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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.05.2023

Trotz kleinerer Kritikpunkter wahnsinnig unterhaltsam!

Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann
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Da im Juni ja schon der zweite Teil von "Vergissmeinnicht" herauskommt, haben Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) und ich beschlossen, endlich mal den ersten Teil als Buddyread zu lesen. ...

Da im Juni ja schon der zweite Teil von "Vergissmeinnicht" herauskommt, haben Sofia (ihr wisst schon, von @SofiasworldofBooks😊) und ich beschlossen, endlich mal den ersten Teil als Buddyread zu lesen. Und das war eine super Idee. Denn "Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" ist ein abwechslungsreicher, humorvoller YA-Roman, mit dem ich trotz kleiner Kritikpunkte wahnsinnig viel Spaß hatte!

Schon die Gestaltung des Buches ist wahnsinnig toll. Das bunte, verspielte Cover mit den vielen kleinen Details vor einem schwarzen Sternenhimmel gefällt mir schon sehr gut. Wirklich toll ist, dass das Buch auch unter dem Schutzumschlag ausgestaltet ist und selbst die Buchinnenseiten mit bunten Mustern und Sprüchen bedruckt sind. Hübsch gestaltete Kapitelanfänge, ein lustiges Nachwort, ein hilfreiches Glossar am Ende und eine recht große Schrift runden den Gesamteindruck ab. Nur den Titel finde ich ein wenig irreführend. Klar, Vergissmeinnichts kommen kurz im Buch vor, sind aber weder Hauptmotiv noch besonders wichtig für die Geschichte. Auch die Bedeutung des Untertitels erschließt sich mir nicht wirklich. Aber man muss ja nicht alles verstehen... Irgendwas wird sich der Fischer Verlag schon dabei gedacht haben...

Erster Satz: "Einen Gin Tonic - nein, zwei, bitte!"

Wir steigen mit einer Party in die Geschichte ein, die das Leben unserer Hauptprotagonisten für immer verändern wird. Nach einer Verfolgungsjagd und einem Zusammenstoß mit einem Auto liegt Quinn im Koma und muss sich seinen Weg zurück ins Leben kämpfen, während er seltsame Dinge sieht, über die er nicht sprechen kann, weil man ihn sonst für verrückt halten würde. Als er sich durch Zufall seiner Nachbarin Matilda anvertraut, geraten die beiden in ein Abenteuer, mit dem sie nicht gerechnet hätten...

Kerstin Gier erzählt abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren Quinn und Mathilda, wie sie sich ihrem alltäglichen Wahnsinn, aber auch den neuen Kontakten aus einer bisher unbekannten Fantasy-Welt stellen und sich dabei näherkommen. Ähnlich wie in ihren anderen Reihen offenbart sich den Figuren mitten in ihrem bekannten Alltag eine magische Welt, mit der sie stärker verbunden sind als gedacht. Realität und Fantasy halten sich hier also etwa die Waage und es geht genauso viel um Reha, Kirchenbesuche, nervige Verwandtschaft und erste Liebe wie um magische Portale, Prophezeiungen und phantastische Kreaturen. Das Konzept des "Saums", der als Geisteswelt jenseits der greifbaren, körperlichen Realität existiert und Heimat von Saumwesen, Geistern und Arkadiern ist, erschien mir dabei sehr gut durchdacht und vereint ein bisschen von allem, was das Fantasy Genre so zu bieten hat. Feen, Drachen, Kobolde, Werwölfe, Geister, Wasserspeier - you name it und es lebt bestimmt irgendwo im Saum. Wie universal das Worldbuilding wirklich ist, kann man auch an den vielen kleinen Crossovers und Anspielungen auf bestimmt 20 andere Buchreihen und Fantasywelten - darunter auch Silber und die Edelsteintrilogie - erkennen. Besonders gefreut habe ich mich über das Auftauchen eines gewissen kleinen Wasserspeiers...

Was die Saumwesen genau von Quinn wollen, was es mit einer rätselhaften Prophezeiung wirklich auf sich hat, ob Matilda wirklich nur durch Zufall eingeweiht wurde und wem die beiden vertrauen können, erfahren wir hier allerdings noch nicht. Für meinen Geschmack hätte die Autorin hier gerne schon mehr Fragen beantworten können, denn eigentlich sind wir am Ende der 480 Seiten fast genauso schlau wie zu Beginn. Nicht nur daran merkt man der Geschichte stark an, dass es sich um einen Auftaktband handelt. Gerade zu Beginn braucht die Geschichte ein wenig, um in Gang zu kommen und wirklich tief in das Abenteuer tauchen wir hier ebenfalls noch nicht ein. Erzähltempo und Handlungsdichte sind also nicht wahnsinnig hoch - aber wir haben es hier ja auch mit YA-Romantasy zu tun und keinem Actionabenteuer und der Spanungsbogen wird dennoch von Anfang bis Ende aufrechterhalten.

