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Veröffentlicht am 25.04.2023

Freundschaft, Liebe und Verlust

Lichte Tage
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Es geht in diesem poetischen Roman um die Beziehungen zwischen drei Personen: zwei Männern und einer Frau.
Die auf dem Cover abgebildeten Van Gogh'schen Sonnenblumen stehen für den Kontrast zwischen einem ...

Es geht in diesem poetischen Roman um die Beziehungen zwischen drei Personen: zwei Männern und einer Frau.
Die auf dem Cover abgebildeten Van Gogh'schen Sonnenblumen stehen für den Kontrast zwischen einem Arbeiterleben im tristen Oxford der 50er und 60er Jahre und der sonnendurchfluteten und entspannten Zeit, die die beiden Protagonisten Ellis und Michael in der Provence verbringen. Die beiden lernen sich kennen, als Michael seine Eltern früh verliert und zu seiner Tante nach Oxford zieht. Es ist Freundschaft auf den ersten Blick, die sich im Laufe der Jahre unausgesprochen zu einer Liebe entwickelt, die während des kurzen Südfrankreichaufenthaltes zum Blühen kommt. Doch es sind die 60er und Ellis kann nicht zu dieser Liebe stehen. Er lernt Annie kennen und heiratet sie, und Annie erkennt die wichtige Rolle von Michael in Ellis' Leben und die Drei bilden ein unzertrennliches Gespann, dessen Wege sich dann allerdings irgendwann trennen.
All das erfahren wir aus den Erinnerugen von Ellis, der nicht Künstler geworden ist, sondern in derselben Autofabrik gelandet ist, in der sein Vater gearbeitet hat. Er ist mittlerweile 45, hatte einen Unfall mit dem Fahrrad und ist aufgrund seines eingegipsten Arms für längere Zeit krank geschrieben: Zeit zum Erinnern und Nachdenken! Annie ist vor ein paar Jahren gestorben und Ellis ist seitdem in der inneren Emigration. Nun beginnt er, sich mit seinem bisherigen Leben auseinanderzusetzen, die Erinnerungen blitzen sprunghaft auf. Er findet Michaels alte Tagebücher auf dem Speicher und nun erfahren wir einen Teil der Geschichte aus Michaels Perspektive.
Die Autorin kann ohne Zweifel gut schreiben, ich bin dem Leben der Drei sehr gern gefolgt. Wobei Annie etwas zu kurz kam; es geht hauptsächlich um Ellis und Michael und ihre ungelebte Liebe. Sehr leichtfüssig geschrieben, aber trotzdem auch ziemlich traurig, diese unerfüllte Liebe. Für mich persönlich sind allerdings zu viele Fragen offen geblieben ...

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Veröffentlicht am 16.04.2023

Ein römischer Commissario in Ligurien

Abschied auf Italienisch
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Schön, ein Autor hat für seinen italienischen Regionalkrimi mal einen Schauplatz gefunden, der krimitechnisch meines Wissens noch nicht beackert wurde.
Vito Grassi aus Rom hat nach dem Tod seines Vaters ...

Schön, ein Autor hat für seinen italienischen Regionalkrimi mal einen Schauplatz gefunden, der krimitechnisch meines Wissens noch nicht beackert wurde.
Vito Grassi aus Rom hat nach dem Tod seines Vaters beschlossen, sich nach Ligurien versetzen zu lassen, wo er ein Rustico von seinem Vater geerbt hat. Denn die Kinder sind mehr oder weniger aus dem Haus und er und seine Ehefrau leben nebeneinander her … da könnte ein Neuanfang guttun!
Die erste Überraschung: im Haus lebt Toni – wer ist sie: die Lebensgefährtin seines Vaters, ein Tochterersatz?
Dann auf der Arbeit: eine weibliche Vorgesetzte und eine aufgeweckte junge Kollegin. Grossi ist kein sehr umgänglicher Zeitgenosse; er braust schnell auf, sagt oft Dinge, die ihm schon während des Aussprechens leid tun, platzt mit Bemerkungen heraus, die er lieber hätte lassen sollen … kurz gesagt, die Zusammenarbeit gestaltet sich nicht unkompliziert, klappt aber schlussendlich dann doch. Gleich zu Beginn gibt es zwei Morde, die, wie sich herausstellt, zusammenhängen. Zunächst folgen die Polizisten zahlreichen falschen Fährten.
Ich habe gehört, dass die Cinque Terre sehr schön sind, und die Landschaftsbeschreibungen des Autors illustrieren das sehr schön. Er lässt sich Zeit, seine Protagonisten und die Örtlichkeiten vorzustellen und sorgt auch immer für genügend Spannung.
Ein gut lesbarer Schreibstil, gute, zum Teil humorvolle Dialoge, Lokalkolorit, spannende Kriminalfälle, interessante Charaktere, schöne Landschaft, gutes Essen – was will man mehr von einem Regionalkrimi?
Mich hat dieser kurzweilige Cosy sehr gut unterhalten, und ich freue mich auf den nächsten Band.

