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Veröffentlicht am 06.10.2023

Faszinierend ist die komplexe Auflösung des Falles

Das barmherzige Fallbeil
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Es ist einige Zeit her, dass ein neuer Kriminalroman um den Pariser Kommissar Adamsberg in Deutschland erschienen ist. Nun ist es soweit. Fred Vargas’ „Das barmherzige Fallbeil“ erschien in Frankreich ...

Es ist einige Zeit her, dass ein neuer Kriminalroman um den Pariser Kommissar Adamsberg in Deutschland erschienen ist. Nun ist es soweit. Fred Vargas’ „Das barmherzige Fallbeil“ erschien in Frankreich in einem neuen Verlag und hat gleichermaßen in Deutschland ein neues Heim gefunden. Für die Freunde von Adamsberg und seinem dienstlichen Partner Danglard hatte das Warten nun ein Ende.

Darum geht es bei diesem neuen Fall: Kommissar Bourlin vom 15. Arrondissement in Paris wird zu einer Leiche gerufen. Doch offensichtlich handelt es sich bei der Toten in der Badewanne um ein Selbsttötungsdelikt. Der zuständige Untersuchungsrichter drängt auf einen schnellen Abschluss der Ermittlungen und das Schließen der Akte. Bourlins Bauchgefühl sagt ihm aber, dass es sich nicht um Selbstmord handelt. Besonders wegen eines ungewöhnlichen Symbols auf dem Waschtisch, ähnlich einem großen „H“, jedoch mit zwei Querstrichen, einem geraden und einem gekrümmten. Bourlin möchte seinen Kollegen Danglard und über diesen Adamsberg von der Kriminalabteilung im 13. Arrondissement, dem Studentenstadtteil Quartier Latin, hinzuziehen. Immer an der Aufklärumng eines Rätsels interessiert sind diese beiden schnell bereit dazu. Mehr durch Zufall gelangen sie auf eine Spur, der sie unbedingt nachgehen wollen. Doch dabei treffen sie auf einen weiteren „Selbstmord“.

Nahezu liebevoll kümmert sich Vargas um die vor Jahren geschaffenen Protagonisten. Auf interessante Weise und in vielen Bildern bringt sie den Lesern die Figuren nahe, sodass es nicht notwendig ist, alle vorhergehenden Vargas-Krimis gelesen haben zu müssen. In knappen Worten beschreibt sie Adamsberg und Danglard in einem Dialog von Bourlin mit einem jungen Kollegen folgendermaßen, was sich in der deutschen Übersetzung dann so liest:
„Wenn wir schon im Dunkeln tappen“, meinte Adamsberg im Fortgehen mit einer laxen Handbewegung, „kann man ja auch mal sagen, was einem so einfällt. Mich erinnert das Ding an eine Guillotine.“

Bourlin sah seinen Kollegen eine Weile an.
„Wundere dich nicht“, sagte er zu seinem Brigadier. „Das ist Adamsberg.“
Als wäre damit alles erklärt.
„Aber dieser Commandant Danglard“, meinte der junge Mann, „was hat der in seinem Schädel, dass er das alles weiß?“
„Weißwein.“


Es sind nicht nur die Spannung und die Beliebtheit von Adamsberg, die den Leser an die Geschichte kleben, sondern auch der leise Humor, vom ersten Satz an festklammert. Die Dialoge, die normaler Gespräche genauso wie Frotzeleien unter Kollegen widergeben, sind fortwährend unterhaltsam. Mit zwei Ausnahmen: Die Gespräche mit dem Präsidenten der Robespierre-Gesellschaft weckten kein besonderes Interesse in mir. An diesen Stellen hatte ich eher das Gefühl, als wolle die Schriftstellerin oberlehrerhaft den Lesern ein Stück der Geschichte Frankreichs vermitteln. Ein Straffen dieser Sequenzen hätte dem Roman gutgetan. Das betrifft auch die Passagen über Island und dessen Mythologie, bei denen sich Vargas genauso zu verzetteln scheint, wie es Adamsberg von dessen Kollegen vorgeworfen wird. Diese Passagen führen bei mir als Vargas-Fan leider zu Punktabzug.
Belohnt wird der Leser schließlich mit der Auflösung der einzelnen Konflickte und Irrwege, beispielsweise die Herkunft von Victor und Amédee oder die Geschehnisse auf der isländischen Insel vor mehreren Jahren. Faszinierend schließlich die komplexe Auflösung des Falles, die Adamsberg seinen Kollegen erläutert. Man kommt als Leser nicht umhin, zuzustimmen, wenn er sagt, dass sie, seine Kollegen, auch alles gewusst haben und nur die richtigen Schlüsse hätten ziehen müssen. Als Leser ging es mir genauso. Ich erinnerte mich an die gelesenen Passagen und fragte mich, warum ich nicht auf die Lösung gekommen bin. Wenn das keine Empfehlung wert ist!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2015