Einer der Hauptgründe, weshalb nichts, was die Autorin jemals schreiben könnte, langweilig sein könnte, ist ihr Schreibstil. Kerstin Gier schreibt einfach unverwechselbar lockerleicht, jugendlich und humorvoll, dass man auf jeder Seite großen Spaß hat. Egal ob kreative Wortneuschöpfungen, kuriose Begegnungen mit Leopold und Luise, Probleme mit der Autokorrektur oder haarsträubende Spitznamen - ich habe beim Lesen durchgängig vor mich hin geschmunzelt und teilweise schallend gelacht. Klar, ihre Witze sind manchmal ein wenig auf die Spitze getrieben und es werden auch viele Klischees verarbeitet, die nicht wirklich entkräftet werden (ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass streng katholische Psychotherapeutinnen sich vielleicht ein wenig beleidigt von dem Buch fühlen könnten😂😂 - Ich hoffe mal sehr, dass das Bild der Autorin von Psychotherapie einem anderen entspricht und sie sich nur für das Buch die künstlerische Freiheit genommen hat, die Therapeutin von Quinn wie eine fiese Furie darzustellen.). Unterm Strich bleibt jedoch ein sehr positiver Eindruck von ihrem Schreibstil zurück.

Ein zweiter Grund sind die Figuren, die mal wieder total sympathisch, total greifbar und lebendig sind. Die Nebenfiguren wirken dabei zwar manchmal etwas klischeehaft - besonders die strengkatholischen Martins, die alle gleich aussehen, sind wie lebendige Memes - die meisten muss man aber einfach gernhaben. Besonders unsere beiden Hauptfiguren haben mir sehr gut gefallen. Während Matilda mit ihrer neugierigen, aufgeklärten Art das schwarze Schaf in ihrer bibeltreuen, engstirnigen Familie ist, war Quinn bis zu dem Unfall wohl behütet und allseits beliebt. Sie arbeitet ehrenamtlich in der Gemeinde, er machte in seiner Freizeit gerne Parcours. Sie leidet darunter, ständig mit ihren nervigen Cousinen verwechselt zu werden, er unter den Gerüchten und den mitleidigen Blicken seiner ehemaligen Freunde. Auf den ersten Blick scheinen die beiden nicht besonders gut zusammen zu passen, entwickeln im Laufe der Geschichte aufgrund der sich gegenseitig verhassten Familien (die "Teufelsbraten" gegen die "biblischen Plagen") aber eine unterhaltsame Romeo-und-Julia-Dynamik. Die Romanze bleibt hier noch in ihren Anfängen und ist sehr jugendlich geschrieben. Das passt gut zu den Figuren, die zwar knapp 18 Jahre alt sind, auf mich aber deutlich jünger wirkten, und lässt genügend Raum für weitere Entwicklungen in Band 2.

Auf eben diesen zweiten Band müssen wir nun zum Glück nicht mehr allzu lange warten. Denn nach dem spannenden, wenn auch etwas konstruierten Showdown bin ich nun sehr gespannt, wie es mit Quinn und Matilda weitergeht!


Fazit:


"Vergissmeinnicht - Was man bei Licht nicht sehen kann" überzeugt neben der tollen äußeren Gestaltung auch mit einem gut durchdachten Worldbuilding, Eastereggs, einem humorvollen Schreibstil und lebendigen Figuren! Trotz leichter Schwächen wie offene Fragen und klischeebehaftete Nebenfiguren hatte ich großen Spaß mit der Geschichte und bin sehr gespannt auf Band 2!

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Veröffentlicht am 05.04.2023

Starke High-Fantasy einer deutschsprachigen Autorin!

Alia (Band 4): Das Auge des Drachen
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Handlung: Mit der "Alia"-Reihe, die mir von einer Freundin empfohlen wurde, habe ich mal wieder einer High-Fantasy-Reihe einer deutschsprachigen Autorin eine Chance gegeben. Die Schweizerin Corinne M. ...

