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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.09.2023

Kritik an der amerikanischen Gesellschaft

Unschuld
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Noch 35 Tage bis zu Florentin Carvers Hinrichtung. Bis dahin hat seine Tochter Molly Zeit, um herauszufinden, wer der wahre Schuldige ist und warum ihr Vater vor zehn Jahren ein falsches Geständnis abgelegt ...

Noch 35 Tage bis zu Florentin Carvers Hinrichtung. Bis dahin hat seine Tochter Molly Zeit, um herauszufinden, wer der wahre Schuldige ist und warum ihr Vater vor zehn Jahren ein falsches Geständnis abgelegt hat.

Neben diesem kriminalistischen Oberthema geht es in Takis Würgers Roman "Unschuld" vor allem um Kritik an der amerikanischen Gesellschaft: Waffenpolitik, Medikamentenmissbrauch, die Kluft zwischen Arm und Reich, sowie die Todesstrafe kommen zur Sprache und beweisen Würgers präzise Beobachtungsgabe.

Er schreibt nüchtern und schnörkellos, wechselnde Perspektiven und kurze Sätze lassen einem das Buch sehr kurzweilig erscheinen. Großartige Spannung kam allerdings nicht auf, dafür war die Storyline zu geradlinig, das Ende zu vorhersehbar.

Dennoch war es interessant, durch die verschiedenen Themen geführt zu werden und sich darüber Gedanken zu machen (obwohl Würger die Meinung klar vorgibt und nicht viel Gedankenfreiraum lässt). Positiv zu erwähnen sind außerdem die gut ausgearbeiteten Charaktere, allen voran die dreiundzwanzigjährige Protagonistin Molly. Durch ihr Stottern und ihre Ängste wirkt sie auf den ersten Blick gar nicht nach einer Heldin, beweist aber im Laufe der Geschichte Mut und wächst über sich hinaus.

Für mich war es kein Highlight, dem großen Hype zu diesem Buch kann ich mich nicht anschließen. Dennoch wurde ich gut und kurzweilig unterhalten, daher gibt es ⭐️3,5/5.⭐️

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Veröffentlicht am 24.04.2023

Liebesgeschichte mit übernatürlichen Elementen

Als wir Vögel waren
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Der junge Rastafari Darwin beginnt in Port Angeles, Trinidad einen Job als Totengräber.
Als Yejides Mutter stirbt, wird sie in ein Familiengeheimnis eingeweiht und muss die Tradition weiterführen.
Es beginnt ...

Der junge Rastafari Darwin beginnt in Port Angeles, Trinidad einen Job als Totengräber.
Als Yejides Mutter stirbt, wird sie in ein Familiengeheimnis eingeweiht und muss die Tradition weiterführen.
Es beginnt eine magische Liebesgeschichte, die vom Schicksal vorherbestimmt war.

Ich habe mich über das ungewöhnliche Setting von "Als wir Vögel waren" sehr gefreut. Romane, die in der Karibik spielen, habe ich bisher eher selten gelesen - und auf einem Friedhof schon mal gar nicht.
Ohne viele Worte schafft Ayanna Lloyd Banwo ein atmosphärisches Bild vom emsigen Treiben in Port Angeles.
Generell schafft sie es gut, die jeweiligen Stimmungen auf die Lesenden zu übertragen und sie in die Geschichte hineinzuversetzen.
Ich mochte es, wie sie die Kontraste von Darwins und Yejildes Erziehung herausarbeitet: Für ihn steht das Leben im Vordergrund, für sie der Tod. Dieser Kontrast spielt im gesamten Verlauf eine große Rolle.
Die Autorin erzeugt viele Fragen, die den Spannungsbogen aufrecht erhalten, wie z.B. was es mit dem mysteriösen Vorarbeiter Erroll auf sich hat, wohin Darwins Vater vor vielen Jahren verschwunden und was zwischen Yejide und ihrer Mutter vorgefallen ist.
Angenehm fand ich auch, dass die Liebesgeschichte zwar eine tragende Rolle spielt, dennoch keinen zu großen Teil einnimmt oder durch kitschige Formulierungen zum Ausdruck gebracht wird.

