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FranziskaBo96

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Veröffentlicht am 21.07.2023

So geht Jugendbuch!

Hani & Ishu: Fake-Dating leicht gemacht
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Hani und Ishu, zwei Teenager mit bengalischen Wurzeln aus Dublin, haben beide so ihre Probleme. Hani ist mit der Intoleranz ihrer vermeintlichen Freundinnen konfrontiert, die nicht nur ihre Kultur und ...

Hani und Ishu, zwei Teenager mit bengalischen Wurzeln aus Dublin, haben beide so ihre Probleme. Hani ist mit der Intoleranz ihrer vermeintlichen Freundinnen konfrontiert, die nicht nur ihre Kultur und Religion nicht ernst nehmen, sondern ihre sexuelle Orientierung als albern ansehen. Ishu hat dagegen mit den hohen akademischen Erwartungen ihrer Eltern zu kämpfen, die den Kontakt zu Ishus Schwester größtenteils abgebrochen haben, seitdem diese sich versucht hat, etwas Eigenes aufzubauen. Die beiden bekommen die Idee eines Fake-Dating-Arrangements, das beiden Vorteilen bringen soll: Ishu kann mehr Beliebtheit erlangen, um Schülersprecherin zu werden und damit mehr Ansehen bei ihren Eltern zu bekommen und Hani kann ihren Freundinnen endlich beweisen, dass sie wirklich lesbisch ist. Doch trotz aller Regeln entwickelt sich aus dieser Idee bald mehr.

Vor "Hani & Ishu" hatte ich einer Reihe Jugendbücher gelesen, die mir nicht so richtig gefallen hatten - so langsam hatte ich die Befürchtung, dass ich nun zu alt für das von mir früher so geliebte Genre zu sein. Dieses Buch konnte mir wieder Hoffnung schenken! Wie ich es bei Jugendbüchern liebe, sind die Figuren authentisch, teilweise naiv, wie Teenager nun oft sind, aber trotzdem nicht doof. Wir begleiten sie dabei, wie sie wachsen, uns wird aber auch klargemacht, dass ihre Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist - ein einfaches Prinzip, das bei YA leider oft nicht so richtig umgesetzt wird.

Besonders positiv sticht bei diesem Buch die Integration der bengalischen Kultur heraus. Die Autorin gibt uns einen Einblick in diese doch spannende Welt, sie ist aber nicht Dreh- und Angelpunkt, und es wird für nicht bengalische Leser nicht alles kleinlichst erklärt, als wäre man im Sachunterricht. Mir haben diese Abschnitte besonders viel Spaß gemacht.

Ich kann Hani & Ishu wirklich allen YA-Freunden ans Herz legen!

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Veröffentlicht am 29.05.2023

Ein Genuss für Sprachliebhaber

Babel
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"Babel" entführt uns in das Oxford eines alternativen 19. Jahrhunderts, in dem die Macht des britischen Empires vor allem durch Silberbarren entstanden ist, die durch das Aktivieren durch Wortpaarungen ...

"Babel" entführt uns in das Oxford eines alternativen 19. Jahrhunderts, in dem die Macht des britischen Empires vor allem durch Silberbarren entstanden ist, die durch das Aktivieren durch Wortpaarungen magische Kräfte freisetzen. Robin Swift, der als Kind von seinem mysteriösen Vormund Professor Lovell aus Kanton nach England geholt wurde und dort eine hervorragende Fremsprachenerziehung genoss, beginnt sein erstes Jahr am Oxforder Übersetzungsinstitut. Dieses ist vor allem mit der Herstellung und Instandhaltung eben dieser Silberbarren betraut und stellt somit einen wichtigen Bestandteil der Macht des Empires dar. Nun begleiten wir Robin durch seine Studienzeit, in der er Freunde und Zugehörigkeit findet, aber auch Verrat erfährt und immer mehr seine Umstände und seine Herkunft hinterfragt.

Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an die Sprachen - es war für mich als Übersetzerin eigentlich wie gemacht. Die Autorin gibt an einigen Stellen quasi populärwissenschaftliche Einblicke in die Übersetzungswissenschaft, was meiner Meinung nach, in einer Welt, in der Übersetzung oft und zum Teil zu Unrecht von Laien kritisiert werden, total angebracht ist - ich hoffe wirklich, dass durch dieses Buch mehr Menschen Wertschätzung für diese Tätigkeit bekommen. Gleichzeitig gibt es auch immer wieder recht intensive Ausflüge in die Sprachgeschichte und -theorie, die einigen Lesern sicher zu trocken werden könnten, ich fand sie dafür aber sehr spannend. In jedem Fall merkt man, dass die Autorin total begeistert von Sprachwissenschaften ist.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Buches, der meiner Meinung nach toll vermittelt wird, ist Kritik am Kolonialismus und die Diskussion von Aufarbeitungsversuchen. Sicherlich ist das gerade ein Thema, das viel diskutiert wird, doch selten habe ich die Problematik so gut erklärt bekommen wie hier. Ich denke, dass viele Menschen, die in dem Thema bisher noch nicht so gut aufgeklärt waren, hier ein deutlich besseres Verständnis bekommen. Auch das Thema Aktivismus und wie weit er gehen darf, werden hier sehr interessant behandelt.

