Tolja lebt mit seiner Freundin in einer Einzimmerwohnung in Kyjiw. Das Leben ist nicht so, wie es ihm Gefällt, die Luft ist raus. Und so beschließt er, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Doch nicht durch ...
Tolja lebt mit seiner Freundin in einer Einzimmerwohnung in Kyjiw. Das Leben ist nicht so, wie es ihm Gefällt, die Luft ist raus. Und so beschließt er, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Doch nicht durch die eigene Hand soll er sterben, dafür bringt er nicht den Mut auf. Und so wird im Handumdrehen ein professioneller Auftragsmörder engagiert, eine viel heroischere und tragischere Art zu sterben, wenn man plötzlich ermordet wird, und niemand weiß wieso. Doch an dem Tag, an dem der Anschlag auf sein leben stattfinden soll, lernt er die junge Lena kennen, und plötzlich scheint das mit dem Sterben zu wollen doch nicht mehr so eine gute Idee. Doch, wie den Mörder abbestellen, wenn der jeden Moment zuschlagen könnte.
Hier findet man eine kurze Novelle, die durch atmosphärische Sprache punktet, und dennoch ein recht rasches Lesetempo erzeugen kann. Tolja irrt durchs Leben, man erfährt beim lesen nur hin und wieder ein paar Fakten über ihn. So scheint er arbeitslos zu sein, immer knapp bei Kasse und dem Tag mit durch die Gegend streifen und anderen ruhigen Beschäftigungen zu verbringen. Über die anderen vorkommenden Personen erfährt man ebenso wenig über das bisherige Leben, oder was sie außerhalb der erzählten Sequenzen so tun. Gerade durch diese Existenz im Hier und Jetzt funktioniert die Geschichte aber meiner Meinung nach so gut. Wenig Plotgetrieben - Toljan ist wirklich nur damit beschäftigt, mit seiner Angst jeden Moment getötet werden zu können, beschäftigt - überzeugt das Buch wirklich durch Atmosphäre und Studie um die menschliche Psyche in der Ausnahmesituation des Gewissens zu sterben.
Die Geschichte ist kurze Unterhaltung, literarischer Ausflug und emotionaler und intelligenter Nachklang zugleich, der allerdings mit wenig Geschichte aufwarten kann. Dennoch lesenswert und zu empfehlen.
Eine Kleinstadt in Upstate New York. Ende der Sechziger Jahre befindet sich die Industrie und mit ihr die Stadt im unaufhaltsamen Niedergang. Einst hatte die Lederindustrie Wohlstand und ein sorgenloses ...
Eine Kleinstadt in Upstate New York. Ende der Sechziger Jahre befindet sich die Industrie und mit ihr die Stadt im unaufhaltsamen Niedergang. Einst hatte die Lederindustrie Wohlstand und ein sorgenloses Leben gebracht, doch nun ist nichts mehr davon zu spüren. Man ist darauf bedacht, für das eigene Auskommen und das seiner Familie zu sorgen. Und so geht es auch Anne Grouse. Durch die Mutter und die Pflege ihres kranken Vaters ist sie an die Kleinstadt gebunden. Neben ihren Eltern bereitet auch ihr Sohn und ihr Exmann ihr Sorgen. Hinzu kommt noch, dass sie Gefühle für den Mann ihrer Cousine hegt, ein Traum, der nicht in Erfüllung gehen kann.
Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut, da ich gerne Milieustudien aus den USA des 20. Jahrhunderts lese, und der Klappentext sich sehr nach einer emotionalen Geschichte angehört hat, die meinen Geschmack treffen könnte. Der Einstieg in das Buch fiel mir auch nicht schwer. Der sprachliche Stil des Autors ist einfach wunderbar. Auf atmosphärische Art und Weise wird man beim Lesen in das Setting getaucht und kann sich sowohl räumliche Umgebung, als auch die darin vorkommenden Figuren wunderbar vorstellen. Auch wenn negative Emotionen nicht permanent ausgedrückt werden, so ergibt sich dennoch eine düstere Grundstimmung, die den Verfall des Städtchens alle Ehre macht.
