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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.04.2023

NIcht nur bildende, sondern auch Sprachkünstlerin

Am Fenster klebt noch eine Feder
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„Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden“

Nicht nur bildende Künstlerin, sondern auch Wortkünstlerin - Maria Lassnig

Dieses schmale Buch, das von den drei Kärntnern, Peter Handke, ...

„Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden“

Nicht nur bildende Künstlerin, sondern auch Wortkünstlerin - Maria Lassnig

Dieses schmale Buch, das von den drei Kärntnern, Peter Handke, Barbara Maier und Lojze Wieser, im Wieser-Verlag herausgegeben worden ist, zeigt, dass Maria Lassnig nicht nur mit Pinsel und Farbe virtuos umgehen konnte, sondern auch mit (Schreib)Feder und Buchstaben.

In Dutzenden Schreibheften und noch mehr Zettelchen hat sie ihre Gedanken aufgeschrieben. Kuratorin Barbara Maier ist es zu verdanken, dass diese Aphorismen erhalten geblieben sind. Gemeinsam mit Peter Handke und Lojze Wieser ist hier eine schöne Auswahl getroffen worden.

Der Titel dieses Buches, das sich sehr gut als Mitbringsel eignet, stammt aus der Beschreibung „Weihnachten, Turracher Höhe“ (S.22).

Für uns, die wir heute alles und jedes gendern, mutet es erstaunlich an, wie selbstverständlich Maria Lassnig von sich stets in männlicher Form spricht:

„Ein Handwerker des Wortes bin ich nicht. Viel eher nur ein Traumwandler zwischen den Worten.“ (S.47)

Mache Gedanken sind ziemlich philosophisch: „Ist die Literatur die Zwillingsschwester der Malerei?“

Wer war sie nun, diese Maria Lassnig?

Maria Lassnig (1919-2014) war eine österreichische Malerin, die als uneheliches Kind geboren und anfangs in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist. Nach der Hochzeit ihrer Mutter mit dem Bäcker Jakob Lassnig verbessern sich die Lebensumstände und die kleine Maria besucht die Klosterschule der Usulinen, die sie, ungewöhnlich für die damalige Zeit, mit Matura abgeschlossen hat. Schon als Kind hat sich ihre künstlerische Begabung gezeigt. Die Mutter fördert das Talent ihrer Tochter und so fährt Maria Lassnig mit dem Fahrrad nach Wien, um an der Akademie der Bildenden Künste Malerei zu studieren. Später wird sie unter anderem nach New York und Paris gehen, sich mit der modernen Malerei beschäftigen. Ab 1980 lehrt sie an der Hochschule für Angewandte Kunst als Professorin Malerei. Daneben beschäftigt sie sich mit den modernen Medien und gründet ein Trickfilmstudio. Der Goldene Löwe der Biennale von Venedig krönt 2013 ihr Schaffenswerk.

Dieser schmale Band mit Maria Lassnigs Gedanken laden herzlich ein, sich mit der Künstlerin näher zu beschäftigen.


Fazit:

„Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden“ - dem ist wohl wenig hinzuzufügen. Gerne gebe ich dieser Sammlung von Gedankensplittern 5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.04.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Rachedorf
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Nach dem Tod ihres Mannes Oliver vor 3 Jahren hat Diana Heller ihr kleines Dorf hinter sich gelassen und versucht in Oberösterreichs Hauptstadt Linz, ihr Leben neu zu ordnen.

Doch das scheitert grandios ...

Nach dem Tod ihres Mannes Oliver vor 3 Jahren hat Diana Heller ihr kleines Dorf hinter sich gelassen und versucht in Oberösterreichs Hauptstadt Linz, ihr Leben neu zu ordnen.

Doch das scheitert grandios als sie eines Nachts von ihrem Fenster aus beobachtet, wie drei Männer offensichtlich grundlos auf einen vierten losgehen. Sie eilt dem Überfallenen zu Hilfe, doch sie kann nichts mehr für den Mann tun: Die drei Angreifer haben in mit Benzin übergossen, angezündet und fliehen. Zurück bleibt Diana mit dem Sterbenden, dieselbe Situaion wie damals mit Oliver.

Die Polizei leitet Ermittlungen ein, scheint aber, da es sich beim Toten um einen afghanischen Asylwerber handelt, nicht den nötigen Eifer an den Tag zu legen. Auch Diana selbst gilt bei Chefinspektor Köchner, wegen ihrer Vorgeschichte und weil sie therapeutische Hilfe in Anspruch nimmt, als wenig vertrauenswürdig.

Die Täter hingegen wissen, dass Diana sie wiedererkennen könnte, und setzen alles daran, die Frau einzuschüchtern. Da kommt ihnen Matthias, eine Zufallsbekanntschaft Dianas gerade recht. Matthias wird entführt und mit einem brutalen Video versuchen die Täter Diana mundtot zu machen. Dieses Video ist es dann auch, dass Köchner aufrüttelt. Doch die Zeit läuft allen davon.

