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Veröffentlicht am 07.05.2023

Die Sommer auf Tiree

Das Rosencottage
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„Du hast mir oft gesagt, dass du deinen Platz im Leben noch nicht gefunden hast. Vielleicht ist das Rosencottage deine Bestimmung und die Suche nach Livie ein Teil deines eigenen Weges. Finde Livie für ...

„Du hast mir oft gesagt, dass du deinen Platz im Leben noch nicht gefunden hast. Vielleicht ist das Rosencottage deine Bestimmung und die Suche nach Livie ein Teil deines eigenen Weges. Finde Livie für mich, Kirsty, finde meine alte Freundin, denn wir standen uns einmal sehr nahe. Deine Granny Fiona.“

Für die rastlose Kirsty Paterson aus Edinburgh zählen jene Sommer, die sie bei ihrer Großmutter Fiona im Rosencottage auf der Hebrideninsel Tiree verbringen durfte, zu den schönsten Erinnerungen ihres Lebens. Tiree ist Kirstys Herzensort, sie spürt bis heute eine innige Verbindung zu diesem kargen, unwirtlichen Stück Land mitten im Meer, das sie berührt und inspiriert. Daher geht mit der Trauer nach dem Ableben ihrer geliebten Granny auch Freude über Fionas Vermächtnis einher, die ihrer Enkeltochter das Rosencottage vererbte. In ihrem Nachlass ersucht sie Kirsty, Nachforschungen über den Verbleib ihrer Jugendfreundin Livie anzustellen. Fiona hatte sie aus den Augen verloren und niemals herausgefunden, was aus ihr geworden ist. Kirsty entspricht dem letzten Wunsch ihrer Großmutter nur allzu gerne, auch ein Ortswechsel sowie ein Neuanfang auf Tiree kommen der jungen Frau sehr gelegen.

„Sie hat mir dieses Haus hinterlasse, weil sie wusste, dass es das ist, was ich brauchte – einen Ort, an dem ich zu Hause bin, der mich trägt, mich frei atmen lässt (Kirsty)“

Womit Kirsty jedoch nicht gerechnet hat, ist eine unfreiwillige Wohngemeinschaft mit Fionas Untermieter Finlay Stewart, einem ungehobelten zynischen Schriftsteller, mit dessen mürrischer Art Kirsty sich für die Dauer seines Mietvertrages wohl oder übel arrangieren muss. Doch der raue und verschlossene Mittvierziger entpuppt sich als hilfreiche Unterstützung bei Kirstys Recherchen und gemeinsam begeben sie sich auf eine herausfordernde Spurensuche.

Constanze Wilken erzählt in ihrer aktuellen Neuerscheinung die atemberaubende Geschichte einer jungen Frau, die mit ihrer Familie ein eintöniges und hartes Leben auf einer kargen Insel führte. In zwei Erzählsträngen berichtet sie abwechselnd von der Vergangenheit, beginnend im Jahr 1934 und Livie McMillan als Protagonistin, sowie Kirsty Patersons angestrengte Versuche in der Gegenwart, dem letzten Wunsch ihrer Großmutter zu entsprechen und die Wahrheit nach so langer Zeit endlich ans Licht zu bringen.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren hat mir ausnehmend gut gefallen, die überzeugende Darstellung ihrer Emotionen und inneren Konflikte machten dieses Buch zu einem wahren Pageturner. Ich konnte mich kaum von der Geschichte dieser Menschen lösen, deren persönliche Entwicklung ich ein Stück weit miterleben durfte. Mit Livie McMillan hat die Autorin eine starke und mutige Hauptfigur geschaffen, die in einem bitterarmen, streng religiösen, aber auch äußerst gewalttätigen Umfeld aufgewachsen ist. Die Beschreibung des Alltagslebens der McMillans vermittelt ein detailliertes Bild einer typischen Crofter-Familie in dieser Zeit, verdeutlicht die große wirtschaftliche Not und den täglichen Kampf ums Überleben. Livie werden facettenreiche Nebenfiguren zur Seite gestellt – beginnend von ihren engsten Angehörigen, einem düsteren und einschüchternden Inselpfarrer, aber auch einer warmherzigen Crofter-Familie namens Graham, die nicht nur in der Gemeinde überaus beliebt ist, sondern sich auch Livie gegenüber liebevoll und fürsorglich verhält. Im Handlungsstrang der Gegenwart mit Kirsty und Finley als Protagonisten fungieren Kirstys Familie, ihre beste Freundin Mala sowie verschiedene Inselbewohner als beeindruckende Nebenfiguren. Mein ganz persönlicher Favorit dieses Buches bewegte sich auf vier Pfoten fort – es handelte sich um einen Australian Cattle Dog namens Otis. Als der alte Besitzer des freundlichen und loyalen Hundes stirbt, gibt Kirsty ihm ein liebevolles neues Zuhause. Otis wird zu Kirstys unerschütterlich treuen und aufmerksamen Begleiter, der nicht von ihrer Seite weicht.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin und ihre bildhafte Beschreibung der Schauplätze, der Figuren sowie der Handlung haben mich begeistert. Durch die Ungewissheit über Livies Verbleib wurde zudem ein durchgehend hoher Spannungsfaktor ins Buch gebracht. Constanze Wilken versteht es gekonnt, dem Leser tiefe Einblicke ins Innerste ihrer Figuren zu vermitteln. Aufgrund der großen Emotionen, bewegender Momente und an mancher Stelle dramatischen Ereignisse verfolgte ich diese Spurensuche in höchster Anspannung und großem Lesegenuss.

