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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.04.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Der treue Spion
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Mit den Worten "Das ist sicherlich keine große Sache" wird Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski im Jahr 1896 von seinem Vorgesetzten, dem Münchner Polizeichef, beauftragt, einen vermissten französischen ...

Mit den Worten "Das ist sicherlich keine große Sache" wird Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski im Jahr 1896 von seinem Vorgesetzten, dem Münchner Polizeichef, beauftragt, einen vermissten französischen Diplomaten zu suchen. Der Mann, der angeblich über Wissen zu einer technischen Revolution verfügt, ist aus dem Hotel Vier Jahreszeiten verschwunden. Doch ganz so einfach gestaltet sich die Suche nicht, denn Gryszinski entdeckt einen Zusammenhang mit einem betrügerischen Paar, das die Pläne zu eben dieser Erfindung in fast allen Hauptstädten Europas zum Verkauf anbietet. So heftet er sich gemeinsam mit Gemahlin Sophie an ihre Fersen.

Zwanzig Jahre später, 1916 tobt der Große Krieg und Friedrich von Gryszinski, versieht als junger Leutnant seinen Dienst als Meldegänger in Frankreich. Von dort wird er zu einer riskanten Spionageaktion rekrutiert, die ihn auf die Spuren jenes Kriminalfalls aus dem Jahr 1896 bringt, den sein Vater nicht lösen konnte. Wird es Gryszinski junior gelingen?

Meine Meinung:

"Der treue Spion" von Uta Seeburg ist der dritte Band der Reihe rund um Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski und bietet 400 Seiten spannende Lektüre.

Wie wir es aus den beiden Vorgängern „Der falsche Preuße“ und „Das wahre Motiv“ gewöhnt sind, baut sich die Spannung langsam und stetig auf, bis sie sich in einem Showdown entlädt.

Die Schauplätze, Personen und gesellschaftliche Hintergründe der Jahre 1896 bzw. 1916 werden höchst interessant und unterhaltsam beschrieben. Wer München kennt, kann anhand der Beschreibungen mühelos dem Geschehen und den Protagonisten durch die Stadt folgen können.

Die Charaktere sind wie immer detailliert ausgearbeitet. Besonders die schriftstellerisch tätige Sophie von Gryszinski ist eine herausragende Person.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.04.2023

Eine gelungene Fortsetzung

Saphirblaue Sehnsucht
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Dieser Roman ist der zweite Band der „Neuanfang-in-Indien“-Trilogie von Janet MacLeod Trotter.

Der historische Roman spinnt die Geschichte des ungleichen Paares, Stella und Andrew, die gemeinsam im Raj ...

Dieser Roman ist der zweite Band der „Neuanfang-in-Indien“-Trilogie von Janet MacLeod Trotter.

Der historische Roman spinnt die Geschichte des ungleichen Paares, Stella und Andrew, die gemeinsam im Raj Hotel in Rawalpindi aufgewachsen sind. Sie, die 20-jährie Tochter des Hoteldirektors, und er, der 13-jährige Sohn des Hoteleigentümers. Andrews Eltern leben seit Jahren getrennt und nun fährt er Jugendliche zu seiner Mutter nach Schottland. Stella begleitet ihn.

Der Aufenthalt auf dem Landsitz von Andrews Mutter gestaltet sich für Stella schwierig, denn sie wird als Dienstbotin behandelt, während Andrew der dauernden Manipulation durch seine Mutter ausgesetzt ist und ihr verfällt.

Jahre später treffen sich die beiden in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in Indien wieder ....

Meine Meinung:

Diese Reihe ist eine gelungene Geschichte rund um den britischen Standesdünkel der Upper Class. Während Andrews Vater Tom ein weltoffener, wenn auch durch frühere Erlebnisse traumatisierter Mann ist, ist seine Mutter Lydia ein selbst- und missgünstiger Charakter, dessen Gedanken ausschließlich um sich selbst dreht. Sie manipuliert ihre Umgebung und schert sich nicht um die Gefühle anderer.

Geschickt werden historische Details in die Handlung hineingeflochten. Das Buch liest sich leicht und flüssig.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Ausflug in das Britisch-Indien 5 Sterne und freue mich auf den Abschluss der Trilogie.

Veröffentlicht am 15.04.2023

Künstliche Intelligenz anno 1907

Seine Exzellenz der Android
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„Der Wahn ist das Wesentliche des menschlichen Daseins.“

Wer heutzutage das Wort „Android“ hört, denkt sofort an das Betriebssystem der meisten Mobiltelefone. Das ist hier in diesem Buch nicht gemeint, ...