Meine Meinung:

Schon der Vorgänger „Todesdorf“ ist ein fesselnder Thriller. Doch dieses Buch hier übertrifft ihn noch.

Wir erleben diesen Thriller aus unterschiedlichen Perspektiven. Zunächst aus der Sicht des spätern Opfers, des Afghanen, dann dürfen wir in die Köpfe der Täter, die der Neonazi-Szene in Linz zuzurechnen sind, schlüpfen und an Dianas Gedanken und Gefühlen teilhaben. Eine komplexe und explosive Mischung also.

Wir Leser sind den Ermittlern immer ein, zwei Schritte voraus, was die Spannung bis ins Unerträgliche steigert. Wird es gelingen, wenigstens Diana zu retten? In einem fulminanten Showdown wird auch der Grund für den Titel des Thrillers offensichtlich. Eine Art Wiedergutmachung wegen der Bösartigkeiten eines Dorfes im Vorgänger?

Obwohl es durchaus möglich ist, „Rachedorf“ ohne Kenntnis von „Todesdorf“ zu lesen, empfehle ich dringend die richtige Reihenfolge einzuhalten. Eva Reichl bringt immer wieder die Eckdaten in Erinnerung, doch die ganze Tragödie erschließt sich besser, Band eins zu kennen.

Der Schreibstil ist fesselnd, manchmal verstörend und sehr realistisch. Die ständige Bedrohung, Dianas Ängste und die Hilf- und Machtlosigkeit fühlen sich ziemlich authentisch an.

Wer es nicht ganz so rasant möchte, dem darf ich Eva Reichls Reihe rund um Chefinspektor Oskar Stern empfehlen, die im oberösterreichischen Mühlviertel spielt.

Fazit:

Ein Thriller, der bis zur letzten Seite fesselt und die Abgründe so mancher Menschen offenbart. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 16.04.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Der treue Spion
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Mit den Worten "Das ist sicherlich keine große Sache" wird Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski im Jahr 1896 von seinem Vorgesetzten, dem Münchner Polizeichef, beauftragt, einen vermissten französischen ...

Mit den Worten "Das ist sicherlich keine große Sache" wird Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski im Jahr 1896 von seinem Vorgesetzten, dem Münchner Polizeichef, beauftragt, einen vermissten französischen Diplomaten zu suchen. Der Mann, der angeblich über Wissen zu einer technischen Revolution verfügt, ist aus dem Hotel Vier Jahreszeiten verschwunden. Doch ganz so einfach gestaltet sich die Suche nicht, denn Gryszinski entdeckt einen Zusammenhang mit einem betrügerischen Paar, das die Pläne zu eben dieser Erfindung in fast allen Hauptstädten Europas zum Verkauf anbietet. So heftet er sich gemeinsam mit Gemahlin Sophie an ihre Fersen.

Zwanzig Jahre später, 1916 tobt der Große Krieg und Friedrich von Gryszinski, versieht als junger Leutnant seinen Dienst als Meldegänger in Frankreich. Von dort wird er zu einer riskanten Spionageaktion rekrutiert, die ihn auf die Spuren jenes Kriminalfalls aus dem Jahr 1896 bringt, den sein Vater nicht lösen konnte. Wird es Gryszinski junior gelingen?

Meine Meinung:

"Der treue Spion" von Uta Seeburg ist der dritte Band der Reihe rund um Major Wilhelm Freiherr von Gryszinski und bietet 400 Seiten spannende Lektüre.

Wie wir es aus den beiden Vorgängern „Der falsche Preuße“ und „Das wahre Motiv“ gewöhnt sind, baut sich die Spannung langsam und stetig auf, bis sie sich in einem Showdown entlädt.

Die Schauplätze, Personen und gesellschaftliche Hintergründe der Jahre 1896 bzw. 1916 werden höchst interessant und unterhaltsam beschrieben. Wer München kennt, kann anhand der Beschreibungen mühelos dem Geschehen und den Protagonisten durch die Stadt folgen können.

Die Charaktere sind wie immer detailliert ausgearbeitet. Besonders die schriftstellerisch tätige Sophie von Gryszinski ist eine herausragende Person.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.04.2023

Eine gelungene Fortsetzung

Saphirblaue Sehnsucht
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Dieser Roman ist der zweite Band der „Neuanfang-in-Indien“-Trilogie von Janet MacLeod Trotter.

Der historische Roman spinnt die Geschichte des ungleichen Paares, Stella und Andrew, die gemeinsam im Raj ...

Dieser Roman ist der zweite Band der „Neuanfang-in-Indien“-Trilogie von Janet MacLeod Trotter.

Der historische Roman spinnt die Geschichte des ungleichen Paares, Stella und Andrew, die gemeinsam im Raj Hotel in Rawalpindi aufgewachsen sind. Sie, die 20-jährie Tochter des Hoteldirektors, und er, der 13-jährige Sohn des Hoteleigentümers. Andrews Eltern leben seit Jahren getrennt und nun fährt er Jugendliche zu seiner Mutter nach Schottland. Stella begleitet ihn.

