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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2023

Lesenswert und intensiv!

Idol in Flammen
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Die asiatische Idol-Culture, wie ich sie schon öfters in Dokus gesehen habe, fasziniert und irritiert ich gleichermaßen. Deswegen wollte ich den Roman „Idol in Flammen“ unbedingt lesen!

Atari, die junge ...

Die asiatische Idol-Culture, wie ich sie schon öfters in Dokus gesehen habe, fasziniert und irritiert ich gleichermaßen. Deswegen wollte ich den Roman „Idol in Flammen“ unbedingt lesen!

Atari, die junge Protagonistin, steckt mitten der sensiblen Phase des Erwachsenwerdens und Seins. Vom Elternhaus und der leistungsorientierten Gesellschaft fühlt sie einen Druck, dem sie sich nicht gewachsen sieht. Sie fühlt sich ANDERS als alle anderen, eine (mutmaßliche) Neurodiversität verstärkt dieses Gefühl der Isoliertheit.
Atari lebt in einer der vielen Gesellschaften, in der es salonfähig ist, die große Entfremdung vom Selbst durch verschiedene Surrogate zu lindern.
Die große Lücke von Sinn und Lebenszweck in ihrem Leben füllt Atari mit ihrem Idol Masaki, einem Mitglied einer bekannten J-Pop Band.

„Masakis Fan zu sein ist das Zentrum meines Lebens, die eine Konstante. Mein Idol ist meine Körpermitte, meine Wirbelsäule.“

Das Fan sein gibt ihr die Motivation, morgens aufzustehen, zur Schule und zur Arbeit zu gehen und das Leben irgendwie zu ertragen.

Doch was, wenn sich dein angebeteter Gott als fehlbarer Mensch erweist? Wenn das Bild Risse bekommt und in Flammen aufgeht?

Besonders gut gefällt mir an diesem kurzen Roman, dass die Autorin Rin Usami selbst sehr jung ist, und ihre Beschreibungen nicht durch jahrelangen Abstand gefiltert oder verfälscht werden, sondern sich unglaublich direkt und nah dran lesen.
Meine eigenen Jahre als junger Erwachsener liegen schon eine Weile hinter mir. Diese intensiven und emotionalen Jahre haben mich extrem geprägt, wie keine andere Periode in meinem späteren Erwachsenenleben mehr danach, und die Erinnerungen daran werden durch diesen kurzen Roman wieder lebendig. Ich mag das.

Rin Usami fängt diese Suche nach Halt, Orientierung und Sinn mit ihrer verlorenen Figur wunderbar ein und das macht diesen kurzen Roman für mich besonders und persönlich. Lesenswert und intensiv!

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Veröffentlicht am 02.06.2023

Subtiles Psychogramm einer Ehe und einer Kleinstadt

Dunkelzeit
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„Ich habe ein beschissenes Leben in einer beschissenen Stadt“

Gunthrum, Nebraska, 1985, ist ein kleines Kaff mit den üblichen Provinzproblemen: Alkoholismus, lieblose Ehen, eine enges soziales Korsett ...

„Ich habe ein beschissenes Leben in einer beschissenen Stadt“

Gunthrum, Nebraska, 1985, ist ein kleines Kaff mit den üblichen Provinzproblemen: Alkoholismus, lieblose Ehen, eine enges soziales Korsett und alles überdeckt mit religiöser Scheinheiligkeit.
Da ist es nicht verwunderlich, dass die junge, lebenshungrige Peggy von zu Hause verschwindet. Doch bald schon häufen sich die Anzeichen, dass ein Verbrechen geschehen sein muss.
Der mögliche Verdächtige ist schnell ausgemacht: der zurückgebliebene Hal (ja, 1985 nennt man Menschen mit Lernschwierigkeiten noch zurückgeblieben, oder auch schlimmeres). Im Ort steigern sich die Feindseligkeiten gegen den nicht als friedfertig bekannten jungen Mann, auch wenn es keine Beweise oder eine Leiche gibt.
Hal arbeitet als Hilfsarbeiter bei dem älteren Ehepaar Alma und Clyle auf ihrer Farm und wurde von ihnen liebevoll unter die Fittiche genommen. Beide sind ungewollt und schmerzhaft kinderlos geblieben und vor allem Almas Bedürfnis, Liebe zu schenken konzentriert sich ganz auf Hal.
Wie weit würde Alma gehen um Hal zu schützen, wenn er ein Verbrechen begangen hätte? Und würde Clyle ihr dabei folgen?