Fazit: Meine aufgrund der Leseprobe und begeisterter Rezensionen an sich schon hohe Erwartungshaltung wurde durch diesen hervorragenden Roman aus der Feder von Constanze Wilken noch weit übertroffen. „Das Rosencottage“ war eine überwältigende Lektüre, die mir einerseits allergrößtes Lesevergnügen bereitete, mich andererseits aber auch unglaublich betroffen machte. Constanze Wilken ist es gelungen, mich mit ihrer Geschichte dermaßen zu fesseln, dass ich das Buch schlichtweg nicht mehr aus der Hand legen konnte. Ich fieberte, hoffte, bangte und litt mit den handelnden Figuren, genoss dabei die wilde Schönheit dieser beeindruckenden Hebrideninsel und tauchte ganz tief in diese Geschichte ein. „Das Rosencottage“ war mein erstes, aber keinesfalls letztes Buch dieser Autorin! Ich werde Constanze Wilken ab sofort im Auge behalten und hoffe auf weitere grandiose Leseerlebnisse wie dieses!

Fünf Bewertungssterne für diesen berührenden Roman und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 25.04.2023

Let’s roll! Auf in ein neues Rolling-Angels-Abenteuer!

Stella voll in Schwung
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Let’s roll! Auf in ein neues Rolling-Angels-Abenteuer!

„Ob wir da mithalten können? (Nelly“).
“Wir müssen nirgendwo mithalten. Wir sind eine Klasse für uns!“ (Stella)

Es ist Schulbeginn im Lise-Meitners-Gymnasium. ...

Let’s roll! Auf in ein neues Rolling-Angels-Abenteuer!

„Ob wir da mithalten können? (Nelly“).
“Wir müssen nirgendwo mithalten. Wir sind eine Klasse für uns!“ (Stella)


Es ist Schulbeginn im Lise-Meitners-Gymnasium. Die drei Freundinnen Stella, Lou und Nelly kamen ausgeruht von ihren Sommerferien zurück und freuen sich nun unbändig darauf, als „Rolling Angels“ wieder gemeinsam ihren geliebten Tanz mit den Rollschuhen auszuüben. Als sie erfahren, dass die Stadt ein City-Fashion-Wochenende mit großen Bühnen, einer Mega-Show und einem international erfolgreichen Rapper vor Ort geplant hat und dafür Models gesucht werden, melden sie sich sofort für das Casting an. Doch die Veranstalter scheinen an rollschuhfahrenden Models nicht interessiert zu sein. Also müssen die drei Elfjährigen sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen…

