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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.04.2023

Verstehe den Hype nicht so ganz

Morgen, morgen und wieder morgen
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Nach dem großen Hype um "Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin war ich sehr gespannt auf dieses Buch. Leider kann ich die allgemeine Begeisterung nicht teilen. Sadie und Sam blieben mir ...

Nach dem großen Hype um "Morgen, morgen und wieder morgen" von Gabrielle Zevin war ich sehr gespannt auf dieses Buch. Leider kann ich die allgemeine Begeisterung nicht teilen. Sadie und Sam blieben mir ziemlich fremd. Beide hatten im Verlauf des Buches für mich teils recht unsympathische Züge, verhielten sich missgünstig, unreif und bockig und waren unfähig, wirklich miteinander zu kommunizieren. Von der tiefen Freundschaft, die sie immer wieder propagierten, war oft wenig zu spüren. Die Jahre zwischen 2006 und 2011 kamen für mich deutlich zu kurz, hier hätte ich vor allem über Sadie gerne mehr erfahren.

Der Roman thematisiert immer wieder strukturellen Rassismus und Sexismus u.a. im Schauspielmetier, in technischen Studiengängen und in der Tech-Branche. Auch die Themen sexuelle Orientierung und Gender wurden immer wieder aufgegriffen; die Art und Weise wirkte auf mich allerdings sehr gezwungen, insbesondere da es fast alle Protagonist*innen betraf. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass die Autorin zu viel ins Buch packen wollte.

Auch sprachlich konnte mich das Buch nicht greifen, es wirkte merkwürdig distanziert. Mache Ausdrücke oder Wendungen fand ich seltsam, so ist mir das Verb "grokken" nicht geläufig. Hier wäre eine Fußnote angebracht gewesen. Einmal heißt es bei einer Pizzabestellung:
"»Das Gleiche wie immer? Halb Pilze, halb Peperoni?« »Ich esse kein Fleisch mehr«, sagte Sadie. »Also bitte nur Pilze. Und Zwiebeln, falls Sie welche haben.«" .
Seit wann bestehen Peperoni aus Fleisch?
An anderer Stelle steht nach einem beruflichen Misserfolg: "Sie fühlte sich wie in Scheitern getränkt", was ebenfalls seltsam klingt. Derartige Stellen gibt es öfter, und ich weiß nicht, ob das evtl. der Übersetzung geschuldet ist.

Obwohl ich in meiner Jugend in den 90ern auch gerne mal Computerspiele gespielt habe, war mir die Gamingwelt im Buch doch sehr fremd. Manche Gamingbezüge schienen mir auch sehr konstruiert. Sich etwa nach einem schrecklichen Ereignis Gedanken darüber zu machen, wie alles gekommen wäre, wenn man irgendetwas anders gemacht hätte, ist für mich völlig normal und menschlich und nicht Zeichen eines Gamers.

Insgesamt blieb ich nach der Lektüre doch ernüchtert zurück, da ich große Erwartungen an das Buch hatte und mich die Leseprobe wirklich gefesselt hatte. Sicher ein ganz netter Roman über die Gamingwelt, aber nichts, was man unbedingt gelesen haben muss.

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Veröffentlicht am 24.04.2023

Thema, schöpft sein Potenzial jedoch nicht ganz aus

Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?
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"Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?" von Gernot Wagner befasst sich mit dem Thema des solaren Geoengineerings, bei dem man versucht, der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, indem man einen Teil ...

"Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?" von Gernot Wagner befasst sich mit dem Thema des solaren Geoengineerings, bei dem man versucht, der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, indem man einen Teil des Sonnenlichts ins Weltall zurückwirft.

Da mich die Klimathematik sehr interessiert und ich bereits mit großer Skepsis von dieser Technik gehört hatte, war ich sehr gespannt auf dieses Buch.

Wagner beschreibt die unkalkulierbaren Umweltrisiken sowie die politischen, moralischen und gesellschaftlichen Fragen, die Geoengineering aufwirft.

Inhaltlich ist das Buch durchaus interessant und beleuchtet wichtige Aspekte, dennoch konnte es meine Erwartungen nicht ganz erfüllen. Es fehlt zunächst eine detaillierte und fundierte fachliche Erläuterung der Technik des Geoengineerings. Aus wissenschaftlicher Sicht bleibt das Buch sehr vage und oberflächlich, auch die Diagramme sind ohne Angabe wissenschaftlicher Einheiten wenig aussagekräftig. Generell vermisse ich bei diesem Buch eine gewisse Stringenz und Struktur, vieles ist redundant. Der Schreibstil ist zudem sehr locker und eher einfach gehalten. In einem eigenen Buchteil ergeht sich der Autor in Zukunftsszenarien und Spekulationen um politische Konstellationen und den Einsatz von solarem Geoengineering in den nächsten Jahrzehnten, die recht willkürlich erscheinen.

Insgesamt habe ich eine gehalt- und anspruchsvollere (populär-)wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik erwartet.

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Veröffentlicht am 16.04.2023

Krimi mit schwieriger Protagonistin

30 Tage Dunkelheit
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Hannah ist Schriftstellerin mit hohem literarischen Anspruch, überschaubarem Leserkreis und aktueller Schreibblockade und blickt auf den erfolgreichen Bestsellerautor Jörn und dessen leichte Krimikost ...

Hannah ist Schriftstellerin mit hohem literarischen Anspruch, überschaubarem Leserkreis und aktueller Schreibblockade und blickt auf den erfolgreichen Bestsellerautor Jörn und dessen leichte Krimikost herab. Auf einer Buchmesse kommt es vor Publikum zum Eklat zwischen den beiden und Hannah behauptet vollmundig, innerhalb eines Monats einen besseren Krimi als Jörn zu schreiben. Nun muss sie zu ihrer unüberlegten Aussage stehen und binnen 30 Tagen liefern. Hierzu schickt sie ihr Lektor in ein abgeschiedenes Dorf nach Island. Kaum ist sie dort angekommen, kommt ein junger Mann ums Leben, und sie befindet sich mitten in einem echten Mordfall....

Der Schreibstil ist flüssig und schnörkellos, und das Buch hat mich zunächst durch einige trocken-humorvolle Passagen für sich eingenommen.

Die Protagonistin Hannah ist herablassend, egozentrisch, eingebildet, gefühlskalt und stößt ihre Mitmenschen ständig vor den Kopf. An einer Stelle im Buch heißt es "Niemand mag eine sympathische Hauptfigur in einem Krimi.", und diesem Ratschlag scheint die Autorin überaus konsequent gefolgt zu sein. Leider gelingt es mir dadurch nur schwer, mit Hannah mitzufühlen und mich in sie hineinzuversetzen. Auch viele weitere Personen, denen Hannah in Island begegnet, sind wenig einnehmend und erreichen mich emotional nicht, so dass mich das Buch seltsam kalt lässt. Da die meisten Dorfbewohnerinnen als verschlossen und ruppig dargestellt werden und Hannahs mangelnde Sozialkompetenz ihr den Zugang zu den Menschen zusätzlich erschwert, stößt sie bei ihren Nachforschungen auf eine Mauer des Schweigens und tritt lange auf der Stelle.

Der Roman an sich ist spannend und wendungsreich geschrieben und die Auflösung sehr überraschend, so dass man wirklich bis zum Schluß miträtseln kann.

Insgesamt konnte der Krimi meine hohen Erwartungen leider nicht erfüllen und ich blieb mit der Geschichte und den Protagonist
innen auf Distanz.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

Spannender Krimi mit Schwächen in der Figurenzeichnung

Ostseenebel
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Pia Korritkis 18. Fall führt sie in das Örtchen Stüvensee, im dem sie zusammen mit der lokalen Polizei im Fall eines Mannes ermittelt, der von einer Urlauberin erschlagen am Koiteich ihres  Ferienhauses ...

Pia Korritkis 18. Fall führt sie in das Örtchen Stüvensee, im dem sie zusammen mit der lokalen Polizei im Fall eines Mannes ermittelt, der von einer Urlauberin erschlagen am Koiteich ihres  Ferienhauses gefunden wird. Wie sich schnell herausstellt, handelt es sich hierbei um den Bürgermeister, und es scheint einige Dorfbewohner zu geben, die auf diesen nicht gut zu sprechen waren.

Obwohl ich keinen der Vorgängerbände kannte, bin ich sofort in die Geschichte hineingekommen, da alle Personen geschickt eingeführt werden und kein  Vorwissen nötig ist.

Besonders gut gefiel mir, dass die Polizeiarbeit sehr detailliert, unaufgeregt und - für einen Krimi nicht selbstverständlich - überwiegend glaubhaft geschildert wurde. Die Tätersuche ist richtig spannend und ich hatte viel Spaß dabei, bis zum Schluß mitzuraten.

