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Veröffentlicht am 01.05.2023

JoPa-Eis

Träume aus Eis
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München, 1929: Erna und Josef Pankofer erfüllen sich endlich ihren Traum von einem eigenen kleinen Eissalon. Sie erwarten sich eine bessere Zukunft, insbesondere für ihre beiden Töchter Frieda und Lotte. ...

München, 1929: Erna und Josef Pankofer erfüllen sich endlich ihren Traum von einem eigenen kleinen Eissalon. Sie erwarten sich eine bessere Zukunft, insbesondere für ihre beiden Töchter Frieda und Lotte. Allerdings bescheren Konkurrenz, die Weltwirtschaftskrise und anfängliche Schwierigkeiten bei der Produktion des „Stieleises“ dem Geschäftsinhaber bald eher Alpträume.

Basierend auf der Tatsache, dass es JoPa-Eis tatsächlich gegeben hat, kreiert Franziska Winkler einen Roman um dessen Erfinder Josef Pankofer und dessen Familie. Locker und leicht fließen die Sätze dahin, nimmt die Autorin den Leser mit ins Bayern der ausklingenden 1920er-Jahre. Rasch hat man den kleinen Eissalon vor Augen und die Küche, in der die bekannten Eissorten Vanille, Schokolade und Erdbeere noch von Hand hergestellt werden, bald auch begehrtes Waldmeistereis. Leider schleichen sich auch früh Unstimmigkeiten im Buch ein und ziehen sich durch bis zum Ende, wodurch Lesevergnügen und –verständnis getrübt werden. So heißt ein Ehepaar erst Hedwig und Max Bachmann, später Petronella und Anton Bachmann. Bedauerlicherweise ist das kein Einzelfall, sondern passiert bei mehreren Personen. Wenn dann noch Kriegskameraden von Josef namentlich genannt werden, die für die Handlung kaum relevant sind, ist das Chaos mit den Namen perfekt. Auch Zeitangaben und Informationen zu Ernas Familie sind immer wieder unterschiedlich und somit irreführend.

Trotz einiger Krisen in der Familie Pankofer verläuft die Handlung eher ruhig, ohne spürbare Emotionen. Die Figuren bleiben großteils oberflächlich, sodass man als Leser kaum einen Bezug zu ihnen aufbauen kann. Sehr positiv sticht zum Glück Fanny heraus, die herzensgute Küchenmamsell, welche mit ihrem bayrischen Dialekt und ihrer Meinung, dass das Glas immer halbvoll sei, stets für eine angenehme Stimmung sorgt.

Aufgrund des Klappentextes und der Leseprobe darf der Leser sehr viel mehr erwarten als das Buch letztendlich zu bieten hat. So bleibt es eine nette Familiengeschichte mit wahrem Kern und etlichen Unstimmigkeiten. Schade.


Titel Träume aus Eis
Autor Franziska Winkler
ASIN B0BHTQP7GW
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (400 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 25. April 2023
Verlag HarperCollins

Veröffentlicht am 03.04.2023

Sonderbare Geschehnisse

Die Kirschen in des Mörders Garten
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Marie fährt mit dem Rad und allerhand Schrott in Richtung Schrebergarten, wo sie bei Tante Linde eine Skulptur aufstellen möchte. Kurz vor dem Ziel hat allerdings der hochwasserführende Rhein eine Leiche ...

Marie fährt mit dem Rad und allerhand Schrott in Richtung Schrebergarten, wo sie bei Tante Linde eine Skulptur aufstellen möchte. Kurz vor dem Ziel hat allerdings der hochwasserführende Rhein eine Leiche angeschwemmt und Marie wird sogleich als Zeugin befragt. Als dann auch noch ihre Metallfeile als Mordwaffe an der Toten identifiziert wird, gilt sie sogar als verdächtig. Marie muss ihre Unschuld beteuern und hält ab nun Augen und Ohren offen.