Handlung: Mit der "Alia"-Reihe, die mir von einer Freundin empfohlen wurde, habe ich mal wieder einer High-Fantasy-Reihe einer deutschsprachigen Autorin eine Chance gegeben. Die Schweizerin Corinne M. Spoerri entführt in ihrer fünfbändigen Reihe nach Altra, das von Magiern, Elfen, Zwergen, Drachen, Gorkas und vielen weiteren magischen Kreaturen besiedelt ist. Dabei sind zwar einige Ähnlichkeiten zu bekannten Büchern wie beispielsweise "Tribute von Panem" (Arena im ersten Teil), "Der Herr der Ringe" und "Eragon" (Greife und Drachen) zu erkennen und auch der grundsätzliche Aufbau mit einer Heldenreise, wechselnde Gefährten und einer Prophezeiung sind keine Neuheiten in diesem Genre. Da die Autorin den bekannten Erzählstoff in jedem Band mit neuen Ideen und abwechslungsreicher Handlung aufpeppt, bin ich Alia dennoch gerne auf ihr Abenteuer gefolgt. Seien es Fahrten auf einem Piratenschiff, unheimliche Begegnungen im Inneren eines Berges, Flüge auf Greifen zu entfernten Drachenhorsten, Märsche durch die Wälder der Elfen, knallharte Überlebenskämpfe in der Wüste oder magische Schlachten gegen unmögliche Gegner - hier passiert immer etwas, um die Handlung in Gang zu halten. Zu meiner großen Überraschung wurde die Erzählung dabei mit jedem Band besser und konnte das hohe Niveau der Handlung dann auch bis zum letzten Band halten. Etwas enttäuscht war ich allerdings vom Ende, da die Geschichte nach einem netten Showdown über 250 Seiten ins Ziel plätschert.

Figuren: Alia ist eine Figur, die mit der Geschichte, ihrem Alter, ihren Erfahrungen und dem Schreibstil der Autorin stark wächst. Habe ich sie am Anfang für ihre Naivität noch ein wenig belächelt, ist sie am Ende starke und reife Protagonistin, auf die man stolz sein kann. Über die ca. 3000 Seiten der Reihe hinweg bestreitet sie unzählige Abenteuer mit unterschiedlichen Begleitern an ihrer Seite, von denen mir einige sehr stark ans Herz gewachsen sind. Besonders toll fand ich dabei den Elfenkapitän Maryo und den Zwerg Ogrem. Mit den wechselnden Männern an ihrer Seite konnte ich mich allerdings nicht wirklich anfreunden und war über weite Strecken der Handlung von dem Liebesdreieck um den Elfen Reyvan und den Schwarzmagier Zaron genervt. Davon abgesehen, dass das emotionale Hin und Her die Handlung ausbremst, ist es wohl kaum glaubwürdig, dass zwei jahrhundertalte Männer um die Liebe einer Teenagerin buhlen. Dass einer Alia schon als Säugling gerettet hat und zudem etwas mit ihrer Mutter hatte während der andere sich ununterbrochen unreif, triebgesteuert und arrogant verhält, machte es für ich nicht unbedingt besser. Statt hier die wenig nachvollziehbare Insta-Love breitzutreten und Alia von der Hilfe eines Mannes abhängig zu machen, hätte ich eine dezente Liebesgeschichte im Hintergrund besser gefunden. Die so entstandene Lücke hätte die Autorin gerne dazu nutzen können, Alia eine starke weibliche Freundin zur Seite zu stellen. Die weiblichen Freundschaften, die sie schließt, sind nämlich recht ähnlich und im Großen und Ganzen eher vernachlässigbar.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin verbessert sich stark über die Reihe hinweg. Zu Beginn empfand ich einige Formulierungen noch als etwas umständlich, im Laufe der Zeit wurde die Ausdrucksweise immer präziser, die Landschaftsbeschreibungen immer malerischer, die Emotionen der Figuren natürlicher und das Erzähltempo flüssiger. Die Autorin erzählt den Großteil der Geschichte aus der Ich-Perspektive von Hauptfigur Alia, wechselt einige Mal jedoch die Erzählperspektive und lässt andere Figuren zu Wort kommen. Auf verschiedene parallele Handlungsstränge lässt sich C.M. Spoerri leider aber dennoch bis zum letzten Band nicht ein. Besonders in den Bänden 3 und 4 hätte die Geschichte in meinen Augen von häufigeren Ausflügen in andere Erzählperspektiven (z.B. Reyvans während der Schlacht der Elfen gegen Xenos) profitiert. Ansonsten möchte ich noch das Worldbuilding loben, welches in genau dem richtigen Tempo immer weiter ausgebaut wird, sodass ich Altra am Ende gar nicht mehr verlassen wollte. Zum Glück muss ich das auch nicht, da es mit "Die Legenden von Karinth" und der "Greifen"-Reihe noch weitere Spinn-Off-Reihen der Autorin gibt, die ein Wiedersehen mit unseren Figuren und der magischen Welt von Altra ermöglichen.


Das Urteil:


Die fünfbändige High-Fantasy-Reihe "Alia" überzeugt mit einer abwechslungsreichen Handlung, einer bunten Welt, facettenreichen Figuren und einem Schreibstil, der sich über die Bände hinweg stark verbessert. Aufgrund von Ähnlichkeiten zu anderen Reihen, dem für mich eher schwachen Ende und dem nervigen Liebesdreieck, ziehe ich in der Gesamtbewertung einen Stern ab.

