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Veröffentlicht am 28.04.2023

Großer Bedarf an literarischer Medizin

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
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Dieser Roman von Nina George ist der Nachfolgeroman Ihres Welterfolges »Das Lavendelzimmer«. Zehn Jahre haben die Leser darauf warten müssen, um zu erfahren, wie es Monsieur Perdu und seiner literarischen ...

Dieser Roman von Nina George ist der Nachfolgeroman Ihres Welterfolges »Das Lavendelzimmer«. Zehn Jahre haben die Leser darauf warten müssen, um zu erfahren, wie es Monsieur Perdu und seiner literarischen Apotheke zusammen mit Catherine im Süden Frankreichs geht. Nun ist es endlich soweit und die Sehnsucht der Leser kann gestillt werden.

Vier Jahre lebt Jean Perdu nun schon zusammen mit Catherine im Süden Frankreichs im Aigues-Mortes. Aus seinem Schiff war ein Restaurant geworden, welches von lieben Freunden betrieben wurde. Monsieur Perdu hat sich quasi in den Ruhestand begeben und genießt das Leben.

Die Feier zu seinem 60. Geburtstag wird von seinen Freunden im kleinsten Kreise organisiert. Die Geschenke für ihn sind umwerfend. Von Victoria, der Tochter seiner ersten großen Liebe Manon und seine Vielleicht-Tochter, erhält er ein Enkelchen und soll gleich dem Fast-Schwiegersohn Max beibringen, wie mein Vater ist.

Seine Freunde Samy und Salvo schenken ihm das Schiff zurück. Sie haben Pläne, ein Restaurant an Land In San Sebastián im Baskenland weiterzuführen. Doch Monsieur Perdu solle mit dem Schiff seine literarische Apotheke wieder neu eröffnen.

Für Jean Perdu muss ein Plan zur Rückkehr aus dem Ruhestand und zur Rückführung seines Schiffes nach Paris her. Auf dem Weg zurück lernt man zusammen mit der kleinen Schiffsbesatzung viele Menschen kennen, und Merline. Man erlebt einen Jean Perdu, der hin und hergerissen wird zwischen der modernen digitalen und der nostalgischen analogen Welt.

Von Nina George ist man sinnliche Romane voller Emotionen und hinreißenden Gedanken gewohnt. Man wird mit dem vorliegenden Roman diesbezüglich nicht enttäuscht. Sie ist sich treu geblieben und komponiert die Worte zu einem Gemälde, anstatt sie einfach nur aneinanderzureihen. Wer Zitate liebt, wird sehr viel Gelegenheit haben, in dieser Geschichte passende Passagen anzustreichen. Wortgewandt und gefühlsbetont erzählt Nina George eine Geschichte für alle Sinne der Leser. Ob es die Speisen sind, die auf die Teller geladen, oder die Landschaften und Straßenzüge sind, die gestreift werden. Man spürt alles, riecht alles und schmeckt alles.

Für die Spannung braucht es nicht viel, denn man möchte von Anfang an wissen, wie es mit den Figuren weitergeht. Wird die Liebe und Freundschaft bestand haben? Wird der Neustart in Paris gelingen? Wie wird die Reise dorthin? Nina George hat dafür gesorgt, dass beim Lesen genügend Fragen im Kopf entstehen, um an der Geschichte kleben zu bleiben. Witz und Humor wurde nicht vergessen, so mancher Situation, so manche wörtliche Rede zaubert ein Schmunzeln auf’s Gesicht.

Da der Protagonist Monsieur Perdu nach der Aufgabe seines Schiffes vor vier Jahren versucht hat, eine literarische Enzyklopädie mit dem Titel »Große Enzyklopädie der kleinen Gefühle – Handbuch für Buchhändlerinnen, Buchhändler und andere literarische Pharmazeuten« zu schreiben, sind die Zitate aus dieser Enzyklopädie am Ende eines jeden Kapitels ein besonderes Highlight. Dort werden Begriffe wie „Leselust“, „Bücherfreundschaften“, „Heimatsuchende“ und dergleichen mehr sinnlich erläutert. Nina George teilt auf diese Weise Gedanken zu den verschiedensten Themen menschlichen Zusammenlebens mit. Die Idee zu dieser Enzyklopädie und zur Darbietung der Zitate hat mir wunderbar gefallen. Regen gerade diese Sätze doch zum Nachdenken an.