Idyllisch beschreibt Inka Stein den Schrebergarten „Am Pappelwäldchen“. Jede Parzelle ist individuell und liebevoll gestaltet, bunt blühende Blumen werden namentlich aufgezählt, Gemüse und Kräuter ergänzen die Gartenpracht. Aber jetzt wird die Schönheit der Natur getrübt, Polizisten trampeln über Beete, dringen durchs Gebüsch. Hauptkommissar Holzmann und LKA-Beamter Levent sind schnell zur Stelle und haben, auch ohne erkennbares Motiv, rasch die Besitzerin der Mordwaffe, nämlich Schlosserin und Metallbildhauerin Marie, als Tatverdächtige am Schirm. Leider können sie ihren Verdacht nicht erhärten und so dauern die Ermittlungen – oder doch nur die Handlung? – monatelang an, ohne dass etwas Nennenswertes passiert.

Leider sind viele Details in dieser Schrebergartengeschichte schwer nachvollziehbar, konkrete Ansatzpunkte für die Polizei scheint es nicht zu geben, entsprechende Nachforschungen auch nicht. Während LKA-Mann Levent anderen Verdachtsmomenten auf der Spur ist, scheint Holzmann überhaupt nichts zu tun außer abzuwarten. Die Kriminalhandlung kommt kaum voran, währenddessen passieren im Schrebergarten sonderbare Dinge – unter anderem wird die Vereinskassa aus Tante Lindes Laube gestohlen.

Die Figuren in diesem Krimi sind gut charakterisiert, die Schrebergartenatmosphäre gelungen eingefangen. Es sind die Einzelheiten, die nicht stimmig zusammenpassen und den Leser immer wieder stutzig werden lassen. Auch an Spannung oder anderen fesselnden Elementen mangelt es leider, sodass man kaum neugierig auf die kommenden Kapitel hinfiebert.

Ein ansprechendes Titelbild und schrullige Schrebergärtner – zwei Sterne. Schade, denn vom Klappentext her darf man sehr viel mehr erwarten.


Titel Die Kirschen in des Mörders Garten
Autor Inka Stein
ASIN B0BMM8ZG2G
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (304 Seiten)
Erscheinungsdatum 23. März 2023
Verlag Emons

Veröffentlicht am 10.02.2023

Kunst und Venedig

Rondo Veneziano
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Adele könnte ihre Wiener Zahnarztpraxis verkaufen und die Pension genießen. Aber was stellt man nur an mit so vielen freien Tagen? Mitten in ihre von Arbeit erfüllten Tage platzt der Wunsch der alten Familienfreundin ...

Adele könnte ihre Wiener Zahnarztpraxis verkaufen und die Pension genießen. Aber was stellt man nur an mit so vielen freien Tagen? Mitten in ihre von Arbeit erfüllten Tage platzt der Wunsch der alten Familienfreundin Pauline, dass die 60jährige, am liebsten mit ihrer Mutter gemeinsam, sie so rasch wie möglich in Venedig besucht. Die Wahltante braucht Hilfe mit ihren Gemälden. In der Lagunenstadt angekommen, trifft Adele zufällig auf zwei Schulkolleginnen und erfährt von einem Unglück, welches Pauline in der Zwischenzeit ereilt haben soll. Das Begräbnis findet schon morgen statt.

Ein Prolog, der Neugierde entfacht, Licht, Wasser, Tiefe, eine Stimme. Nach den Angaben des Klappentextes sind wir in Venedig und rasch will man als Leser mehr erfahren. Die Handlung selbst, die Susanne Ayoub auf knapp 300 Seiten darstellt, basiert auch auf einer interessanten Idee, die Umsetzung will aber nicht so recht überzeugen. Da treffen drei Frauen aus Wien auf einem Vaporetto aufeinander, haben sie sich früher schon nicht recht leiden können, so entschließen sie sich dennoch spontan, von einem Mord an Pauline auszugehen und gemeinsam deren Haus zu durchsuchen. Die Zahnärztin, welche sonst routiniert ihren Arbeitstag meistert, verwechselt plötzlich Patienten und ruft verzweifelt ihren Ex als Trostspender an, obwohl immer noch frühere Konflikte in der Luft hängen. Dass zwischendurch scheußliche Zahnbehandlungen erörtert werden, verdrängt man am besten schnell wieder. Auch wenn die drei 60jährigen lebensnah dargestellt werden, so passt die spontane Detektivgeschichte nicht so recht zu ihnen und auch an den Zeitabläufen hapert es, sodass man immer wieder einige Seiten zurückblättert, weil man meint, etwas überlesen zu haben.

Hervorzuheben sind der flüssige Schreibstil und die wunderschöne Beschreibung der Städte Wien und Venedig, in denen man sich sofort wiederfinden kann, egal, ob man schon einmal da war oder nicht. Auch die Themen Kunst und Genozid – nicht nur bei den Juden, sondern auch in der armenischen Gemeinde – sind interessant und verständlich in das Krimigeschehen eingeflochten. Wer gerne das Flair Venedigs genießt und die schöne Rahmenhandlung, der wird vielleicht hinwegsehen über die Ungereimtheiten, die sich da und dort eingeschlichen haben.

Diese Rezension basiert auf einem ebook-Exemplar, welches mir bereits vor dem Erscheinungstermin zur Verfügung gestellt worden ist. Möglicherweise ergeben sich daher noch Änderungen durch den Verlag.


Titel Rondo Veneziano
Autor Susanne Ayoub
ASIN B0BN68Y3VL
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook
ebenfalls erhältlich als Taschenbuch, 280 Seiten
Erscheinungsdatum 8. Februar 2023
Verlag Gmeiner

Veröffentlicht am 01.02.2023

Streetart

Banksy und der blinde Fleck
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An den unterschiedlichsten Orten in München tauchen stencils auf, mit Schablonen angebrachte Graffiti, welche verblüffend an die Kunst von Banksy erinnern. Ist der bekannte Sprayer nun in Deutschland unterwegs? ...

An den unterschiedlichsten Orten in München tauchen stencils auf, mit Schablonen angebrachte Graffiti, welche verblüffend an die Kunst von Banksy erinnern. Ist der bekannte Sprayer nun in Deutschland unterwegs? Jedenfalls werden alsbald Türen und Tore mit den entsprechenden Bildern auf Auktionen gehandelt und erreichen schwindelerregende Preise. Auch die Kunstdetektei von Schleewitz ist daran interessiert, herauszufinden, ob die Werke echt sind oder sich ein Nachahmer in München betätigt. Werden sie die Wahrheit ans Licht bringen? Eine interessante Kurzfassung weckt Neugierde auf das Buch.

Bernhard Jaumanns Schreibstil ist eher kühl, fast sachlich wie in einem Bericht, woran man sich erst einmal gewöhnen muss. Interessant sind die geschilderten Fakten über den Streetart-Künstler Banksy. Wer bisher noch nicht von ihm gehört hat, ist nun umfassend informiert, die Angaben rund um den Engländer, der unter Pseudonym auftritt, sind gut in die Handlung verpackt. Kein Wunder, dass rasch eine Diskussion losbricht um die Echtheit der Münchener Fassadenmalerei. Mit den Ermittlungen sind drei Experten einer Kunstdetektei befasst, die aber immer blass und distanziert bleiben, austauschbare Figuren, an die man sich nach der letzten Seite des Buches schon nicht mehr erinnert. Vielleicht liegt es daran, dass sie bereits zum dritten Mal in einen Fall verwickelt sind und daher an dieser Stelle weniger Wert auf deren Charakterisierung gelegt wird? Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Geschichte rund um Kunst bewusst in den Vordergrund gerückt wird? Alles in allem ist die Handlung wenig spannend, sondern zieht sich langatmig und zähflüssig dahin, sodass keine rechte Spannung aufkommen mag. Da ich bisher keine anderen Bücher von Jaumann gelesen habe, kann ich nicht beurteilen, ob das an diesem speziellen Fall liegt oder mich seine Schreibweise und seine Art, Inhalte zu transportieren grundsätzlich weniger ansprechen. Banksy hat mich jedenfalls nicht überzeugt, obwohl das Ende geschickt und überraschend dargestellt wird.