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Veröffentlicht am 07.03.2023

Eine Slowburn Enemies-to-Lovers-Romanze mit überraschendem Witz und emotionalem Tiefgang

Das irrationale Vorkommnis der Liebe – Die deutsche Ausgabe von »Love on the Brain«
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Handlung: Nachdem mir "The Love Hypothesis" so gut gefallen hat, habe ich beschlossen, die anderen Bücher von Ali Hazelwood ebenfalls zu lesen. Angefangen habe ich mit "Love on the Brain", welches mich ...

Handlung: Nachdem mir "The Love Hypothesis" so gut gefallen hat, habe ich beschlossen, die anderen Bücher von Ali Hazelwood ebenfalls zu lesen. Angefangen habe ich mit "Love on the Brain", welches mich sogar noch mehr überzeugen konnte als ihr erstes Werk. Genau wie "The Love Hypothesis" besteht auch die Geschichte von Bee und Levi praktisch nur aus Tropes - Haters-to-Lovers, Slowburn, Forced Proximity, Grumpy-and-Sunshine -, welche gepaart mit minimalen Krimielementen und einer geheimen Internetidentität einen insgesamt recht vorhersehbaren Plot ergeben. Wurde ich inhaltlich überrascht? Nicht wirklich. Erzählt die Autorin hier etwas Neues? Muss ich ebenfalls verneinen. Habe ich diese charmant, unterhaltsam und gewitzt erzählte Geschichte trotzdem mit jeder Seite mehr geliebt? Auf jeden Fall! Ali Hazelwood erzählt hier abermals eine Romanze mit überraschendem Witz und emotionalem Tiefgang, in der zwei sozial unbeholfene Wissenschaftler von Feinden, zu Freunden, zu Liebenden werden.

Schreibstil
: Passend zum Titel und Bees Forschungsfeld sind die 25 Kapitel von "Love on the Brain" mit einer Gehirnregion und einer im Kapitel vorkommenden Emotion oder Kognition benannt. Mit 354 Seiten ist die Geschichte etwas länger als "The Love Hypothesis", dennoch bin ich geradezu durch die Seiten geflogen. Denn Ali Hazelwood schreibt frisch, unterhaltsam und versteht es ihr Academia-Setting mit einem charmanten Augenzwinkern auf den Punkt zu bringen. Sehr gut gefallen hat mir auch, dass die Autorin hier auch auf die Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft und die großen und kleinen Problemen, die sich daraus ergeben, eingeht. Besonders gelacht habe ich dabei über die kreativen Begriffe wie WurstFest™, Cockcluster, Meatwave, Brodeo, oder "Dickspolision in the Testosteroven", die sie für rein männerdominierte Arbeitsgruppen ausdenkt. Legendär ist auch das sogenannte Sausage Referencing™, das den nervtötenden Umstand in Worte kleidet, dass die Meinung oder der Beitrag einer Frau erst dann ernst genommen wird, wenn er von einem Mann nochmal wiederholt oder bekräftigt wird. Super fand ich ebenfalls, wie die Autorin durch die von Bee gestartete Champagne #FairGraduateAdmissions auf ihrem Twitter-Account @WhatWouldMarieCurieDo darauf eingeht, wie standardisierte Tests Randgruppen und finanziell schwächere Menschen diskriminiert und von höherer Bildung fernhalten. Neben der treffsicheren Darstellung des Lebens von Frauen in STEM (Science, Technology, Engineering and Maths) ist die Geschichte auch auf anderen Ebenen herrlich nerdig. Dank Ali Hazelwood habe ich nun nicht nur Lust, mal wieder einen Star Wars Rewatch zu machen und eine Katze zu adoptieren, ich kenne nun auch viele witzige Fakten über Marie Curie, Geister und Neurostimulation. Mit Themen wie Industriespionage, finanzielle Unsicherheit, Verlust von Angehörigen, Einsamkeit, sexueller Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz hat die Geschichte durchaus auch ihre etwas düsteren Seiten, welche durch den beschwingten Erzählton jedoch gut ausgeglichen werden.

