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Veröffentlicht am 22.06.2023

Zauberkunst und Magie

Da sind wir
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Die 1950er Jahre neigen sich dem Ende zu. Die entbehrungsreiche Kriegs- und Nachkriegszeit ist vorbei, man will wieder Spaß und Unterhaltung. Im Seebad Brighton vergnügen sich die Menschen und genießen ...

Die 1950er Jahre neigen sich dem Ende zu. Die entbehrungsreiche Kriegs- und Nachkriegszeit ist vorbei, man will wieder Spaß und Unterhaltung. Im Seebad Brighton vergnügen sich die Menschen und genießen die angenehme Stimmung. Eine besondere Attraktion ist das auf dem Pier gelegene Theater, in dem allabendlich eine große Varieté-Show stattfindet. Conférencier ist der 28 Jahre alte Jack, die Sensation sind jedoch sein gleichaltriger Freund Ronnie, der sich auf der Bühne Pablo nennt, mit seiner drei Jahre jüngeren Partnerin Evie, welche das Publikum mit ihrer Zaubershow in Erstaunen versetzen. Die beiden sind ein Paar, bis Evie mit Jack ein Verhältnis beginnt und Ronnie alias Pablo sich auf offener Bühne selbst verschwinden lässt …

Graham Swift, geb. 1949 in London, ist ein britischer Schriftsteller von Romanen und Kurzgeschichten. Zentrales Thema seiner Bücher ist, wie auch in „Da sind wir“ (2021), die Funktion der Erinnerung. In Fragmenten erzählen die Protagonisten rückwirkend und vorausschauend ihre Geschichte, die erst zum Ende hin ein sinnvolles Ganzes ergibt.

Kein Liebesroman, sondern die Geschichte einer Dreiecksbeziehung, bei der die üblichen Emotionen wie Liebe und Eifersucht ausgeklammert sind. Wir erleben Passagen aus Kriegstagen, denen das Landleben in Friedenszeiten gegenüber gestellt ist, Kinder aus London werden aufs Land verschickt und nach dem Krieg erlebt das Varieté eine glanzvolle Zeit. Zaubern, die Illusion des Verschwindens und gleichzeitig die körperlichen Anwesenheit verwirren die Sinne. In zeitlich vor- und zurückspringenden kurzen Episoden, die abrupt aufhören und später zu Ende erzählt werden, erinnert sich Evie als 75jährige zurück, bis wir am Schluss selbst versuchen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Fazit: Ein nicht ganz einfach zu lesender und verstehender Roman, dessen Sinn sich erst mit einiger Verzögerung erschließt, wenn man sich auf die fragmentierte Erzählweise einlässt.

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Veröffentlicht am 01.06.2023

Veränderungen – ein Dorf im Wandel der Zeit

Mittagsstunde
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Nach dreißig Jahren in der Stadt kehrt er nun wieder in sein Heimatdorf Brinkebüll zurück, Dr. Ingwer Feddersen, 47, Archäologe an der Uni Kiel. Er hat sich ein Sabbatjahr genommen, um seine alten Großeltern ...

Nach dreißig Jahren in der Stadt kehrt er nun wieder in sein Heimatdorf Brinkebüll zurück, Dr. Ingwer Feddersen, 47, Archäologe an der Uni Kiel. Er hat sich ein Sabbatjahr genommen, um seine alten Großeltern Ella und Sönke Feddersen zu versorgen. Damals hatten sie ihn versorgt, hatten das für ihn getan wozu seine Mutter nicht imstande war, jetzt ist er an der Reihe. Es hat sich viel verändert im Dorf, die alten kleinen Höfe sind verschwunden, ebenso die Schule und der Tante-Emma-Laden, die Dorfstraße ist jetzt geteert, neue Häuser sind entstanden - und in Feddersens alte Gastwirtschaft, die früher der Mittelpunkt des Dorfes war, verirrt sich heute nur selten noch jemand. Es ist still geworden im Dorf, so still wie es früher nur in der Mittagsstunde war …

Dörte Hansen, geb. 1964 in Husum, ist eine deutsche Journalistin und Schriftstellerin. Sie studierte in Kiel Soziolinguistik, Anglistik und Romanistik, absolvierte ein Praktikum beim Magazin Merian und arbeitete danach als Journalistin für mehrere Hörfunksender und verschiedene Zeitschriften. Sie war ab 2012 festangestellte Kulturredakteurin bei NDRInfo, inzwischen ist sie als freie Autorin tätig. Nach ihrem ersten Roman „Altes Land“ (2015) ist „Mittagsstunde“ (2018) ihr zweiter Roman. Beide wurden bereits verfilmt und mit einigen Auszeichnungen und Literaturpreisen bedacht. Dörte Hansen ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt heute wieder in Husum.