Banksy und der blinde Fleck ist ein Kunstkrimi rund um einen interessanten und realen Streetart-Künstler, allerdings aufgrund der sachlichen Schreibweise und der grauen Figuren nicht so recht nach meinem Geschmack.





Titel Banksy und der blinde Fleck
Autor Bernhard Jaumann
ISBN B0BJNQ1J8T
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch, 320 Seiten
Erscheinungsdatum 1. Februar 2023
Verlag Kiepenheuer & Witsch
Reihe Kunstdetektei von Schleewitz ermittelt, Band 3

Veröffentlicht am 30.01.2023

Abseits

Die Bagage
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Abseits des Dorfes, am Rand eines Waldes in Vorarlberg, leben die Moosbruggers – Vater Josef, Mutter Maria und deren Kinder. Als Josef im Herbst 1914 seinen Einberufungsbefehl bekommt, nimmt er dem Bürgermeister ...

Abseits des Dorfes, am Rand eines Waldes in Vorarlberg, leben die Moosbruggers – Vater Josef, Mutter Maria und deren Kinder. Als Josef im Herbst 1914 seinen Einberufungsbefehl bekommt, nimmt er dem Bürgermeister das Versprechen ab, auf seine Frau aufzupassen. Nach zwei baldigen Heimaturlauben von der Front kehrt Josef erst Ende 1918 zurück zu seiner Familie, die um die kleine Grete angewachsen ist. Gerüchten nach ist das Balg nicht seins, denn während seiner Zeit in Italien waren der Deutsche Georg und der Bürgermeister höchstselbst bei der bildschönen Maria im Haus. Grete, die Mutter der Autorin, und der Familienvater wechseln kein Wort miteinander, was möglicherweise der Beginn einer schweren Bürde und der Ursprung für Monika Helfers Aufarbeiten ihrer Vergangenheit ist.

Nüchterne Sätze im Präsens geben Erinnerungen preis, welche nicht Monikas eigene sind, sondern jene von Verwandten, insbesondere von Tante Kathe, die hochbetagt noch viel von „damals“ zu erzählen weiß. Während Marias Schwangerschaft wenden sich viele Dorfbewohner ab von der gottlosen Familie, nur wenige stehen offen zu Maria und ihren Kindern, die nun ihrerseits ihre Mutter verteidigen und noch enger zusammenstehen als bisher. In Monika Helfers Worten spiegeln sich die Armut, die Abgeschiedenheit, die Härte des Großen Krieges wider. Zwischen den Zeilen ist zwar Stolz und langer Atem zu spüren, Freude und Zuversicht mögen aber nicht an die Oberfläche zu dringen. In allem Tun und Handeln schwingt eine gewisse Abgestumpftheit mit, sodass die Erzählung langatmig und ermüdend wirkt. Interessant zu lesen sind lediglich einige wenige Darstellungen, beispielsweise jene, in der Lorenz für das Überleben von Mutter und Geschwistern mutig in einen Vorratskeller einbricht.

Zwischen dem Gerüst einer Handlung tauchen plötzliche Zeitsprünge ohne erkennbaren Zusammenhang auf und immer wiederkehrende Gedanken der Autorin beim Schreiben, welche übergangslos ins Geschehen mit einfließen. Da Monika Helfer selbst ihre Großeltern nie kennengelernt hat, muss sie deren Leben Stück für Stück zusammentragen und ist angewiesen auf das Urteil von Tanten und Onkeln, was fehlt, muss ergänzt werden. Dies ist bestimmt ein wichtiger Weg für die Nachkommen der Kriegsgeneration, um deren schweres Erbe verstehen und einordnen zu können, als zeitgeschichtliches Dokument für die Allgemeinheit sehe ich diese freudlose Aneinanderreihung von Szenen jedoch nicht. Da habe ich mir tatsächlich mehr erwartet.



Titel Die Bagage
Autor Monika Helfer
ISBN 978-3-423-25447-2
Sprache Deutsch
Ausgabe Taschenbuch, 160 Seiten, ebenfalls erhältlich als Gebundenes Buch, ebook und Hörbuch
Erscheinungsdatum 20. August 2021
Verlag dtv