„Der Wahn ist das Wesentliche des menschlichen Daseins.“

Wer heutzutage das Wort „Android“ hört, denkt sofort an das Betriebssystem der meisten Mobiltelefone. Das ist hier in diesem Buch nicht gemeint, sondern von Menschen konstruierte Roboter, die ein Eigenleben entwickeln. Androide bevölkern die Landschaft der SF-Literatur. sich.

Der geniale Physiker Frithjof Andersen konstruiert diesen vollkommenen Maschinenmenschen, stattet ihn mit allen menschlichen Attributen aus und führt sein Geschöpf in die Gesellschaft ein. Die (Vor)Täuschung gelingt. Zu Beginn seiner „Karriere“ folgt der Android auch noch brav seinem Schöpfer und lernt. Doch dann emanzipiert er sich tanzt den Menschen auf der Nase herum. Die angelernten Phrasen verquicken sich zu scheinbaren Bonmots und der Automat wird hofiert. Er schwingt sich zum Großindustriellen auf, wird zum Minister ernannt. Dann triggern ihn einzelne Worte wie „Krieg“ an, zu denen er Hetzreden von sich gibt und das Volk in eine Kriegsbegeisterung stürzt, die ihresgleichen sucht.

Ähnlich wie in Goethes Zauberlehrling kann auch Andersen sein Geschöpf nicht im Zaum halten.

„Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.“

Doch während bei Goethe ein Zauberspruch dem Treiben Einhalt gebieten kann, bleibt Frithjof Andersen nur, sein Werk wieder zu zerstören.

„Das Los eines Volkes abhängig von einer einzigen verdorbenen Puppe!“

Meine Meinung:

Dieser im Jahr 1907 vom jüdischen Wissenschaftsjournalisten Leo Silberstein-Gilbert (1861-1932) verfasste Roman gilt als Vorläufer der Science-Fiction-Romane.

Die Idee, ein Ebenbild des Menschen zu erschaffen, das nach dem Willen seines Schöpfers handelt, ist nicht wirklich neu. Diverse Homunculi oder Golems geistern durch die Literatur.

Anders, als der jüdische Golem, der als aus Lehm geschaffener künstlicher Nicht-Jude Arbeiten für die Juden verrichten soll und über keinen eigenen Willen, dafür aber über Bärenkräfte verfügen soll, ist Gilberts Android weniger ein Maschinenmensch à la Terminator, sondern ein humorvolles, sehr menschliches Geschöpf. Er lernt durch Nachahmen und ähnelt der Künstlichen Intelligenz (KI), die heute eingesetzt und manchmal auch schon gefürchtet ist.

„Für diesen Wahnsinn der Menschheit müssen sie, die Schöpfer der Werke, die Zwangsjacke bekommen.“ (S.277)

Dieser Roman weist in gerade zu prophetischer Weise auf das Ende der großem Monarchie (Österreich-Ungarn, das deutsche Kaiserreich und das Zarenreich) hin.

Der Schreibstil ist dem Fin de Siècle entsprechend und enthält zahlreich Worte, Redewendungen sowie Anspielungen auf die Donaumonarchie. Ich mag das, wenn Austriazisem wie „spintisieren“ verwendet werden.

Dass sein Roman wird 1933 aus allen deutschen Bibliotheken verb(r)annt wird, muss Leo Silberstein-Gilbert nicht mehr erleben.

Es ist Nathaniel Riemer zu verdanken, dass dieses Meisterwerk der Fantasie aus dem Fin de Siècle eine Neuauflage im Verlag W erfährt. Damit wird dieser erste SF-Roman vor dem Vergessen bewahrt.

Fazit:

Diesem prophetischen Meisterwerk gebe ich sehr gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.04.2023

Ein wichtiges Buch

Willkommen in Auschwitz
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Dieses Buch, das in der „Edition W“ des Westend-Verlages erschienen ist, setzt dem polnischen Schriftsteller Tadeusz Borowski (1922 - 1951) ein Denkmal.

Der Autor überlebt als politischer Häftling 3 Konzentrationslager ...

Dieses Buch, das in der „Edition W“ des Westend-Verlages erschienen ist, setzt dem polnischen Schriftsteller Tadeusz Borowski (1922 - 1951) ein Denkmal.