Im zweiten Band der Stella-Trilogie steht das große Mode-Event der Stadt im Mittelpunkt. Es soll unter anderem teure Designerkleidung vorgeführt werden, was im Grunde nicht so recht zum aktuellen Schulprojekt der sechsten Klasse passt. Angelika Hesse beschäftigt sich mit dem Thema Nachhaltigkeit durch das Upcycling und selber Gestalten. Ihre jugendlichen Protagonisten lernen, eine Veranstaltung zu organisieren und befassen sich dabei zwangsläufig auch mit Marketing und Sponsoring. Darüber hinaus vermittelt die Autorin ihrer Leserschaft, wie wichtig Zusammenhalt und Teamwork sind und dass es sich für etwas zu Kämpfen lohnt, an das man glaubt. Durch eine kleine Krisensituation einer Nebenfigur des Buches kommt auch der persönliche Einsatz für andere Menschen in Form von Hilfsbereitschaft und Unterstützung ins Spiel. Und nicht zuletzt wird den Jugendlichen vor Augen geführt, was der Verlust eines Arbeitsplatzes für eine alleinerziehende Mutter bedeutet und welche Auswirkungen eine solche Situation auf alle Beteiligten nicht nur in finanzieller, sondern auch in emotionaler Hinsicht hat.

Die handelnden Figuren sind bereits aus dem ersten Band „Stella rollt an“ wohlbekannt. Einzig Andrea Rossis Neffe Valerio erscheint als Neuzugang auf der Bildfläche, ihm wurde eine ganz besondere Rolle zugedacht. Neben den Rolling-Angels Stella, Lou und Nelly betreten auch die Skating Devils wieder den Schauplatz der Handlung. Eric, Mo und Ronni spielen leidenschaftlich gerne Hockey und sind mit den Rolling Angels befreundet. Ab einem bestimmten Zeitpunkt steht Nellys Mutter Anne im Fokus des Geschehens – sie wächst über sich hinaus, rettet mehr als einmal eine scheinbar verfahrene Situation und unterstützt ihre Tochter und deren Freunde, wo sie nur kann. Während Stellas Eltern diesmal nur am Rande erwähnt werden, erhält ihre kluge sechzehnjährige Schwester Jule einen besonderen Part in diesem neuen Abenteuer. Auch sie muss über ihren Schatten springen und Mut und Risikobereitschaft beweisen. Als Antagonistin fungiert wieder einmal die hochnäsige und affektierte Carla, die hinsichtlich der bevorstehenden Castings ein As im Ärmel hat.

Angelika Hesse besitzt einen sehr einnehmenden Schreibstil, die locker-leichte Sprache ist der jugendlichen Zielgruppe angepasst. Sie erzählt ihre Geschichte im Präsens aus Sicht der Ich-Erzählerin Stella Vogel. Der lesefreundliche Großdruck, ein angenehmer Zeilenabstand und die schönen Schwarz-Weiß-Illustrationen von Edda Skibbe runden den positiven Gesamteindruck ab. Auf der ersten und letzten Buchinnenseite befindet sich darüber hinaus jeweils eine farbenprächtige Abbildung der Rolling Angels sowie der Skating Devils. Die liebevoll gezeichneten Charaktere, charmante Nebenfiguren und eine interessante und abwechslungsreiche Handlung sorgen erneut für ungetrübtes Lesevergnügen.

FAZIT: Mit „Stella voll in Schwung“ präsentiert Angelika Hesse den zweiten Band der Stella-Trilogie, der mir hinsichtlich Thematik und Umsetzung ausnehmend gut gefallen hat. Es hat mir Freude bereitet, die sympathischen Figuren aus dem Vorgängerbuch wiederzutreffen und bei ihrem neuen Abenteuer zu begleiten. „Nach den Sternen greifen“ – das ist nicht nur ein Slogan, es wird von Stella und ihren Freunden im vorliegenden Roman auch praktiziert. Ich vergebe für dieses grandiose Jugendbuch begeisterte fünf Bewertungssterne! Es hat mir sogar noch besser gefallen als dessen Vorgänger und ich sehe dem dritten und letzten Band dieser Buchreihe mit großer Erwartungshaltung entgegen.

Veröffentlicht am 23.04.2023

Wir alle müssen irgendwie zusehen, wie wir durch diese Zeiten kommen

Die Zeit der Tyrannen
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Wir alle müssen irgendwie zusehen, wie wir durch diese Zeiten kommen

„Ich werde alles tun, um jeden hier auf Gut Falkenbach zu beschützen, sei es nun unsere Familie, die Lehmanns oder auch das Personal. ...

