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Veröffentlicht am 17.04.2023

Band 7 um Capitaine Roger Blanc

Verlorenes Vernègues
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Müssen wir Angst haben, dass die Wölfe zurück in unserem Land sind?

Denn das ist das Thema in Rademachers Krimi. Die Rückkehr der Wölfe in der Provence löst unterschiedliche Reaktionen in den Menschen ...

Müssen wir Angst haben, dass die Wölfe zurück in unserem Land sind?

Denn das ist das Thema in Rademachers Krimi. Die Rückkehr der Wölfe in der Provence löst unterschiedliche Reaktionen in den Menschen aus, die in der Nähe der verlassenen Stadt Vieux Vernègues leben, die einst von einem Erdbeben schwer getroffen und vernichtet wurde. In einer kalten Januarnacht wird Capitaine Roger Blanc in die Ruinenstadt gerufen, weil Wölfe etliche Schafe gerissen haben, was eigentlich nicht Aufgabe der Gendarmerie ist. Doch die Lage spitzt sich zu, als Jäger, Schäfer und selbst der Bürgermeister zu den Waffen greifen. Aber nicht nur die Wölfe sind in Gefahr.

Ein sehr aktuelles Thema, das Rademacher da aufgreift. Überall werden die Diskussionen über den Umgang mit den zurückgekehrten Wölfen lauter. Wie geht man mit dem »Problem« um? Interessant finde ich mal wieder die Figurenkonstellation, jeder nimmt eine andere Haltung zu dem Thema ein, die durchaus verständlich und oft berechtigt ist. Auch Blanc kann die Schäfer verstehen, die zwar eine stattliche Entschädigung für jedes gerissene Schaf bekommen, aber letztlich Angst um ihre Lebensgrundlage habe. Auch die Menschen in den umliegenden Orten haben Angst vor einem Übergriff. Förster und Naturschützer hingegen plädieren für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Wölfen und sehen keine Bedrohung in ihnen. Oder sollte man doch eine staatlich regulierte Abschussquote einführen? Aber solche Problem rufen auch Spinner auf den Plan, die sich die Unsicherheit der Menschen zunutze machen. Und für schießwütige Jäger ist es ohnehin ein gefundenes Fressen. Was aber eine Seismologin und einen Ufo-Forscher in die Gegend treibt, müsst ihr selbst herausfinden.

Wie immer beleuchtet Rademacher die Thematik von allen Seiten und baut geschickt die Geschichte und Geografie der Provence ein. Blancs Team ist mit der Zeit zusammengewachsen, man verlässt sich blind aufeinander. In Fabienne Soulards Ehe kriselt es zum ersten Mal, Marius Tonnon hat mit Alkohol nichts mehr am Hut, na ja und Blancs Liebesleben ist mal wieder auf dem Tiefpunkt. Dafür wird seine alte Ölmühle, in der er lebt, immer wohnlicher – dank seiner Nachbarin Pauline.

Wer natürlich Spannung zum Bersten sucht und Nervenkitzel pur, ist hier falsch. Wie in jedem Kriminalroman gibt es auch hier viel Geschichte drumherum, auf die man sich einlassen muss. Neben Martin Walker und Andrea Camilleri ist Rademacher für mich der lesenswerteste Krimiautor in den letzten Jahren geworden. Man spürt in jedem seiner Bücher die Liebe zu seiner Wahlheimat und das Interesse an den aktuellen Themen der Zeit. Deshalb gibt es eine klare Leseempfehlung von für alle Krimifans.

Übrigens:
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 975 Angriffe von Wölfen mit 3374 verletzten, vermissten oder getöteten Nutztieren gemeldet. Im Vorjahr waren es 942 Attacken.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Ein Stück DDR-Geschichte

Die Geschwister
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1961, kurz vor dem Mauerbau, Elisabeths Bruder sieht für sich keine Zukunft in der DDR und will nach Westdeutschland gehen. Elisabeths Enttäuschung ist groß, weil schon Konrad, der ältere Bruder, der DDR ...