Der Autor überlebt als politischer Häftling 3 Konzentrationslager der Nazis. Er endete in jungen Jahren mit Selbstmord: „Den Gaskammern der Nazis war er entkommen, aber für seinen Suizid wählte er trotzdem das Gas, das er in seiner Warschauer Wohnung aufgedreht hatte.“

Warum Borowski Suizid begangen hat, in ungeklärt. Ob die Gerüchte über eine Liebschaft oder die Anfeindungen durch Nachkriegspolitik in Polen hier eine Rolle spielten, lassen sich nicht mehr feststellen. 1946 verschreibt er sich ganz der kommunistischen Ideologie und tauscht damit ein Terrorregime gegen ein anderes. Das ist zudem auch deswegen verwunderlich, weil seine aus der Ukraine stammenden Eltern von Stalin in Straflager verschleppt worden sind.

Tatsache ist, dass sich Borowski vor allem mit seinen Erzählungen „Willkommen in Auschwitz“ und „Meine Damen und Herren, bitte zum Gas“ wenig Freunde gemacht hat. Er zeigt, dass sich auch unter den jüdischen Mitgefangenen in den Konzentrationslagern immer wieder willfährige Helfer des Terrorregimes gefunden haben, die, um ihr eigenes Überleben (zumindest für einige Zeit) zu retten, die Befehle ausgeführt haben. Dass diese Darstellung von Opfern als Mittätern, in Polen nicht überall gut angekommen ist, verwundert nicht weiter.

Hier in diesem Buch finden sich neben den schon erwähnten Essays noch folgende Geschichten aus dem KZ Auschwitz:

„Der Abschied von Maria“
„Ein Junge mit der Bibel“
„Leute, die liefen“
„Ein Tag in Harmense“

Herausgeber Arthur Becker erklärt im Vorwort wie er sich dem Autor Borowksi angenähert hat. Im Nachwort werden die häufigsten Begriffe des Lagerlebens, soweit sie nicht durch Fußnoten erläutert sind, beschrieben.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen. Es bildet genau den Lageralltag eines, wie Borowski von sich selbst sagt, „Privilegierten“, also in seiner Definition „Mittäters“, ab.

Der Schreibstil ist manchmal ironisch und berührt durch seine klare Sprache. Die Grenzen zwischen gut und böse verschwimmen

Fazit:

Diesem Vermächtnis, das eines der wichtigsten Zeugnisse der Holocaustliteratur ist, gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.04.2023

Epigenetik - ein fesselndes Thema

Emotionales Erbe
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So wie Haarfarbe, Körperbau, Begabungen und/oder Disposition für verschiedene Krankheiten vererbt werden, so können auch Erinnerungen an emotionale Traumata an die nächste oder übernächste Generation weitergegeben ...

So wie Haarfarbe, Körperbau, Begabungen und/oder Disposition für verschiedene Krankheiten vererbt werden, so können auch Erinnerungen an emotionale Traumata an die nächste oder übernächste Generation weitergegeben werden. Diese Erfahrungen unserer Vorfahren spielen in diesem Sachbuch eine große Rolle.

Galit Atlas ist eine israelisch-amerikanische Psychoanalytikerin und Nachfahrin von Holocaust-Überlebenden. Sie schleppt, wie Hunderte andere, das emotionale Erbe ihrer ermordeten Verwandten mit sich herum. Sie weiß daher, worüber sie schreibt.

In zahlreichen Fallbeispielen erläutert sie, wie man ein solches Erbe, das sich auf unterschiedliche Weise manifestiert, erkennt und welche Maßnahmen möglich sein können, dieses ererbte Muster zu durchbrechen.

Meine Meinung:

Mit Epigenetik beschäftige ich mich schon länger. Daher war der Griff zu diesem interessanten Buch vorprogrammiert (epigenetisch indiziert?).

Das Buch von Galit Atlas beschreibt sehr anschaulich, wie intergenerationale Wahrnehmungsmuster die menschliche Existenz prägen und in ihrer Entwicklung hemmen können.

Dieses Buch ist aufschlussreich und erklärt anhand der Beispiele, wie unausgesprochene bzw. nicht aufgearbeitete Traumata von Großeltern und Eltern das Leben ihrer Enkel und Kinder nachhaltig beeinträchtigen können. Das gilt jetzt nicht nur für Nachkommen der Shoa und anderer Genozide. Die Traumata der Nachfahren von Überlebenden des NS-Terrors ist vermutlich am besten erforscht.

Wenn man sich die aktuelle Situation auf der Welt (Covid, Kriege etc,) ansieht, wird klar, dass der Epigenetik auch in Zukunft mehr Bedeutung einzuräumen ist und entsprechend ausgebildete Therapeuten notwendig sein werden.

Fazit:

Diesem inspirierenden Buch, das dazu anregt, eigene Verhaltensweisen daraufhin zu analysieren, ob sie nicht Neuinszenierungen ererbter Traumata sind, gebe ich gerne 5 Sterne.