Wir alle müssen irgendwie zusehen, wie wir durch diese Zeiten kommen

„Ich werde alles tun, um jeden hier auf Gut Falkenbach zu beschützen, sei es nun unsere Familie, die Lehmanns oder auch das Personal. Am Ende wird es unser Zusammenhalt sein, der darüber entscheidet, wie wir all das überstehen.“ (Paul-Friedrich von Falkenbach)

In diesem siebten Band der Reihe um die Familie von Falkenbach sorgen sich sowohl Paul-Friedrich von Falkenbach, als auch Wilhelm Lehmann um die vermutlich in Kürze bevorstehende Einberufung ihrer Söhne. Zwar hat der kluge und besonnene Taktiker Paul-Friedrich bereits Vorkehrungen getroffen, doch auch er muss mit großer Sorge feststellen, dass sein Einfluss und sein guter Name wohl diesmal nicht ausreichen könnten, um das drohende Unheil noch abzuwenden. Die angespannte Stimmung innerhalb der Familien wird darüber hinaus durch persönliche Tragödien verstärkt. Wilhelmine von Falkenbach ist nach der Ermordung ihrer großen Liebe Martin nicht mehr dieselbe. Sie zieht sich immer mehr zurück, verschließt sich letztendlich sogar vor ihrer engsten Familie. Sie zeigt auffallendes Interesse am politischen Geschehen und an einer Widerstandsgruppe. Irma Lehmann ist nach geduldig ertragenen Jahren der lieblosen Ehe mit Leopold Lehmann nicht mehr bereit, seine Gewalttätigkeit, seine Rücksichtslosigkeit und seine respektlose, aufbrausende Art noch länger hinzunehmen. Sie konfrontiert die Familie mit dem Entschluss, ihren Mann zu verlassen und mit den beiden gemeinsamen Töchtern Sophie und Charlotte zukünftig bei ihren Eltern zu leben. Vor der Reaktion Leopolds bangen jedoch vor allem seine Eltern Wilhelm und Else, die ihren Sohn und dessen tobsüchtiges Verhalten nur allzu gut kennen. Für Wilhelms und Elses Sohn Johannes ist hingegen eine positive Veränderung in Sicht, und die hochschwangere Clara von Falkenbach entpuppt sich als patente, zuverlässige und kluge Frau, die in einer gefährlichen Situation Ruhe bewahrt und instinktiv das Richtige tut. Ihre persönliche Entwicklung hat mir in diesem Band ganz besonders zugesagt. Insgesamt betrachtet gibt es in der aktuellen Neuerscheinung bei einigen handelnden Figuren gravierende Veränderungen – und zwar sowohl in positiver, als auch in negativer Hinsicht. Mein persönlicher Antagonist war, ist und bleibt vermutlich der gewalttätige und rüpelhafte Leopold, der sich zunehmend von seiner schlechtesten Seite zeigt.

Der Zweite Weltkrieg als dramatischer Hintergrund zeichnet für einen durchgehend hohen Spannungsfaktor verantwortlich. Die Familien müssen nicht nur vor dem drohenden Einsatz ihrer Söhne an der Front bangen, sondern auch ihre wahre Gesinnung geschickt verbergen. In diesen Zeiten kann abgesehen vom engsten Familienkreis keiner dem anderen trauen, auch der vermeintlich große Einfluss derer von Falkenbach scheint rapide zu schwinden.

Der einnehmende Schreibstil der Autorin ist mir im Verlauf dieser grandiosen Familiensaga immer mehr ans Herz gewachsen. Ellin Carsta versteht es, ihren Figuren Leben einzuhauchen und den Leser durch deren hohe Authentizität sowie eine stets spannende, an mancher Stelle beinahe dramatische Handlung, voll und ganz einzubeziehen. Tiefe Emotionen und mitreißende Momente wechseln einander ab und enden schließlich in einem aufwühlenden Finale, dicht gefolgt von einem Cliffhanger, der die Neugier auf den Nachfolgeband bereits jetzt weckt. Im Nachwort geht die Autorin wie gewohnt auf bestimmte Figuren ihrer Handlung und historische Fakten ein, die sie in ihre Geschichte eingewoben hat.

