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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.04.2023

Perfide konstruiert

Erinnere dich!
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„Erinnere dich“ ist ein interessant konstruierter Thriller der mit der Zuverlässigkeit menschlicher Erinnerungen spielt. Thematisch total interessant, auch wenn der Start mir etwas zu behäbig und langatmig ...

„Erinnere dich“ ist ein interessant konstruierter Thriller der mit der Zuverlässigkeit menschlicher Erinnerungen spielt. Thematisch total interessant, auch wenn der Start mir etwas zu behäbig und langatmig war. Aber als das Buch dann endlich in Fahrt kam war die Story durchaus perfide inszeniert.

Zum Inhalt: vor zwanzig Jahren ist Arno Jugendliebe Maja beim Wandern spurlos verschwunden. Der Fall wurde noch immer nicht aufgeklärt, als Arno plötzlich Nachrichten einer unbekannten Person bekommt, die ihn beschuldigt Maja ermordet zu haben. Und Arno kommen nicht nur Zweifel was seine Erinnerungen an die damalige Zeit betrifft, es kommen auch neue hinzu.

Vom Beginn der Geschichte an, bis sie endlich mal auf den Punkt dessen kommt, was im Fokus steht, vergeht leider ziemlich viel Zeit mit Geplänkel. Arnos Lebensumstände werden genauso beleuchtet, wie seine geschiedene Ehe, wobei sich der Leser schon fragen kann, wohin das führen soll. Tatsächlich fand ich dadurch das erste Drittel der Geschichte ziemlich zäh. Aber umso mehr ominöse Nachrichten Arno bekommt, umso spannender wird die Geschichte.

Verdrängte und manipulierte Erinnerungen spielen eine große Rolle in dieser Geschichte und so wie Arno beginnt an sich selbst und seinen Erinnerungen zu zweifeln, so kann sich auch der Leser nicht sicher sein, ob Arno als Erzähler glaubwürdig ist. Das hat für mich einen Großteil der Spannung ausgemacht, denn ungefähr bis zum letzten Drittel ist der Handlungsverlauf an sich relativ unspektakulär. Dann gibt es innerhalb der Geschichte nochmal einen interessanten Twist, der auch das Spannungslevel nochmal ein bisschen anhebt. Das Ende der Geschichte finde ich gut gelöst und schlüssig aufgeklärt.

Arno als Protagonist tat mir schon fast ein bisschen leid, wie er mit sich selbst und seinen Erinnerungen an die Vergangenheit hadert. Da diese aber offenbaren, dass Arno durchaus jähzornig war und Maja nicht immer gut behandelt hat, konnte und wollte ich mich trotzdem nicht so richtig auf seine Seite schlagen. Dieses zwiegespaltene Empfinden Arno gegenüber hat aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass ich wissen wollte, was er getan hat und wohin ihn seine Erinnerungen noch führen werden. Ein sehr gelungener Kniff des Autors.

Für mich ein eher ruhiger Thriller, der einige Zeit braucht, um in Fahrt zu kommen und in dem aufgrund von Arnos zentraler Position alle anderen Charaktere ziemlich blass bleiben. Die Grundidee hat mir gut gefallen, hätte aber ein bisschen knackiger erzählt werden können.

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Veröffentlicht am 18.04.2023

Ungewöhnlich, bildreich aber auch ein bisschen träge

Dalee
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„Dalee“ erzählt eine fast schon wundersame Geschichte über einen Elefantenjungen, eine Familie mit großen Hoffnungen und einen Neuanfang an einem entfernten Ort. So beeindruckend und bildgewaltig die Geschichte ...

„Dalee“ erzählt eine fast schon wundersame Geschichte über einen Elefantenjungen, eine Familie mit großen Hoffnungen und einen Neuanfang an einem entfernten Ort. So beeindruckend und bildgewaltig die Geschichte passagenweise ist, so sehr dümpelt sie an manchen Stellen vor sich hin, fast schon künstlich in die Länge gezogen.