1961, kurz vor dem Mauerbau, Elisabeths Bruder sieht für sich keine Zukunft in der DDR und will nach Westdeutschland gehen. Elisabeths Enttäuschung ist groß, weil schon Konrad, der ältere Bruder, der DDR vor einigen Jahren den Rücken gekehrt hat. Die Geschwisterliebe steht vor der Zerreißprobe. Mit allen Mitteln versucht sie ihn zum Bleiben zu bewegen. Als sie nicht mehr weiterweiß, wendet sie sich an ihren Freund und verrät Ulis Fluchtpläne.

»Das vergesse ich dir nie … Das werde ich dir nie verzeihen.« S.5

Es gibt Bücher, die kann man nicht neutral oder objektiv betrachten. So geht es mir mit »Die Geschwister«, denn das Buch und ich haben eine gemeinsame Vergangenheit, die ich nicht unterschlagen kann.
Ich denke, dass man die Protagonistin Elisabeth besser verstehen kann, wenn man sie im historischen Kontext sieht. Die Teilung Deutschland war noch nicht alt und doch hatte die DDR ein immer größer werdendes Problem mit der Abwanderung von Fachkräften. Wer zu dieser Zeit noch an die proklamierten Werte des Staates glaubte, fühlte sie verraten. So auch Elisabeth, die ihre Zukunft als Malerin in einem Kombinat hat. Sie ist aber keineswegs angepasst. Parteilos und Spross einer bürgerlichen Familie zu sein, steht sie unter Beobachtung der Stasi. Doch sie kämpft um ihre Anerkennung, lässt sich in ihrer Persönlichkeit nicht verbiegen. Daher hat sie keinerlei Verständnis für ihren großen Bruder Konrad, der bereits vor einiger Zeit die DDR verlassen hat. Doch noch trifft sich die Familie in Westberlin, noch steht keine Mauer aus Beton zwischen ihnen, wohl aber eine in ihren Köpfen. Sie hat kein Verständnis für ihn.

»… ich sagte mir, dass die ganze Legende von Geschwisterliebe und Stimme des Blutes ein mystischer Unsinn sei und ich einen Überläufer nicht in die Arme schließen werde, nur weil er zufällig mein Bruder ist.« S. 47

Umso bitterer trifft es sie, dass nun auch ihr Bruder Uli gehen will. Er, mit dem sie ein besonders starkes Band verbindet. Uli sieht keine Zukunft in Ostdeutschland, muss mit ansehen, wie weniger qualifizierte Ingenieure auf der Karriereleiter an ihm vorbeiziehen, weil er kein Parteibuch hat.

»Für den Brückenbau brauche ich exaktes mathematisches Wissen und keine Sympathien und erst recht kein Parteibuch.« S.47

Im Gegensatz zu seinem Bruder, der sich von materiellen Dingen leiten ließ, sieht er sich ausgebremst in seiner beruflichen Entwicklung. Zwischen Elisabeth und Uli entsteht ein heißer Disput. Beide versuchen, Verständnis für ihre Sichtweise zu erlangen. Doch Elisabeth geht einen Schritt zu weit und verrät ihn – wohl eher aus Verzweiflung.

»Mein Bruder hat mich belogen – das war nur ein geringes Gewicht mehr zu dem übrigen, aber es war dieses Gewicht, das die Last auf meinem Herzen unerträglich machte.« S.33

Reimanns Schreibstil ist unverkennbar und sie zog mich allein mit ihren poetischen Sätzen in die Geschichte hinein. Schon auf der ersten Seite habe ich einen Gang runtergeschaltet, weil ich jeden Satz fühlen und genießen wollte.

