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FranziskaBo96

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.10.2023

Deutschlands Problemzonen

Baustellen der Nation
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In "Baustellen der Nation" gehen die Gesichter hinter dem Politik-Podcast "Lage der Nation", Philip Banse und Ulf Buermeyer, acht große Probleme unserer aktuellen Politik an. Dabei erklären sie, wie diese ...

In "Baustellen der Nation" gehen die Gesichter hinter dem Politik-Podcast "Lage der Nation", Philip Banse und Ulf Buermeyer, acht große Probleme unserer aktuellen Politik an. Dabei erklären sie, wie diese entstanden sind, warum sie einfach nicht gelöst werden, welche Folgen sie haben und wie man sie aus der Welt schaffen könnte.

Man muss auf gar keinen Fall "Lage der Nation"-Hörer sein, um dieses Buch zu mögen, aber ich denke, dass man spätestens nach dieser Lektüre Lust auf den Podcast bekommt, denn die Autoren schaffen schriftlich genauso gut das, was ihren Podcast (meiner Meinung nach) so toll macht: Große politische Probleme, die wir alle kennen und die uns alle nerven (z.B. mangelhafte Infrastruktur, Nachholbedarf im Schulsystem, die Unpünktlichkeit der Bahn) werden aufgegriffen und anschaulich und auch wirklich verständlich erklärt. So war mir zum Beispiel überhaupt nicht bewusst, wie die umständliche Organisation des Bundesrates Teilursache des steigenden Politikverdrusses in Deutschland sein könnte, aber durch die unkomplizierten historischen und politischen Erklärungen werde ich sicher in Zukunft mit anderen Augen auf das politische Geschehen schauen.

Gut gefallen hat mir auch, dass zwar durchaus viel Kritik an den früheren und heutigen Verantwortlichen in der Politik und der Gesellschaft im Allgemeinen geübt wird, es aber nicht die unkonstruktive "Hau drauf"-Mentalität gibt, wie es bei ähnlichen Büchern leider oft der Fall ist. Die Autoren haben nachvollziehbare Problemlösungsvorschläge, die zwar oft vielleicht nicht vom Leser direkt, aber sicher vielleicht durch Wahlentscheidungen umgesetzt werden könnten. In jedem Fall haben sie meine Aufmerksamkeit für diese Themen geweckt, sodass ich in der Berichterstattung defintiv mal etwas mehr auf sie achten werde.

Die beiden Autoren wissen nicht nur, wovon sie sprechen, sondern haben extrem gut recherchiert, was eine umfangreiche Quellenliste am Ende bezeugt. Zitate aus Politiker- und Experteninterviews, passende Anekdoten aus dem Privatleben oder von Recherchereisen sowie die aus dem Podcast bekannte kleine Prise Humor sorgen dafür, dass sich das Buch viel leichter lesen lässt, als die trockenen Themen erahnen würden.

Wer sich also ein bisschen politisch bilden will, vor hochtrabender Literatur in diesem Bereich aber etwas zurückschreckt, wird in diesem Buch sicher genau das finden, was er sucht!

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Veröffentlicht am 24.09.2023

Verlust, Wut und Trauer

Warum wir noch hier sind
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Für Heide ist der Alptraum jeder Mutter wahr geworden: Ihre 14-jährige Tochter Etty wurde tot vor ihrer Haustür aufgefunden. Nicht nur für Heide bricht eine Welt zusammen, auch das ganze Ökosystem um sie ...

Für Heide ist der Alptraum jeder Mutter wahr geworden: Ihre 14-jährige Tochter Etty wurde tot vor ihrer Haustür aufgefunden. Nicht nur für Heide bricht eine Welt zusammen, auch das ganze Ökosystem um sie versucht, mit dieser Grausamkeit irgendwie klarzukommen. Wir begleiten Heides Freundin, unsere namenslose Protagonistin, dabei, wie sie versucht, Heide in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Aber auch sie selbst hat mit dem Verlust des jungen Mädchens und ihrer zunehmenden eigenen Angst zu kämpfen.

Wie die Handlungsbeschreibung schon erahnen lässt, ist die Thematik schon ziemlich harter Tobak. Ich würde das Buch niemandem empfehlen, der für die angesprochenen Themen sehr empfindlich ist, auch Menschen mit Vergewaltigungserfahrungen sollten vielleicht Abstand von dieser Geschichte halten.

Alle anderen werden aber sicher vieles Überraschendes in dieser Geschichte finden. In nicht einmal 230 Seiten packt die Autorin so viele verschiedene interessante, erschreckende, traurige, aber teilweise auch hoffnungsvolle Aspekte. Die Trauer in ihren zahlreichen Facetten wird so anschaulich beleuchtet, wie ich es in kaum einem anderen Buch bisher erlebt habe.

