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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.02.2024

Wichtiges Thema

Liebe ist gewaltig
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Juli wächst in einer absoluten Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie selbst ist Klassenbeste. Was nur kein Außenstehender ahnt: Ihr überall beliebter und hoch angesehener Vater übt zu ...

Juli wächst in einer absoluten Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie selbst ist Klassenbeste. Was nur kein Außenstehender ahnt: Ihr überall beliebter und hoch angesehener Vater übt zu Hause physische und psychiche Gewalt aus, während ihre Mutter Meisterin im Verdrängen ist.

In "Liebe ist gewaltig" behandelt Claudia Schumacher ein überaus wichtiges Thema: Häusliche Gewalt.
Was den Roman von vielen anderen unterscheidet und so realtistisch macht, ist die Familie der Protagonistin: Juli wächst nicht in einer finanziell schwachen Umgebung auf, sondern als Tochter eines Juristen-Paares, bei dem niemals jemand Gewalt vermuten würde. Dass so etwas in "gutem Hause" passiert, können sich wohl die wenigsten wirklich vorstellen.

Als Leser*in verfolgt man Julis Geschichte über drei Jahrzehnte lang, dabei zeigt die Autorin eindrücklich auf, wie sehr einen kindliche Erfahrungen prägen und sich bis ins Erwachsenenalter ziehen und wie schwierig es für Betroffene ist, sich aus diesem Gewaltkreislauf zu befreien.
Wirklich gut gelungen ist auch die Darstellung von Julis Entwicklung und ihr Ausbruch (bzw. der Versuch dessen) aus dem Ganzen.

Einzig negativ war für mich die Protagonistin; es fiel mir wirklich schwer, einen Zugang zu ihr zu finden und so richtig ist mir das bis zum Ende nicht gelungen und so musste ich mich manchmal wirklich aufraffen, ihre Geschichte weiterzuverfolgen.

Insgesamt also eine ziemlich gute und authentische Darstellung eines Lebens, welches schon im Kindesalter von Gewalt geprägt wurde mit einer etwas unzugänglichen Protagonistin.

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Veröffentlicht am 05.10.2023

Ein Kunstwerk

Spitzweg
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Eckhart Nickel beschreibt in "Spitzweg" die Geschichte von drei sehr einzelgängerischen Schülern, die sich durch einen Vorfall im Kunstunterricht anfreunden und beschließen, sich an der Lehrerin zu rächen, ...

Eckhart Nickel beschreibt in "Spitzweg" die Geschichte von drei sehr einzelgängerischen Schülern, die sich durch einen Vorfall im Kunstunterricht anfreunden und beschließen, sich an der Lehrerin zu rächen, um die Ehre wiederherzustellen.

Besonders viel Handlung bietet der Roman allerdings nicht. Vielmehr ist es eine Liebeserklärung an die Kunst selbst, ausgedrückt durch Kunst - denn anders kann man den Schreibstil Nickels nicht bezeichnen.
Dabei wird es sehr unrealistisch, ja, denn niemand in der heutigen Zeit drückt sich derart aus, egal wie hochbegabt und kunstinteressiert. Doch genau das gefiel mir sehr gut. Es bereitete mir Freude, diesen ästhetischen, geradezu malerischen Sätzen zu folgen.
Dabei nehmen die Protagonisten oft Bezug auf Werke aus Kunst, Literatur und Musik, man hat jedoch nicht das Gefühl, alles nachschauen zu müssen, was man nicht kennt.

Allerdings muss ich auch eingestehen, dass es mir irgendwann zu viele Abschweifungen, zu ausgedehnte Kunstbetrachtungen, zu wenig Handlung gab.