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Veröffentlicht am 18.02.2023

Faszinierendes Debut

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
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Dieser ungewöhnliche Roman lässt sich schwer einem Genre zuordnen, als Thriller würde ich ihn jedenfalls nicht bezeichnen! Es ist ein Western, eine Liebesgeschichte, ein Rachedrama, das 1869 spielt, in ...


Dieser ungewöhnliche Roman lässt sich schwer einem Genre zuordnen, als Thriller würde ich ihn jedenfalls nicht bezeichnen! Es ist ein Western, eine Liebesgeschichte, ein Rachedrama, das 1869 spielt, in der Zeit als das amerikanische Eisenbahnnetz gebaut wurde, größtenteils von chinesischen Arbeitssklaven. Es geht dem jungen Autor, der in Beijing geboren wurde und dann in den USA aufgewachsen ist, auch um die Kränkungen, die Misshandlung und die Ausbeutung seiner chinesischen Landsleute. Es ist ein Western, der nicht aus der weißen Perspektive geschrieben wurde.
Ming Tsu ist vom Schicksal in die Rolle des Auftragskillers verschlagen worden. Als Waisenkind aufgewachsen bei einem Amerikaner, den er als Vater anerkannte, der auch meistens gut zu ihm war und ihm aber eine ganz spezielle Ausbildung angedeihen ließ: als Hit-Man. Im Gegensatz zu den meisten seiner Landsleute spricht er fließend Englisch und gar kein Chinesisch. Zu seinem Pech verliebt er sich in ein weißes Mädchen, sie sich auch in ihn, sie brennen durch und heiraten: Das kann der Vater des Mädchens keinesfalls akzeptieren, seine Mannen brechen in die Idylle des Paares ein und bringen Ming fast dabei um. Dann wird er als Arbeitssklave an die Eisenbahngesellschaft verkauft. Nach einigen Jahren gelingt es ihm, zu fliehen, und zu diesem Zeitpunkt beginnt der Roman. Ming hat einen greisen, blinden Chinesen mitgenommen, der gewisse seherische Fähigkeiten hat. Und er hat sich geschworen, Rache zu üben an allen, die sein Glück zerstört haben und dann sein Mädchen wieder in die Arme zu schließen. Eine ziemlich naive und romantische Sichtweise für einen so harten Kerl. Ein Wanderzirkus heuert ihn als Begleitschutz an und mit dieser schrägen Truppe geht es auf die Reise nach Westen, Richtung Kalifornien.
Unterwegs verschwindet Ming immer mal wieder, um einen Kandidaten von seiner Todesliste zu eliminieren. Aber er ist kein schlechter Mensch, er entwickelt durchaus fürsorgliche, warme, einfühlsame Beziehungen zu einigen aus der Gruppe, er ist geduldig und friedfertig im Umgang mit seinen Reisegefährten. Es gibt immer wieder Kämpfe mit gegnerischen Gruppen, das sind die Stellen, die so sind, wie man sich einen Western vorstellt. In diesen Szenen geht es brutal zur Sache, aber trotzdem schafft der Autor es, dass man als Leser mit dem Protagonisten sympathisiert. Dann gibt es eindrückliche Landschaftsbeschreibungen und viele Szenen im Zusammenhang mit dem Propheten und der Gauklertruppe mit einem surrealen, irgendwie esoterischen, fast fellininesken Einschlag.
In meiner Jugend habe ich jede Menge Karl May gelesen, danach aber eigentlich mit dem Thema „Western“ abgeschlossen, Aber dieses Buch hat mich in seinen Bann gezogen, es ist eben viel mehr als nur ein Western, es ist Literatur!

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Veröffentlicht am 22.11.2022

Ein Krimi ist das eigentlich nicht!

Frau mit Messer
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Von koreanischen Filmen bin ich schon lange begeistert, deshalb freue ich mich, wenn ich hin und wieder auch mal ein koreanisches Buch in die Hände bekomme. Dieser Roman erschien mir sehr vielversprechend. ...