Der rasche Wandel im Dorfleben, der sich seit der Gebietsreform in den 60er Jahren vollzogen hat, hat die Autorin in den Mittelpunkt dieses Romans gestellt. Was sich hier in Nordfriesland abspielt könnte auch so oder so ähnlich in jeder dörflichen Gegend unseres Landes geschehen sein. Eine Studie über Heimat und Landleben, warmherzig beobachtet, ohne Sentimentalität und Nostalgie. Daneben gibt es auch noch weitere relevante Themen, wie z. B. Gemeinschaft und Zusammenhalt, Geburt und Pflege, Leben und Tod, die in der Geschichte gekonnt und mit viel Empathie angesprochen werden.

Der Schreibstil hierbei ist sehr angenehm, knapp und exakt mit oftmals leicht ironischem Unterton. Die Autorin beschreibt Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, gradlinige und sture Charaktere, denen jeder Leser auf die eine oder andere Art schon begegnet ist. Ihre bildhafte Sprache und gewählte Ausdrucksweise zeichnen ein wunderbares Bild der Natur und der Kargheit der Geestlandschaft. Man riecht förmlich die salzige Luft und spürt den meist heftigen Wind, der die Landschaft prägt. Schon allein deswegen lohnt es sich, das Buch zu lesen.

Fazit: Ein schönes Buch, wohltuend anders, kraftvoll erzählt, ohne Romantik und Klischees – ein Roman der dem Leser, trotz manch tragischer Momente, ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

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Veröffentlicht am 10.05.2023

Zum Teuf’l aber auch, wo steckt bloß Vivien

Der Gentleman
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London, Mitte 19. Jahrhundert. In seinem Haus am vornehmen Pocklington Place lebt der Adlige Lionel Savage in der Überzeugung, er sei ein toller Hecht und ein begnadeter Dichter. Er ist 22 Jahre jung, ...

London, Mitte 19. Jahrhundert. In seinem Haus am vornehmen Pocklington Place lebt der Adlige Lionel Savage in der Überzeugung, er sei ein toller Hecht und ein begnadeter Dichter. Er ist 22 Jahre jung, sieht gut aus, ist sehr kultiviert aber auch sehr faul und lebt gerne über seine Verhältnisse. So muss ihm sein treuer Butler Simmons eines Tages mit Bedauern mitteilen, dass das Geld ausgegangen sei. Nun hat Lionel zwei Möglichkeiten, zu arbeiten oder eine reiche Frau heiraten. Ersteres kommt für den Gentleman ja nicht infrage, also bleibt nur der zweite Weg aus dem Desaster. Eine passende junge Dame aus vermögendem Hause ist bald gefunden, es wird geheiratet und Vivien zieht in das Haus am Pocklington Place ein.

Geld ist zwar nun vorhanden, doch Lionel ist seiner Angetrauten bald überdrüssig. Er empfindet sie als geistlos und nörglerisch, verachtet und hasst sie. Zu allem Übel kommt noch seine Schreibblockade hinzu, er kann nicht mehr dichten und ist verzweifelt. Als einzigen Ausweg sieht er seinen Selbstmord, doch die Umstände, die er seinem treuen Butler dadurch machen würde, halten ihn zunächst davon ab. Während er noch nach einer Lösung sucht, beehrt ihn ein eleganter Gentleman mit seinem Besuch, der sich selbst als Teufel vorstellt. Die beiden unterhalten sich freundschaftlich – und als der Teufel gegangen ist, ist auch plötzlich Vivien verschwunden …

Der US-amerikanische Autor Forrest Leo wurde 1990 in Alaska geboren, wo er auch aufwuchs und mit dem Hundeschlitten zur Schule fuhr. Später machte er einen Bachelor in Schauspiel an der New York University und arbeitete in verschiedenen Berufen. Er war erst 27 Jahre alt, als er sein Debüt „Der Gentleman“ schrieb, das von dem 1973 in Göttingen geborenen Literaturwissenschaftler Cornelius Reiber ins Deutsche übersetzt wurde.