Besonderes Lob verdienen auch die Übersetzerinnen Heide Franck und Alexandra Jordan. Ein Buch über Übersetzungen zu übersetzen ist sicher eine harte Nuss und ich habe eigentlich nie das Gefühl gehabt, dass es holprige Lösungen oder übersetzt klingende Stellen gab - und das stelle ich mir gerade bei diesem Buch sehr schwierig vor.

Ich kann die Kritiken, die bei diesem Buch teilweise angebracht werden, durchaus verstehen. 700 Seiten sind nicht gerade wenig und die sprachwissenschaftlichen Abhandlungen findet sicher nicht jeder interessant. Auch wer hier ein intensives Fantasy-Buch erwartet, wird da sicher eher enttäuscht werden, da die Fantasy-Elemente hier doch sehr wenig vorhanden sind. Ich hatte aber unheimlich viel Freude mit dem Buch und fand, dass es mich zu wichtigen Themen definitiv zum Nachdenken angeregt hat.

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Veröffentlicht am 02.05.2023

Urlaub mit Katastrophe

Die spürst du nicht
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Die Wiener Familien Strobl-Marinek und Binder fahren zusammen in den Urlaub in die Toskana. Die 14-jährige Sophie Luise schafft es, ihre Eltern davon zu überzeugen, ihre Klassenkameradin Aayana mitzunehmen, ...

Die Wiener Familien Strobl-Marinek und Binder fahren zusammen in den Urlaub in die Toskana. Die 14-jährige Sophie Luise schafft es, ihre Eltern davon zu überzeugen, ihre Klassenkameradin Aayana mitzunehmen, die Flüchtling aus Somalia ist und in Italien das Schwimmen lernen soll. Doch gleich zu Beginn der Reise passiert eine unfassbare Katastrophe, die die Österreicher noch langfristig beschäftigen werden - ob sie es nun wollen oder nicht.

Dass in diesen knapp 300 Seiten so viel Power steckt, hätte ich wirklich nicht gedacht. Ich habe meine Zusammenfassung (genau wie der offizielle Klappentext) kurz gehalten, denn obwohl man so vielleicht mit ganz anderen Erwartungen in das Buch hineingeht, ist es glaube ich ganz gut, wenn diese schon ziemlich früh über den Haufen geworfen werden.

Glattauer rollt die Flüchtlingsdebatte von einer extrem interessanten Perspektive auf und zeigt sehr eindrucksvoll, dass Großteile der Bevölkerung bei dieser sogenannten Krise das Wesentliche komplett aus den Augen verloren haben. Das vermittelt er vor allem durch die wunderbar überzeichneten Protagonisten und einen gelungenen Mix aus Schreibstilen und Texttypen, so wird die Handlung beispielsweise immer wieder mal durch Internetkommentare aufgelockert.

Besonders gelungen ist meiner Meinung nach der Einsatz von Humor in diesem Buch. Trotz der doch sehr ernsten Thematik wirkt dieser nie fehl am Platz, sondern zeigt auf bitterböse Art das heuchlerische und ignorante Verhalten vieler Westeuropäer auf.

Gerade das Ende ist durchaus harter Tobak, daher würde ich es nicht für diejenigen empfehlen, die etwas zartbesaiteter sind. Allen anderen kann ich es jedoch absolut ans Herz legen - dieses Buch werde ich so schnell nicht vergessen.

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Veröffentlicht am 29.04.2023

Spannender Familienepos

Saubere Zeiten
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Journalist Jakob Auber kehrt in seine Heimat Trier zurück, als er erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt. Im Elternhaus angekommen entdeckt er mehrere Tonbänder, die sein Vater besprochen hat, sowie ...

