Profilbild von Estrelas

Estrelas

Lesejury Star
offline

Estrelas ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Estrelas über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2023

Die Kämpfe des Lebens

Dry
0

Christine Koschmieder verarbeitet ihre eigene Geschichte in Romanform. Die frühesten Erinnerungen stammen aus ihrer Kindheit ab 1982, die jüngsten sind kaum drei Jahre her.
Es geht um die persönlichen ...

Christine Koschmieder verarbeitet ihre eigene Geschichte in Romanform. Die frühesten Erinnerungen stammen aus ihrer Kindheit ab 1982, die jüngsten sind kaum drei Jahre her.
Es geht um die persönlichen Kämpfe, wie den gegen die Krebserkrankung des Partners, um Emanzipation, um Alkoholabhängigkeit. „Mein Leben, das ich bisher als griechische Tragödie mit hohem Hollywoodanteil gelesen habe, so eine, in der die Götter ständig im Drehbuch rumpfuschen.“
Das Buch ist unterteilt in Abschnitte, die bestimmte Zeiträume abdecken, aber nicht chronologisch aufeinanderfolgen. In kleinen Episoden lernen wir die Ich-Erzählerin ausreichend kennen, um zu verstehen, welche Umstände sie in die Entzugsklinik bringen. Die dort verbrachten drei Monate bilden sowohl tragischen Höhepunkt als auch Versöhnung mit der Vergangenheit.
Die Tragikomik des Lebens erhält durch die Protagonistin eine authentische Stimme, der ich gerne zuhörte; Koschmieders geradliniger Erzählton, der ganz ohne Effekthascherei auskommt, geht ans Herz und überzeugt.

Veröffentlicht am 07.05.2023

Ein eigenes Zimmer

Schreibwelten
0

50 (hauptsächlich englischsprachige) Schriftsteller der Weltliteratur werden in “Schreibwelten” vorgestellt. Die Portraits haben den Schwerpunkt auf dem Schreibprozess und den Anforderungen an Ort und ...

50 (hauptsächlich englischsprachige) Schriftsteller der Weltliteratur werden in “Schreibwelten” vorgestellt. Die Portraits haben den Schwerpunkt auf dem Schreibprozess und den Anforderungen an Ort und Umstände des Schaffens.
Von festen Abläufen bis zum Schreiben an beliebigen Orten sind alle Ausprägungen vertreten. Man nehme beispielsweise den Schrankkoffer. “Öffnet man ihn jedoch, verwandelt er sich in einen Schreibtisch mit Bücherregal, Schreibmaschine und Schubfächern. Conan Doyle war von seiner Sonderanfertigung begeistert.”, verständlicherweise! Zur Auflockerung werden Zitate und Exkurse mit Themenfokus, wie über Ablehnungsbescheide an die einst unbekannten Autoren, eingestreut.
Zu jedem Autor gibt es mindestens eine ganze bebilderte Seite des typischen Schreibplatzes, manchmal noch zusätzlich Illustrationen einzelner Gegenstände, die den Schreibtisch üblicherweise zierten. Dieser Augenschmaus lädt Bibliophile zum Blättern und Schmökern ein.

Veröffentlicht am 01.05.2023

Die K-Frage

Eva
0

Kinder kriegen oder nicht, das ist hier die Frage! „Eva“ gibt Einblicke in das Leben von vier Frauen, die der K-Frage unterschiedlich gegenüberstehen und Entscheidungen treffen, die mitunter kontroverse ...