Figuren:
Aus der Ich-Perspektive von Bee werden die Gefühle, die sich langsam zwischen ihr und Levi entwickeln, sowie die vielen schrägen Situationen, in die die beiden sich hineinmanövrieren, gut nachvollziehbar und greifbar dargestellt. Die beiden sind in ihrer komplementären Gegensätzlichkeit einfach ZUCKER. Während Bee mit ihren Piercings, den bunten Haaren und ihrem miesen parasympathischen Nervensystem, das sie ständig in Ohnmacht fallen lässt, ein absoluter Sonnenschein ist, viel zu viel redet und sich von ihrem Impulsen tragen lässt, ist Levi ein zugeknöpfter, einsilbiger Ingenieur, der seine Gefühle schlecht ausdrücken kann. Zumindest denkt Bee das zunächst. Je näher die beiden sich kennenlernen, desto mehr Gemeinsamkeiten muss sie zwischen sich und ihrer Gradschool-Nemesis erkennen. Und als sie dann feststellt, dass das, was ihn dazu bringt, ihr aus dem Weg zu gehen alles andere ist als Abneigung, sprühen endgültig die Funken... Beide Figuren sind mir total schnell ans Herz gewachsen und schaffen es auch, sich auf den wenigen Seiten glaubhaft weiterzuentwickeln. Mindestens genauso gut wie die beiden liebenswerten Hauptfiguren haben mir auch die Nebenfiguren gefallen. Egal ob die Gothic-Laborassistentin Rocio, die verstörend pinke Kaylee, die Weltenbummlerin Mareike oder die beiden felligen Freunde Schrödinger and Félicette - ich habe sie alle total schnell ins Herz geschlossen, immer wieder glücklich über sie gekichert und mich außerdem über die gelungene, beiläufige Repräsentation von LBGTQIA+ und BIPOC gefreut.


Die Zitate:

"The real villain is love: an unstable isotope, constantly undergoing spontaneous nuclear decay. And it will forever go unpunished."

"Annie used to have a funny theory: we all have a Year Zero around which the calendars of our lives pivot. At some point you meet someone, and they become so important, so metamorphic, that ten, twenty, sixty-five years down the line you look back and realize that you could split your existence in two. Before they showed (BCE), and your Common Era. Your very own Gregorian calendar."

"We're only humans. We're full of ''whys'', drowning in ''whys.'' Every once in a while, we need a bit of ''because'' and if it's not readily available, we make it up."

"Science is reliable in its variability. Science does whatever the fuck it wants. God, I love science."

"I guess this is it—being in love. Truly in love. Lots and lots of horrible, wondrous, violent emotions.”


Das Urteil:


"Love on the Brain" ist eine Slowburn Enemies-to-Lovers-Romanze mit überraschendem Witz und emotionalem Tiefgang, in der zwei sozial unbeholfene Wissenschaftler von Feinden, zu Freunden und schließlich mit vielen Umwegen zu Liebenden werden... Ali Hazelwood schreibt frisch, unterhaltsam, stellt zwei liebenswerte Hauptfiguren vor und versteht es ihr Academia-Setting mit einem charmanten Augenzwinkern auf den Punkt zu bringen.

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Gewohnt undurchsichtig, komplex und voller neuer Ideen

Wer die Hölle kennt
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Nachdem sich Band 1 der Alex-Stern-Reihe, "Das neunte Haus" nach einem sehr zähen Einstieg doch noch als komplexer Mystery-Thriller mit einem vielschichtigen Worldbuilding und einer grandiosen Grundidee ...

Nachdem sich Band 1 der Alex-Stern-Reihe, "Das neunte Haus" nach einem sehr zähen Einstieg doch noch als komplexer Mystery-Thriller mit einem vielschichtigen Worldbuilding und einer grandiosen Grundidee entpuppte, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung. Genau wie Band 1 habe ich "Wer die Hölle kennt" im Buddyread mit Sofia (Sofias World of Books - Shoutout geht wie immer raus an diese tolle Person!) gelesen und war in mehrerlei Hinsicht positiv überrascht von dieser Fortsetzung, die in vielen Punkten besser ist als der Auftakt!

"Vielleicht waren sie beide Killer, dazu verdammt, einander Gesellschaft zu leisten, zwei verlorene Seelen, die versuchten, nach Hause zurückzufinden. Vielleicht waren sie beide Monster, denen es guttat, wenn ein anderes Monster den Blick erwiderte."

Das Cover ist definitiv keiner dieser Punkte. Auch wenn das Grundmotiv mit dem weißen Kaninchen passend gewählt ist, da dieses im Verlauf der Geschichte einige Auftritte mit Symbolcharakter hat, finde ich das verängstigt dreinblickende Tier mit dem verklebten Fell und der zusammengekauerten Körperhaltung nicht gerade schön anzusehen. In Zusammenspiel mit dem grauen Hintergrund und den weißen Großbuchstaben des Titels hat die Gesamtgestaltung eine abstoßende Wirkung auf mich. Das Cover des erstes Bandes, welches ebenfalls ein für die Geschichte symbolträchtiges Tier zeigte, gefiel mir da deutlich besser. Positiv an der Gestaltung möchte ich aber hervorheben, dass nun eine Karte von Yale beigefügt ist, auf der man die wichtigsten Handlungsorte in New Haven, Connecticut, wiederfinden kann. Passend zur Geschichte (und einer speziellen Szene darin) ist die Karte in Form eines Miniaturmodells gehalten und hilft sehr beim Folgen der Handlung.