»Charlotte aber schritt auf ihren nadeldünnen Absätzen über unsere Bewunderung hinweg und durch ›dieses enge ärmliche Leben in eurer Republik‹ und über die Sektorengrenze nach Westberlin, zu Leiser und Hirn am Kudamm, und eines Tages schritt sie durch das Tor zum Auffanglager Marienfelde, und Konrad war bei ihr.« S.35

Reimann verarbeitet in dem Buch fiktional ihre eigene Geschichte – ihr Bruder verließ 1960 die DDR – aber auch den tiefen eigenen Konflikt und den einer ganzen Generation.
Durch Zufall wurde 2022 das Originalmanuskript wieder aufgefunden, der Zensur zum Opfer gefallene Passagen wurden hier in die Geschichte wieder eingefügt. Es gibt einen mehrseitigen Anhang, der zum besseren Verständnis des Buchs hilfreich ist. Diese Neuauflage wurde erstmals ins Englische übersetzt.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Grandioser Plot

Der Nebelmann
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Kurz vor Weihnachten verschwindet in dem kleinen Alpenörtchen Avechot die 16-jährige Anna Lou Kastner. Den Fall aufklären soll der umstrittene, römische Kommissar Vogel.
Wochen später irrt Vogel mit blutigem ...

Kurz vor Weihnachten verschwindet in dem kleinen Alpenörtchen Avechot die 16-jährige Anna Lou Kastner. Den Fall aufklären soll der umstrittene, römische Kommissar Vogel.
Wochen später irrt Vogel mit blutigem Hemd durchs Dorf und wird aufgegriffen. Er behauptet, er hätte einen Unfall gehabt, doch das Blut stammt nicht von ihm. Da er als Zeuge nicht glaubwürdig erscheint, wird der Psychiater Dr. Flores hinzugezogen.
Doch was Vogel bei der Befragung erzählt, ist ungeheuerlich.

Mehr verrate ich nicht von dem Klappentext, denn wer das Buch mit all seinen Raffinessen noch genießen will, sollte ihn nicht vorher lesen.

Ich habe mich an anderer Stelle beklagt, dass mir viele der hochgelobten 0-8-15-Thriller zu konstruiert erscheinen und nur der reißerischen Spannung wegen noch grausamere und blutigere Serienmorde en détail erfinden. Dass es anders geht, hat mir der italienische Großmeister Carrisi einmal mehr bewiesen. Bevor im März sein neues Buch »Das Haus der Stimmen« beim Atrium Verlag erscheint, wollte ich gern »Der Nebelmann« lesen, den ich bereits als großartige Verfilmung mit Jean Reno gesehen habe. Dank meines Goldfisch-Gedächtnisses erinnerte ich mich nur noch an die düstere Stimmung und das überraschende Ende. Und genau das fand ich auch in diesem Buch wieder. Carrisis Thriller setzt nicht auf gnadenlose Spannung, sondern baut ihn langsam auf und präsentiert uns ausgefeilte Charaktere, denen allen etwas Fragwürdiges anhaftet. Bis er uns am Ende einige Wendungen präsentiert, die ihresgleichen suchen.

Vogel ist ein wirklich unsympathischer Ermittler. Er ist mehr auf sein Aussehen bedacht, als auf die Lösung des Falls. Seine Methoden mehr als unmoralisch. Während er sich im Blitzlichtgewitter der Medien suhlt, bekommt die Staatsanwältin immer mehr den Eindruck, dass seine Indizien an den Haaren herbeigezogen sind. Schlimmer noch, er hat sie bereits geschickt an die Presse durchsickern lassen. Und das ist das Kernthema des Thrillers. Was geschieht in den Köpfen der Menschen, wenn sich die Medien auf den vermeintlich Schuldigen stürzen?

»Die Leute wollen keine Gerechtigkeit, sie wollen nur einen Schuldigen.« 183

Zu Beginn ist die Anteilnahme der Menschen hoch, man leidet mit den Eltern, die ihre Tochter verloren haben. Doch schon bald vermarkten die Medien das Leid und die Suche nach dem Täter. Das eigentliche Opfer tritt immer mehr in den Hintergrund und eines Tages hat man vergessen, dass das Mädchen Anna Lou Kastner hieß. Egal, ob die Schuld eines Verdächtigen bewiesen ist oder nicht, die Öffentlichkeit hat ihn – dank der Medien – bereits verurteilt.