FAZIT: „Die Zeit der Tyrannen“ war ein fesselnder, emotionaler und überaus spannender Band einer Buchreihe, die mich mit jeder Fortsetzung erneut begeistert. Die Autorin vereint geschickt historische Ereignisse mit einer fiktiven Geschichte, wartet mit hervorragend gezeichneten Charakteren auf, sorgt für starke Emotionen und zieht ihre Leserschaft von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann. Eine Kenntnis der Vorgängerbücher ist aus meiner Sicht zum tieferen Verständnis jedoch unabdingbar. Ich vergebe erneut uneingeschränkte fünf Bewertungssterne für dieses grandiose Familienepos und sehe dem nächsten Band mit ganz großer Erwartungshaltung entgegen!

Veröffentlicht am 12.04.2023

Eine aufregende Mörderjagd

Venezianische Finsternis
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Eine aufregende Mörderjagd

„Manchmal hasse ich meinen Job. Es hört nie auf. Du erwischt einen Täter und es kommen zehn neue dazu.“ (Luca Brassoni)

Im achten Fall der Venedig-Krimireihe um Commissario ...

Eine aufregende Mörderjagd

„Manchmal hasse ich meinen Job. Es hört nie auf. Du erwischt einen Täter und es kommen zehn neue dazu.“ (Luca Brassoni)

Im achten Fall der Venedig-Krimireihe um Commissario Luca Brassoni und seinen Kollegen Maurizio Goldini kommt es in Venedig während eines eigenartigen Stromausfalls zu einem grausamen Mord. Edoardo Bianchi, der Inhaber eines Antiquitätenladens, wird gefoltert und erschlagen, der Betreiber des benachbarten Café Capello Rosso namens Francesco erleidet bei seinem Versuch, dem freundlichen alten Geschäftsmann zu helfen, lebensbedrohliche Verletzungen. Luca Brassoni, der leitende Commissario der venezianischen Polizei, ist in diesen Fall auch emotional involviert, da es sich bei Francesco um den Lebensgefährten seines Cousins Stefan „Caruso“ Mayer handelt. Der Raub eines wertvollen Gegenstands aus Bianchis Safe entpuppt sich immer mehr als ziemlich komplexer Fall, der weite Kreise zieht. Das Team der venezianischen Polizei begibt sich unter Hochdruck auf Spurensuche, Brassoni muss jedoch diesmal auf die wertvolle Unterstützung seines Kollegen Maurizio „Mauro“ Goldini verzichten. Denn dieser hat erst kürzlich seinen Vaterschaftsurlaub angetreten und darf daher nicht offiziell ermitteln. Als weitere Verbrechen geschehen, die auf einen Zusammenhang mit dem Foltermord hinweisen, steigt auch der Druck auf die Kommissare in der Questura.

Die Autorin hat einen ausgeklügelten Kriminalfall konstruiert und ich fühlte mich ausgezeichnet unterhalten. Der Spannungsbogen wurde die gesamte Handlung über konstant aufrecht gehalten und steigerte sich bis zum Ende des Buches zu einem aufregenden Finale. Der einnehmende Schreibstil Daniela Gesings sowie die Charakterzeichnung ihrer handelnden Figuren haben mir sehr gut gefallen. Ich begrüßte zudem die Einbindung zahlreicher italienischer Bezeichnungen und Ausdrücke, welche der Geschichte zusätzliche Authentizität verliehen. Darüber hinaus war ich tief beeindruckt von der lebendigen und bildhaften Beschreibung des Alltags, der verschiedenen Schauplätze in der Lagunenstadt sowie der Menschen in Luca Brassonis Umfeld.

Als Quereinsteigerin in diese Krimireihe fehlten mir jegliche Informationen zur Vorgeschichte der beiden Protagonisten, was meinem Lesevergnügen jedoch keinen Abbruch tat. Ich lernte den Venezianer Luca Brassoni als fähigen Ermittler kennen, dessen weiche Seite sich im Zuge der Beschreibung seiner familiären Situation sowie in seiner Zuneigung zu seinem treuen tierischen Begleiter, dem wuscheligen Hund namens Picco, offenbart. Brassonis Kollege Maurizio sowie das gesamte Ermittlerteam waren mir auf Anhieb sympathisch. Obgleich es sich um teilweise ziemlich konträre Persönlichkeiten handelt, wird in der venezianischen Questura ein kollegialer, beinahe freundschaftlicher Umgangston gepflegt. Die Autorin setzt den Leser über die verschiedenen Aufgabenbereiche der Ermittler in Kenntnis und liefert nebenbei auch kleine Details zu deren Privatleben. Bei einigen relevanten Nebenfiguren der Handlung wie etwa Zeugen oder Verdächtigen bröckelt die wohlgefällige und harmlos wirkende Fassade erst nach und nach – sie waren nicht so einfach zu durchschauen und es offenbarten sich zum Teil ungeahnte Abgründe. Ein weiterer Spannungsfaktor waren die immer wieder in die Handlung eingestreuten Kapitel über die Aktivitäten, die Motivationen und die Gedanken des im Hintergrund agierenden Täters, die kaum Hinweise über dessen wahre Identität verrieten. Darüber hinaus gelang es der Autorin auch, mich mitunter auf eine falsche Fährte zu locken.

Ich möchte an dieser Stelle auch die hochwertige Aufmachung und die beeindruckende optische Gestaltung des Buchcovers mit der wunderschönen Abbildung Venedigs in einer mondhellen Nacht hervorheben. Die lesefreundliche Schriftgröße, eine kurze Vorstellung der Autorin am Ende des Buches sowie eine chronologische Auflistung der bisher erschienenen Bände dieser Krimireihe runden den positiven Gesamteindruck ab.

FAZIT: „Venezianische Finsternis“ war meine erste Lektüre aus der Feder von Daniela Gesing, aber mit Sicherheit nicht die letzte. Das Buch hat mir durch einen raffiniert konstruierten Fall, überzeugende Charaktere und den einnehmenden Schreibstil großes Lesevergnügen bereitet. Die komplexe Handlung, die Konzentration auf die Ermittlungsarbeit, der durchgehend hohe Spannungsbogen, ein gewisser Fokus auch auf das Privatleben der Ermittler sowie eine eindrucksvolle und bildhafte Beschreibung der Örtlichkeiten Venedigs machten für mich persönlich den Reiz dieses Krimis aus. Ich sehe dem nächsten Band dieser Reihe bereits jetzt mit großer Erwartungshaltung und Vorfreude entgegen.

Begeisterte fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 10.04.2023

Du hast mein Leben verändert!

Menschen, die wir noch nicht kennen
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Du hast mein Leben verändert!

„Ich suche sie, weil ich mich bei ihr bedanken möchte. Sie hat damals mein Leben verändert.“ (Frank)

Die Begegnung des zweiundzwanzigjährigen Frank Weiss in der Buslinie ...

Du hast mein Leben verändert!

„Ich suche sie, weil ich mich bei ihr bedanken möchte. Sie hat damals mein Leben verändert.“ (Frank)

Die Begegnung des zweiundzwanzigjährigen Frank Weiss in der Buslinie 88 im April 1962 mit einer Kunststudentin veränderte sein Leben. Frank verlor während der Fahrt durch London sein Herz an die selbstbewusste und unabhängige junge Frau mit den bezaubernden grünen Augen und dem leuchtend roten Haar. Ihre Verabredung zu einem gemeinsamen Besuch der National Gallery ein paar Tage später kam jedoch niemals zustande. Doch seit diesem Tag fuhr Frank sechzig Jahre lang mit dem Bus durch London und hielt Ausschau nach „der Frau seines Lebens“.

Elizabeth „Libby“ Nicholls muss sich sowohl privat, als auch beruflich neu orientieren, nachdem ihre langjährige Beziehung in die Brüche ging. Sie macht sich im April des Jahres 2022 auf den Weg zu ihrer Schwester Rebecca nach London und ist ebenfalls mit der Buslinie 88 unterwegs. Ihr rotes Haar sowie ihre Angewohnheit, Skizzen von anderen Menschen anzufertigen, erinnern den mittlerweile zweiundachtzigjährigen Frank an die Kunststudentin von Damals und veranlassen ihn dazu, Libby anzusprechen. Seine Geschichte über die jahrzehntelange Suche nach der Unbekannten berührt sie zutiefst und sie möchte dem sympathischen alten Mann helfen. Doch bei Frank wurde fortschreitende Demenz diagnostiziert, ihm bleibt nicht mehr allzu viel Zeit für sein Vorhaben. Gemeinsam mit Franks Pfleger Dylan versucht Libby, eine Spur zu der geheimnisvollen Frau zu finden und merkt erst nach und nach, wie sehr die Menschen, die sie durch Frank kennenlernt, ihr eigenes Leben bereichern – und letztendlich auch verändern.

Freya Sampson war es ein Anliegen, dem Leser in ihrer aktuellen Neuerscheinung aufzuzeigen, „wie ein kurzes Gespräch zwischen zwei Fremden das Leben von einem der beiden verändern kann, und wie sechzig Jahre später ein anderes Gespräch, wiederum mit einem fremden Menschen, einen außergewöhnlichen Akt der Freundlichkeit auslöst, der auf erstaunliche und wunderbare Weise die Leben aller Menschen in seinem Umkreis verändert. Es gibt noch Menschen, die bei Fahrten im Bus den Kopf nicht in ein Buch stecken oder über ihr Smartphone beugen, sondern auch solche, die sich stattdessen umsehen und sich für die Welt und die Menschen um sie herum interessieren.“ (Zitat Autorin)

Aus meiner Sicht ist der Autorin die Umsetzung ihres Vorhabens vortrefflich gelungen! Der einnehmende Schreibstil von Freya Sampson, die überzeugende Darstellung der Emotionen und inneren Konflikte sowie der persönlichen Entwicklung ihrer Charaktere und meine zugegebenermaßen hohe Erwartungshaltung betreffend die Suche nach der unbekannten Kunststudentin von Damals machten dieses Buch zu einem wahren Pageturner. Ich konnte mich kaum von der herzerwärmenden Geschichte über diese Menschen lösen, die das Schicksal in einem Bus zusammenführte. Die Autorin animiert mit ihrem Roman dazu, die Hoffnung niemals aufzugeben. Sie macht Mut zum Träumen und diese Träume auch zu leben. Sie weist zudem auf den unschätzbaren Wert von echter Freundschaft hin, unbeeinflusst von gesellschaftlichen Unterschieden, der äußeren Erscheinung oder dem Altersunterschied.

Die Charakterzeichnung der handelnden Figuren ist hervorragend und punktet durch hohe Authentizität. Die Autorin wartet mit einigen Sympathieträgern auf, deren innere Qualitäten man erst auf den zweiten Blick erkennt. Während Libby ihre Träume aufgegeben hat, um andere Menschen in ihrem Umfeld zufriedenzustellen, hat Frank es hingegen geschafft, seine Träume zu verwirklichen. Auch Franks Pfleger Dylan verfolgte ursprünglich ein völlig anderes Berufsziel, seine Tätigkeit bereitet ihm nun jedoch große Freude.

„Man denkt zuerst, dass alte Menschen langweilig sind, aber das liegt nur daran, dass man ihnen nicht richtig zuhört. Meine Arbeit macht mich nicht reich, aber sie macht mich glücklich, und das ist wichtiger. Ich arbeite gerne mit Menschen und helfe ihnen – ich finde, das ist das beste Gefühl auf der Welt.“ (Dylan)

Das Hauptaugenmerk der Autorin liegt zwar auf Frank, Libby und Dylan, sie stellt ihren Protagonisten jedoch interessante Nebenfiguren zur Seite. In Libbys Fall sind dies ihre Eltern, ihre Schwester Rebecca sowie ihr Ex-Freund Simon. Dylans Bekannte Esme, eine ganz besonders liebenswerte und empathische junge Frau, nimmt eine wichtige Nebenrolle im Buch ein. Eine gewisse Peggy entpuppt sich als interessante Person, deren Identität und Verbindung zu dieser Geschichte lange Zeit im Dunkeln liegt.

Es handelt sich beim vorliegenden Roman um eine gebundene Ausgabe, die optische Gestaltung des Covers passt perfekt zum Inhalt dieses Buches. Der Bus ist der rote Faden, der sich durch die gesamte Geschichte zieht – er ist das Bindeglied zwischen den Ereignissen von 1962 und 2022 und den Figuren dieses Buches. Das Lesebändchen in roter Farbe stellt ein willkommenes und perfekt zum Bus passendes Extra dar.

FAZIT: „Menschen, die wir noch nicht kennen“ entpuppte sich als regelrechtes Lese-Highlight! Es war eine berührende, herzerwärmende und emotionale Geschichte, die mich von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann gezogen und großes Lesevergnügen bereitet hat. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen und ich vergebe begeisterte fünf Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung dafür.