Veröffentlicht am 14.08.2023

Isabelle, genannt Izzy

Was verborgen ist
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In diesem Psychothriller von Stacy Willingham geht es um die Mutter Izzy und er strotzt nur so von Geheimnissen und Wendungen. Er bleibt damit nicht hinter »Das siebte Mädchen« derselben Autorin zurück.

In ...

In diesem Psychothriller von Stacy Willingham geht es um die Mutter Izzy und er strotzt nur so von Geheimnissen und Wendungen. Er bleibt damit nicht hinter »Das siebte Mädchen« derselben Autorin zurück.

In einem guten Roman ist es so, dass man das, was man am Anfang liest, für oberflächlich und banal hält, angesichts der Überraschung und Tragweite, die die fortschreitende Geschichte noch offenbaren wird.

364 Tage sind vergangen, dass der Sohn Mason verschwunden ist. Seine Mutter Isabelle geht von einer Entführung aus. Die Ehe mit dem Vater Ben ist zerbrochen. Ben glaubt, dass Mason tot ist und hat inzwischen eine neue Beziehung aufgebaut, die ihm über den Verlust hinweghilft.

Izzy sucht weiterhin nach dem verschwundenen Sohn. Sie will dafür sorgen, dass er im Gespräch bleibt und die Polizei ihre Ermittlungen keinesfalls einstellt. Das macht sie, indem sie öffentlich auftritt und Vorträge hält. Immer, wenn sich eine Möglichkeit bietet, über das Verschwinden ihres Sohnes zu erzählen, nimmt sie diese wahr.

Stacy Willingham erzählt den Thriller aus der Perspektive von Isabelle. So, wie Isabelle immer wieder von neuen Enthüllungen überrascht wird, werden auch die Leser überrascht. Immer wieder bröckelt etwas von den Geheimnissen ab.

In der Rückblende wird eine Geschichte erzählt, die vielleicht für eine Erklärung sorgt. Und dann stellt sich heraus, dass Izzy schlafwandelte, immer schon, auch als Kind. Selbst ihre jüngere Schwester hatte Angst vor ihr, wenn sie nachts durch die Wohnung geisterte.

Vieles stimmt plötzlich nicht mehr, was man bis dahin für stimmig und plausibel gehalten hat. Stacy Willingham ist eine Meisterin darin, die Leser mit falschen Informationen zu füttern. Wenn die Protagonistin davon aus ausgeht, dass etwas richtig ist, so möchte man ihr unbedingt zustimmen. Bis dann …

Es macht unheimlich Spaß, sich in diesem Roman zu vertiefen. Ich habe ihn sehr gerne gelesen und kann ihn nur empfehlen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

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Veröffentlicht am 27.06.2023

WIRTSCHAFTSTHEMEN SORGEN FÜR UNRUHE

Die Reise nach Paris
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In diesem Roman gibt Louise Penny das Motto "Das Schiff schwankt, aber geht nicht unter." vor. Es zieht sich durch den gesamten Roman. Wenn man manchmal denkt, dass es für Chief Inspector Armand Gamache ...

In diesem Roman gibt Louise Penny das Motto "Das Schiff schwankt, aber geht nicht unter." vor. Es zieht sich durch den gesamten Roman. Wenn man manchmal denkt, dass es für Chief Inspector Armand Gamache dieses Mal nicht gut ausgehen wird, sollte man sich an das Motto erinnern.

Wie für Louise Penny üblich, nähert sich dieser Roman überaus bedächtig den Elementen eines Krimis an. Doch es wird ein spannender und rätselhafter Wirtschaftskrimi. Versprochen!

Gamache ist mit seiner Frau Reine-Marie gereist, um die Geburt eines weiteren Enkels zu erleben und zu feiern. Beide Kinder von Armand und Reine-Marie leben inzwischen in Paris. Der Mann von Annie – Jean-Guy – hatte vor Monaten einen Job in der Wirtschaft bekommen und die Kripo in Quebec verlassen. Er war jahrelang Partner von Armand, Schwiegersohn und Ziehsohn.

