Eher ein Sachbuch über Übersetzung und Politik als Fantasyroman
BabelDie deutsche Übersetzung von „Babel“ ist am 28. April 2023 bei Eichborn erschienen. Die Autorin R. F. Kuang nimmt uns mit nach Oxford in das Jahr 1836. Robin Swift ist ein chinesischer Waisenjunge, der ...
Die deutsche Übersetzung von „Babel“ ist am 28. April 2023 bei Eichborn erschienen. Die Autorin R. F. Kuang nimmt uns mit nach Oxford in das Jahr 1836. Robin Swift ist ein chinesischer Waisenjunge, der von einem Vormund nach England gebracht wird. Hier wird er darauf vorbereitet am Königlichen Institut für Übersetzung, bekannt als Babel, zu studieren. Zunächst erscheint ihm sein neues Leben als Paradies, doch ist es das wirklich? Was im Klappentext nicht erwähnt wird, für mich aber essenziell wäre: In Babel wird nicht nur Übersetzung gelehrt. Denn vor allem durch das Silberwerk, die Kunst durch Übersetzungen Silberbarren zu „verzaubern“, hat Babel und England zu unvergleichlichem Einfluss gebracht.
Selten erwähne ich in meinen Rezensionen die Gestaltung eines Buches, doch hier muss ich eine Aus-nahme machen, denn: Die Gestaltung ist einfach umwerfend! Mir ist das englischsprachige Buch bereits aufgrund des Covers ins Auge gefallen. Daher habe ich mich umso mehr über die deutsche Ausgabe ge-freut. Die Detailliebe ist großartig. Sowohl die Prägung auf der Buchvorderseite als auch die Karten im Inneren. Ich bin vollkommen begeistert.
Ich muss gestehen, dass mir vor dem Lesen nicht bewusst war, dass es in diesem Buch um Magie geht. Da es im Klappentext nicht erwähnt wird. Was grundsätzlich nicht weiter schlimm ist, weil ich auch sehr gerne Fantasy lese, ich war nur etwas verwirrt. Und ich glaube deshalb habe ich mir auch etwas schwergetan mit der Kombination aus äußert detailtreuer Beschreibungen der damaligen Zeit und der Magie (die aus mei-ner Sicht auch nicht so präsent ist, wie z.B. in Harry Potter).
Nun zum Schreibstil: dieser ist sehr bildlich und es wird alles sehr detailliert und ausführlich beschrieben. Oftmals auch in wirklich sehr langen Sätzen. Zum einen kann man sich dadurch alles sehr gut vorstellen, zum anderen führt es aber bei mir dazu, dass ich manche Sätze ein zweites Mal lesen muss, um sie voll-ständig zu erfassen und/oder dass ich manche Stellen mit sehr vielen Aufzählungen einfach überspringe. Auch die Zitate zwischendurch, Fremdsprachen ohne Übersetzung und Fußnoten beeinflussen den Lese-fluss teilweise.
Ich habe mir manchmal schwer damit getan die vergangene Zeit einzuschätzen. Gerade als Robin bei Prof. Lovell gelebt hat. Wie viel Zeit ist hier vergangen? Ich glaube die ersten Tage/Wochen wurden sehr klein-teilig beschrieben und anschließend die restlichen Monate/Jahre? in wenigen Sätzen zusammengefasst. Das war etwas verwirrend.
Mit den Themen Rassismus, Frauenrechte, etc. hatte ich zu Beginn auch so meine Schwierigkeiten. Nach einer Weile fand ich es aber gut, dass die Autorin diese so deutlich darstellt. Es ist zwar erschreckend und man kann es sich heutzutage kaum noch vorstellen, allerdings sah es 1830 noch ganz anders aus.
Es wird unfassbar viel Wissen über das Übersetzen transportiert. Das ist interessant und lehrreich, vor allem, wenn man sich mit diesem Thema bisher eher weniger oder gar nicht befasst hat. Allerdings wurde es für mich zunehmend langweilig, schleppend, zäh. Dies hat bei mir dazu geführt, dass ich Absätze nur noch überflogen bzw. übersprungen habe. Dasselbe gilt für die Fußnoten, die ich nach den ersten Kapi-teln komplett ignoriert habe.
Die Story hingegen ging für mein Empfinden nicht wirklich voran (vor allem die ersten ca. 500 Seiten des Buches). Ich hatte das Gefühl, dass wenig bis gar nichts passiert. Wir werden ein wenig in das Studenten-leben mitgenommen, das hat mir gut gefallen. Aber sonst...
Insgesamt hat das Buch leider überhaupt nicht meinen Geschmack getroffen. Meiner Meinung nach ist es zum einen im falschen Genre angesiedelt, da mir das Thema Magie deutlich zu kurz gekommen ist. Und zum anderen war es mir viel zu langatmig und viel zu viel Theoriewissen. Auf »Das Aufregendste im Fan-tasygenre seit Harry Potter«, das uns laut Denis Scheck erwartet, warte ich noch sehnsüchtig. Vielleicht wurden hierdurch auch meine Erwartungen zu hochgelegt.