Von koreanischen Filmen bin ich schon lange begeistert, deshalb freue ich mich, wenn ich hin und wieder auch mal ein koreanisches Buch in die Hände bekomme. Dieser Roman erschien mir sehr vielversprechend. Was für eine Idee: eine Auftragsmörderin, die das Rentenalter erreicht hat und ihr unauffälliges Aussehen nutzt, um z.B. in der U-Bahn dicht an ihr Opfer heranzukommen. Sie leidet unter der Altersdiskriminierung einiger jüngerer Kollegen in der Agentur, will aber noch nicht aufhören, obwohl der Chef von ihr zu erwarten scheint, dass sie von sich aus kündigt ...

Hornclaw (so ihr Deckname) hat ihr ganzes Leben lang schon als sogenannte "Schädlingsbekämpferin" gearbeitet. Im Laufe des Romans erfahren wir, wie es dazu kam. Sie hält sich immer noch fit, trainiert regelmäßig und ist definitiv erheblich besser in Form als die meisten ihrer Altersgenossen. Aber dennoch muss sie sich eingestehen, dass sie allmählich etwas nachlässt, sowohl körperlich als auch geistig, insofern, dass sie eine gewisse Altersmilde an sich feststellt, dass Gefühle, die sie früher immer verdrängt und unterdrückt hat, an die Oberfläche drängen und ihr in die Quere kommen, ja sogar dazu führen, dass sie Fehler macht. Eigentlich geht es mehr um ihre Lebensgeschichte, um ihre Erfahrungen des Alterns, um gesellschaftliche Probleme in Korea - für mich passt dieses Buch nicht ins Krimi-Genre, die Bezeichnung ist eher irreführend. Es kommt zwar gegen Ende zu einer Art Show-down, aber ein wirklicher Krimi-Plot ist für mich nicht erkennbar.

Der Schreib- und Erzählstil ist ungewöhnlich, teilweise getränkt von schwarzem Humor, allerdings ist alles etwas vage und es bleiben viele Fragen offen. Ich fand fie Geschichte durchaus interessant, konnte aber keine wirkliche Verbindung zu den handelnden Personen aufbauen, was ich schade finde. Folglich entwickelte sich auch kein Sog beim Lesen und ich kam ziemlich langsam voran. Das Buch hat mir stellenweise sehr gut gefallen, konnte mich aber insgesamt doch nicht so recht überzeugen, obwohl ich es mögen wollte. Daher aufgerundete dreieinhalb Sterne!

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Kunstgeschichte, Beutekunst und Familiendrama

Das neunte Gemälde
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Dieser (kunst)historische Krimi beschäftigt sich mit der von den Nazis durchgeführten Kunstverbrennung in Paris, mit speziell einem Bild (dem titelgebenden neunten Gemälde) im Zusammenhang mit dem Kubismus ...

Dieser (kunst)historische Krimi beschäftigt sich mit der von den Nazis durchgeführten Kunstverbrennung in Paris, mit speziell einem Bild (dem titelgebenden neunten Gemälde) im Zusammenhang mit dem Kubismus und den Malern Picasso, Braque und Derain, die oft zusammen arbeiteten.
Der Autor verbindet Fakten mit Fiktion und erzählt unter anderem die Geschichte eines SS-Mannes, der rechtzeitig vor Ende der Nazizeit abtaucht und vorher noch durch einen raffiniert geplanten Betrug sein Schäfchen ins Trockene bringt, in der Bundesrepublik als Lichtgestalt wieder auftaucht und eine steile Karriere hinlegt - wie so viele ehemalige Nazis. Eng verbunden ist seine Geschichte u.a. mit dem Vater des Protagonisten Lennard Lomberg. Dieser ist ein renommierter Kunsthistoriker, der häufig als Gutachter tätig ist. Ein ihm unbekannter Franzose bittet ihn telefonisch um die Begutachtung eines Gemäldes, das von einer ominösen Stiftung einem Museum übergeben werden soll. Bevor es jedoch zu einem Treffen zwischen ihm und Lomberg kommt, wird er ermordet. Lomberg erkennt allmählich die Verbindung zwischen der Geschichte dieses Gemäldes und seinem Vater und beginnt zu ermitteln.
Dieser Roman bietet viel: interessante historische und kunsthistorische Informationen, Zeitgeschichte der frühen BRD, eine spannende Geschichte um ein geraubtes Bild und ein Familiendrama; denn Lomberg erfährt viel Neues über seinen Vater und seine Familie. Die Zeitbenen wechseln, die Hauptteile der Handlung spielen 1943, 1966 und 2016.
Ich fand den Schreibstil gut lesbar, die Hauptcharaktere gut beschrieben und die Geschichte sehr spannend, und werde ganz gewiss auch den nächsten Band um Lennard Lomberg lesen. Kein ganz typischer Whodunnit und gerade deshalb durch den Genremix eine sehr interessante und auch unterhaltsame Lektüre.

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