Ziehsohn war Jean-Guy schon vor vielen Jahren geworden, weil der leibliche Sohn Daniel nichts von seinem Vater wissen will. Beide Eltern wissen nicht, warum Daniel eine Mauer um sich aufbaut, sobald er auf seinen Vater trifft. Aber der hat es in all den Jahren nicht geschafft, diese Mauer einzureißen. Auch Daniel lebt mit seiner Familie in Paris, als Banker für Risikokapital.

Als die gesamte Familie eines Abends nach dem gemeinsamen Essen auf die Straße tritt, rast ein Lkw durch sie hindurch. Viele können ausweichen, jedoch Armands Patenonkel – Stephen Horowitz – wird erwischt. Im Lichterglanz des Eiffelturms wird er schwer verletzt. Gamache ist sich sicher, dass das kein Unfall war.

Während der millionenschwere Patenonkel im Koma liegt, zapft Armand seine Verbindungen zur Pariser Polizei an und versucht, sie davon zu überzeugen, dass es sich um einen Mordversuch gehandelt hat und sie in dieser Richtung ermitteln müssen.

Parallel beginnt er mit seinem Schwiegersohn, dem ehemaligen Leiter der Kripo in Quebec, zu ermitteln. Der Sumpf, den sie austrocknen müssen, kann kaum grösser sein. Sie decken Geheimnisse des Patenonkels auf, die sie so nicht erwartet hatten. Und auch die Firma, für die Jean-Guy jetzt arbeitet, steckt tief im Dreck.

Nebenbei versucht Armand das Verhältnis zu seinem Sohn Daniel zu kitten. Aber es scheint immer schlechter zu werden, denn Daniel scheint jeden Satz seines Vaters misszuverstehen.

Schließlich wird die gesamte Familie dermaßen in den Fall hineingezogen und bedroht, wie sie es noch nie erlebt hatten, obwohl Gamache immer schon als Polizist in Gefahr war.

Louise Penny hat es mit den Ingenieuren und so wundert es nicht, dass es wieder sehr technisch wird. Gemächlich fängt es mit der Familie an und die Leser werden mit allen bekannt gemacht. Andere Romane mit Armand Gamache sind absolut nicht notwendig, um diesen Roman zu verstehen. Man nimmt den Status so, wie er ist und kann sich erfreuen, dass er auch in der heutigen Zeit, etwa in den 2010er Jahren spielt.

Die Ermittlungen drehen sich um vieles und führen die Leser in die irre, denn Louise Penny hat tief gegraben, um den Figuren eine Biografie zu geben.

Mit jeder Seite, die man umblättert, wird man tiefer in das Geschehen gezogen. Bis es am Ende ziemlich nervenaufreibend und voller Action wird.

Selbst dem Pariser Flair hat die Autorin viel Aufmerksamkeit geschenkt, was ihn nicht zuletzt zu einem Paris-Roman werden lässt, den ich sehr gerne gelesen habe.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

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Veröffentlicht am 01.06.2023

Spiel mit den Rückblenden

Die Affäre Alaska Sanders
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Dies ist der Nachfolgeroman von »Die Wahrheit über Harry Quebert« von Joël Dicker. Es hat viele Jahre gebraucht, bevor sich Joël Dicker dazu aufraffte, eine Fortsetzung zu schreiben. »Die Wahrheit über ...

Dies ist der Nachfolgeroman von »Die Wahrheit über Harry Quebert« von Joël Dicker. Es hat viele Jahre gebraucht, bevor sich Joël Dicker dazu aufraffte, eine Fortsetzung zu schreiben. »Die Wahrheit über Harry Quebert« ist ein ganz besonderer Kriminalroman, was ich damals schon geschrieben hatte. Er weicht von so vielen Regeln für Autoren ab und wirkt deshalb umso spannender und fesselnder.

Mit »Die Affäre Alaska Sanders« knüpft Joël Dicker an diese ungewöhnliche Konstruktion eines Kriminalromans an. Das ist auch der besondere Stil dieses Schriftstellers. Auf die Figuren des vor einigen Jahren erschienenen Romans zurückzugreifen, ist ein Trick, um alte Leser wieder zurückzugewinnen. Ein hilfreicher Trick, der meiner Meinung nach zu funktionieren scheint.

Der Schriftsteller Marcus Goldmann hatte vor zwei Jahren (2008) den Fall um den Schriftsteller Harry Quebert erfolgreich gelöst. Sein daraus resultierender Krimi war überaus erfolgreich. Sein Verleger liegt ihm heute noch ständig in den Ohren, endlich den nächsten Roman zu schreiben. Doch Markus weiß nicht so recht, wie er starten soll.