Ein empfehlenswerter Roman voller Gefühl und Liebe und ein herzliches Dankeschön an Nina George, dass ich erfahren durfte, wie es Monsieur Perdu ergangen ist.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
Veröffentlicht am 15.04.2023

ein Roman, der gleich mehrere Genres bedient

Freischwimmer
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Der Debütroman von Gabriel Herlich ist ein gefühlvoller Roman, der sich als Gegenwartsroman gleich in mehrere Schubladen stecken lässt. Leser lieben Schubladen für ihre Bücher.

Der Roman ist einerseits ...

Der Debütroman von Gabriel Herlich ist ein gefühlvoller Roman, der sich als Gegenwartsroman gleich in mehrere Schubladen stecken lässt. Leser lieben Schubladen für ihre Bücher.

Der Roman ist einerseits ein Roadmovie, denn die Protagonisten begeben sich auf eine abenteuerliche Reise. Gleichzeitig ist er aber auch ein Entwicklungsroman, denn ein Protagonist ist noch dabei, erwachsen zu werden, obwohl er es altersmäßig schon längst sein sollte. Schließlich und endlich ist es ein Liebesroman, weil die abenteuerliche Reise des männlichen Protagonisten wegen eines Mädchens erfolgt.

Der 21-jährige Donnie befindet sich mit seinen Freunden Alwin und Marlon im Freibad. Dort trifft er auf Meggie und ihre Freundin. Die beiden jungen Frauen werden von seinen Kumpels dumm angemacht. Das gefällt Donnie zwar nicht, aber er ergreift auch nicht Partei für die Frauen. Schließlich sind Marlon und Alwin seine einzigen beiden Freunde. Es sind Menschen, die zu ihm stehen.

Im Gegensatz zu seinem Vater, dem Galeristen, der ihn nicht nur nicht liebt, sondern ihn auch vor anderen Menschen bloßstellt. Donnie fühlt sich von seinem Vater im Stich gelassen.

Doch er hat mit dem Kumpels auch richtig Mist gebaut und muss in einem Altenheim Sozialstunden ableisten, weil sein Vater die Strafe nicht bezahlen will.

Im Altenheim trifft er auf Menschen, die offenbar in einer anderen Welt leben als er. Und er trifft Meggie wieder, mit der er sich schließlich auf eine Reise nach Frankreich begibt.

Gabriel Herlich hat einen hinreißender Roman über das Erwachsenwerden, die Freundschaft und die Liebe geschrieben, der ein ernstes Thema mit einer angenehmen Leichtigkeit aufnimmt, ohne dabei einen Zeigefinger zu erheben.

Die Geschichte mit ihren verschiedenen Strängen von der Vergangenheit bis zur Gegenwart ist spannend verknüpft. Es sind immer wieder Momente, deren Ausgang man entgegenfiebert. Letztendlich möchte man auch wissen, was aus dem Nichtschwimmer Donnie wird, wenn der Roman schon »Freischwimmer« heißt.

Die Figuren sind fein gezeichnet und der Kontrast zwischen der sehr erwachsenen Meggie und dem noch unfertigen Donnie kann beim Leser ein Kribbeln hervorrufen.

Gabrielle Herlich führt alles zu einem guten Ende, wie es ein großer Roman verlangt. Aber das Happy End ist nicht unbedingt eines, was die Leser erwarten. Doch es ist eines, mit dem man sich nach dem Zuschlagen des Buches zurücklehnen kann und sagt: Wunderschön!

»Freischwimmer« ist ein Roman über die Suche nach den eigenen Wurzeln, nach dem Ich, nach dem, was Halt gibt im Leben, nach der Liebe und dem Glück, über die Suche nach Jakob.

Ich wünsche diesem Roman aus dem Hause Pendragon viele Leserinnen und Leser und sehr viel Aufmerksamkeit. Es ist ein sehr toller Roman und er hat mich begeistert.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

Veröffentlicht am 11.04.2023

Gelungener Auftakt der Colter-Shaw-Reihe

Der Todesspieler
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Dieser Thriller ist ein Pageturner erster Güte. Die Jagd nach einem durchgeknallten Täter zieht einen einfach in den Bann. Hier im Blog habe ich bereits Kurzgeschichten von Jeffery Deaver rezensiert. Mit ...

