Das Erbe des britischen Empires und seine dramatischen Auswüchse
BabelDie New York Times-Bestsellerautorin Rebecca F. Kuang präsentiert mit ihrem aktuellen Roman "Babel" keine ganz leichte Kost für Leseinteressierte.
Kuang versetzt uns Leser zurück in das 19. Jahrhundert ...
Die New York Times-Bestsellerautorin Rebecca F. Kuang präsentiert mit ihrem aktuellen Roman "Babel" keine ganz leichte Kost für Leseinteressierte.
Kuang versetzt uns Leser zurück in das 19. Jahrhundert und wählt das Setting des britischen Empires, das damals seine kolonialen Bemühungen im Fokus hatte. Die ganzen beschriebenen Szenerien wirken auf uns in der heutigen Zeit und auch nach unseren Maßstäben vielleicht wie aus dem Rahmen gefallen, aber geben wahrscheinlich die damaligen Verhältnisse dann wirklich sehr authentisch wieder.
Dreh- und Angelpunkt der Story ist Robin ein Junge aus Kanton (China), dem urplötzlich die Türe nach Oxford offen steht. Zur Story selbst möchte ich eigentlich gar nicht so viel verraten und verweise einfach nochmals auf den Teasertext.
Generell bin ich persönlich mit dem Buch und vor allem dem Inhalt sowie der Stilistik von Kuang nie so richtig warm geworden.
Einerseits liegt es daran, dass Kuang immer wieder sehr ausschweifend Details zu den Sprachwissenschaften sowie der Übersetzung in die Story mit einflechtet. Für mich waren diese "Exkurse" dann in ihrer Summe und der Länge nach kurzer Zeit zu viel. Die eigentliche Handlung geriet für mich dadurch immer wieder zu sehr in den Hintergrund und es entwickelte sich eine klassische On-Off-Beziehung zwischen mir und dem Buch. Versteht mich dabei bitte nicht falsch, die Details zu den Sprachwissenschaften sind durchweg interessant nehmen für mich allerdings einen zu großen Platz ein. Dass Kuangs Herz an eben dieser Wissenschaftssparte hängt merkt man bei jedem einzelnen "Exkurs".
Diese On-Off-Beziehung machte es mir auch hinsichtlich der unterschiedlichen Charakteren dann nicht einfacher, so dass ich auch dies Handelnden nicht sonderlich greifbar fand sondern mir hier und das dann auch tieferes Verständnis fehlte und ich mit den verschiedenen Personen auch etwas fremdelte.
Das Buch ist meiner Meinung nach nichts für Zartbesaitete, da der damalige koloniale Stil sehr ausgeprägt, intensiv und wenig beschönigend dargelegt wird. Die damaligen Sitten und Gebräuche wirken schon in der heutigen Zeit dann wie aus einer anderen Welt und geben einem schon zu denken auf.
Für mich rückte der Roman erst richtig in den Fokus durch die Einschätzung von Denis Scheck "Das Aufregendste im Fantasygenre seit Harry Potter". Für mich persönlich war die Story dann weder recht aufregend gestaltet noch hielt die Handlung ausreichend Fantasyelemente parat. Einen fesselnden Fantasyroman stelle ich mir persönlich sehr viel spannender und mit aufregenderen Charakteren vor. Für mich plätscherte die Story, teils durch die Einschübe mit den Sprachwissenschaften nur so vor sich hin. Einen durchgängigen und konsequent ansteigenden Spannungsbogen suchte ich leider vergeblich. Zum Schluss kam dann noch etwas Spannung auf, aber da war der Zug für mich dann bereits abgefahren.
Ich persönlich bin in das Buch mit komplett falschen Vorstellungen gestartet. Ich hatte wirklich ein wortgewaltiges grandioses Fantasywerk erwartet und gelesen habe ich einen Roman, der weit davon entfernt ist. Für mich ist es ein Roman, der die damalige Zeit wieder aufleben lässt und uns den Spiegel vorhält und die Radikalisierung in den Fokus nimmt. Aber mit richtiger Fantasy hat er leider nur sehr wenig zu tun.
Mich lässt der Roman, trotz das ich ihn eher mittelmäßig fand, sehr nachdenklich zurück. Das Ende hatte ich leider bereits zumindest in Ansätzen fast genauso erwartet.
Enthält das Buch vielleicht sogar Parabeln auf unsere heutige Zeit?
Wähnen wir uns so viel besser als die damalige abgehobene britische Gesellschaft der Eliten oder sehen wir viele Tatsachen vielleicht auch durch eine sehr privilegierte rosarote Brille?
Wenn wir quasi das Brennglas hernehmen und die aktuellen Herausforderungen betrachten gibt es wohl sehr viele Parallelen zu unserer jetzigen Zeit (z.B. Ukrainekrieg, Klimawandel, Erstürmung des US-Capitols, Letzte Generation, Spaltung der Gesellschaft, Taiwan-China-Konflikt etc.).
Auch wenn ich für mich selbst leider statuieren muss, dass das Werk weit hinter meinen Erwartungen geblieben ist, hat es meinen Horizont trotzdem zu Teilen erweitert und Sichtweisen präsentiert, über die es sich nachzudenken lohnt.
Aber hat die Kunst dann nicht bereits ihr Ziel erreicht, wenn man über den eigenen Tellerrand hinausblickt?
Kunst, dazu zähle ich persönlich dann auch Literatur, liegt ja bekanntlich immer im Auge des jeweiligen Betrachters.
In diesem Sinne passen wir auf uns auf und lassen es hoffentlich nicht wie in "Babel" eskalieren.