Ein Polizist, den Markus aus den Ermittlungen von 2008 kennt, ruft ihn an und bittet ihn um Hilfe, einen elf Jahre alten Fall zu lösen. Irgendetwas stimmt damit nicht, obwohl ein Täter hinter Gittern sitzt. Marcus wäre eine Hilfe, die alten Akten mit neuen Augen zu sichten. Markus lässt sich darauf ein. Im Jahre 2010, der Gegenwart im Roman, ermittelt er in einem Fall von 1999 zusammen mit einem Cop von damals. Sein damaliger Freund Harry Quebert bleibt verschwunden. Bis Markus eigenartige Botschaften von dem erhält.

Aus der Handlung möchte ich nicht mehr erzählen, da jeder weitere Satz zum Spoilern führen kann. Das liegt an der Komplexität der Verwicklungen. Wer wie und wann mit wem verbunden ist, erschließt sich nämlich erst ganz am Ende.

»Die Affäre Alaska Sanders« ist ein Roman über menschliche Beziehungen. Er ist ein Kriminalroman, indem klassisch ermittelt wird. Die Ermittler sind ein Schriftsteller, ein erfahrener Polizist und eine noch relativ junge Polizistin. Aber dieser Krimi ist trotz aller Rätsel und Spekulationsmöglichkeit wahrlich kein Cosy Crime.

Ich würde diesen Roman auch nicht als Thriller bezeichnen, denn als Leser erlebt man nicht die Taten des Täters mit. Sie werden einem nur aus der Sicht anderer Leute, vorrangig dem Schriftsteller Marcus Goldmann, erzählt.

Damit sind wir beim Stil des Romans. Marcus Goldman erzählt uns seine Erlebnisse im Jahr 2010 wie in einem Tagebuch. Die Ermittlungen und die Handlung in 2010 stellen die aktuellen Gegenwart dar und verlaufen in chronologischer Reihenfolge.

Das heißt aber nicht, dass Joël Dicker mit all seinen Rückblenden bis nach 1998 zurück kein Chaos und keine Verwirrung schafft. Aus der Erzählung des Protagonisten als Erzähler wird immer wieder in die Vergangenheit gesprungen, um das vergangene Geschehen unabhängig darzustellen. Dafür benutzt Dicker meist den auktorialen Erzähler. Eine solche Rückblende dauert manchmal nur wenige Absätze und kehrt urplötzlich wieder in die Gegenwart 2010 zurück.

Dieses Spiel mit den Rückblenden ist schon deshalb verwirrend, weil es sehr verschiedene Zeiten sind, die sich aber datumsmäßig durchaus überschneiden können, wie zum Beispiel der 30. August 1998 und der 30. August 2010. Zusätzlich versucht Dicker die Leser, die »Harry Quebert« nicht kennen, mit dem Fall aus 2008 bekannt zu machen, damit sie den reibungslosen Anschluss als Folgeroman schaffen können. Als Leser muss man schon viele Seiten hinter sich lassen, um sich in ruhigere Fahrwasser des Romans begeben zu können. Irgendwann hat man sich auch an die Zeitsprünge gewöhnt und weiß, was zu welcher Handlung gehört.

Dass man den Faden nicht verliert, ist auch wieder einem Stilelement des Autors. Es gibt immer wieder Zusammenfassungen zum Stand der Ermittlungen. Das, was man als Leser schon für sich zusammengefasst hat, wird somit nochmals bestätigt. Man erfährt, dass man mit seinen Gedanken und Spekulationen auf der richtigen Spur liegt. Man folgt den Ermittlungen, es ist alles plausibel. Bis irgendwann alles neu gedacht werden muss?

Einerseits hielt ich so manche Zusammenfassung für überflüssig, sie mögen redundant erscheinen. Andererseits kann ich verstehen, dass sie auch so manchem Leser helfen, aus dem stets anders interpretierten Fakten, Indizien und Beweisen den richtigen Weg zu finden.

»Die Affäre Alaska Sanders« ist ein unheimlich spannender Roman, der den Leser einfängt, ihn bis zum Ende zu lesen. Wer den Vorgänger kennt, kann sich auf ebenso verwickelte Geschichte und das Wiedersehen mit alten Bekannten freuen. Das Lesen des Vorgängers ist aber für das Verständnis dieses Romans nicht zwingend notwendig.