Dieser Thriller ist ein Pageturner erster Güte. Die Jagd nach einem durchgeknallten Täter zieht einen einfach in den Bann. Hier im Blog habe ich bereits Kurzgeschichten von Jeffery Deaver rezensiert. Mit denen habe ich den Thrillerautor kennengelernt.

»Der Todesspieler« ist der erste Roman aus der Reihe um Colter Shaw. Kein Wunder also, dass dieser Protagonist ausführlich vorgestellt wird und sein Leben einen umfassenden Teil der Geschichte einnimmt. Aber ich verspreche euch, Colters Leben ist nicht langweilig.

Colter Shaw verdient einen Teil seines Lebensunterhalts mit Belohnungen. Er ist ein Belohnungsjäger. Er sucht vermisste Personen für deren Auffinden irgendjemand eine Belohnung ausgesetzt hat. Colter besteht darauf, dass er kein Kopfgeld- oder Kautionsjäger ist. Er sucht vermisste Kinder genauso wie demente Senioren, aber auch aus dem Gefängnis entflohene Häftlinge.

In dem vorliegenden Thriller wird ein junges Mädchen vermisst. Der Vater hat $10000 ausgesetzt, vor lauter Verzweiflung und obwohl er sich das eigentlich nicht leisten kann.

Colter Shaw macht sich in seinem Wohnmobil auf dem Weg ins Silicon Valley, wo der Klient mit seiner Tochter lebt. Shaw gerät schnell in die Szene der Video- und Computerspiele, hinter der eine immense Industrie mit Finanzen steht.

Alles sieht so aus, als würde der Täter mit der Entführung des Mädchens ein Computerspiel namens „Der flüsternde Mann“ in die Realität umsetzen.

Abgesehen von dem kriminellen Plot, der mich beim Lesen stets weiter trieb, hat mir das vorgestellte Figurenensemble besonders gefallen. Jeffery Deaver ist ein Meister der Figuren. Sie treffen so zufällig aufeinander, wie sich Menschen auch in der realen Welt zufällig begegnen, kennenlernen und Beziehungen knüpfen.

Obwohl über den Protagonisten so viel erzählt wird, bleibt Colter Shaw, ein Mann der kaum lächelt, auch am Ende noch ein Geheimnis. Das fasziniert! Die Frauen, auf die er in dieser ersten Geschichte trifft, sind Frauen mit eigenen konfliktreichen Leben. Dennoch lassen sie sich auf die eine oder andere Art mit Colter Shaw ein. Das ist sympathisch, plausibel und unheimlich interessant gemacht! Hiervon muss man einfach mehr lesen wollen. Ich habe bereits einen weiteren Thriller der Colter-Shaw-Reihe, diesmal als amerikanisches Original, auf meinem SUB liegen.

Wenn das nicht schon Empfehlung genug ist, dann weiß ich nicht, wie ich diesen Autor und diesen Roman sonst noch empfehlen kann. Man muss einfach die Welt von Colter Shaw betreten.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.03.2023

Fischland: Verbrechen vom Feinsten

Der Strand: Verraten
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Dies ist der zweite Teil der Fischland-Trilogie von Karen Sander, in der es um die gehörlose junge Frau Lilli Sternberg geht.

Fast alle Bewohner des fiktiven Ortes Sellnitz hatten sich an der Suche beteiligt. ...

Dies ist der zweite Teil der Fischland-Trilogie von Karen Sander, in der es um die gehörlose junge Frau Lilli Sternberg geht.

Fast alle Bewohner des fiktiven Ortes Sellnitz hatten sich an der Suche beteiligt. Aber die Suche war ergebnislos geblieben. Der Fall soll zu den Akten gelegt werden. Doch nicht nur der Ermittler Tom Engelhardt sträubt sich dagegen. Seine Kollegin Mascha Krieger aus dem LKA in Schwerin lässt sich für eine Woche beurlauben, um auf eigene Faust weiter in Sachen Sternberg zu ermitteln.

Schließlich bekommen sie offiziell doch noch eine weitere Woche für diesen Fall.

Währenddessen wird eine weibliche Leiche an den Ostseestrand gespült. Dass es sich dabei um Lilli Sternberg handeln könnte, lässt alle den Atem anhalten. Doch die Spuren ergeben, dass es sich nicht um die vermisste Frau handelt. Dafür liegt eine weitere Tote vor den Ermittlern.