Leider merkte man dem Buch am Ende deutlich an, dass einige Figuren nur dazu dienten, den wahren Täter zu verschleiern. Diese wurden zunächst vielversprechend aufgebaut und gewisse Geheimnisse oder Hintergründe angedeutet, die zum Schluss entweder in der Luft hängen blieben oder mit wenigen Worten abgehandelt wurden. Dadurch wirkten diese Personen rückwirkend wie  reine Statisten und ich blieb enttäuscht zurück, da die erhoffte Komplexität in sich zusammenfiel.

Das fand ich sehr schade, da mir die ersten beiden Drittel der Geschichte wirklich richtig gut gefallen haben und meine Erwartungen dementsprechend hoch waren.

Wer sich daran nicht stört, und vor allem Lust hat, in einem kniffligen und bis zum Schluss spannenden Fall mitzurätseln, wird an Ostseenebel sicher viel Freude haben.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

Mut in dunklen Zeiten

White Bird - Wie ein Vogel
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"White Bird" von R.J. Palacio erzählt die fiktive Geschichte des jüdischen Mädchens Sara, das in Frankreich in den 30er und frühen 40er Jahren ein behütetes und glückliches Leben führt. In der Schule wurde ...

"White Bird" von R.J. Palacio erzählt die fiktive Geschichte des jüdischen Mädchens Sara, das in Frankreich in den 30er und frühen 40er Jahren ein behütetes und glückliches Leben führt. In der Schule wurde sie neben Julien gesetzt, der aufgrund einer Behinderung seit einer Polioerkrankung von seinen Mitschülern gehänselt wird, und auch Sara behandelt ihn mit Geringschätzung. 1943 muss Sara bei einer Razzia vor den deutschen Soldaten fliehen. Sie wird von Julien gerettet und von seiner Familie über Monate versteckt.

Julien, der Held des Buches, wirkt zwar schwach und unscheinbar, ist jedoch wesentlich stärker als vermutet, mutig und selbstlos. Sara, verwöhnt und ichbezogen, wächst während ihrer Zeit im Versteck charakterlich durch den Kontakt mit Julien. Diese Entwicklung wird sehr eindrücklich beschrieben und hat mir sehr gut gefallen, weil sie zeigt, wie wichtig es ist, hinter Äußerlichkeiten zu blicken, Gerüchte zu hinterfragen und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.

Das Buch vermittelt somit einige wichtige Botschaften an die jungen Leser*innen. Es zeigt auf, dass es auf die Taten jedes Einzelnen ankommt, um gegen das Böse zu kämpfen und Frieden, Freiheit und Menschlichkeit zu sichern. Es macht Mut, weil wir jeden Tag von Neuem die Möglichkeit haben, unsere Fehler zu erkennen, daraus zu lernen und unser Verhalten zu ändern. Und es lehrt uns, dass wir uns als Mitläufer schuldig machen, ob im Kleinen, wie beim Mobbing, oder während des Naziregimes. Das Buch ist somit ein wichtiger Aufruf zur Zivilcourage und zur Selbstreflexion.

Dennoch konnte mich das Buch nicht komplett überzeugen, da ich die Geschichte als zu glatt und in ihrer Intention zu durchschaubar empfand, um wirklich darin eintauchen zu können. Meines Erachtens lässt der Grundton des Romans deutlich erkennen, dass das Buch von einer amerikanischen Autorin geschrieben wurde. Der von Anfang an sehr lockere Umgangston zwischen Juliens Eltern und Sara entspricht für mich nicht den europäischen/französischen Gepflogenheiten der damaligen Zeit und wirkt nicht authentisch. Zudem habe ich insbesondere bei der Rahmenhandlung den Eindruck, dass sich das Buch an eine jugendliche Leserschaft richtet, die relativ wenig über das 3. Reich weiß. In Deutschland wird glücklicherweise dieses wichtige Thema sehr gründlich und ausführlich in den Schulen behandelt, so dass hier viel Hintergrundwissen vorhanden sein sollte. Der direkte Bezug im Epilog zwischen den unvorstellbar schrecklichen Geschehnissen im 3. Reich und aktuellen Ereignissen und Entwicklungen ist für mein Empfinden sehr pauschal und durchaus fragwürdig.

Fazit: Ein empfehlenswertes Jugenbuch, das wichtige Botschaften vermittelt, erzählerisch jedoch etwas hinter meinen Erwartungen zurückbleibt.

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