Zum Inhalt: Indien hat gerade seine Unabhängigkeit erlangt, als die Familie des Elefantenjungen Bellini auch die fernen Andamaneninseln aufbricht, um dort ihr Glück und eine bessere Zukunft zu finden. Mit ihnen unterwegs ihr Arbeitselefant Dalee. Doch das neue Leben ist weniges segensreich als erwartet und dann scheint Dalee, an dem das Schicksal der Familie hängt, Alterserscheinungen zu zeigen.

Das Buch soll auf einer wahren Geschichte beruhen und ich muss sagen, dass ich das mehr als nur faszinierend und bemerkenswert finde. Denn es ist eine wirklich außergewöhnliche Geschichte, über eine ganz besondere Verbindung, über Familie, Verbundenheit und ein ganz großes Abenteuer. Ich liebe es einfach, dass sie sich teilweise genauso zu zugetragen haben könnte.

Was mir direkt aufgefallen ist, sind die kindlich fantasievollen Beschreibungen mit denen Bellini von seiner Reise erzählt und die mich mehr als einmal staunen und schmunzeln ließen. Generell ist es diese leicht kindlich naive Perspektive, die die Geschichte zu besonders für mich gemacht hat. Denn Bellini erzählt von einer exotisch Welt, die er in den schönsten Farben ausmalt. Aber diese Geschichte ist, wie das Leben, nicht nur heiter und so muss Bellinis Familie herbe Rückschläge einstecken.

Ich habe die Geschichte als Hörbuch gehört und muss sagen die Erzählweise gefällt mir sehr gut. Der Sprecher liest mit ruhiger und gefasster Stimme, was es mir sehr leicht machte zuzuhören und der Geschichte zu folgen.

Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte ein bisschen in die Länge zog, bestimmte Passagen hätte man durchaus knackiger zusammenfassen können. Dahingegen fand ich das Ende fast ein bisschen kurzgefasst.

Mir hat die Geschichte alles in allem gut gefallen und besonders dieses innige Band zwischen einem Mahut und seinem Elefanten kam gut rüber. Eine Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft und eine Reise ins Ungewisse, die mich gut unterhalten hat.

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Veröffentlicht am 12.04.2023

Horrorvorstellung

Institut für gute Mütter
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Ich weiß gar nicht so genau, was ich mir von diesem Buch erwartet hatte, der Klappentext erinnerte mich ein bisschen an Bücher von Christina Dalcher und hat mich auf jeden Fall direkt neugierig gemacht. ...

Ich weiß gar nicht so genau, was ich mir von diesem Buch erwartet hatte, der Klappentext erinnerte mich ein bisschen an Bücher von Christina Dalcher und hat mich auf jeden Fall direkt neugierig gemacht. Die Story selbst glich dann einer Mischung aus Freakshow und Horrorszenario und hinterließ einen bleibenden Eindruck, von dem ich gar nicht sicher bin, ob er positiv oder negativ ist- vermutlich ein bisschen von beidem.

Zum Inhalt: Frida ist als Mutter überfordert. Und deswegen setzt sich Frida ins Auto und lässt ihre Tochter Harriet allein zu Hause zurück. Das nächste, was Frida bewusst wahrnimmt ist der Anruf der Polizei. Sie haben Harriet. Und Frida muss sich wegen Vernachlässigung verantworten. Im Institut für gute Mütter soll sie ihren Narzissmus ablegen und lernen eine bessere Mutter zu sein.

Natürlich werden hier viele Szenarien überspitzt dargestellt und Frida werden Sachverhalte und Verhaltensweisen zur Last gelegt, wie sie in fast jedem normalen Haushalt mal vorkommen. Dagegen wird ihr eigentliches Fehlverhalten von ihr selbst immer mit "einem schlechten Tag" heruntergespielt. Echte Einsicht gibt es in diesem Buch eigentlich nicht. Dem gegenüber steht die neue Freundin ihres Exmannes, designierte Supermutter, Ernährungsberaterin und Pilateslehrerin, die alles perfekt meistert und für Fridas Tochter die Mutter mimt, die diese immer verdient hatte. Die Gegensätze könnten nicht gravierender sein und so kann man Fridas Frustration gut nachvollziehen.