Zwar lernt man recht schnell die Protagonist:innen sehr gut kennen und beginnt eine emotionale Verbindung zu diesen aufzubauen. Die Figurengestaltung ist dem Autor dabei außerordentlich gut gelungen. Jede Figur löst bei mir beim lesen ziemlich starke und eindeutige Emotionen aus. So haben wir Annes verwirrten Exmann, der, auch wenn er extrem verpeilt ist und ständig Schaden anrichtet und eigentlich ein wirklich schlechter Vater ist, sofort ins Herz geschlossen wird. Auf der anderen Seite haben wir aber Annes Mutter, die bei mir mit ihrer unterschwellig bigotten Art, ihrer Naivität und ihrem Unwillen auch nur einmal ihr Hirn zu benutzen, wirklich sehr starke Hassemotionen ausgelöst hat. Ansatzweise wichtige Figuren wären dann noch Anne, deren Sohn Russel und ihr Vater, Harry, der Besitzer eines Diners, das zum zentralen Schauplatz und Treffpunkt der Geschichte wird, oder aber auch Wild Bill, die Personifikation der Probleme der untergehenden Stadt. Jedenfalls schlägt man sich beim lesen mit sehr vielen unterschiedlichen Personen herum, fast schon zu viele, wenn man mich fragt. Denn so bekommt jeder und jede nur relativ wenig "Screentime" was, auch wenn die Charaktere sehr vielschichtig und interessant gestaltet sind, zu einem Zerrupfen der Geschichte führt. Man verliert langsam den Faden darüber, wer nun welche Ziele in der Geschichte verfolgt und für was verantwortlich ist.
Das Problem des Zuvielseins und den damit einhergehenden Verwirrungen ergibt sich auch insgesamt in der Geschichte. Die ganzen Handlungsstränge gehen nie von einem Zentralen Punkt aus, noch finden sie sich jemals zu einem zentralen Punkt zusammen. In den ersten beiden Dritteln des Buches geht das problemlos, am Ende habe ich beim Lesen aber mehr und mehr das Bewusstsein bekommen, dass sich das Buch nicht auf ein finales Ende einstellen wird, sondern jede der Figuren mit ihrer eigenen Geschichte, ihrem eigenen Kampf aufhören wird. Und so war das Ende auch. Nicht ein Ende, sondern eine Hand voll.
Insgesamt kann man das Buch also als eine Zusammenstellung von verschiedenen Geschichten bezeichnen, die alle parallel zu einander ablaufen, einander zeitenweise überlappen und deren Protagonist:innen alle einander kennen. Verwirrend, dennoch emotional, spannend und unterhaltsam. Trotzdem muss ich sagen, dass die Geschichte auch unabhängig von Mohawk stattfinden hätte können. Denn die Stadt dient nur als Szene und Brennglas für die allgemeine Verzweiflung und Abgegrenztheit der Protagonisten
1856: Frankreich sinnt darauf, seine Macht am afrikanischen Kontinent weiter auszubauen. Genauer gesagt steht die endgültige Unterwerfung Algeriens kurz bevor. Doch um einen hohen Verbrauch an eigenem ...
1856: Frankreich sinnt darauf, seine Macht am afrikanischen Kontinent weiter auszubauen. Genauer gesagt steht die endgültige Unterwerfung Algeriens kurz bevor. Doch um einen hohen Verbrauch an eigenem Menschenmaterial zu verhindern gilt es den Mahdi, das spirituelle Oberhaupt der algerischen Saharavölker, auszuschalten oder zumindest zu diskreditieren. Denn dieser ist es, der den heiligen Krieg, den Dschihad ausrufen könnte und somit die französischen Pläne zusätzlich erschweren könnte. Da kommt Henry Lambert ins Spiel. Er ist ein bekannter Trickkünstler und wird von der französischen Regierung nach Algerien entsannt, um mit seinen Zaubertricks der algerischen Bevölkerung zu demonstrieren, dass Frankreich den größeren, mächtigeren, von Allah geküssten Magier auf seiner Seite hätte. Begleitet wird er dabei von seiner jungen Ehefrau, die zunehmend vom Zauber der fremden Kultur und der Arroganz der französischen Besatzer verwirrt wird.