Mit viel Witz und spöttischer Ironie werden wir in die Gepflogenheiten der Londoner Oberschicht im viktorianischen Zeitalter eingeführt – oder was man sich heute darunter vorstellt. Wie am Schluss des Buches zu lesen ist, wurde die Geschichte zunächst als Theaterstück konzipiert, was besonders in der furiosen Schlussszene, in der sämtliche Akteure noch einmal zusammenkommen, zu merken ist. Eine Besonderheit ist auch, dass die Geschichte von Lionel Savage selbst erzählt wird und der Herausgeber des Werkes, Mr Hubert Lancester, ein Verwandter von Savage, in zahlreichen Fußnoten seinen Kommentar dazu abgibt bzw. dessen Aussagen richtigstellt.

Eine Figur nach der anderen betritt die „Bühne“, rasch wechseln die „Kulissen“, es werden allerlei Abenteuer erlebt, Duelle ausgefochten und witzige, schlagfertige Dialoge ausgetauscht. Wir machen die Bekanntschaft mit dem besten Butler Großbritanniens, mit einem Erfinder von Flugmaschinen, mit einem gutaussehenden, kräftig gebauten Abenteurer, mit Lizzie, der quirligen jüngeren Schwester von Lionel, mit Vivien, Lionels schöner und intelligenter Frau – und nicht zuletzt mit dem Teufel, der sich als Buchliebhaber und Literaturkenner entpuppt und Dante Alighieri bei sich zu Hause als Gärtner beschäftigt.

Fazit: Eine intelligente Boulevardkomödie mit viel Witz, selbstverständlich leicht übertrieben, aber immer mit Stil – sehr unterhaltsam und äußerst amüsant.

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Veröffentlicht am 13.04.2023

Gute Mütter, schlechte Mütter

Institut für gute Mütter
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Zweieinhalb Stunden waren für Frida entscheidend für ihr weiteres Leben. Das war genau die Zeit, in der sie ihr 20 Monate altes Mädchen alleine in der Wohnung zurück lies. Völlig überfordert und vom Schreien ...

Zweieinhalb Stunden waren für Frida entscheidend für ihr weiteres Leben. Das war genau die Zeit, in der sie ihr 20 Monate altes Mädchen alleine in der Wohnung zurück lies. Völlig überfordert und vom Schreien der Kleinen mit den Nerven am Ende wollte sie sich nur einen Kaffee holen, stieg aber dann in ihr Auto, fuhr davon und genoss die Stille. Als sie zurück kam, hatte ein Nachbar bereits die Polizei gerufen. Was dann folgte war ein Albtraum. Frida verlor das Sorgerecht für ihre Kleine und kam in ein Umerziehungs-Institut, um dort ein Jahr lang zu lernen und zu beweisen dass sie fähig ist, ihr Kind zu lieben und liebevoll zu erziehen …

Jessamine Chan ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Autorin chinesischer Abstammung. Sie wuchs in einem Vorort von Chicago auf, machte ihren Bachelor-Abschloss an der Brown University und ihren Master of Fine Arts an der Columbia University. Bereits 2014 begann sie mit dem Schreiben ihres Debütromans „The School for Good Mothers“, für dessen Fertigstellung sie 2017 das Literaturstipendium der Elizabeth George Foundation erhielt. 2022 erschien er in den USA und im März 2023 in Deutschland unter dem Titel „Institut für gute Mütter“. Zu dem Roman wurde die Autorin nach eigenen Aussagen dadurch inspiriert, dass sie selbst im Zweifel war, ob sie ein Kind haben sollte oder nicht. Teile des Romans spielen in Philadelphia wo sie wohnte, bevor sie nach Chicago zog, wo sie heute mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt.