Mir fällt es sehr schwer, diesen absolut einzigartigen Roman zu bewerten. In einer Rezension heißt es, er befände sich "irgendwo zwischen Besonders und Sonderbar" und das trifft es sehr gut auf den Punkt.
Trotz der schrulligen, liebenswerten Charaktere, des wunderschönen Schreibstils, der hohen Dichte an Ironie, würde ich ihn nicht uneingeschränkt weiterempfehlen. In diesem Buch geht es nicht darum, eine Geschichte zu erzählen, hier geht es um das Lesen um des Lesens willen. Ab und zu kommt sogar das Gefühl auf, der Autor verspotte die Lesenden selbst.
Und weil ich mich absolut nicht entscheiden kann, ob ich zwei oder fünf Sterne vergeben soll, nehme ich den Mittelwert: ⭐️3,5⭐️

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Veröffentlicht am 13.09.2023

Kritik an der amerikanischen Gesellschaft

Unschuld
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Noch 35 Tage bis zu Florentin Carvers Hinrichtung. Bis dahin hat seine Tochter Molly Zeit, um herauszufinden, wer der wahre Schuldige ist und warum ihr Vater vor zehn Jahren ein falsches Geständnis abgelegt ...

Noch 35 Tage bis zu Florentin Carvers Hinrichtung. Bis dahin hat seine Tochter Molly Zeit, um herauszufinden, wer der wahre Schuldige ist und warum ihr Vater vor zehn Jahren ein falsches Geständnis abgelegt hat.

Neben diesem kriminalistischen Oberthema geht es in Takis Würgers Roman "Unschuld" vor allem um Kritik an der amerikanischen Gesellschaft: Waffenpolitik, Medikamentenmissbrauch, die Kluft zwischen Arm und Reich, sowie die Todesstrafe kommen zur Sprache und beweisen Würgers präzise Beobachtungsgabe.

Er schreibt nüchtern und schnörkellos, wechselnde Perspektiven und kurze Sätze lassen einem das Buch sehr kurzweilig erscheinen. Großartige Spannung kam allerdings nicht auf, dafür war die Storyline zu geradlinig, das Ende zu vorhersehbar.

Dennoch war es interessant, durch die verschiedenen Themen geführt zu werden und sich darüber Gedanken zu machen (obwohl Würger die Meinung klar vorgibt und nicht viel Gedankenfreiraum lässt). Positiv zu erwähnen sind außerdem die gut ausgearbeiteten Charaktere, allen voran die dreiundzwanzigjährige Protagonistin Molly. Durch ihr Stottern und ihre Ängste wirkt sie auf den ersten Blick gar nicht nach einer Heldin, beweist aber im Laufe der Geschichte Mut und wächst über sich hinaus.

Für mich war es kein Highlight, dem großen Hype zu diesem Buch kann ich mich nicht anschließen. Dennoch wurde ich gut und kurzweilig unterhalten, daher gibt es ⭐️3,5/5.⭐️

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Veröffentlicht am 24.04.2023

Liebesgeschichte mit übernatürlichen Elementen

Als wir Vögel waren
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Der junge Rastafari Darwin beginnt in Port Angeles, Trinidad einen Job als Totengräber.
Als Yejides Mutter stirbt, wird sie in ein Familiengeheimnis eingeweiht und muss die Tradition weiterführen.
Es beginnt ...

Der junge Rastafari Darwin beginnt in Port Angeles, Trinidad einen Job als Totengräber.
Als Yejides Mutter stirbt, wird sie in ein Familiengeheimnis eingeweiht und muss die Tradition weiterführen.
Es beginnt eine magische Liebesgeschichte, die vom Schicksal vorherbestimmt war.

Ich habe mich über das ungewöhnliche Setting von "Als wir Vögel waren" sehr gefreut. Romane, die in der Karibik spielen, habe ich bisher eher selten gelesen - und auf einem Friedhof schon mal gar nicht.
Ohne viele Worte schafft Ayanna Lloyd Banwo ein atmosphärisches Bild vom emsigen Treiben in Port Angeles.
Generell schafft sie es gut, die jeweiligen Stimmungen auf die Lesenden zu übertragen und sie in die Geschichte hineinzuversetzen.
Ich mochte es, wie sie die Kontraste von Darwins und Yejildes Erziehung herausarbeitet: Für ihn steht das Leben im Vordergrund, für sie der Tod. Dieser Kontrast spielt im gesamten Verlauf eine große Rolle.
Die Autorin erzeugt viele Fragen, die den Spannungsbogen aufrecht erhalten, wie z.B. was es mit dem mysteriösen Vorarbeiter Erroll auf sich hat, wohin Darwins Vater vor vielen Jahren verschwunden und was zwischen Yejide und ihrer Mutter vorgefallen ist.
Angenehm fand ich auch, dass die Liebesgeschichte zwar eine tragende Rolle spielt, dennoch keinen zu großen Teil einnimmt oder durch kitschige Formulierungen zum Ausdruck gebracht wird.