Erster Satz: "Alex näherte sich Black Elm wie einem wilden Tier."

Genau wie im Auftakt der Reihe starten wir mit einem hochspannenden, aber ganz schön verwirrenden Prolog in die Geschichte, der ordentlich vorgreift, um im Anschluss dann einen Monat früher anzusetzen und auf diesen hinzuleiten. Auch "Wer die Hölle kennt" ist weit von einem temporeichen Einstieg in die Geschichte entfernt und benötigt ein wenig Zeit, um in Schwung zu kommen. Im Vergleich zu Band 1 zündet die Handlung aber deutlich früher und weiß abermals mit durchdachter Komplexität und vielen überraschenden Wendungen zu punkten. Auch hier hat Leigh Bardugo sich dazu entschlossen, mit einem personalen Er-Erzähler auf mehreren Zeitebenen von Alex´ Verstrickungen als Abgesandte Lethes zu erzählen und die Haupthandlung immer wieder für Rückblicke in Alex´ Vergangenheit sowie den zurückliegenden Sommer, in dem sie Los Angeles besucht hat, zu unterbrechen. Im Gegensatz zu Band 1 hat mich das hier aber nicht mehr gestört, da ich das Worldbuilding schon besser verstanden, die Figuren ans Herz geschlossen habe und bereits an die Machart der Geschichte gewohnt war.

"Wir machen weiter", sagte sie.
"Einen Schritt nach dem anderen", bekräftigte Alex.
Bis in die Hölle und zurück."

Genau wie in Band 1 ist auch hier ein rätselhafter Kriminalfall um zwei ermordete Professoren auf dem Campus von Yale, der gelungen mit der restlichen Handlung verknüpft wurde, Teil der Geschichte, sodass wir wieder einen Genremix aus Mystery-Horror, Urban Fantasy, College-Romanze, Thriller und Krimi lesen. Die Krimihandlung steht hier aber mehr im Hintergrund als im ersten Teil und lässt Raum für die unmöglich erscheinende Mission, Darlington aus der Hölle zu befreien. Auf der Suche nach einem Höllenpfad in verstaubten Büchern begegnen Alex und ihren Mitstreitern abermals gefährliche Rituale, blutdurstige Dämonen, uralte Geister, politische Verschwörungen und schwierige Rätsel, sodass sich abermals eine hochspannende und bis ins Detail durchdachte Handlung entspinnt, die ich mir niemals hätte selbst ausdenken können. Wie im vorherigen Band gipfelt dieser Fantasy-Spaß dann in einem grandiosen Showdown, in dem die Autorin abermals zeigt, dass sie einfach eine Größe der Fantasy-Literatur ist, mit der man rechnen muss...!

"Ist es das, wonach wir alle streben?, fragte sich Alex, während sie für Mercy die Tür zum Il Bastone öffnete und sah, wie sie staunend die Augen aufriss angesichts der Sonnenblumen-Treppe, der bunten Bleiverglasung, der handbemalten Fliesen um den Karmin herum. Warum versprach man Kindern Magie? Warum weckte man ein Bedürfnis in ihnen, das niemals erfüllt werden konnte - nach Offenbarung, nach Verwandlung -, und warum setzte man sie dann dieser trostlosen, pragmatischen Welt aus? Bei Darlington hatte sie gesehen, was die Trauer über diesen Verlust mit jemandem anrichten konnte, aber vielleicht war sie selbst von der gleichen Trauer beseelt. Von der furchtbaren Erkenntnis, dass es kein geheimnisvolles Schicksal gab, keinen wohlgesinnten Mentor, der verborgene Talente in ihr entdeckte, keine gerechte Strafe, die einen zu einem besseren Menschen machte. Vielleicht war es diese Trauer, diese von Geschichten über bessere Welten und unendliche Möglichkeiten angefachte Sehnsucht, die sie alle für Lethe zu einer so leichten Beute machte."

Wie ich schon in meiner Rezension zu "Das neunte Haus" festgehalten habe, ist die Geschichte um Alex Stern deutlich düsterer, blutiger und auch von der Sprache expliziter als die verträumten Jugendbücher, die Leigh Bardugo zuvor geschrieben hat. Man muss hier sowohl mit Blut, Mord, Innereien und krabbelndem Getier zurechtkommen, als auch angesichts leuchtender Dauerständer nicht das Gesicht verziehen. Sieht man über die teilweise sehr deftigen Beschreibungen hinweg, erwartet einen eine absolut unromantische, aber dennoch anziehende und vielschichtige Darstellung von Magie, mit der man viel Spaß haben kann. Die grundlegende Idee hinter dem Buch, einen College Campus als Schauplatz für okkulte Studentenverbindungen zu nutzen, finde ich nach wie vor einfach großartig. Über die 600 Seiten hinweg wird das Urban Fantasy Setting durch magische Artefakte, lebendige Häuser, mächtige Drogen, tiefe Abgründe, jahrzehntealte Geister und blutige Rituale lebendig gemacht. Der ab und an aufblitzende schwarze, trockene Humor rundet das Leseerlebnis angenehm ab und sorgt dafür, dass die verrückte Gesamtmischung funktioniert.