Henry Lamberts Frau Emmeline wird schnell zum Hauptcharakter des Buches. Man begleitet sie bei der Reise durch Algerien und wird unmittelbar mit ihren Erfahrungen, ihrer Wahrnehmung und ihrer Gefühlswelt konfrontiert. Das Buch ist in zwei Teile geteilt. Etwa das erste Drittel beschäftigt sich mit einer noblen Woche, die das Ehepaar Lambert in Mitten des Kaisers und eines elitären Kreises Adeliger verbringt, ein erster Schritt, den Zauberer für die Mission zu begeistern. Hier erscheint Emmeline noch recht naiv, muss sich erst einmal in einer Gesellschaft zurechtfinden, mit der sie zuvor kaum Berührungspunkte hatte, und die ihr mit deren Verhalten und der strengen Etikette nicht gerade sympathisch erscheinen. Zugegebenermaßen hatte ich mit diesem ersten Teil so meine Schwierigkeiten. Wir starten sehr ruhig in die Geschichte, nicht sehr viel passiert in Frankreich, was als spannend aufgefasst werden könnte. Vielmehr liegt der Fokus auf einer Milieustudie der Feierlichkeiten bzw. deren Teilnehmer:innen, die sich insgesamt als nicht so elitär herausstellen, wie sie es gerne wären, und einer Charakterstudie, wie sich die Umgebung auf Emmeline auswirkt.
Diese Milieustudie geht im zweiten Teil nicht verloren, nur dass der wir uns hier in Algerien wiederfinden. Und schon wird das Buch interessanter, auch wenn es immer noch recht ruhig von statten geht. Dafür ist sicherlich schon einmal das exotische Umfeld verantwortlich. farbenfroh wird die neue, unbekannte Umgebung geschildert, die man zusammen mit Emmeline erlebt. Man bekommt das Algerien des Jahres 1856 sehr facettenreich präsentiert und durch die Gedanken Emmelines wird das dortige Leben, explizit die Religiosität und die Spiritualität in direkten vergleich zu Frankreich gesetzt. fahrt nimmt die Geschichte auch auf, dass man nun mitverfolgt, wie Henry seine Shows gestaltet, sich immer neuen Gegebenheiten adaptieren muss, und wie die Darbietungen vom algerischen Publikum aufgenommen werden. Dennoch verliert das Buch nicht seinen ruhigen Tonus. Sicherlich auch, weil wir Emmeline eine sehr besonnene Charakterin gefunden haben, die als Linse der Betrachtung fungiert. Dinge werden anders wahrgenommen und bewertet, als wenn wir vielleicht einen anderen Charakter als Beobachtungsfokus gehabt hätten.
Durch Emmelines Augen übt Brian Moore auf subtile Art Kritik am Kolonialismus. Immer wieder merkt man, dass Emmeline es für einen Fehler hält, mit ihrem Mann sich in diesen Konflikt eingemischt zu haben, generell, dass Europa sich in das algerische Leben eingemischt hat. Sie sieht Kultur und Spiritualität gefährdet und der Gewinn von Rohstoffen und Land kann nicht mit dem durch die Besatzung entstehenden Leid nicht aufgewogen werden.
Ihr Mann hingegen legt eine Charakterentwicklung in die ganz andere Richtung hin. War er am Anfang des Buches ein zurückgezogener Mann, der sich voll und ganz auf seine technischen Spielerein und die Entwicklung neuer mechanischer Puppen fokussiert hatte. So findet sich am Ende ein Henry Lambert, der getrieben vom Wunsch nach Anerkennung und Ruhm ist. Schein und Sein driften immer weiter auseinander, sodass er mehr und mehr die wichtigen Dinge des Lebens aus den Augen verliert. Kurzum: er lässt sich von der Aussicht als größter Magier der Welt zu gelten, immer weiter von den Franzosen einlullen, die dieses Bestreben gesät haben, und dieses nun früchtebringend ausnützen.
Im Generellen stellte sich für mich die Frage nach dem Zweck der Unternehmung. Immerhin basiert die Idee des französischen Kolonialregiemes darauf, mit der Hilfe Henry Lamberts die algerische Bevölkerung dermaßen einzuschüchtern und von ihren bisherigen religiösen Führen abzubringen, sodass diese sich diese widerstandslos kolonialisieren lassen würden. Einem rassistischen Menschen mag dies einleuchten, immerhin liegt diesem Gedanken die Überlegenheit der europäischen Kultur zugrunde. Für alle anderen käme ein Scheitern dieser Pläne auch wenig überraschend.
Nichtsdestotrotz, dass das Buch keinen großartigen Spannungsbogen aufweist würde ich es dennoch als lesenswert beschreiben. Zwar muss man sich auf das Buch einlassen und es wird nur mit Leser:innen funktionieren, die bereit sind, sich auf eine ruhige und reflektierende reise einzulassen, die den eigenen Horizont erweitert. Doch gerade mit dieser Intelligenz, die das Buch ausstrahlt, konnte es mich berühren.