Die Erziehungsmaßnahmen im Institut sind drastisch bis schockierend, die Puppen auf eine beunruhigende Art real und die Trainingssituationen teilweise grotesk in ihrer Grausamkeit. Auch Rassenunterschiede, Vorurteile, sowie körperliche und seelische Misshandlung werden thematisiert und ergeben ein erschreckendes Potpourri. Die Atmosphäre ist sehr beklemmend, das wiederkehrende Mantra des „ich bin eine schlechte Mutter weil“ war anstrengend, aber auch abschreckend. Die Hoffnungslosigkeit der Situation war geradezu mit Händen greifbar. Trotzdem bleibt vieles im Alltag von Frida allgemein, einiges wiederholt sich, wie Telefonstrafen und Extrasitzungen im Gesprächskreis. Eine echte Entwicklung bei Frida ist für mich nicht spürbar gewesen. Stattdessen verfällt sie wieder in Ich-bezogene Muster, als Männer im Institut ankommen- natürlich auch wieder sehr überzogen dargestellt. Das Ende ließ mich dann ein bisschen ratlos zurück, auch wenn ich darüber nicht überrascht war.

Die Thematik selbst war superspannend und das Buch entwickelt eine grausame Sogwirkung. Trotzdem bleibt ein fader Nachgeschmack zurück

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Veröffentlicht am 11.04.2023

Zwischen gescheiterter Lesebeziehung und Herzensbuch

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
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Witzig, dass in der "Enzyklopädie der kleinen Gefühle" auch die gescheiterte Lesebeziehung beschrieben wird. Denn genauso empfand ich dieses Buch passagenweise. Alles an diesem Buch hat mich auf den ersten ...

Witzig, dass in der "Enzyklopädie der kleinen Gefühle" auch die gescheiterte Lesebeziehung beschrieben wird. Denn genauso empfand ich dieses Buch passagenweise. Alles an diesem Buch hat mich auf den ersten Blick angesprochen, aber dann hat es einfach nicht gefunkt zwischen uns. Bis ungefähr zur Hälfte des Buches stand ich kurz vor dem Abbruch, jetzt zum Schluss bin ich aber froh, die Geschichte doch bis zu Ende verfolgt zu haben, denn die Story steckt so voller Herzensgüte, dass man sie einfach lieben muss. Jeder sollte einen literarischen Apotheker haben, um die Maladie des Lebens zu heilen.

Zum Inhalt: Vier Jahre ist es her, dass Buchhändler Jean Perdu sein Bücherschiff verließ und den Job als literarischer Apotheker an den Nagel hing um seinen großen Liebe in die Provence zu folgen. Doch als sich in seinem und dem Leben seiner engen Freunde eine Art herzschwere breit macht, wagt Perdu ein letztes Abenteuer und bringt sein Schiff zurück nach Paris. Eine Reise voller Begegnungen beginnt, die nicht nur Peruds Leben bereichern soll.

Ich fand es ziemlich schwer, in die Geschichte reinzukommen. Am Anfang fand ich die Zwischenkapitel der „Großen Enzyklopädie der kleinen Gefühle“ noch ein nettes Gimmick. Später habe ich sie nurnoch überflogen, da sie meinen Lesefluss gestört haben und für mich auch nicht immer ganz stimmig zu den vorangegangenen Kapiteln gepasst haben. Die eigentlich Hauptgeschichte der Reise des Bücherschiffs nach Paris mochte ich nämlich eigentlich ganz gerne und wollte schon wissen, wie diese ausgeht. Nachdem der holprige Start in die Haupthandlung geglückt war, hat mich die Gesichte so ab circa der Hälfte richtig mitgerissen, was an den vielen tollen Charakteren liegt, die Perdu auf seiner Reise trifft und die nicht zur sein Leben bereichern, sondern auch das Leseerlebnis.

