Berlin, Frühjahr 1940. Auf Beschluss von Joseph Goebbels wird für den Auslandsradiosender Germany Calling eine Big Band
gegründet, die als Mr. Goebbels Jazz Band internationale Bekanntheit erlangt. Die besten europäischen Musiker, darunter auch
Ausländer, Juden und Homosexuelle, spielen im Dienst der NS-Propaganda wortwörtlich um ihr Überleben – ausgerechnet
mit Jazz, der als »entartet« galt. Bis zu 6 Millionen britische Haushalte täglich lauschen den Swing-Stücken mit anti-alliierten
Hetztexten und dem Star-Moderator William Joyce alias Lord Haw-Haw, der nach seinem Aufstieg in der British Fascist Union aus London nach Berlin geflohen war. Joyce soll den Erfolg »an der Front im Äther« literarisch dokumentieren lassen. Der dafür ausgewählte Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler findet sich im Zuge seines Auftrags, einen Propagandaroman über die Band zu schreiben, in verruchten Berliner Clubs und illegalen Jazzkellern wieder, trinkt zu viel Cointreau, verzettelt sich in seinen Recherchen und muss nicht nur die Skepsis der Musiker überwinden, sondern auch seine gefährlichen Auftraggeber über das schleppende Vorankommen seines Unterfangens hinwegtäuschen.
Demian Lienhard erzählt die ungeheuerliche (fast bis ins Detail wahre) Geschichte von Mr. Goebbels Jazz Band und des berüchtigten Radiosprechers William Joyce. In furiosem Tempo jagt Lienhard seinen Figuren von New York nach Galway, London, Manchester, Zürich, Danzig und Berlin nach und stellt den menschenverachtenden Zynismus des NS-Staats ebenso bloß wie die Perfidie der Nazi-Propaganda. Gezeigt wird das Scheitern künstlerischer Produktion im Dienste einer Ideologie, wobei auch die eigene Erzählung verschmitzt unterwandert wird, bis hin zum überraschenden Paukenschlag.
Von dieser Geschichte habe ich vor dem Buch noch nie gehört und ich konnte kaum glauben, dass sie sogar wahr ist. Umso größer war mein Interesse, dieses Buch zu lesen. Ich fand die Geschichte einzigartig ...
Von dieser Geschichte habe ich vor dem Buch noch nie gehört und ich konnte kaum glauben, dass sie sogar wahr ist. Umso größer war mein Interesse, dieses Buch zu lesen. Ich fand die Geschichte einzigartig und sie regt auch zum Nachdenken an. Sie ist zugleich so skurril und menschlich abartig, dass einem öfter mal die Luft beim Lesen wegbleibt. Zugleich ist sie aber auch interessant und führt uns an spannende Schauplätze. Das Cover passt sehr gut. Dieses Buch sollte man unbedingt gelesen haben.
Schon als ich angefragt wurde, ob ich das Buch vorab lesen und rezensieren wollte, war meine Neugier geweckt. Joseph Goebbels hatte eine Jazzband? Das hatte ich noch nicht gehört und erschien mir zunächst ...
Schon als ich angefragt wurde, ob ich das Buch vorab lesen und rezensieren wollte, war meine Neugier geweckt. Joseph Goebbels hatte eine Jazzband? Das hatte ich noch nicht gehört und erschien mir zunächst völlig absurd. Beim näheren Hinsehen ist es natürlich durchaus plausibel - und sowieso historisch belegt. Zur Propaganda gehört es eben, Reichweite zu erzeugen, da war dann auch ein Mittel recht, das man in Deutschland selbst in jener Zeit nicht zugelassen hätte. Galt Jazzmusik im Dritten Reich als „entartet“, garnierte man das englischsprachige Programm der Propagandasender mit Musik, die bei den Adressaten in Großbritannien ankam. Und da man selbst produzierte, ließ sich in den Songtexten selbst auch Propaganda transportieren. So weit, so nachvollziehbar.
Meine Erwartung, viel über die Band, ihr Entstehen, Wirken und späteres Schicksal zu erfahren, oder auch über die Wirkweise der Propaganda, wurde jedoch enttäuscht. Auch Details über das Leben in Deutschland in den 40er-Jahren sucht man vergebens. Im Epilog wird zumindest kurz zusammengefasst, was aus den Protagonisten der wahren Geschichte wurde.
Im Fokus der Story stehen William Joyce, besser bekannt als Lord Haw-Haw, der Radiostimme des deutschen Propagandasenders für Großbritannien, und der Schriftsteller Fritz Mahler. Der US-Amerikaner/Ire/Brite und der Schweizer begleiten das Wirken der Jazzband, die eigentlich „Charlie and his Orchestra“ heißt. Mahler soll einen (Propaganda-)Roman über die Band schreiben, konzentriert sich dabei aber zunehmend auf Joyce als Hauptperson. Dessen (wahre) Lebensgeschichte ist durchaus spannend und lesenswert.