Britannien im Dunklen Zeitalter: Die Insel ist hin- und hergerissen zwischen den einzelnen Königreichen, die sich nach dem Tod des Großkönigs Uther in einem Machtkampf befinden. Denn der Thronfolger ist ...
Britannien im Dunklen Zeitalter: Die Insel ist hin- und hergerissen zwischen den einzelnen Königreichen, die sich nach dem Tod des Großkönigs Uther in einem Machtkampf befinden. Denn der Thronfolger ist erst wenige Monate alt und ein leichtes Opfer für Intrigen. Und so hat Arthur, der Protektor des Großkönigreichs alle Hände voll zu tun, die Lage im eigenen Reich zu beruhigen. Energie, die im fehlt, die von Osten immer zahlreicher heranströmenden Sachsen in Schach zu halten.
Man startet in die Geschichte, indem man erst einmal den Erzähler und wichtigsten Protagonisten Derfel Cadarn kennenlernt. Ein alter und weiser Mönch, der die Geschichte des großartigen Arthus niederschreibt. Und so ist das Buch eine einzige große Nacherzählung des Lebens Derfels, unterbrochen von einzelnen Seuqnzen, in denen man Derfel als alter Mönch erlebt.
Die Haupthandlung beginnt also mit Derfel in jungen Jahren, der in den blutigen Konflikt zwischen den einzelnen Königreichen Britanniens gezogen wird. Man begleitet ihn auf seinem Weg, erlebt wie er zu einem Krieger heranwächst und mehr und mehr über die Mysterien des britannischen Glaubens erfährt. Dabei ist sein Schicksal eng verbunden mit Arthur und Merlin, den wohl bekanntesten Gestalten der britischen Mystik.
Das Buch ist nicht der erste Roman, den ich von Bernard Cornwell lese, neben der Uthred-Saga aber wohl dessen bekannteste Reihe. Dennoch war ich nicht von Anfang an von der Geschichte gefesselt. Mir fiel der Einstieg schwer, gar nicht einmal wegen des Schreibstils, der im Übrigen locker und frisch ist, sich also wunderbar rasch lesen lässt, sondern viel mehr, weil ich anfangs mit der den Zeitsprüngen zwischen dem alten und dem jungen Derfel ein wenig überfordert war. Des Weiteren hatte ich so meine Schwierigkeiten, mich mit den vielen verschiedenen Protagonist:innen auseinanderzusetzen, herauszufinden, wer nun letztendlich von tragender Relevanz für den Fortgang des Buches ist und wer nicht. Ein Dschungel, der sich jedoch recht bald gelichtet hat. Rasch ging es aber voran mit der Handlung. Denn Cornwell fokussiert sich schon rasch darauf, was er besonders gut kann. Und das ist das beschreiben von blutigen Auseinandersetzungen, detailreich ausgeschmückt, ohne dabei die Leserschaft zu ermüden. Rasant fliegen die Seiten dahin und man kommt beim Lesen auf seine kosten. Machtkämpfe innerhalb des Arthurschen Hofstaates stehen an der Tagesordnung und verdrängen eventuelle Handlungsstränge, die sich mit den romantischen Gefühlen der Figuren auseinandersetzen. Denn wer nach romantischer, teils verquerer Zerstreuung in historischem Setting sucht, ist bei Cornwell generell falsch.
Auch kann man besonders anhand von Derfel eine recht interessante Charakterentwicklung erleben, die zu verfolgen beim Lesen sehr viel Spaß gemacht hat. Die Protagonist:innen sind im generellen ein - zumindest für mich - recht interessanter Zeitvertreib. Denn keineswegs wirken sie so, als wären sie als unangefochtene Sympathieträger gestaltet. Vor allem bei Merlin und Arthur habe ich mir recht oft gedacht, dass die beiden recht egoistisch und manchmal dumm handeln, obwohl sie doch eigentlich die britischen Helden sind.
Jedenfalls vermag es Bernard Cornwell mich zu überzeugen, und der erste Roman schreit gerade dazu, den zweiten Teil der Reihe im Anschluss hinten drauf zu lesen. Daher eine Empfehlung für all diejenigen, die gerne in finstere Zeiten und blutige Konflikte abtauchen möchten.
Dr. Samuel Fergusson ist Forschungsreisender mit Leib und Seele. Viel ist er schon in der Welt herumgekommen. Doch nun reizt ihn der afrikanische Kontinent. In den 1860ern befindet sich noch immer in dessen ...