Kinder kriegen oder nicht, das ist hier die Frage! „Eva“ gibt Einblicke in das Leben von vier Frauen, die der K-Frage unterschiedlich gegenüberstehen und Entscheidungen treffen, die mitunter kontroverse Reaktionen hervorrufen.
Die Verfechterin der Kinderlosigkeit zugunsten des Klimaschutzes erfährt beispielsweise Hass und Anfeindungen ob ihrer Einstellung. „Mir ist klar, dass sich nicht alle dafür entscheiden werden, auf Kinder zu verzichten, nicht annähernd. Aber man muss doch mal darüber sprechen können, man kann das Thema doch nicht einfach aussparen.“
Die Episoden zeigen, mal nüchtern, mal hoch emotional, welche Gefühle die Frauen in ihrem jeweiligen Lebenskonzept umtreiben. Sie wirken nahbar und realistisch; eine lose Verbindung zeigt, dass sie durchaus Gemeinsamkeiten haben, die vielleicht erst auf den zweiten Blick ersichtlich werden.
Mir gefiel der ruhige Erzählton und wie die einzelnen Handlungsstränge für sich stehen, ohne mit einem großen Knall eine Auflösung zu erfahren. Das Ziel ist erreicht durch den Gedankenanstoß, der sprachlich ansprechend in diesem Roman gegeben wurde.

Veröffentlicht am 16.04.2023

Kulinarischer Rückblick

Spargel in Afrika
0

In einem Monolog setzt sich ein Mann mit seinem altersschwachen Vater auseinander, lässt sein Leben Revue passieren und findet sich mit dessen baldigen Ende ab.
Die Erzählung webt mit sprachlicher Finesse ...

In einem Monolog setzt sich ein Mann mit seinem altersschwachen Vater auseinander, lässt sein Leben Revue passieren und findet sich mit dessen baldigen Ende ab.
Die Erzählung webt mit sprachlicher Finesse insbesondere kulinarische Erfahrungen in die Auseinandersetzung des Ich-Erzählers mit der Vergangenheit ein und schafft entsprechende sprachliche Bilder. „In meinem Bauch, tief in meinem Bauch, eine [sic] Fingerbreit unter dem Nabel, da liegt das apfelige Vaterkompott und breitet sich in mir aus als der Teil, den ich mir einverleibt habe aus Liebe und Stolz.“
In den Worten des Sohns schwingen anfangs Sorge und Vorwürfe mit, doch im weiteren Verlauf scheint er sich mehr und mehr mit seiner neuen Rolle als das nächste Familienoberhaupt abzufinden. Der Fokus auf das Gefühlsleben der Figur bietet Raum für Interpretation; in jedem Fall regt die feinfühlige Darstellung aber zum Nachdenken über die Vergänglichkeit an.

Veröffentlicht am 10.04.2023

Freischwimmen

22 Bahnen
0

Tilda studiert Mathematik, arbeitet nebenher als Kassiererin im Supermarkt und geht gerne schwimmen, und zwar genau 22 Bahnen. Die Herausforderung liegt eher im familiären Bereich, denn die Mutter trinkt ...

Tilda studiert Mathematik, arbeitet nebenher als Kassiererin im Supermarkt und geht gerne schwimmen, und zwar genau 22 Bahnen. Die Herausforderung liegt eher im familiären Bereich, denn die Mutter trinkt und sorgt nicht für Tildas kleine Schwester.
Der Roman ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und nutzt wiederkehrende Elemente zur Schilderung von Tildas Routinen, wie ihr Spiel, anhand der Waren auf dem Kassenband zu erkennen, was für eine Person diese erwerben möchte. „Bifi-Roll-Dreierpack, Bifi-Roll-Dreierpack, Bifi-Roll-Dreierpack. Sonst nichts. Ferdinand, rate ich, sage ‚7,47 Euro’ und schaue in Ferdinands emotionsloses Gesicht.“ Dialoge werden mit Nennung der Figuren, aber ohne Anführungszeichen gekennzeichnet.
Neben solchen stilistischen Mitteln lebt das Buch von der Stärke und dem Zusammenhalt der Figuren, die mit Alkoholismus, Geldknappheit und Tod umgehen müssen. Mir hat gut gefallen, wie feinfühlig und originell diese Themen zu einer authentischen Geschichte verarbeitet wurden.