Ich finde es wunderbar, dass Flanagan hier entgegen den Regeln des Genres der langjährigen Ehe der beiden so viel Platz einräumt. Sehr vielschichtig beschreibt sie die Schwierigkeiten in deren langjähriger Beziehung, die durch den vergeblichen Kinderwunsch, den Umzug aufs Land, Fehler und Schuldzuweisungen stark gelitten hat. Auch die toxischen Wirkmechanismen einer engen Kleinstadtgemeinde mit dem zerstörerischen sozialen Druck fängt Flanagan toll ein.

Ich lese sehr gerne solche Krimis, wo nicht die klassischen Mordermittlungen im Vordergrund stehen, sondern die psychologische Ausarbeitung der Figuren und des Milieus.

„DUNKELZEIT“ kann hier stark punkten, denn Flanagan gibt es (fast) keine Ermittler*innen, sondern sie stellt die Perspektiven von Alma und Clyle in den Mittelpunkt. Und die von Milo, dem jüngeren Bruder von Peggy. Mit Milo gibt Flanagan den Angehörigen der verschwundenen jungen Frau eine Stimme und zeigt die emotionalen Auswirkungen auf dieses festgefahrene Gefüge einer Kleinfamilie.

Ein vielversprechendes Krimidebüt, das sich vom Standard-Whodunit abhebt und das ich gerne gelesen habe!

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Zeitloser Gesellschaftsroman mit kleineren Schwächen

Gratisessen für Millionäre
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„𝘌𝘩𝘳𝘨𝘦𝘪𝘻𝘪𝘨, 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘪𝘦𝘳𝘵, 𝘧𝘦𝘴𝘴𝘦𝘭𝘯𝘥. 𝘌𝘪𝘯 𝘉𝘶𝘤𝘩, 𝘥𝘢𝘴 𝘮𝘢𝘯 𝘴𝘰 𝘩𝘪𝘯𝘨𝘦𝘳𝘪𝘴𝘴𝘦𝘯 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘤𝘩𝘭𝘪𝘯𝘨𝘵 𝘸𝘪𝘦 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘯 𝘬𝘭𝘢𝘴𝘴𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘙𝘰𝘮𝘢𝘯 𝘢𝘶𝘴 𝘥𝘦𝘮 19. 𝘑𝘢𝘩𝘳𝘩𝘶𝘯𝘥𝘦𝘳𝘵.“

💵 Ich hole mir für den Einstieg in diese Rezension Hilfe von der New ...

„𝘌𝘩𝘳𝘨𝘦𝘪𝘻𝘪𝘨, 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘪𝘦𝘳𝘵, 𝘧𝘦𝘴𝘴𝘦𝘭𝘯𝘥. 𝘌𝘪𝘯 𝘉𝘶𝘤𝘩, 𝘥𝘢𝘴 𝘮𝘢𝘯 𝘴𝘰 𝘩𝘪𝘯𝘨𝘦𝘳𝘪𝘴𝘴𝘦𝘯 𝘷𝘦𝘳𝘴𝘤𝘩𝘭𝘪𝘯𝘨𝘵 𝘸𝘪𝘦 𝘦𝘪𝘯𝘦𝘯 𝘬𝘭𝘢𝘴𝘴𝘪𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯 𝘙𝘰𝘮𝘢𝘯 𝘢𝘶𝘴 𝘥𝘦𝘮 19. 𝘑𝘢𝘩𝘳𝘩𝘶𝘯𝘥𝘦𝘳𝘵.“

💵 Ich hole mir für den Einstieg in diese Rezension Hilfe von der New York Times, auch wenn ich diesem Blurb nur teilweise zustimmen kann.
„Hingerissen verschlingen“ würde ich für mein Lesen als Euphemismus bezeichnen, auch wenn das für die 800 Seiten natürlich ein Traum gewesen wäre.

💵 Ja, es ist ein zeitloser großer Gesellschaftsroman, der auf vielen Ebenen Zugangsmöglichkeiten bietet und der im Original bereits 2007 erschienen ist.
Min Jin Lee behandelt in ihrem Roman „Gratisessen für Millionäre“ nicht nur verschieden gesellschaftlich relevante Themen sondern auch die individuelle Entwicklung verschiedener Charaktere.
Ihre Protagonistin Casey ist die Tochter koreanischer Einwanderer, die sich in New York durchkämpfen müssen. Ich mag die Figur Casey sehr gern, sie ist stolz und unkonventionell und versucht die schwierige Balance zwischen den Traditionen ihrer Eltern und koreanischen Community und der eigenen Verwirklichung. Als ihr Vater ihr noch mit über 20 vorschreiben will, wenn sie daten darf und wie ihre berufliche Zukunft auszusehen hat, kommt es zum harten Bruch und Casey verliert die Unterstützung ihrer Familie.

💵 Doch im kapitalistischen New York ist der amerikanische Traum teuer. Min Jin Lee, selbst in Südkorea geboren und als Kind in die USA immigriert, schildert anhand ihrer detailliert ausgestalteten Charaktere und deren Schicksale die engen Grenzen einer gnadenlosen Klassengesellschaft.
Auch Casey muss realisieren, dass trotz allen Fleißes und Anstrengungen der unausgesprochene antiasiatische Rassismus und die Fetischierung asiatischer Menschen eine gläserne Decke bilden.
💵 Um zu überleben und im Leben vorwärts zu kommen, muss Casey immer wieder Hilfe von anderen Menschen annehmen, was ihr zuwider ist. Denn auch gern gegebene Hilfe kommt immer mit einem Preisschild.

„Und warum tust du so, als ob arme Menschen keine Wahl haben dürfen? Muss ich denn immer nehmen, was mir angeboten wird? Muss ich immer dankbar sein?“

💵 Aber ist das wirklich so, oder steht Casey einfach ihr Stolz und ihre Angst vor Abhängigkeit im Weg. Das ist eine der vielen Fragen, die Min Jin Lee sehr subtil zwischen den Zeilen einbaut. Vordergründig scheint es eher um die Frage zu gehen, wer auf wen steht und vor allem, wer wen heiratet oder auch nicht.
Heiraten scheint DAS große Thema nicht nur in der koreanischen Gemeinschaft, sondern auch für die amerikanischen Figuren der Upper Class dreht sich alles um den kleinen Ring am Finger. Ebenfalls viel Raum in dem Gesamttableau nimmt Optik und Mode ein. Ganze Abschnitte drehen sich um das delikate Aussehen und das modische Auftreten der Beteiligten. Spoiler: da trägt keine*r eine Leggins.
Mir ist klar, das Min Jin Lee diese Beschreibungen und Themen als Stilmittel einsetzt um die Klassenunterschiede zu verdeutlichen, aber während dieser Ausschweifungen geht bei mir deutlich an Spannung verloren. Auch das Frauenbild, vielleicht dem Erscheinungsjahr des Originals 2007 geschuldet, wirkt alles andere als zeitgemäß.

💵 Literarisch ist in meinen Augen Luft nach oben. Der Schreibstil zeichnet sich nicht durch schreiberische Finesse aus, lässt sich aber angenehm und flüssig lesen. Störend empfinde ich die permanenten Perspektivenwechsel, oft sogar in der gleichen Szene. Das erspart mir zwar das Denken, determiniert aber auch die Figuren und lässt wenig Raum für Fantasie.

💵 Ich las den Roman gerne wegen der detaillierten Einblicke in die US-koreanischen Community und der gut gezeichneten Figuren, aber auf Grund meiner (sehr individuell empfundenen) Kritikpunkte blieb die ganz große Begeisterung aus.

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Veröffentlicht am 12.05.2023

Unterhaltsamer Blockbuster!

Morgen, morgen und wieder morgen
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Ja, ich jetzt auch.
Musste einfach sein. Können so viele positive Rezensionen täuschen?

Kurz: ich finde, der Roman IST gut, die vielen begeisterten Meinungen sind völlig berechtigt. Dennoch fehlt noch ...

Ja, ich jetzt auch.
Musste einfach sein. Können so viele positive Rezensionen täuschen?

Kurz: ich finde, der Roman IST gut, die vielen begeisterten Meinungen sind völlig berechtigt. Dennoch fehlt noch einiges, damit ich es Highlight nennen würde.