Karen Sander schafft in dieser Trilogie drei spannende Thriller, die zwar jeder für sich gelesen werden können, aber zusammen ein umso besseres Bild ergeben. Die Suche nach der Vermissten zieht sich über alle Romane. In jedem einzelnen Roman bleiben noch so viele Tote, Verbrechen und Konflikte, dass sowohl das Ermittlerteam als auch die Leser sehr viel Raum für Spannung und Spekulation erhalten. In jedem Roman gibt es Fälle, die für sich genommen aufgelöst werden müssen. Sie sind schon spannend genug. Aber die Vermisste über alle drei Romane hinweg gibt der Trilogie noch den Kick.

Die regionale Verortung auf dem Fischland finde ich persönlich besonders interessant als jemand, der dort viele Jahre gelebt und studiert hat.

Karin Sander bietet wieder mal pure Spannung mit Geschichten die man nicht missen sollte. Ich freue mich schon auf den dritten Teil dieser Reihe.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

Veröffentlicht am 21.02.2023

wenn aus einem Urlaub ein Albtraum wird

In blaukalter Tiefe
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Mit diesem Roman lockt die Autorin Kristina Hauff ihre Leser auf einen Segeltörn. Sie beschreibt die Schönheit einer solchen Reise mit emotionalem Engagement, obwohl es in der Handlung alles andere als ...

Mit diesem Roman lockt die Autorin Kristina Hauff ihre Leser auf einen Segeltörn. Sie beschreibt die Schönheit einer solchen Reise mit emotionalem Engagement, obwohl es in der Handlung alles andere als beschaulich zugeht.

Der Rechtsanwalt Andreas einer Kanzlei hat den Segeltörn zum Kitten seiner Ehe mit Caroline organisiert. Zusätzlich hat er einen frisch in der Kanzlei angestellten Anwalt und dessen Freundin eingeladen. Drittes Ehepaar beim Segeln sollten der Skipper und dessen Frau sein. Doch letztere ist krankheitsbedingt abgemeldet.

Andreas ist ein Mensch, der es genießt, wenn andere zu ihm aufschauen. Das sollte auch seine Frau. Aber nicht mal dieser Segeltörn bringt sie dazu, ihrem Mann mit einem lobenden Wort zu schmeicheln. Gut, dass er den Angestellten eingeladen hat. Dieser himmelt ihn an, weil er gerne Partner in der Kanzlei, also Teilhaber statt Angestellter, sein möchte.

Doch die Enge auf dem Segelboot wird für die fünf Menschen an Bord zu einer Zerreißprobe.

Den Formulierungen der Autorin kann man die Liebe zum Detail entnehmen. Sie beschreibt einen Mikrokosmos von Beziehungen, Befindlichkeiten, Verflechtungen und Abhängigkeiten, wie sie Menschen nur erleben, wenn sie ihren Aufenthaltsort nicht verlassen können. Wenn Menschen in kritischen Situationen nicht voreinander fliehen, sich aus dem Weg gehen können, kommt es unweigerlich zu emotionalen Sprengstoff. Kristina Hauff hat solch eine Situation wie durch eine Lupe betrachtet detailgenau beschrieben.

Um dies zu erreichen, wird für die Sicht auf das Geschehen die Perspektive gewechselt. Die Kapitel sind jeweils mit dem Namen der Figur überschrieben, aus deren Sicht es geschildert wird. Elegant wird manchmal das Ende des vorhergehenden Kapitels in das neue übernommen.

Besonders schön fand ich die Klammer um die Haupthandlung herum, die aus einem Prolog und einem Epilog besteht. Diese Klammer beschreibt das Geschehen sechs Wochen nach dem einschneidenden Ereignissen, liegt also in der Gegenwart, während die Haupthandlung bereits vergangen ist. So wird im Prolog bereits deutlich, dass einige Wochen zuvor etwas Schreckliches passiert sein muss. Bis zum vorletzten Kapitel erfährt man dann, was an Bord der Yacht passiert und wie sich die Menschen aneinander reiben. Doch die letzte Auflösung gibt es dann im letzten Kapitel als Epilog. Das ist wunderbar konstruiert.

Der Roman macht Lust auf Segeln und gibt Einblicke in menschliche Abgründe. Er zeigt aber auch Wege aus den Tiefen heraus. Einfach nur empfehlenswert!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

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