Wer intelligente Thriller mit Nervenkitzel sucht, sollte Carrisi lesen, der meines Erachtens in Deutschland viel zu wenig Aufmerksamkeit verdient.
Für mich ist Carrisi der Houdini unter den Thrillerautoren – glaub nicht alles, was du siehst, zweifel an allem, was du liest.

»Die dümmste Sünde des Teufels ist die Eitelkeit.« 269

Dieses Zitat wird sich am Ende noch bestätigen, aber ganz anders als man sicher war, es zu wissen.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Venedig im 2. Weltkrieg

Garten der Engel
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1999 – Der 15-jährige Nico besucht sein Großvater, zu dem er schon immer ein besonders inniges Verhältnis hatte, im Krankenhaus. Nonno Paolo hat nicht mehr lange zu leben und gibt Nico jede Woche einen ...

1999 – Der 15-jährige Nico besucht sein Großvater, zu dem er schon immer ein besonders inniges Verhältnis hatte, im Krankenhaus. Nonno Paolo hat nicht mehr lange zu leben und gibt Nico jede Woche einen von fünf Umschlägen, in denen er seine Geschichte erzählt. Und die ausschließlich für Nico bestimmt sind und hofft, dass sie ihm in Zukunft nützlich ist. Er soll die Vergangenheit verstehen und damit auch sich selbst.

1943 – Venedig ist seit 2 Monaten von den Deutschen besetzt, das Leben wird für alle immer unsicherer. Der damals 18-jährige Paolo hat seine Eltern bei einem Bombenangriff verloren und lebt nun allein in einer kleinen, runtergekommenen Weberei. Das Einzige, womit Paolo sich Geld verdienen kann, ist ein letzter Auftrag seiner Eltern. Er soll für einen wohlhabenden Kunden drei identische Banner aus Samt weben mit Venedigs traditionellen Löwen. Doch er ahnt nicht, wer sein Kunde ist. Nach dem tragischen Tod einer Jüdin ändert sich Paolos Leben schlagartig, er soll zwei flüchtigen, jüdischen Partisanen einen Unterschlupf gewähren. Paolo muss eine schwere Entscheidung treffen, die viel Mut von ihm verlangt.

Während Nico die Geschichte liest, fragt er sich immer mehr, weshalb ihm die Alten nichts über die damalige Zeit erzählen, auch scheint ihm die Last zu groß, die Nonno Paolo von ihm verlangt zu tragen. Er wird viele Jahre brauchen, sich seinem Erbe z stellen.

»Garten der Engel« ist ein bewegendes Porträt des venezianischen Lebens während der deutschen Besatzung. Aber ebenso eine Coming-of-Age-Geschichte, die einfühlsam viele Themen behandelt, Einsamkeit, Homosexualität, Verantwortung, Zivilcourage und Mut. Hewson hat sehr vielschichtige, lebendige Charaktere geschaffen, die in ihrer Zeit authentisch verankert sind.

Obwohl es ein Roman ist, der getragen wird von dem düsteren, beklemmenden Alltag im Krieg, hat er viele Spannungsmomente, die schon fast an einen Krimi erinnern. Denn am Ende erfährt Nico ein Geheimnis, das alles in Frage stellt, da konnte ich mir die Träne nicht mehr verdrückend.
Man spürt Hewsons Liebe zu Venedig und seine akribische Recherche hat die Geschichte sehr lebendig gemacht. Im Anhang finden sich interessante Fakten rund um die jüdische Gemeinde in Venedig, sowie ein Stadtplan, in dem die wichtigsten Schauplätze eingezeichnet sind. Das half mir ungemein, mich im Wirrwarr der Kanäle zurechtzufinden, die eine atmosphärische Kulisse schufen für den immer spannender werdenden Fortgang der Handlung.

