Wenn der weiße Mann zum Tyrannen wird, zerstört er seine eigene Freiheit.
Berlin, 1976: Hanns Borchardt ist der Mann der Stunde. Als Immobilienmogul setzt er ein Großprojekt nach dem anderen in Berlin um. Seiner Frau Maria und seinen beiden Kindern Holger und Hanna kann er so ...
Berlin, 1976: Hanns Borchardt ist der Mann der Stunde. Als Immobilienmogul setzt er ein Großprojekt nach dem anderen in Berlin um. Seiner Frau Maria und seinen beiden Kindern Holger und Hanna kann er so ein luxuriöses Leben bieten, doch diese sehnen sich nach gänzlich anderen Dingen. Maria fühlt sich immer mehr in ihrer Ehe eingeengt, während Hanna und Holger darüber nachdenken, wer sie eigentlich sein wollen, fernab von den Geschäften ihres Vaters. Als sich Hanns Borchardt bei seinem neusten Projekt finanziell übernimmt, scheint die Fassade der Familie Borchardt nach und nach zu bröckeln.
Nachdem ich in letzter Zeit viele historische Romane zur Zeit der 20er Jahre in Deutschland und anderen Teilen der Welt gelesen habe, hatte ich mich schon sehr darauf gefreut, endlich eine neue Zeit kennenzulernen. Die 70er Jahre erscheinen dabei noch nicht lange entfernt, um wirklich von einem „historischen Roman“ sprechen zu können und doch habe ich einiges Neues gelernt, dass ich noch nicht über diese Zeit wusste.
Zum einen scheint das Thema „Freiheit“ mehr denn je präsent zu sein. Es herrscht Aufbruchstimmung sowohl in den Familien als auch gesamtgesellschaftlich. Strukturen und Gegebenheiten, die die Gesellschaft lange Zeit als normal akzeptiert hat, werden in Frage gestellt. Zum einen sieht man dieses Umdenken an Hanns Borchardts Frau, die es nicht mehr länger aushält, in einer Ehe mit einem Tyrannen gefangen zu sein, obwohl das Thema Scheidung lange Zeit in der Gesellschaft ein Tabu-Thema war. Zum anderen sieht man dieses Umdenken an Hans Borchardts Sohn, der Probleme mit dem Kapitalismus-Denken seines Vaters hat. Auch seine Tochter Hanna macht eine Wandlung um Laufe der Geschichte mit, wenn sie auch eher darüber nachdenkt, welche Zwänge ihr von der Gesellschaft aufgedrückt werden im Hinblick darauf, wen sie lieben darf.
Ich fand diese Konstruktion rund um die verschiedenen Arten der Freiheit um das Leben von Hanns Borchardt ziemlich genial. Denn er lebt in gewisser Weise auch eine Form der Freiheit. Nämlich die, dass er sich von nichts und niemanden in seine Geschäfte reinreden lässt. Dabei hat er eine Art an sich, die mehr als unsympathisch ist. Er denkt, er sei stets im Recht und andere Menschen sind nur dazu da, seine Wünsche zu erfüllen. Allerdings hat er dabei nicht damit gerechnet, dass er mal auf eine Person trifft, die nicht so einfach nach seiner Pfeife tanzt. Erst als er die Nachtclub-Besitzerin Lea Stern trifft, wird ihm erst bewusst, was es bedeutet, wenn einem die Kontrolle nach und nach entgleitet.
Mir persönlich hat es gefallen, dass Hanns Borchardt gewisse Grenzen gesetzt bekommt, denn seine Art ist an manchen Stellen einfach nur überheblich und widerlich. Dadurch hält man automatisch Lea Stern und der Familie von Borchardt bei und hofft, dass Hanns Borchardt bald das bekommt, was er verdient. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es mit der Familie Borchardt weitergehen wird und kann jedem dieses Buch empfehlen, der über einen skrupellosen Immobilienpatriarch lesen möchte, der sogar über Leichen gehen würde, wenn er damit seinem Erfolg näher kommt.