"Das war die Wahrheit über Magie - Blut und Eingeweide und Sperma und Spucke, Organe in Einmachgläsern, dreidimensionale Stadtpläne für die Menschenjagd, Schädel von ungeborenen Kindern. Bücher und Märchen waren nicht das Problem, außer dass sie nur die halbe Wahrheit erzählten. Sie suggerierten eine Welt, in der immer nur die Bösen den Blutzoll zahlten, die niederträchtige Stiefmutter, die missgünstigen Stiefschwestern; eine Welt, in der Magie für Gerechtigkeit sorgte und keinerlei Opfer forderte"

Im Verlauf der Handlung wird das in Band 1 nur angerissene Magiesystem rund um die einzelnen magischen Verbindungshäuser und deren Aufsichtsbehörde Lethe weiter ausgebaut und tolle, originelle Ideen und düstere Gothic-Optik schlüssiger, zugänglicher und atmosphärischer. Die am Kapitelende beigefügten Auszüge aus Büchern, Tagebüchern und Aufzeichnungen über Lethe haben dabei allerdings weiterhin mehr verwirrt als für Klarheit gesorgt. Für meinen Geschmack wendet die Autorin zudem immer noch zu viel Zeit für die Beschreibung der Gebäude und Architektur Yales auf, die Tatsache, dass fast alle beschriebenen Handlungsorte der Geschichte auch im echten New Haven zu finden sind, versöhnt mich aber wieder mit dieser Tatsache. Besonders dass die Beschreibungen der Sterling Memorial Library, welche im Buch ein Schlüsselort darstellt, auf jede Inschrift und jedes Dekoelement genau realitätsgetreu sind, finde ich ziemlich genial und kann nur den Hut vor den Recherchen der Autorin ziehen.

"Du hast dich nicht abgewandt. Selbst, als dir nicht gefiel, was du in mir gesehen hast. Du hast weiter hingesehen." Darlingtons Blick veränderte sich und flackerte wie im Schein eines Feuers. Erst golden, dann wie Bernstein. Glänzend und dann wieder verschleiert. "Vielleicht erkenne ich ein gleichgesinntes Monster, wenn ich es vor mir habe."

Neben dem Worldbuilding werden hier auch die Hintergrundgeschichten der Figuren weiter ausgebaut und weiterentwickelt. Vor allem die Hauptfigur Galaxy -Alex- Stern, welche mir auf den ersten Blick als Charakter überhaupt nicht zugänglich erschien und eine mehr als schwierige Vergangenheit mit sich bringt, ist mir entgegen meiner ursprünglichen Erwartung im Verlauf von Band 1 und nun auch in Band 2 sehr ans Herz gewachsen. Zuerst hat sie mein Mitleid errungen, dann ein wenig Sympathie und schließlich reine Bewunderung für ihre Stärke, ihr Durchhaltevermögen und ihre taktische Gewitztheit. In "Wer die Hölle kennt" dürfen wir nun beobachten, wie sie langsam ihre Rüstung abzulegen und sich gegenüber ihren Freundinnen und Mitstreitern zu öffnen beginnt. Besonders die Beziehungen zu ihrem Oculus Dawes, ihrer Mitbewohnerin Mercy, dem Haus Il Bastone (jaaaa, sie hat tatsächlich eine Beziehung zu einem Haus!!!) und Detective Turner haben mich sehr berührt und an den Found Family Trope erinnert.

"Ich würde gerne wissen, wie man mutig ist. So wie du."
"Ich bin leichtsinnig. Das ist etwas anderes."

Meine absolute Lieblingsfigur bleibt jedoch mit Abstand Lethes Goldjunge und Gentleman Demon Darlington. Auch wenn er hier deutlich weniger Auftritte hat als ich mir das gewünscht hätte und auch seine angedeutete Liebesgeschichte zu Alex leider nicht mehr vertieft oder weiterverfolgt wird, hat mir sehr gut gefallen, wie er hier als Dämon zwischen Menschlichkeit und Trieben, Sünde und Anstand, Gefahr und Verbündeter schwankt (und natürlich haben seine Hörner auch etwas für sich...😌). Wie erwartet lässt uns das Ende mit einigen Fragen und offenen Punkten zurück, sodass ich nun sehr gespannt auf Band 3 bin, welcher allerdings noch eine Weile auf sich warten lassen wird...

