissig, provokant und trieft teilweise herrlich vor Ironie. Damit könnte die Geschichte potenziell bei einigen LeserInnen anecken, mir hat es aber gefallen. Ich mochte die Denkanstöße, die uns geboten werden. So regt die Lektüre tatsächlich zum Bilden einer eigenen Meinung über einen wohlbekannten Mythos an und erzählt diesen nicht einfach nach. Damit vereint das Buch vieles, was ich mir von einem Mythos-Retelling wünsche.
Insgesamt konnte das Buch mich mit kleineren Abstrichen überzeugen. Wer eine anspruchsvolle mythologische Neuerzählung mit scharfer Zunge und bissigem Humor sucht, die starke weibliche Figuren in den Vordergrund stellt, sollte hier unbedingt einmal reinlesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.01.2023

Auf zu neuen Wegen

Piraten
0

Das Cover wirkt zweckmäßig: Die knallrote Coverfarbe hat mich zusammen mit dem schlicht aber effektiv in Szene gesetzten Titel sofort angesprochen und neugierig gemacht.
David Graeber versucht mit diesem ...

Das Cover wirkt zweckmäßig: Die knallrote Coverfarbe hat mich zusammen mit dem schlicht aber effektiv in Szene gesetzten Titel sofort angesprochen und neugierig gemacht.
David Graeber versucht mit diesem Buch die gegenseitige Beeinflussung von Piraten und madagassischen Bevölkerungsgruppen vor dem Hintergrund des dortigen politischen Handelns im 17. und 18. Jahrhundert zu rekonstruieren. Damit verfolgt er einen momentan recht häufig zu sehenden Ansatz, indem er von offenen Grenzen im Sinne eines kulturellen und intellektuellen Austausches spricht und nach überregionalen Zusammenhängen bei der Verbreitung demokratischer Ideen und freiheitlichen Gedankenguts fragt.
Gekonnt begibt der Autor sich dafür in historischen Quellen und literarischen Werken auf Spurensuche, um daraus eine mögliche und teilweise aus Ermangelung an physischen Beweisen spekulative Erzählung der Vergangenheit zu bieten. Dabei werden Einblicke in verschiedene Forschungszweige, wie Geschichte, Anthropologie und Ethnologie, kombiniert - Interdisziplinarität an einem Fallbespiel also. Teilweise geht Graeber dabei bewusst provozierend vor und stellt jede Menge - teilweise bis zuletzt offene - Fragen, die zum Nachdenken anregen.
Der detaillierte Anhang des Buchs lädt außerdem zu tiefgreifender Beschäftigung mit dem Besprochenen ein und bietet dank Glossar und Zeitstrahl auch eine gelungene Orientierungshilfe. Trotzdem ist mein größter Kritikpunkt die Lesbarkeit des Ganzen. Besonders der methodische Teil, also der Einstieg, war unglaublich schwer lesbar und dank dem komplizierten Satzbau gilt das auch für den Rest des eigentlich recht kurzen Buchs. Dennoch waren die interessanten Gedankengänge und die Argumentationsstruktur des Autors jederzeit gut nachvollziehbar.
Ich habe den Einblick in die verschiedenen Fachrichtungen rund um das Zusammenleben zwischen Piraten und madagassischen Bevölkerungsgruppen sehr genossen und sicherlich einen Mehrwert daraus gezogen. Als Laie sollte man jedoch wohl ein starkes Interesse, Neugier, Offenheit und vor allem viel Zeit für die Lektüre mitbringen, um sich völlig auf Graebers Ausführungen einlassen zu können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 17.12.2022

Klassischer Krimi zum Miträtseln

Geheimnis am Weihnachtsabend
0

Das großartig gestaltete Cover hat mich sofort angesprochen. Es fällt sofort ins Auge, wirkt sehr winterlich, macht neugierig und passt darüber hinaus auch noch wunderbar zum Krimigenre.
Zum Inhalt: Mrs. ...