Der Aufenthalt auf dem Landsitz von Andrews Mutter gestaltet sich für Stella schwierig, denn sie wird als Dienstbotin behandelt, während Andrew der dauernden Manipulation durch seine Mutter ausgesetzt ist und ihr verfällt.

Jahre später treffen sich die beiden in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in Indien wieder ....

Meine Meinung:

Diese Reihe ist eine gelungene Geschichte rund um den britischen Standesdünkel der Upper Class. Während Andrews Vater Tom ein weltoffener, wenn auch durch frühere Erlebnisse traumatisierter Mann ist, ist seine Mutter Lydia ein selbst- und missgünstiger Charakter, dessen Gedanken ausschließlich um sich selbst dreht. Sie manipuliert ihre Umgebung und schert sich nicht um die Gefühle anderer.

Geschickt werden historische Details in die Handlung hineingeflochten. Das Buch liest sich leicht und flüssig.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Ausflug in das Britisch-Indien 5 Sterne und freue mich auf den Abschluss der Trilogie.

Veröffentlicht am 15.04.2023

Künstliche Intelligenz anno 1907

Seine Exzellenz der Android
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„Der Wahn ist das Wesentliche des menschlichen Daseins.“

Wer heutzutage das Wort „Android“ hört, denkt sofort an das Betriebssystem der meisten Mobiltelefone. Das ist hier in diesem Buch nicht gemeint, ...

„Der Wahn ist das Wesentliche des menschlichen Daseins.“

Wer heutzutage das Wort „Android“ hört, denkt sofort an das Betriebssystem der meisten Mobiltelefone. Das ist hier in diesem Buch nicht gemeint, sondern von Menschen konstruierte Roboter, die ein Eigenleben entwickeln. Androide bevölkern die Landschaft der SF-Literatur. sich.

Der geniale Physiker Frithjof Andersen konstruiert diesen vollkommenen Maschinenmenschen, stattet ihn mit allen menschlichen Attributen aus und führt sein Geschöpf in die Gesellschaft ein. Die (Vor)Täuschung gelingt. Zu Beginn seiner „Karriere“ folgt der Android auch noch brav seinem Schöpfer und lernt. Doch dann emanzipiert er sich tanzt den Menschen auf der Nase herum. Die angelernten Phrasen verquicken sich zu scheinbaren Bonmots und der Automat wird hofiert. Er schwingt sich zum Großindustriellen auf, wird zum Minister ernannt. Dann triggern ihn einzelne Worte wie „Krieg“ an, zu denen er Hetzreden von sich gibt und das Volk in eine Kriegsbegeisterung stürzt, die ihresgleichen sucht.

Ähnlich wie in Goethes Zauberlehrling kann auch Andersen sein Geschöpf nicht im Zaum halten.

„Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.“

Doch während bei Goethe ein Zauberspruch dem Treiben Einhalt gebieten kann, bleibt Frithjof Andersen nur, sein Werk wieder zu zerstören.

„Das Los eines Volkes abhängig von einer einzigen verdorbenen Puppe!“

Meine Meinung:

Dieser im Jahr 1907 vom jüdischen Wissenschaftsjournalisten Leo Silberstein-Gilbert (1861-1932) verfasste Roman gilt als Vorläufer der Science-Fiction-Romane.

Die Idee, ein Ebenbild des Menschen zu erschaffen, das nach dem Willen seines Schöpfers handelt, ist nicht wirklich neu. Diverse Homunculi oder Golems geistern durch die Literatur.

Anders, als der jüdische Golem, der als aus Lehm geschaffener künstlicher Nicht-Jude Arbeiten für die Juden verrichten soll und über keinen eigenen Willen, dafür aber über Bärenkräfte verfügen soll, ist Gilberts Android weniger ein Maschinenmensch à la Terminator, sondern ein humorvolles, sehr menschliches Geschöpf. Er lernt durch Nachahmen und ähnelt der Künstlichen Intelligenz (KI), die heute eingesetzt und manchmal auch schon gefürchtet ist.

„Für diesen Wahnsinn der Menschheit müssen sie, die Schöpfer der Werke, die Zwangsjacke bekommen.“ (S.277)

Dieser Roman weist in gerade zu prophetischer Weise auf das Ende der großem Monarchie (Österreich-Ungarn, das deutsche Kaiserreich und das Zarenreich) hin.

Der Schreibstil ist dem Fin de Siècle entsprechend und enthält zahlreich Worte, Redewendungen sowie Anspielungen auf die Donaumonarchie. Ich mag das, wenn Austriazisem wie „spintisieren“ verwendet werden.

Dass sein Roman wird 1933 aus allen deutschen Bibliotheken verb(r)annt wird, muss Leo Silberstein-Gilbert nicht mehr erleben.

Es ist Nathaniel Riemer zu verdanken, dass dieses Meisterwerk der Fantasie aus dem Fin de Siècle eine Neuauflage im Verlag W erfährt. Damit wird dieser erste SF-Roman vor dem Vergessen bewahrt.

Fazit:

Diesem prophetischen Meisterwerk gebe ich sehr gerne 5 Sterne.