Nicht so gut gefallen hat mir der (im Laufe der Seiten immer größer werdende) Anteil an spirituellen/ übersinnlichen Sequenzen. Ich habe nichts dergleichen erwartet und finde, die Story wäre auch gut damit ausgekommen, wenn die Mythen ebensolche geblieben wären und sich nicht bewahrheitet hätten.
Auch verlief mir das letzte Drittel des Buches etwas zu geradlinig, bis auf eine Kleinigkeit kam es mir zu reibungslos zum Ende.

Insgesamt also ein Roman, der vor allem durch seine mitreißenden Stimmungen und außergewöhnlichen Beschreibungen überzeugt, mir persönlich aber zu übersinnlich war - wer damit kein Problem hat, sollte ihn unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Gute Grundidee - langatmige Umsetzung

Institut für gute Mütter
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Nach mehreren schlaflosen Nächten, Krankheiten und blankliegenden Nerven stürmt Frida kurzentschlossen aus dem Haus und lässt ihre achtzehn Monate alte Tochter allein, um ein paar Minuten Ruhe zu genießen.
Bei ...

Nach mehreren schlaflosen Nächten, Krankheiten und blankliegenden Nerven stürmt Frida kurzentschlossen aus dem Haus und lässt ihre achtzehn Monate alte Tochter allein, um ein paar Minuten Ruhe zu genießen.
Bei ihrer Rückkehr hat ein besorgter Nachbar bereits die Polizei alarmiert. Frida wird das Sorgerecht entzogen und sie muss für ein Jahr in das "Institut für gute Mütter", um es zurückzuerlangen.

In ihrem dystopischen Debütroman lässt Jessamine Chan die Protagonistin Frida den Albtraum eines jeden Elternteils durchleben. Ihr Trennungsschmerz hat mich dabei selbst tief getroffen und fast umgehauen, die Vorstellung, sein Kind durch einen einzigen Fehler zu verlieren und so viele Entwicklungsschritte zu verpassen, ist einfach grausam. Und Hand aufs Herz: Welches Elternteil handelt immer perfekt?

Nach einem packenden Start geht es meiner Meinung nach recht langatmig weiter und ich musste mich zwischendurch regelrecht zwingen, weiterzulesen.
Das Jahr im Institut hat weder Höhen, noch Tiefen, viele wichtige Themen - wie z.B. Rassismus oder ungleiche Behandlung von Vätern und Müttern - werden kurz angerissen, aber nicht vertieft und auch die Figuren blieben für mich wenig greifbar.
Eine Charakterentwicklung Fridas ist leider auch nicht zu sehen: Immer wieder beharrt sie darauf, dass sie nur "einen schlechten Tag" hatte und sieht den Fehler nicht so wirklich als ihren eigenen ein.
Die Beschreibungen der bedrückenden Gefängnis-Atmosphäre, sowie die KI-Puppen und die ambivalente Beziehung zu ebendiesen fand ich gut gelungen, konnten aber trotzdem nicht wirklich für ein höheres Spannungsniveau sorgen.

Im Nachwort schreibt Chan, dass sie ursprünglich nur eine Kurzgeschichte daraus schreiben wollte und das wäre für mich defintiv die bessere Umsetzung gewesen.
So hatte ich das Gefühl, dass diese wirklich interessante Grundidee unnötig in die Länge gezogen wurde, um Seiten zu füllen.

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Veröffentlicht am 28.03.2023

Gedankenlabyrinth

Das Vorkommnis
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Eine Schriftstellerin (die wie die meisten Figuren im Buch namenlos bleibt) trifft nach einer Lesung auf die Frau, die sich als ihre Halbschwester vorstellt. Dieses Vorkommnis löst Fragen in ihr aus: über ...

Eine Schriftstellerin (die wie die meisten Figuren im Buch namenlos bleibt) trifft nach einer Lesung auf die Frau, die sich als ihre Halbschwester vorstellt. Dieses Vorkommnis löst Fragen in ihr aus: über Familie, Vergangenheit, ihr eigenes Leben.