Natürlich ist dieser Roman eine Dystopie, doch vieles ist von der Realität nicht weit entfernt. Dass in manchen Ländern Kinder den Eltern weggenommen werden und bei Adoptiveltern oder in Heimen aufwachsen, kann man ab und an in der Tageszeitung lesen, Besserungs- oder Erziehungsanstalten gab es früher auch bei uns und sind auch heute noch in einigen Staaten zu finden, Rassendiskriminierung ist leider immer noch weit verbreitet und das Thema KI (künstliche Intelligenz) ist ohnehin gerade aktuell. Dass das männliche Geschlecht auch heute noch gegenüber dem weiblichen bevorzugt behandelt wird zeigt sich darin, dass die Bestrafung für schlechte Väter (ja, auch die gibt es in der Geschichte) viel lockerer gehandhabt wird.

Obwohl die Fülle an Problemen durchaus zum Nachdenken anregt, konnte mich das Buch nicht wirklich packen. Leider konnte ich mich in Fridas Empfindungen nur bedingt einfühlen, zu seltsam fand ich ihr Benehmen. Für mich zeigt sie nicht wirklich Einsicht in ihr Fehlverhalten, sondern tut es ständig als „schlechten Tag“ ab. Ihre Versuche, ihre Liebe zu ihrem Kind zu beweisen, fühlen sich falsch an und anstatt Dankbarkeit für Susanna, der neuen Frau ihres Exmannes, die sich rührend und liebevoll um die kleine Harriet kümmert, zu zeigen, überschüttet sie diese gedanklich mit Hass- und Neidgefühlen. Eine Änderung ihres egoistischen Verhaltens ist bis zum Schluss, der mich übrigens ziemlich ratlos zurückgelassen hat, nicht zu spüren.

Fazit: Eine interessante Leseerfahrung, die starke Nerven und einiges an Fantasie erfordert.

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Veröffentlicht am 03.04.2023

Chaos im Seniorenheim

Sie haben Ihr Gebiss auf der Hüpfburg verloren
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Es hat sich viel geändert im Seniorenheim, seit Rüdiger Otterle die Nachfolge seines Vaters angetreten hat. Er hat zwar keine Ahnung von Pflege aber dennoch den ehrgeizigen Plan, dass das Haus Sonnenuntergang ...

Es hat sich viel geändert im Seniorenheim, seit Rüdiger Otterle die Nachfolge seines Vaters angetreten hat. Er hat zwar keine Ahnung von Pflege aber dennoch den ehrgeizigen Plan, dass das Haus Sonnenuntergang zum „Heim des Jahres“ gewählt wird. Nun hat das ohnehin überlastete Pflegeteam unter der Leitung von Sybille Bullatschek sich nicht nur um die Belange der Heimbewohner zu kümmern, sondern muss auch noch nebenbei die abstrusen Ideen ihres Chefs anhören und umsetzen. Dass Sybille bei dem Stress zwischen Pflege, Suche nach verlorenen Zähnen und ausgebüxten Senioren keine Zeit mehr für ihr Privatleben bleibt ist klar – außer man nimmt die Herrschaften samt Rollatoren mit ins Pinocchio zum Speed-Dating …

Sybille Bullatschek ist der Rollenname der deutschen Comedy-Darstellerin, Kabarettistin und Autorin Ramona Schukraft, geb. 1971 im baden-württembergischen Wertheim. Als Altenpflegerin Sybille tritt sie bei Comedy-Festivals, in Theatern, bei Kongressen und in Heimen auf. Ramona Schukraft lebt in Bergisch Gladbach.

Obwohl Humor und Comedy nicht mein bevorzugtes Genre ist, hat mich das eBook ausgezeichnet unterhalten. Mit scharfzüngigem Witz und ironischem Humor lässt Ramona Schukraft ihre Sybille über die Zustände im Seniorenheim, über Kolleginnen und Kollegen, über Heimbewohner und über ihren Chef schwätzen. Dass dabei ab und an die schwäbische Mundart durchblitzt, wenn sie z.B. von der „Pfläge“ redet, macht das Geschehen überaus authentisch. Missstände im Heim und Überlastung des Personals kommen ebenso zur Sprache, wie auch fröhliche Momente und glückliche Augenblicke mit zufriedenen Bewohnern – alles natürlich etwas überspitzt dargestellt.

Fazit: Ein heiterer, amüsant zu lesender Roman, der aber durchaus auch die aufopfernde Arbeit der Pflegekräfte würdigt.

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