Dr. Samuel Fergusson ist Forschungsreisender mit Leib und Seele. Viel ist er schon in der Welt herumgekommen. Doch nun reizt ihn der afrikanische Kontinent. In den 1860ern befindet sich noch immer in dessen Mitte ein riesiges unerforschtes Gebiet. Doch Fergusson ist allen anderen Weltentdeckern einen Schritt voraus, denn er beginnt seine Fahrt mit einem großen Ballon. Mit dabei: alles was ein ordentlicher Entdecker braucht, seinen Freund Richard Kennedy und seinem treuen Diener Joe.
Der erste der Romane aus dem Zyklus der Reisebeschreibungen Jule Vernes entführt die Leserschaft sogleich in ein fast unberührtes Afrika. Zwar bekommen wir auf sehr trockene und nüchterne Art erst einmal die drei Protagonisten und die Hintergründe zur Reise präsentiert, doch recht schnell schlägt der sprachliche Stil Vernes in einen leitfüßigen Trab um, der es dennoch nicht versäumt, einem beim Lesen die Schönheit der Wildnis und die Sichtungen von Flora, Fauna und lokaler Bevölkerung zu beschreiben. So hat sich bei mir ein enormes Lesetempo ergeben und die Seiten fliegen nur so an mir vorbei. Denn gerade diese Beschreibungen dessen, was unsere drei Ballonfahrer sehen, habe ich nur so in mich aufgesogen. Auch mit technischen Details in Hülle und Fülle wartet der Autor nur so auf. Nach heutigem Verständnis von Technologie und Physik sind diese nicht sehr schwer nachvollziehbar, fraglich, ob das auch zu Entstehungszeiten des Romans so war. Man bedenke, dass das Buch aus dem Jahr 1863 stammt. Das gilt sowohl für den gerade angesprochenen Punkt und denjenigen, mit dem ich mich als nächstes auseinandersetzen werde.
Denn man muss wirklich sagen, dass das Buch einfach ein Kind seiner Zeit ist. Zwar werden im Buch keine explizit pseudowissenschaftlichen Theorien vertreten, allerdings merkt man, dass den afrikanischen Ureinwohnern kaum positive Eigenschaften zugesprochen werden. Die Ballonfahrer philosophieren immer wieder darüber, wie primitiv und kulturlos die Eingeborenen doch sind. Auch scheint es kaum einen Stamm zu geben, der laut Dr. Fergusson keinen Kannibalismus zu praktizieren scheint. Immer wieder kommen die drei in Situationen, in denen sie sich aus den Fängen der Einheimischen befreien müssen, wobei auch der eine oder andere von ihnen dabei unwiederbringlich zu Bruch geht. Nichts desto trotz kommt man gut damit klar, auch wenn es für uns sehr befremdlich ist, so war es für die damaligen Europäer:innen einfach Alltag so zu denken. Ein weiterer Punkt, mit dem ich nicht ganz klargekommen bin, ist die Schiesswütigkeit, die unser lieber Richard Kennedy an den Tag legt. Den er ist leidenschaftlicher Jäger, was sich im Buch stellenweise sehr stark niederschlägt. So meint der gute Herr immer wieder einmal unbedingt den sicheren Ballon verlassen zu müssen, um seine animalischen Triebe des Tötens ausleben zu können. Rückwirkend - mit dem Bewusstsein des ökologischen Desasters, den der Kolonialismus in Afrika angerichtet hat und immer noch anrichtet - wirklich unverständlich.
Eine Kleinigkeit noch wäre, dass unsere drei Protagonisten zwar jeweils einen sehr eindeutigen Charakter attestiert bekommen, wir als Leserschaft aber aufgrund dessen, dass es an zusätzlichen Infos mangelt, auf charaktertechnischer Ebene ziemlich auf dem Trockenen sitzen. Man hätte sich einfach gewünscht, mehr über die drei zu erfahren, seien es optische Merkmale, oder was bis jetzt in ihrem Leben bereits so geschehen ist.
Besagte Kritikpunkte halten sich im Rahmen, auch wenn sie von mir gerade ausschweifend erörtert wurden, denn es ist keinesfalls so, dass der gesamte Lesespaß getrübt worden wäre. Das Buch ist einfach gut geeignet, sich in einer unbekannten und längst versunkenen Welt zu verlieren und sich selbst als Abenteurer vorzustellen. Mit Jules Verne wird man einfach wieder zum Kind.