Julia Schoch beschreibt in diesem autofiktionalen Roman gekonnt die Gedankenwelt der Ich-Erzählerin. Das meisterhafte Sprachgefühl der Autorin sorgt dafür, dass sich die knapp 200 Seiten flüssig und mit Genuss lesen lassen.

Das Buch zeigt anschaulich, was eine flüchtige Begegnung alles bewirken kann und ich bin gespannt den Gedankengängen gefolgt, nicht zuletzt weil ich selbst gerne alles bis ins kleinste Detail zerdenke.
Nach und nach wird alles immer weiter infrage gestellt und die Gedanken werden immer abstruser; es kommen Zweifel an ihr selbst, der eigenen Familie, sogar der Wahrheit an sich, auf.

Dies ist auch meine größte Kritik: Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich die Protagonistin gerne durchgerüttelt hätte. Sie stand sich selbst dermaßen im Weg und statt alles jahrelang zu überdenken, hätte ich mir gewünscht, dass sie endlich mit den anderen Personen spricht und tätig wird, um ihre Fragen zu beantworten.
Und auch wenn es ein kurzweiliges Vergnügen war, mit ihr durch das Gedankenlabyrinth zu irren, hätte ich etwas mehr Handlung vorgezogen.

Dies ist der erste Teil einer Trilogie und trotz meiner Kritik werde ich die anderen Bände noch lesen - schon allein um des Schreibstils willen.

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Veröffentlicht am 07.11.2024

Interessanter Ansatz, aber wenig überzeugend

Unser Ole
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In “Unser Ole” verbindet Katja Lange-Müller die Schicksale dreier Frauen: Elvira, Oles Großmutter und diejenige, die ihn aufgezogen hat und heute noch pflegt. Ida, Elviras Mitbewohnerin. Und Manuela, Elviras ...

In “Unser Ole” verbindet Katja Lange-Müller die Schicksale dreier Frauen: Elvira, Oles Großmutter und diejenige, die ihn aufgezogen hat und heute noch pflegt. Ida, Elviras Mitbewohnerin. Und Manuela, Elviras Tochter, die seit Oles erstem Geburtstag keinen Kontakt mehr hat.
Sie waren als Kinder nicht gewollt, haben keine Liebe von den Eltern erhalten, können diese genauso wenig geben und sind allesamt sehr Ich-bezogen. Als ein plötzlicher Todesfall sie zusammenführt, werden alte Wunden aufgerissen und Traumata zutage gefördert.
Der Großteil der Geschichte kommt mit einem Schauplatz aus: Elviras Haus. Außer den vier genannten Protagonistinnen gibt es auch kaum Personen.
Hört sich nach Theaterstück an und es hat sich auch wie eine Mischung aus diesem und einem Roman gelesen. Als hätte man ein Drama ausformuliert. Dabei verliert sich Lange-Müller in endlosen Schachtelsätzen, sodass mir die Frage kam, was die Autorin damit bezweckt. Für mich hat es sich gelesen, als hätte sie den Text künstlich anspruchsvoller machen wollen.
Gut gelungen fand ich die ganzheitliche Darstellung der drei Frauen, die jeweils unterschiedliche Selbst- und Fremdwahrnehmung, ihre Unterschiede und die auf den zweiten Blick vielen Gemeinsamkeiten.
Ihr respektloser, geradezu verachtender Umgang mit Ole, den jede von ihnen weniger als Mensch denn als Last wahrzunehmen scheint, wird wohl bei den meisten Leser
innen auf Abscheu stoßen. Viel mehr Emotionen wurden jedoch nicht geweckt.
Insgesamt ein Buch, was zwar ganz interessant aufgebaut ist (Theaterstück-ähnlich), aber mich nicht wirklich überzeugen konnte. Die Story war einigermaßen unterhaltsam, mehr aber auch nicht. Es endet genau wie es angefangen hat: irgendwo mittendrin. ⭐️3/5⭐️

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