Das großartig gestaltete Cover hat mich sofort angesprochen. Es fällt sofort ins Auge, wirkt sehr winterlich, macht neugierig und passt darüber hinaus auch noch wunderbar zum Krimigenre.
Zum Inhalt: Mrs. Bradley folgt der Einladung ihres Neffen, Weihnachten mit ihm auf dem Land zu verbringen. Die beschauliche Gästeschar wird jedoch in einige Aufregung versetzt, als es zu einem Todesfall kommt. Die erfahrene Amateurdetektivin vermutet bald, dass mehr als natürliches Ableben hinter diesem Vorfall stecken könnte.
Ich möchte nicht lügen: Der Beginn war etwas ernüchternd und ich bin schwer in die Handlung hineingekommen. Da der Krimi aus den 1930er-Jahren stammt, ist der Schreibstil entsprechend anspruchsvoll und der Satzbau gelegentlich etwas kompliziert, was Konzentration und Geduld beim Lesen erfordert.
Ein beschaulicher und gemütlicher Weihnachtskrimi ist dieses Buch eher nicht, teilweise ähnelt es eher einem atmosphärischen Gruselroman und über allem schwebt eine gewisse hoffnungslose Düsternis, die der dunklen Jahreszeit entspricht. Die Handlung setzt außerdem zwar an Weihnachten ein, dauert dann aber noch lange an, wobei man sich immer wieder im Kreis vieler Verdächtiger um die eigene Achse dreht. Daher gab nur phasenweise richtige Spannung, die zudem im Wechsel mit einigen Längen vorkommt.
Die Protagonistin Mrs. Bradley ist definitiv eigenwillig. Sie stellt eine teilweise undurchschaubare und auch moralisch fragwürdige Ermittlerfigur dar, was ihre Erlebnisse für mich sehr unterhaltsam gestaltet hat. Ich würde definitiv mehr Bände aus dieser Krimireihe rund um Mrs. Bradley lesen wollen.
Noch ein paar Worte zur Krimihandlung selbst: Von Beginn an lernen wir relativ viele Verdächtige kennen, die auch immer wieder ins Spiel gebracht werden. Das hat mich gelungen verwirrt, weshalb sich der Nebel rund um die Auflösung erst ziemlich spät gelichtet hat. Auch wenn der Kriminalroman so gekonnt zum Miträtseln einlädt, bleibe ich dabei, dass einige Wiederholungen schlicht unnötig waren.
Dennoch wurde ich insgesamt wirklich gut unterhalten. Fans klassischer englischer Kriminalliteratur auf der Suche nach einem unaufgeregten whodunnit mit origineller Ermittlerin sollten hier unbedingt einmal reinlesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.11.2022

Glücksgefühle

Under one Roof- Liebe unter einem Dach
0

Das Cover ist niedlich gestaltet und passt wunderbar zu den vorherigen Veröffentlichungen der Autorin.
Zum Inhalt: Mara erbt eine Haushälfte von ihrer verstorbenen Betreuerin. Doch leider bedeutet das, ...

Das Cover ist niedlich gestaltet und passt wunderbar zu den vorherigen Veröffentlichungen der Autorin.
Zum Inhalt: Mara erbt eine Haushälfte von ihrer verstorbenen Betreuerin. Doch leider bedeutet das, dass sie, Umweltingenieurin, mit Liam zusammenleben muss, dem Eigentümer der zweiten Haushälfte und seines Zeichens Konzernanwalt bei einem so ganz und gar nicht umweltfreundlichen Unternehmen. Kann das gutgehen?
Erneut hat Ali Hazelwood eine kurzweilige und humorvolle Story vorgelegt. Ich bin beim Lesen nur so durch die Seiten geflogen. Auch die Protagonisten waren mir direkt sympathisch und wurden liebevoll sowie detailliert ausgearbeitet. Vor allem mochte ich die knisternde Anspannung zwischen den beiden und ihre gemeinsamen Vibes im Allgemeinen. Den enemies-to-lovers-plot finde ich hier ganz großartig umgesetzt. Ich hatte beim Lesen praktisch ein vergnügtes Dauergrinsen im Gesicht.
Aufgrund der Kürze, es handelt sich hierbei um eine Kurzgeschichte, sollte man allerdings mit der Vorhersehbarkeit der Handlung leben können. Trotzdem bin ich überrascht, wie viele Handlungsbestandteile überzeugend in diese wenigen Seiten eingeflochten werden konnten, ohne dass es überladen wirkt. So kommt auch keine Langeweile auf.
Dennoch tauchen eine Menge Elemente auf, die auch in den beiden ausführlichen Romanen der Autorin bereits eine Rolle gespielt haben. Und ja, das Beuteschema ihrer weiblichen Charaktere und die Beschreibungen der Protagonisten ähneln sich definitiv, was etwas schade ist. Trotzdem habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen und freue mich wahnsinnig auf die Erlebnisse von Sadie und Hannah, Maras besten Freundinnen. Für mich rangiert diese Kurzgeschichte sogar noch vor dem neuesten Roman der Autorin.
Wer eine romantische Wohlfühlgeschichte für einen verregneten Nachmittag oder vielleicht einen unterhaltsamen Ausweg aus einer Leseflaute sucht, sollte hier definitiv einmal reinlesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere