Weites Herz, klarer Horizont
Sylt oder SüßesMoin!
Kennt ihr den friesischen Wahlspruch "Rüm hart, klar kiming"? Frei übersetzt, bedeutet er: Wer einen klaren Verstand besitzt, sieht den Weg. Dazu gehört auch, endlich loszulassen. Dieser Gedanke ...
Moin!
Kennt ihr den friesischen Wahlspruch "Rüm hart, klar kiming"? Frei übersetzt, bedeutet er: Wer einen klaren Verstand besitzt, sieht den Weg. Dazu gehört auch, endlich loszulassen. Dieser Gedanke durchzieht den neuen Roman "Sylt oder Süßes" von Claudia Thesenfitz, der für mich die perfekte Strandlektüre ist, mit etwas Tiefgang und viel Lokalkolorit vom Campingplatz Hörnum auf Sylt:
Sommer, Genuss und Lebensfreude – auf Sylt haben Diäten keine Chance. Hotelchefin Doreen Grüning, 43, durchtrainiert, kontrolliert und immer im Kaloriendefizit, soll einen abgerockten Zeltplatz auf Sylt zum Luxus-Glamping-Resort umgestalten. Keine leichte Aufgabe, denn alles soll heimlich und unauffällig vonstatten gehen, um nicht den Zorn der Sylter Heimatschutz-Aktivisten zu erregen. Doch die Jungs vom Camping-Restaurant und die eigenwillige Rezeptionistin Stine kommen ihr auf die Schliche und sind alles andere als begeistert, dass auch noch dieses Sylter Kleinod den Reichen und Schönen geopfert werden soll. Heimlich beschließt die Campingplatz-Crew, Doreen umzustimmen. Die Jungs gehen mit ihr surfen und bekochen sie. Und Stine bringt ihr zur Entspannung das Stricken bei. Schon lange hatte Doreen nicht mehr so viel Spaß. Doch als ihr ihre Hosen nicht mehr passen und das ganze Projekt zu scheitern droht, zieht sie die Notbremse: Ab sofort hält sie wieder eisern Diät und bestellt schon mal die Bagger. Wäre da nur nicht der Ur-Sylter Hinnerk, der ein so freies und anderes Leben lebt und ihr zeigt, wie gut es tut, loszulassen …
Das Cover atmet Nordseeflair. Es ist in warmen Tönen gehalten und verspricht einen locker-leichten Sommerroman, den man am liebsten in einem Strandkorb genießen möchte. Eine unbekannte Frau ist in einem VW Bulli unterwegs, den Blick auf einen markanten Leuchtturm gerichtet. Ist sie auf dem Weg in den Urlaub? Der Titel zaubert durch das gekonnte Wortspiel ein Lächeln auf die Lippen und bleibt im Gedächtnis haften.
Das neue Buch von Claudia Thesenfitz spielt mitten auf einem schlichten Campingplatz auf Hörnum, am südlichen Ende der Insel Sylt. Hier ist man meilenweit von dem angesagten Trend "Glamping" entfernt. Auch wenn die landschaftliche Lage kaum zu toppen ist, ist die vorhandene Ausstattung eher spartanisch. Hier legt man weniger Wert auf den schönen Sein als auf das echte Sein. Viele Gäste sind echte Unikate; etwas schräg anmutend, aber mit einem großen Herzen, wie zum Beispiel Stine, die für die Rezeption verantwortlich zeichnet.
Ich mag die Sylt-Romane von Claudia Thesenfitz. Sie sind so erfrischend anders und spiegeln das wahre Leben. Ehrlich, natürlich, ungefiltert. In ihrem neuen Roman "Sylt oder Süßes" dreht sich alles um Doreen, die ihr ganzes Leben der Karriere untergeordnet hat. Sie kann sich nicht gehen lassen, sondern ist eine Perfektionistin. Beruflich gesehen, hat sie fast alles erreicht, privat ist sie auf der Strecke geblieben. Auf einem Low-Budget-Campingplatz in Hörnum ist sie undercover für ihren Arbeitgeber unterwegs - und lernt dabei die wichtigste Lektion in ihrem Leben. Für meinen persönlichen Geschmack ist die (für Wohlfühlromane nahezu obligatorische) romantische Liebesgeschichte etwas in den Hintergrund geraten, dafür ist die weitere Handlung um so ausführlicher dargestellt worden.
Besonders gut gefallen hat mir, dass die Schattenseiten von Sylt von Claudia Thesenfitz klar und deutlich aufgezeigt werden. Im Laufe der Zeit hat sich Sylt zu einem Hotspot für die Reichen und Schönen entwickelt. Vertrieben worden sind die Einheimischen, die sich eine Wohnung auf der beliebten Insel nicht mehr leisten können und zu ihren Arbeitsplätzen vom Festland aus pendeln müssen. Umstrittene Bauprojekte sorgen für zusätzlichen Ärger; Investor*innen betreiben mutwillig Raubbau an der Natur, statt auf nachhaltigen, ökologisch verträglichen Tourismus zu setzen. Ein radikales Umdenken ist dringend notwendig, wenn Sylt für kommende Generationen erhalten bleiben soll. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein!