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Veröffentlicht am 24.09.2023

Die Stärken der leisen Kinder

Lauter leise Kinder
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Meist geht es bei den leisen, den introvertierten Kindern darum, dass ihnen gesagt wird, dass „sie mal aus sich herausgehen sollen“ oder „sich in der Schule einfach mehr melden sollen“. Viel zu selten ...

Meist geht es bei den leisen, den introvertierten Kindern darum, dass ihnen gesagt wird, dass „sie mal aus sich herausgehen sollen“ oder „sich in der Schule einfach mehr melden sollen“. Viel zu selten sprechen wir von ihren Stärken und dass es gut ist, wie sie sind. „Lauter leise Kinder“ verspricht schon im Untertitel „Vom Glück, ein introvertiertes Kind zu haben“ etwas anderes.

„Lauter leise Kinder“ ist ein Buch über die stillen, die leisen Kinder. Manchmal sind sie einfach ruhig, manchmal gibt es die, die schüchtern sind (schüchtern heißt nicht introvertiert), es gibt hochsensible Kinder, die ruhig sind und noch viele weiter Facetten der stillen Kinder.

Das Buch ist in die folgenden Kapitel unterteilt:

Vorwort
Von still zu stark – lasst uns die Perspektiver wechseln
Das Einmaleins der Stille – oder was hat mein Kind mit Barack Obama zu tun?
Ist Stillsein angeboren oder anerzogen?
Leise Mädchen, laute Jungen? Warum Stillsein (k)eine Frage des Geschlechts ist
Gut gemacht! – Die Stärken der Stillen
Die stille Revolution oder – wer darf mit zum Mars?

Antje Kunstmann geht darauf ein, dass stille Kinder oft nicht nur nicht unterstützt, sondern auch oft nicht wahrgenommen werden, was dazu führen kann, dass sie sich nicht akzeptiert fühlen, vor allem, wenn ihnen das Stillsein auch noch vorgeworfen wird. Stille Kinder brauchen genauso Anerkennung wie die lauten und wenn sie nicht gesehen werden, kann es auf das Selbstwertgefühl und die Motivation schlagen. Antje Kunstmann fragt zu Recht „Wie anders und wie viel besser wäre die Schulzeit für sie und andere stille Kinder, wenn sie ihr Selbstbild nicht immer wieder verteidigen müssten gegen die Erwartungen, sie sollten anders sein als sie sind?“

Auch geht sie darauf ein, wie wir die ruhigen Kinder bestärken können und wie wichtig es ist, dass die Welt nicht nur aus Extrovertierten besteht. Introvertiertheit und Selbstbewusstsein schließen sich nicht aus, auch laut sein, eine Rampensau sein, ist als introvertierter Mensch möglich. Wir brauchen danach nur eine Pause, um uns von den Menschen zu erholen. „Lauter leise Kinder“ ist auch ein Aufruf an all diejenigen, die mit Kindern zu tun haben, auch den leisen Kindern Aufmerksamkeit und Anerkennung zu geben. Traut ihnen etwas zu! Durchsetzungsvermögen und Intelligenz hat nichts mit Lautstärke zu tun.

Eine Gesellschaft profitiert davon, dass die Menschen unterschiedlich sind. Deshalb ist es wichtig, schon Kindern dies mitzugeben und sie zu stärken. Das ist das, was mir an dem Buch gefällt. Es holt uns auch als Eltern noch einmal ab und hilft uns, einen Schritt zurückzugehen, um die Situation von außen zu betrachten und relaxter zu sein. Schön, wenn der Kumpel vom Kind schon aufsteht und das Busticket allein kaufen kann. Das eigene Kind braucht noch ein wenig Unterstützung und wird es dann machen, wenn es sich soweit fühlt. Dies ist nicht leicht zu akzeptieren, aber wir tun unserem Kind einen Gefallen, wenn wir ihm Zeit geben, auch wenn andere eine andere Meinung dazu haben im persönlichen Umfeld.

„Lauter leise Kinder“ ist ein Buch, dass Eltern leiser Kinder hilft, diese besser zu verstehen und zu stärken und Geduld mit der lauten Gesellschaft um sie herum zu haben. Und auch für diejenigen, die sich als Lehrerinnen, Erzieherinnen, Trainer*innen mit Kindern beschäftigen, ist es ein hilfreiches Buch zu mehr Verständnis und mehr Wahrnehmung der

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Veröffentlicht am 28.08.2023

Das Moor - mehr als Schlammpackung

Das Moor
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Das Moor – geheimnisumwoben, gefährlich und bislang wenig im Fokus der Öffentlichkeit als ein wichtiges Element, um der menschengemachten Erderwärmung etwas entgegenzusetzen. Eher im Gegenteil: noch immer ...

Das Moor – geheimnisumwoben, gefährlich und bislang wenig im Fokus der Öffentlichkeit als ein wichtiges Element, um der menschengemachten Erderwärmung etwas entgegenzusetzen. Eher im Gegenteil: noch immer werden Moorlandschaften entwässert, Torf als Anzuchterde genutzt und zu wenig über die wichtige Rolle dieser nassen Umgebung gesprochen. Franziska Tanneberger hat mit Vera Schroeder ein Buch geschrieben, um diese Informationslücke zu schließen.

Mit „Das Moor“ ist Franziska Tanneberger und Vera Schroeder ein Rundumblick zum Thema Moor geglückt, der es Laien wie mir ermöglicht, es zu verstehen. Es ist so geschrieben, dass ich nicht jeden Satz zweimal lesen muss, es gibt ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen am Ende zum Nachschlagen.

Am Ende ist klar, warum der Erhalt und die Wiedervernässung der Moore so wichtig ist. „Das Moor“ beschreibt die Entwicklung bis in die Jetztzeit und was geschehen muss, damit wir in eine positive Zukunft schauen können. Besonders gut gefällt mir, dass die Sorgen der Moormenschen wie zum Beispiel der Bauern so umfassend erklärt werden. Es wird nach Lösungen gesucht und viel dafür getan, um zu überzeugen, zu begeistern, aufzuklären, damit die nötige Wiedervernässung von allen Parteien mitgetragen wird: „Kooperativ denken statt in Konkurrenz“.

Diesen Ansatz mag ich sehr. Man merkt die Begeisterung für das Moor, diese Liebe zur Natur und den Willen eine Lösung zu finden. Sie nennt Möglichkeiten der Bewirtschaftung, zum Beispiel die Paludikultur und macht es am Beispiel des Schilfs fest. Diesen Anbau gibt es schon seit Jahrhunderten und Schilf wird als Baumaterial genutzt für die Reetdächer.

Gerade im Hinblick auf die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ist die Rolle der Moore von einer unbeachteten Statistenrolle auf dem Weg zu einer Hauptrollen. Wer also mehr über diese wichtige Landschaft und ihre Bedeutung für uns erfahren möchte, liegt mit diesem Buch richtig.

Es ist einfach zu lesen, leicht verständlich und transportiert jede Menge Wissen – eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 22.08.2023

Wenn die Dürre kommt

Die Geschichte des Wassers
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Wie schon im ersten Teil des Klimaquartetts, „Die Geschichte der Bienen,“ erzählt Maja Lunde die Handlung von „Die Geschichte des Wassers“ in verschiedenen Epochen. Der eine Handlungsstrang spielt im Jahr ...

Wie schon im ersten Teil des Klimaquartetts, „Die Geschichte der Bienen,“ erzählt Maja Lunde die Handlung von „Die Geschichte des Wassers“ in verschiedenen Epochen. Der eine Handlungsstrang spielt im Jahr 2017 und beginnt in Norwegen. Signe, 70 und Umweltaktivistin, macht sich mit einer ganz besonderen Ladung an Bord ihres Segelschiffs auf den Weg nach Frankreich. In Frankreich will sie ein Hühnchen mit dem Mann rupfen, der einmal eine ganz besondere Bedeutung für sie hatte.

Der zweite Handlungsstrang spielt im Frankreich des Jahres 2041. Südeuropa hat aufgrund langanhaltender Dürre kaum noch Trinkwasser für die Menschen, die dort leben. Es bleibt ihnen nur eines: die Flucht in den Norden, dorthin, wo es Wasser, Nahrung und die Hoffnung auf Leben gibt. David ist mit seiner kleine Tochter Lou aus der Stadt Argelès in Südfrankreich vor einem Feuer geflohen. Der Plan war, dass er seine Frau mit dem kleinen Sohn in einem Flüchtlingslager trifft und die Familie dann wieder vereint ist.

„Die Geschichte des Wasser“ hat mich von der ersten Zeile an gepackt. Maja Lunde beschreibt Wasser so eindringlich, die Fülle des norwegischen Fjords und den Mangel im Süden Europas.

Es ist kein leichtes Buch, es ist ein düsteres Buch, eine düstere Dystopie. Signe blickt zurück auf ihr Leben und es ist kein Blick auf ein erfolgreiches Leben. Sie und die anderen Aktivist*innen haben gekämpft und es wirkt auf sie so, als ob nicht zugehört wurde. David blickt auch zurück, weiß, dass es nicht realistisch ist, zu glauben, dass er Frau und Sohn jemals wiedersieht, er sorgt sich um Lou, die einfach nicht Kind sein darf und kann. Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, was wird aus seinem Kind? Kann er Lou eine Zukunft bieten?
Dieses Buch ist unglaublich eindringlich und eines der wenigen Bücher, bei denen ich am Ende Rotz und Wasser geheult habe. Es hat mich wirklich tief berührt. Es ist die Kombination aus den Gefühlen von Signe, die verzweifelt ist, weil sie nicht das erreichen konnte, was sie wollte mit ihrem Kampf und die tiefe Verzweiflung und Traurigkeit aus dem Teil der Geschichte, die in der Zukunft spielt.

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Veröffentlicht am 30.07.2023

Sich mit dem Leben vollstopfen

Offene See
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England nach dem zweiten Weltkrieg – Robert möchte einmal das Meer sehen, die offene See, bevor er Bergmann wird, wie so ziemlich alle in dem Ort, in dem er lebt. Benjamin Meyers erzählt aus der Sicht ...

England nach dem zweiten Weltkrieg – Robert möchte einmal das Meer sehen, die offene See, bevor er Bergmann wird, wie so ziemlich alle in dem Ort, in dem er lebt. Benjamin Meyers erzählt aus der Sicht des alten Robert, der auf sein Leben und seine Träume zurückblickt.

Benjamin Meyers hat mich mit seiner Art zu schreiben von Anfang an in die Geschichte gezogen. Das Buch mit der Frage „Wo ist das Leben geblieben?“ zu beginnen, hat gleich eine Gedankenspirale in Gang gesetzt. Was möchte ich auf diese Frage eines Tages einmal antworten? Vielleicht ist es eine der Schlüsselfragen, die sich jede*r von uns am Ende stellen wird.

Die Angst oder besser der Unwille Roberts, im Berg Kohle abzubauen, so wie es Usus ist im Ort, dieses Gefühl des im Berg eingesperrt zu sein und eigentlich etwas ganz anderes machen zu wollen, tritt ganz stark zu Tage. Robert will sich mit Leben, mit Natur vollstopfen, um später – im Berg – davon zu zehren. Je weiter er von seinem Zuhause in Nordengland weg ist, desto entspannter wird er. So liest es sich dann auch. Die Freude des jungen Mannes an der Natur, an den Begegnungen, an der Freiheit – all das fühlt man beim Lesen.

Die Begegnung mit Dulcie, einer älteren Dame, die am besten als Freigeist beschrieben werden kann, ist zufällig, im Vorbeigehen. Die beiden ergänzen sich und bringen Licht in das Leben des anderen, sie tun sich gut. Robert hilft ihr auf praktische Art und Weise, repariert dies und das. Dulcie kocht für ihn, lässt ihn bei sich übernachten und – das Wichtigste – eröffnet ihm eine ganz andere Welt als die ihm bekannte, enge Welt.

Schwierig wird es, als Gedichte an Dulcie auftauchen. Benjamin Meyers lässt uns teilhaben an einer Aufarbeitung einer schmerzvollen Vergangenheit und gleichzeitig lässt er Robert erwachsen werden.

„Offene See“ ist ein wunderschönes Buch über den Funken, der manchmal in einem jungen Menschen erst entzündet werden muss und das Glück darüber, eine Funkengeberin zu finden. Es ist auch ein Buch darüber, sich im Alter mit dem Leben auszusöhnen. Alles eingebettet in die Schönheit der Landschaft um Scarborough und Whitby herum, verpackt in eine ruhige, ganz angenehme Sprache. Ich wollte nicht, dass es aufhört.

Für „Offene See“ gibt es eine ganz klare Leseempfehlung von mir – es hat mir auf allen Ebenen gefallen!

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Zeitgeschichte verpackt in einen Roman

Bittere Wasser
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„Bittere Wasser“ ist die Geschichte der Menschen und des Ortes Tann im Erzgebirge. Es ist die Geschichte des Uranabbaus, des Schicksals der Bergleute und im Besonderen, die Geschichte des Mädchens Ida, ...

„Bittere Wasser“ ist die Geschichte der Menschen und des Ortes Tann im Erzgebirge. Es ist die Geschichte des Uranabbaus, des Schicksals der Bergleute und im Besonderen, die Geschichte des Mädchens Ida, einem Zirkuskind.

„Bittere Wasser“ habe ich für die Klimabuchmesse 2023 gelesen, da Tina Pruschmann dort an einer der Veranstaltungen teilgenommen hat. Doch es ist so viel mehr als „nur“ ein Klimabuch. Es ist ein Buch über die Geschichte eines Ortes und der Menschen, die dort leben. Es ist Zeitgeschichte, die ich selbst erlebt habe. Der 26. April 1986, als die Welt wegen der Nuklearkatastrophe im Reaktorblock 4 des Kernkraftwerks den Atem anhielt, der Moment als die Mauer fiel, die Menschen auf dem Maidan in Kyjiv – alles Ereignisse, die innerhalb meiner eigenen Lebenszeit stattfanden und an die ich mich erinnern kann.

Tina Pruschmann gelingt es, Zeitgeschichte mit der Geschichte von Idas Familie zu verweben. Sie erzählt dadurch das Leben der Menschen des kleinen Ortes Tann und gleichzeitig bringt sie die große Politik unter, ohne dass es künstlich erzwungen wirkt. Immer wieder lässt sie zum Beispiel die Geschichte Tschernobyls einfließen, sie schreibt, wie die „Atomstadt“ gebaut wird, sie schreibt von der Katastrophe und am Beispiel Jelenas und Jewhens von den Menschen, die dort lebten.

Auch Tann ist geprägt durch den Bergbau und geprägt durch die Angst vor der „Schneeberger Krankheit“. Es trifft ins Mark, wenn man liest, wie zur Zeit des Uranabbaus damit umgegangen wird, kalt und gefühllos. Der Mensch zählte nicht, nur das, was aus dem Berg geholt wurde.

Es ist unglaublich vielschichtig, was Tina Pruschmann mit „Bittere Wasser“ gelungen ist und auch ihre bandwurmartigen Sätze sind eine Freude beim Lesen. Auch ist es keine laute Geschichte, sondern eher eine leise Geschichte und auch das passt zum Thema, wurde es doch nie laut um den Uranabbau, hat man ihn doch eher verdeckt. Alles in allem eine runde Geschichte, sehr lesenswert!

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