Der Stil des Buches ist außergewöhnlich. Die vollständige Abwesenheit direkter Rede wird Freunde des Konjunktiv I erfreuen, denn Dialoge werden durchaus reichlich geführt. Lienhardt gibt den allwissenden Erzähler, der mit seinem Schreibstil die Lesenden mit einbezieht, das Geschehen kommentiert und durch Einschübe, zum Teil in Klammern gesetzt, bewusst Distanz zum Beschriebenen aufbaut. Die Gefahr, den Protagonisten Sympathien entgegenzubringen, wird durch die Erzählweise effektiv entgegengewirkt (zumal sie ohnehin wenig Anlass bieten, sie zu mögen). Das ist dem Thema und der Zeit angemessen, die Methode transportiert (Wort-)Witz und hat mir gut gefallen. Dennoch ist der Schreibstil eigenartig und wer lange, verschachtelte Sätze nicht mag, wird das Buch wohl schnell aus der Hand legen.
Aus der Hand gelegt habe ich es auch immer wieder und musste mich zum Weiterlesen fast zwingen, denn dynamisch oder fesselnd ist die Geschichte nicht. Das laut Klappentext „furiose Tempo“ hat mich nicht gepackt, langweilig war das Buch jedoch keineswegs. Mein Urteil ist entsprechend ambivalent: Kann man gut lesen, muss man aber nicht unbedingt. Es ist ein außergewöhnliches Buch, bedient gewisse künstlerische Ansprüche und bietet eine Metaebene, die ich nicht erwartet hatte. Gleichzeitig ist mir die Intention nicht klar geworden, auch nicht durch die Nachworte. Ich mag Bücher, die in mir einen Denk- und Veränderungsprozess auslösen - die Geschichte selbst hat das Potential, aber richtig gefunkt hat es nicht.
Die Handlung des Buches klingt absurd, ist es in Teilen auch, aber sie greift reale Begebenheiten auf: die Jazz-Band gab es wirklich. Sie war Teil der Radio-Propaganda, die die Nazis Richtung England sendeten.
Die ...
Die Handlung des Buches klingt absurd, ist es in Teilen auch, aber sie greift reale Begebenheiten auf: die Jazz-Band gab es wirklich. Sie war Teil der Radio-Propaganda, die die Nazis Richtung England sendeten.
Die Sprache des Romans sticht hervor. Sie ist sehr ungewöhnlich und machte die Lektüre nicht gerade einfach. Das liegt nicht nur an der insgesamt gesteltzten Sprache, sondern noch mehr daran, dass auf wörtliche Rede fast vollständig verzichtet wird. Für mich deshalb ziemlich sperrig und den Lesefluss behindernd - andererseits ist das Buch dadurch natürlich etwas besonderes und hat für manch Lesenden bestimmt einen gewissen Reiz.
Statt Gesprächen zwischen den Figuren sollte man also direkt Einblicke in die Gedankenwelt der einzelnen Protagonisten erhalten. Mir blieben trotzdem alle Figuren fremd und unnahbar. Die Band ist eher Hintergrund als dass sie die tatsächliche Geschichte wäre - das hatte ich anders erwartet. Interessant aber das illustre Leben von William Joyce alias Wilhelm Froehlich, einem englischen Nazi, der aus Deutschland heraus Radiopropaganda machte. Der Roman konzentriert sich in der ersten Hälfte auf sein bewegtes Leben, seinen Werdegang, bevor er 1939 nach Deutschland migrierte und Teil der Propaganda wurde. Auch die surreale Realität, in der die Band sich in Kriegszeiten bewegt, hatte etwas faszinierendes: nah an der Macht, dabei aber Krieg, Verfolgung, Ermordung gekonnt ignorierend. Die Bandgeschichte blieb aber eher blass und die Figur Fritz Mahler, im Gegensatz zu den anderen offenbar eine fiktive Person, die kurioserweise einen Roman über die Band schreiben soll, blieb für mich völlig undurchsichtig.
In Erinnerung wird mir William Joyce bzw Wilhelm Froehlich bleiben und ich frage mich, warum der Autor sich nicht einfach auf diese doch recht dankbare Figur konzentriert hat, denn der Rest des Buches hat mich nicht überzeugt.
Mich hat das Buch leider nicht richtig gepackt. Es hat mich weder amüsiert, noch hatte ich das Gefühl, auf andere Art und Weise mit Gewinn aus der Lektüre gegangen zu sein. Schade.