Durch seine geografische Besonderheit und die vielen Kulturgüter blieb Venedig weitestgehend von Bombenangriffen verschont. Während rundherum in Europa der Krieg wütet, kommen hochrangige Nazis zum Feiern in die Lagunenstadt. Dennoch verfolgen sie hartnäckig ihr Ziel, auch hier die Juden zu deportieren, doch aufgrund der vielen Kanäle ist es nicht so einfach, deren Verstecke zu finden. Einmal mehr scheitern sie hier auch an dem Mut einzelner Menschen, im richtigen Moment das Richtige zu tun.

Interessant war für mich auch die Geschichte um die traditionelle Jacquardweberei von Samt. In einige Szenen sitzen wir mit Paolo und seiner Angestellten Chiara am Webstuhl und bekommen Einblicke in das kunstvolle und aufwendige Handwerk.

Insgesamt ein sehr lesenswerter, ergreifender Roman, den ich gern weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Eine Tragödie zu Kriegsbeginn

Drei Tage im September
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»Edith Lustig schlendert über das Promenadendeck des britischen Oceanliners und hat noch eine Minute zu leben.« S.7

So beginnt Rademachers Buch über den Untergang des Passagierschiffs Athenia, mit dem ...

»Edith Lustig schlendert über das Promenadendeck des britischen Oceanliners und hat noch eine Minute zu leben.« S.7

So beginnt Rademachers Buch über den Untergang des Passagierschiffs Athenia, mit dem er ein authentisches Zeitzeugnis über den Beginn des 2. WKs geschaffen hat. Dabei bedient er sich vieler Einzelschicksale und Momentaufnahmen, die diese Tragödie lebendig werden lassen.

1102 Menschen wollen mit der Athenia am 1. September Europa in Richtung Kanada verlassen. Unter ihnen sind amerikanische Touristen, deutsche und österreichische Juden, Verfolgte des Naziregimes, Geschäftsleute, Wissenschaftler und zahlreiche Familien. Das Schiff ist gnadenlos überladen, da alle anderen Passagierschiffe zu Kriegszwecken eingezogen wurden. Nur zwei Tage später wird die Athenia von einem deutschen U-Boot torpediert. Es beginnt ein Kampf ums Überleben.

Rademacher schildert, wie sich die politischen Ereignisse in Europa überschlagen, um Hitlers Einmarsch in Polen zu verhindern. Er zeichnet die letzten Tage vor Kriegsausbruch nach, das Scheitern diplomatischen Bemühungen, sowie Hitlers Überfall auf den Radiosender Gleiwitz.

Im Hauptteil widmet sich der Autor den einzelnen Schicksalen auf der Athenia namentlich. Fast minütlich zeichnet er die Ereignisse vom 1.–4. September an Bord nach. Die panische Flucht auf die Rettungsboote, bei der Familien getrennt werden, die Aufopferung einzelner, die andere zu retten versuchen, aber auch den Egoismus einzelner, die ihrem Nebenmann noch das letzte Hemd entreißen.

Ebenso beschreibt er die bedrückenden Verhältnisse auf dem U-Boot U-30, das im Nordatlantik liegt und auf eindeutige Befehle wartet. Letztlich wird der Kapitän den fatalen Feuerbefehl geben, die zu der Tragödie führen soll.

Rademachers Recherche beruht auf zahlreichen Quellen wie zum Beispiel Journalisten, die mit Überlebenden gesprochen haben, Zeitungsmeldungen, Biografien oder der Dokumentation des Nürnberger Prozesses. Im Mittelteil befinden sich Originalaufnahmen der Athenia und einigen Passagieren.
Die Aufzeichnung der politischen Zuspitzung fand ich persönlich manchmal etwas trocken, um sehr mehr fesselten mich die persönlichen Schicksale, was den Hauptteil spannender machte als einen Krimi. Ich denke, alle Geschichtsinteressierten werden hier voll auf ihre Kosten kommen.

Ein paar Fakten:
• von der 315-köpfigen Besatzung überlebten 296
• 1009 der 1102 Passagiere wurden gerettet
• insgesamt forderte die Tragödie 112 Tote, 27 Männer, 69 Frauen und 16 Kinder

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