Was entsteht ist eine Geschichte mit ganz viel Herz in der das Schicksal Menschen zusammenbringt, die nicht wussten, dass sie einander brauchen um sich wieder ganz zu fühlen. Es werden großartige, emotionale Momente geschaffen, die mich zu Tränen gerührt haben.
Schön war es auch, den Wandel zu verfolgen, den die Bücher und Perdu als literarischer Apotheker in den Menschen ausgelöst haben. Ich bin während der Lektüre auf ein paar altbekannte Bücher gestoßen, bei denen ich mich gefreut habe, dass sie hier Nennung erfahren haben, habe mir aber auch neue Leseanregungen mitgenommen. Am Ende der Geschichte war ich dann doch traurig, das sie vorbei war und hätte gerne noch länger verweilt.

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Veröffentlicht am 06.04.2023

Nicht so stark wie Band 1

Der dunkle Schwarm 2 - Der stille Planet
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„Der dunkle Schwarm 2- der stille Planet“ knüpft direkt an die Ereignisse aus Band 1 an und nimmt uns wieder mit in die dystopische Welt von Hackerin Atlas. Für mich wollte dieses Buch zu viel auf zu wenig ...

„Der dunkle Schwarm 2- der stille Planet“ knüpft direkt an die Ereignisse aus Band 1 an und nimmt uns wieder mit in die dystopische Welt von Hackerin Atlas. Für mich wollte dieses Buch zu viel auf zu wenig Seiten und hat dadurch in meinen Augen seinen Fokus verloren. Als Fortsetzung interessant, aber für mich deutlich schwächer als sein Vorgänger.



Zum Inhalt: Mit der Zerschlagung von Hypermind sollte eigentlich Ruhe in Atlas Leben einkehren, aber diese stellt immer häufiger Probleme mit ihrem ADIC fest. Und dann gesteht auch noch Bennie einen Mord, den er eigentlich gar nicht begangen haben kann und Atlas Welt gerät mal wieder ins Straucheln. Zusammen mit alten Freunden und temporären Verbündeten, geht sie der Sache auf den Grund.



Was bei Marie Graßhoff immer unglaublich stark ist und wovon auch dieses Buch wieder wahnsinnig profitiert, ist das Worldbuilding. Nochmal mehr als in Band 1 erlebt der Leser die bedrückende Enge der Sublevels und den krassen Gegensatz der privilegierten Highlevels, in denen man Sonnenlicht spüren und den Himmel sehen kann. Diese Schilderung der Lebensumstände sind immer sehr atmosphärisch und sehr bildlich beschrieben. Generell liest sich das Buch wieder fantastisch, ist flüssig geschrieben, baut immer wieder Tempo und Spannung auf und geizt nicht mit überraschenden Enthüllungen.



Was mir in dieser Geschichte aber ein bisschen gefehlt hat war der rote Faden, der sich gefühlt immer wieder verloren hat. Es wurden Nebenschauplätze eröffnet und oft hatte ich das Gefühl, dass eine Handlung nur stattfand, um Seiten zu füllen, aber keinen tiefen Nutzen für den Fortgang der Handlung hatte. Scheinbar zentrale Themen bleiben dadurch auf der Strecke, wodurch das Buch für mich auch ein sehr unbefriedigendes Ende fand.



Auch die Entwicklung der Figuren im Vergleich zu Band 1 blieb eher rudimentär. Waren zum Ende von Band 1 die Übertragung von Noahs Bewusstsein in einen Androiden und Juliens Löschung prekäre Themen, so wurden diese im zweiten Band nun kaum aufgegriffen und verarbeitet. Auch die Beziehung zwischen Noah und Atlas blieb auf der Strecke und machte für mein Gefühl sogar eher wieder einen Schritt zurück. Damit fehlten mir einfach essentielle Punkte, auf die ich mich bei diesem Buch wirklich gefreut hatte.



Insgesamt funktioniert die Fortsetzung natürlich, hat bei mir aber nicht das Gefühl zurückgelassen, dass ich Band 3 unbedingt lesen müsste, sollte er denn erscheinen.

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