Gleichzeitig gefällt mir, dass das Buch nicht ein kompletter Downer ist, denn auch das ist sicherlich für Trauer sehr realistisch. Selbst in den schlimmsten Lebenssituationen lassen sich Hoffnung und manchmal sicher auch eine gewisse Art von Humor finden.

Ein sehr besonderes Buch über Trauerverarbeitung - große Empfehlung!

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Veröffentlicht am 21.07.2023

So geht Jugendbuch!

Hani & Ishu: Fake-Dating leicht gemacht
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Hani und Ishu, zwei Teenager mit bengalischen Wurzeln aus Dublin, haben beide so ihre Probleme. Hani ist mit der Intoleranz ihrer vermeintlichen Freundinnen konfrontiert, die nicht nur ihre Kultur und ...

Hani und Ishu, zwei Teenager mit bengalischen Wurzeln aus Dublin, haben beide so ihre Probleme. Hani ist mit der Intoleranz ihrer vermeintlichen Freundinnen konfrontiert, die nicht nur ihre Kultur und Religion nicht ernst nehmen, sondern ihre sexuelle Orientierung als albern ansehen. Ishu hat dagegen mit den hohen akademischen Erwartungen ihrer Eltern zu kämpfen, die den Kontakt zu Ishus Schwester größtenteils abgebrochen haben, seitdem diese sich versucht hat, etwas Eigenes aufzubauen. Die beiden bekommen die Idee eines Fake-Dating-Arrangements, das beiden Vorteilen bringen soll: Ishu kann mehr Beliebtheit erlangen, um Schülersprecherin zu werden und damit mehr Ansehen bei ihren Eltern zu bekommen und Hani kann ihren Freundinnen endlich beweisen, dass sie wirklich lesbisch ist. Doch trotz aller Regeln entwickelt sich aus dieser Idee bald mehr.

Vor "Hani & Ishu" hatte ich einer Reihe Jugendbücher gelesen, die mir nicht so richtig gefallen hatten - so langsam hatte ich die Befürchtung, dass ich nun zu alt für das von mir früher so geliebte Genre zu sein. Dieses Buch konnte mir wieder Hoffnung schenken! Wie ich es bei Jugendbüchern liebe, sind die Figuren authentisch, teilweise naiv, wie Teenager nun oft sind, aber trotzdem nicht doof. Wir begleiten sie dabei, wie sie wachsen, uns wird aber auch klargemacht, dass ihre Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist - ein einfaches Prinzip, das bei YA leider oft nicht so richtig umgesetzt wird.

Besonders positiv sticht bei diesem Buch die Integration der bengalischen Kultur heraus. Die Autorin gibt uns einen Einblick in diese doch spannende Welt, sie ist aber nicht Dreh- und Angelpunkt, und es wird für nicht bengalische Leser nicht alles kleinlichst erklärt, als wäre man im Sachunterricht. Mir haben diese Abschnitte besonders viel Spaß gemacht.

Ich kann Hani & Ishu wirklich allen YA-Freunden ans Herz legen!

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Veröffentlicht am 29.05.2023

Ein Genuss für Sprachliebhaber

Babel
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"Babel" entführt uns in das Oxford eines alternativen 19. Jahrhunderts, in dem die Macht des britischen Empires vor allem durch Silberbarren entstanden ist, die durch das Aktivieren durch Wortpaarungen ...

"Babel" entführt uns in das Oxford eines alternativen 19. Jahrhunderts, in dem die Macht des britischen Empires vor allem durch Silberbarren entstanden ist, die durch das Aktivieren durch Wortpaarungen magische Kräfte freisetzen. Robin Swift, der als Kind von seinem mysteriösen Vormund Professor Lovell aus Kanton nach England geholt wurde und dort eine hervorragende Fremsprachenerziehung genoss, beginnt sein erstes Jahr am Oxforder Übersetzungsinstitut. Dieses ist vor allem mit der Herstellung und Instandhaltung eben dieser Silberbarren betraut und stellt somit einen wichtigen Bestandteil der Macht des Empires dar. Nun begleiten wir Robin durch seine Studienzeit, in der er Freunde und Zugehörigkeit findet, aber auch Verrat erfährt und immer mehr seine Umstände und seine Herkunft hinterfragt.

Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an die Sprachen - es war für mich als Übersetzerin eigentlich wie gemacht. Die Autorin gibt an einigen Stellen quasi populärwissenschaftliche Einblicke in die Übersetzungswissenschaft, was meiner Meinung nach, in einer Welt, in der Übersetzung oft und zum Teil zu Unrecht von Laien kritisiert werden, total angebracht ist - ich hoffe wirklich, dass durch dieses Buch mehr Menschen Wertschätzung für diese Tätigkeit bekommen. Gleichzeitig gibt es auch immer wieder recht intensive Ausflüge in die Sprachgeschichte und -theorie, die einigen Lesern sicher zu trocken werden könnten, ich fand sie dafür aber sehr spannend. In jedem Fall merkt man, dass die Autorin total begeistert von Sprachwissenschaften ist.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Buches, der meiner Meinung nach toll vermittelt wird, ist Kritik am Kolonialismus und die Diskussion von Aufarbeitungsversuchen. Sicherlich ist das gerade ein Thema, das viel diskutiert wird, doch selten habe ich die Problematik so gut erklärt bekommen wie hier. Ich denke, dass viele Menschen, die in dem Thema bisher noch nicht so gut aufgeklärt waren, hier ein deutlich besseres Verständnis bekommen. Auch das Thema Aktivismus und wie weit er gehen darf, werden hier sehr interessant behandelt.

Besonderes Lob verdienen auch die Übersetzerinnen Heide Franck und Alexandra Jordan. Ein Buch über Übersetzungen zu übersetzen ist sicher eine harte Nuss und ich habe eigentlich nie das Gefühl gehabt, dass es holprige Lösungen oder übersetzt klingende Stellen gab - und das stelle ich mir gerade bei diesem Buch sehr schwierig vor.

Ich kann die Kritiken, die bei diesem Buch teilweise angebracht werden, durchaus verstehen. 700 Seiten sind nicht gerade wenig und die sprachwissenschaftlichen Abhandlungen findet sicher nicht jeder interessant. Auch wer hier ein intensives Fantasy-Buch erwartet, wird da sicher eher enttäuscht werden, da die Fantasy-Elemente hier doch sehr wenig vorhanden sind. Ich hatte aber unheimlich viel Freude mit dem Buch und fand, dass es mich zu wichtigen Themen definitiv zum Nachdenken angeregt hat.

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Veröffentlicht am 02.05.2023

Urlaub mit Katastrophe

Die spürst du nicht
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Die Wiener Familien Strobl-Marinek und Binder fahren zusammen in den Urlaub in die Toskana. Die 14-jährige Sophie Luise schafft es, ihre Eltern davon zu überzeugen, ihre Klassenkameradin Aayana mitzunehmen, ...

Die Wiener Familien Strobl-Marinek und Binder fahren zusammen in den Urlaub in die Toskana. Die 14-jährige Sophie Luise schafft es, ihre Eltern davon zu überzeugen, ihre Klassenkameradin Aayana mitzunehmen, die Flüchtling aus Somalia ist und in Italien das Schwimmen lernen soll. Doch gleich zu Beginn der Reise passiert eine unfassbare Katastrophe, die die Österreicher noch langfristig beschäftigen werden - ob sie es nun wollen oder nicht.

Dass in diesen knapp 300 Seiten so viel Power steckt, hätte ich wirklich nicht gedacht. Ich habe meine Zusammenfassung (genau wie der offizielle Klappentext) kurz gehalten, denn obwohl man so vielleicht mit ganz anderen Erwartungen in das Buch hineingeht, ist es glaube ich ganz gut, wenn diese schon ziemlich früh über den Haufen geworfen werden.

Glattauer rollt die Flüchtlingsdebatte von einer extrem interessanten Perspektive auf und zeigt sehr eindrucksvoll, dass Großteile der Bevölkerung bei dieser sogenannten Krise das Wesentliche komplett aus den Augen verloren haben. Das vermittelt er vor allem durch die wunderbar überzeichneten Protagonisten und einen gelungenen Mix aus Schreibstilen und Texttypen, so wird die Handlung beispielsweise immer wieder mal durch Internetkommentare aufgelockert.

Besonders gelungen ist meiner Meinung nach der Einsatz von Humor in diesem Buch. Trotz der doch sehr ernsten Thematik wirkt dieser nie fehl am Platz, sondern zeigt auf bitterböse Art das heuchlerische und ignorante Verhalten vieler Westeuropäer auf.

Gerade das Ende ist durchaus harter Tobak, daher würde ich es nicht für diejenigen empfehlen, die etwas zartbesaiteter sind. Allen anderen kann ich es jedoch absolut ans Herz legen - dieses Buch werde ich so schnell nicht vergessen.

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