Inhaltlich weiß bestimmt mittlerweile jeder Bescheid. Es geht um Freundschaft, Liebe in verschiedener Form, Leben und Tod, Verrat und Vergebung und natürlich ums Gaming.
Es geht um Sam und Sadie, die schon durch eine Kindsheitsfreundschaft tief verbunden waren, und die jetzt gemeinsam Spiele entwickeln.
Die tiefe Freundschaft, die beide verbindet würde ich auch Liebe nennen. Im Laufe der Jahre kommt es immer wieder zu Krisen und Zerwürfnissen. Thematisch hat der Roman also alle notwendigen Zutaten, inklusive genügend Drama, um mich zu fesseln und zu faszinieren.
Dazu kommt die geniale Art Zevins über das Gaming und das Spiele entwickeln zu schreiben, was den Roman zu einem stimmigen und unterhaltsames Gesamtpacket macht.
Was fehlt mir subjektiv dann noch zu Begeisterungsstürmen? Mir persönlich fehlt bei den Figuren und in der Handlung eine gewisse Ambivalenz. Zevin geht nicht über ein gewisses ideales Menschen- und Gesellschaftsbild hinaus. Selbst die „Bösen“ haben nachvollziehbare Gründe für ihr böses Handeln. Das offenbart ein wunderbares und berechtigtes Ideal und schafft trotz der Dramen und Schicksalsschläge eine tolle Wohlfühlatmosphäre. Die Figuren sind bis in die Nebenfiguren sympathische und sehr liebenswerte Individuen mit diversen Päckchen aus der Vergangenheit. Aber niemand ist bitter, niemand ist zerbrochen.
Das passt wunderbar für einen Roman für junge Erwachsene, ist aber für Zyniker*innen wie mich, nicht realistisch genug.

Wirklich ein ganz toller, sehr empfehlenswerter Roman mit großen Unterhaltungswert, der mir persönlich aber zu wenig Anknüpfungspunkte zum Nachdenken mitbringt.

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Bemerkenswerter und sensibler Endzeitroman

Und dann verschwand die Zeit
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Ich lese unwahrscheinlich gern dystopische Romane. Ihr findet in meinem Feed so einige davon. Es fasziniert mich, was die verschiedenen Autor*innen jeweils aus dem Szenario machen und welche Weltanschauung ...

Ich lese unwahrscheinlich gern dystopische Romane. Ihr findet in meinem Feed so einige davon. Es fasziniert mich, was die verschiedenen Autor*innen jeweils aus dem Szenario machen und welche Weltanschauung sich dadurch offenbart.

Greengrass Dystopie spielt in einem, durch menschgemachten Klimawandel verursachten, überfluteten England. Doch nicht die Katastrophe steht im Mittelpunkt dieses Debütromans, sondern die Menschen.
Greengrass Figuren sind Grandy, seine Enkeltochter Sally, sowie Caro und ihr jüngerer Halbruder Pauly.
Sie haben sich sich in High House, einem höher liegenden autarken Haus mit Gemüsegarten und Gezeitenbecken und genügend Vorräten vor den steigenden Fluten in Sicherheit gebracht. Das Refugium von langer Hand geplant von Paulys Mutter, einer Umweltschützerin, die das Schlimme vorausgesehen hat.
Doch wie lange wird das Haus Schutz bieten? Und wie kann man miteinander gut leben und auskommen?
Welcher Verlust und Verzicht schmerzt am meisten, wenn plötzlich alles gewohnte und lieb gewonnen verschwunden ist?

„All diese Dinge, verwirkt, und mit ihnen das Urvertrauen, dass alles gutgehen würde, egal, was geschah.“

Für mich ist das Besondere an diesem Roman diese ganz spezielle Stimmung, die Greengrass aufbaut. Eine ganz ruhige Atmosphäre, denn nach dem Wegfall des gewohnten Zivilisation sind ganz andere Dinge wichtig. Zwischenmenschliche Dinge.
Liebe und Füreinander da sein, ist das, was beständig bleibt.

„Das ist Gnade, und sie ist das Beste, was wir uns erhoffen können. Wir tun füreinander, was wir können. Wir versuchen, gütig zu sein.“

Der Schluss hat mich sehr berührt. Ich habe den Roman sehr gerne gelesen und diese besondere Stimmung in mich aufgenommen. Vielleicht tendenziell etwas zu unaufgeregt um wirklich ein Highlight für mich zu sein und die Charaktere ein wenig zu undifferenziert in ihren Persönlichkeiten.

In Summe ein bemerkenswertes und sensibles Debüt!

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