Nicht so gut gefallen hat mir der (im Laufe der Seiten immer größer werdende) Anteil an spirituellen/ übersinnlichen Sequenzen. Ich habe nichts dergleichen erwartet und finde, die Story wäre auch gut damit ausgekommen, wenn die Mythen ebensolche geblieben wären und sich nicht bewahrheitet hätten.
Auch verlief mir das letzte Drittel des Buches etwas zu geradlinig, bis auf eine Kleinigkeit kam es mir zu reibungslos zum Ende.

Insgesamt also ein Roman, der vor allem durch seine mitreißenden Stimmungen und außergewöhnlichen Beschreibungen überzeugt, mir persönlich aber zu übersinnlich war - wer damit kein Problem hat, sollte ihn unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Gute Grundidee - langatmige Umsetzung

Institut für gute Mütter
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Nach mehreren schlaflosen Nächten, Krankheiten und blankliegenden Nerven stürmt Frida kurzentschlossen aus dem Haus und lässt ihre achtzehn Monate alte Tochter allein, um ein paar Minuten Ruhe zu genießen.
Bei ...

Nach mehreren schlaflosen Nächten, Krankheiten und blankliegenden Nerven stürmt Frida kurzentschlossen aus dem Haus und lässt ihre achtzehn Monate alte Tochter allein, um ein paar Minuten Ruhe zu genießen.
Bei ihrer Rückkehr hat ein besorgter Nachbar bereits die Polizei alarmiert. Frida wird das Sorgerecht entzogen und sie muss für ein Jahr in das "Institut für gute Mütter", um es zurückzuerlangen.

In ihrem dystopischen Debütroman lässt Jessamine Chan die Protagonistin Frida den Albtraum eines jeden Elternteils durchleben. Ihr Trennungsschmerz hat mich dabei selbst tief getroffen und fast umgehauen, die Vorstellung, sein Kind durch einen einzigen Fehler zu verlieren und so viele Entwicklungsschritte zu verpassen, ist einfach grausam. Und Hand aufs Herz: Welches Elternteil handelt immer perfekt?

Nach einem packenden Start geht es meiner Meinung nach recht langatmig weiter und ich musste mich zwischendurch regelrecht zwingen, weiterzulesen.
Das Jahr im Institut hat weder Höhen, noch Tiefen, viele wichtige Themen - wie z.B. Rassismus oder ungleiche Behandlung von Vätern und Müttern - werden kurz angerissen, aber nicht vertieft und auch die Figuren blieben für mich wenig greifbar.
Eine Charakterentwicklung Fridas ist leider auch nicht zu sehen: Immer wieder beharrt sie darauf, dass sie nur "einen schlechten Tag" hatte und sieht den Fehler nicht so wirklich als ihren eigenen ein.
Die Beschreibungen der bedrückenden Gefängnis-Atmosphäre, sowie die KI-Puppen und die ambivalente Beziehung zu ebendiesen fand ich gut gelungen, konnten aber trotzdem nicht wirklich für ein höheres Spannungsniveau sorgen.

Im Nachwort schreibt Chan, dass sie ursprünglich nur eine Kurzgeschichte daraus schreiben wollte und das wäre für mich defintiv die bessere Umsetzung gewesen.
So hatte ich das Gefühl, dass diese wirklich interessante Grundidee unnötig in die Länge gezogen wurde, um Seiten zu füllen.

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