Journalist Jakob Auber kehrt in seine Heimat Trier zurück, als er erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt. Im Elternhaus angekommen entdeckt er mehrere Tonbänder, die sein Vater besprochen hat, sowie die Tagebücher seines Großvaters und viele Fotos. Nun gehen wir gemeinsam mit Jakob auf eine Entdeckungsreise in seine Familiengeschichte, die vor allem von seinem Großvater Theodor Auber geprägt ist, der in den 50ern mit einem Waschmittel reich wurde, aber schnell das Geld wieder verlor. Dabei kommt Jakob aber auch dem ein oder anderen Geheimnis auf die Spur.

Was soll ich sagen? Man muss mir einfach eine gut geschriebene Familiengeschichte geben und schon bin ich begeistert. Der Autor verarbeitet teilweise autobiografische Elemente zu einem Werk, das vor allem die Nachkriegszeit und deren Folge auf folgende Generationen aufgreift. Dabei wirft er unheimlich viele interessante Fragen zu Männlichkeit, Schuld und Vergangenheitsbewältigung auf, die mich sicher noch länger beschäftigen werden.

Besonders herauszuheben ist der tolle Schreibstil, bei dem Humor an passenden Stellen auch nicht zu knapp kommt und der außerdem unheimlich spannend ist. Gerade auf den letzten 100 Seiten hatte ich wirklich Schwierigkeiten, das Buch aus der Hand zu legen, weil der Autor viele clevere Cliffhanger an Kapitelenden einbaut.

Wer Familiengeschichten mag, wird "Saubere Zeiten" lieben!

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Was ist eine gute Mutter?

Institut für gute Mütter
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Frida hat einen richtig schlechten Tag - auf den ungeahnte Konsequenzen folgen. Die völlig überforderte alleinlebende Mutter lässt ihre einjährige Tochter für zwei Stunden allein zu Hause. Nachbarn alarmieren ...

Frida hat einen richtig schlechten Tag - auf den ungeahnte Konsequenzen folgen. Die völlig überforderte alleinlebende Mutter lässt ihre einjährige Tochter für zwei Stunden allein zu Hause. Nachbarn alarmieren die Polizei und Frida wird das Sorgerecht vorerst entzogen. Was nun folgt ist eine vollkommen entmenschlichende Überwachung, frustrierender Kontakt mit den Behörden und ein interessantes Angebot des Gerichts: Frida soll ein Jahr auf eine Schule, wo sie lernen soll, wie sie eine gute Mutter wird, bei erfolgreichem Abschluss hat sie bessere Chancen, das Sorgerecht für ihre Tochter zurückzubekommen. Frida nimmt das Angebot an, doch sie ahnt nicht, welche Methoden sie an dieser Schule erwarten.

Zum Inhalt des Buches finde ich es noch erwähnenswert, dass die Handlung ein paar dystopische und Sci-Fi-Elemente enthält, vor allem was Überwachung und künstliche Intelligenz angeht. Diese Aspekte sind nur sehr gering in der Anzahl, aber durchaus wichtig für die Handlung, ich könnte mir vorstellen, dass sehr große Sci-Fi-Muffel hier vielleicht die Lust verlieren könnten. Wie genau diese Elemente aussehen, möchte ich nicht weiter spoilern, sie werden aber an anderer Stelle (z.B. den Klappentext des Buches) erwähnt.

Selten hat mich ein Buch so wütend gemacht - und das meine ich als Kompliment. Die Handlung wirft die große Frage auf, was eine gute Mutter ausmacht, wer die Antwort auf diese Frage festlegt und ob und wie Eltern es schaffen können, Fehler in ihrer Erziehung zu revidieren. Auch Aspekte der Kultur und des Geschlechts in diesem Zusammenhang fand ich unheimlich interessant. Der Inhalt dieses Buches wird mich sicher noch für lange Zeit beschäftigen - auch (oder vor allem?) ich als Person, die (noch) keine Kinder hat, hatte hier an echt viel zu knabbern.

Gleichzeitig muss ich aber auch zugeben, dass ich manches als echt harten Tobak empfand und ich das Buch manchmal einfach weglegen musste, weil mich manches so sehr aufgeregt hat - aber ich denke, genau das will das Buch erreichen. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass sich manche Menschen durch gewisse Inhalte des Buches getriggert fühlen können, entsprechende Warnungen wären hier glaube ich ganz gut gewesen (v.a. schwierige Erfahrungen sowohl als Kind als auch als Elternteil, Probleme beim Co-Parenting).

Mich hat das Buch wirklich nachhaltig zum Nachdenken angeregt und ich denke, das schaffen so sicher nur wenige Romane. "Institut für gute Mütter" ist sicher kein einfaches Buch, aber wenn man im richtigen Headspace ist, kann man hier sicher einiges mitnehmen.

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