»Die Affäre Alaska Sanders« ist wieder ein Roman, der die Geschichte erzählt, wie er selbst entsteht. Damit suggeriert er eine wahre Geschichte und macht diese Geschichte zu einem erfolgreichen Roman. Einfach nur klasse!!!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

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Veröffentlicht am 12.05.2023

Mit Flora Sykes durch die Sommernächte in Paris

Sommernächte in Paris
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Mein erster Roman von Karen Swan überraschte mich mit einer Spannung, die ich so nicht erwartet hatte. Dabei war ich tatsächlich über einige Sätze im Klappentext auf diesen Roman aufmerksam geworden, die ...

Mein erster Roman von Karen Swan überraschte mich mit einer Spannung, die ich so nicht erwartet hatte. Dabei war ich tatsächlich über einige Sätze im Klappentext auf diesen Roman aufmerksam geworden, die in mir den Wunsch erweckten, ihn besprechen zu wollen. Ich glaube, es wird nicht mein letzter Roman dieser Autorin gewesen sein.

Flora Sykes ist Kunstagentin und jettet durch die Welt, um für ihre Klienten Kunst zu kaufen oder zu verkaufen. Sie ist Experten auf dem internationalen Parkett der großen Auktionshäuser. Ihr Vater war Auktionator bei Christie’s. Kunst steckt ihr im Blut.

Floras Chef betraut sie mit einem ungewöhnlichen Fall. In Paris war eine Wohnung aufgefunden worden, die über siebzig Jahre nicht betreten worden war. Die Besitzer haben nicht gewusst, dass ihnen diese Wohnung in Montparnasse gehört, und es ist ihnen laut Testament verboten, diese Wohnung zu betreten. Diese Familie ist eine der reichsten und prominentesten Frankreichs. Sie beauftragen Floras Agentur, die Wohnung in Augenschein zu nehmen.

Flora betritt mit ihrem Chef die überaus verstaubte Wohnung und sie treffen auf mehrere hundert Gemälde und andere Kunstwerke. Darunter einige überaus wertvolle, unter anderem zum Beispiel von Renoir. Flora wird beauftragt, die Herkunft der Gemälde zu recherchieren. Doch was sie dabei herausfindet, ist so umwerfend und unfassbar, dass nicht nur die Auftraggeber in ein Chaos stürzen.

Ich muss zugeben, dass ich keinen Krimi erwartet hatte. Genau genommen ist es auch keiner. Aber die Recherchen zur Provenienz der Kunstgegenstände gleichen den Ermittlungen bei einem Mordfall in einem Kriminalroman. Vor lauter Spannung fliegen die Seiten nur so durch die Finger.

Karen Swan hat einen sehr vielfältigen Plot für diesen Roman angelegt. Die Ermittlungen zur Herkunft der Gemälde führt zur Aufdeckung von Familiengeheimnissen. Nebenbei gibt es Männer, die der Protagonistin den Kopf verdrehen, obwohl sie es nicht will. Ihren Ruhepol findet Flora bei ihren Freunden. Und dann gibt es da noch Floras Bruder, der in einer großen Klemme steckt. Seine Geschichte erfahren die Leser aus den Telefonaten und den Gedanken, die die Protagonistin mit und um ihn führt. Doch auch dieser Strang wird am Ende geschlossen. Das ist sehr komplex und unheimlich interessant.

Zwar hatte ich nach etwas mehr als die Hälfte der Geschichte das Gefühl, dass alle Geheimnisse um die Kunst gelüftet waren und es sich „nur noch“ um einen Liebesroman handelte, weil dieser eine Strang in den Vordergrund trat. Ich wurde allerdings eines besseren belehrt und die Geschichte drehte sich erneut und kehrte zu den Familiengeheimnissen mit wesentlich mehr Schwung zurück.

Schließlich spielt der Roman größtenteils in Paris. Dafür bringt Karin Swan jede Menge Lokalkolorit hinein. Beim Lesen genießt man die Spaziergänge zwischen Oldtimern, in Pariser Gassen, die von der Sonne ins rechte Licht gerückt werden. Man spürt die Sonnencreme, die aufgetragen wurde und schnuppert die Parfüme der Frauen, an denen man vorbeigeht. Karen Swan beschreibt alles, was zum Paris-Gefühl gehört.

Der Roman, den ich ursprünglich wegen seines Pariser Flairs lesen wollte, hat mich mit seiner überraschenden Spannung total überzeugt. Leser, die knifflige und komplexe Romane nicht scheuen, sollten ihn unbedingt lesen.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2023

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