"Schon komisch", sagte sie schließlich, "dass die Leute über Leben und Tod reden, als gäbe es eine tickende Uhr." "Gibt es denn keine?" Alex schüttelte langsam den Kopf. "Das Tick tick tick kommt nicht von einer Uhr. Sondern von einer Bombe. Es gibt keinen Countdown. Irgendwann geht sie hoch und alles ist anders."



Fazit:


Leigh Bardugo setzt die Alex-Stern-Reihe mit "Wer die Hölle kennt" gewohnt undurchsichtig, komplex und voller neuer Ideen fort. Zwar hätten ein wenig höheres Erzähltempo und weniger Beschreibungen von Gebäuden nicht geschadet, die Figuren, der Schreibstil, das Setting und die Handlung sind aber um Welten besser gestaltet als im ersten Teil.

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Gewohnt undurchsichtig, komplex und voller neuer Ideen

Wer die Hölle kennt
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Nachdem sich Band 1 der Alex-Stern-Reihe, "Das neunte Haus" nach einem sehr zähen Einstieg doch noch als komplexer Mystery-Thriller mit einem vielschichtigen Worldbuilding und einer grandiosen Grundidee ...

Nachdem sich Band 1 der Alex-Stern-Reihe, "Das neunte Haus" nach einem sehr zähen Einstieg doch noch als komplexer Mystery-Thriller mit einem vielschichtigen Worldbuilding und einer grandiosen Grundidee entpuppte, war ich sehr gespannt auf die Fortsetzung. Genau wie Band 1 habe ich "Wer die Hölle kennt" im Buddyread mit Sofia (Sofias World of Books - Shoutout geht wie immer raus an diese tolle Person!) gelesen und war in mehrerlei Hinsicht positiv überrascht von dieser Fortsetzung, die in vielen Punkten besser ist als der Auftakt!

"Vielleicht waren sie beide Killer, dazu verdammt, einander Gesellschaft zu leisten, zwei verlorene Seelen, die versuchten, nach Hause zurückzufinden. Vielleicht waren sie beide Monster, denen es guttat, wenn ein anderes Monster den Blick erwiderte."

Das Cover ist definitiv keiner dieser Punkte. Auch wenn das Grundmotiv mit dem weißen Kaninchen passend gewählt ist, da dieses im Verlauf der Geschichte einige Auftritte mit Symbolcharakter hat, finde ich das verängstigt dreinblickende Tier mit dem verklebten Fell und der zusammengekauerten Körperhaltung nicht gerade schön anzusehen. In Zusammenspiel mit dem grauen Hintergrund und den weißen Großbuchstaben des Titels hat die Gesamtgestaltung eine abstoßende Wirkung auf mich. Das Cover des erstes Bandes, welches ebenfalls ein für die Geschichte symbolträchtiges Tier zeigte, gefiel mir da deutlich besser. Positiv an der Gestaltung möchte ich aber hervorheben, dass nun eine Karte von Yale beigefügt ist, auf der man die wichtigsten Handlungsorte in New Haven, Connecticut, wiederfinden kann. Passend zur Geschichte (und einer speziellen Szene darin) ist die Karte in Form eines Miniaturmodells gehalten und hilft sehr beim Folgen der Handlung.

Erster Satz: "Alex näherte sich Black Elm wie einem wilden Tier."

Genau wie im Auftakt der Reihe starten wir mit einem hochspannenden, aber ganz schön verwirrenden Prolog in die Geschichte, der ordentlich vorgreift, um im Anschluss dann einen Monat früher anzusetzen und auf diesen hinzuleiten. Auch "Wer die Hölle kennt" ist weit von einem temporeichen Einstieg in die Geschichte entfernt und benötigt ein wenig Zeit, um in Schwung zu kommen. Im Vergleich zu Band 1 zündet die Handlung aber deutlich früher und weiß abermals mit durchdachter Komplexität und vielen überraschenden Wendungen zu punkten. Auch hier hat Leigh Bardugo sich dazu entschlossen, mit einem personalen Er-Erzähler auf mehreren Zeitebenen von Alex´ Verstrickungen als Abgesandte Lethes zu erzählen und die Haupthandlung immer wieder für Rückblicke in Alex´ Vergangenheit sowie den zurückliegenden Sommer, in dem sie Los Angeles besucht hat, zu unterbrechen. Im Gegensatz zu Band 1 hat mich das hier aber nicht mehr gestört, da ich das Worldbuilding schon besser verstanden, die Figuren ans Herz geschlossen habe und bereits an die Machart der Geschichte gewohnt war.

"Wir machen weiter", sagte sie.
"Einen Schritt nach dem anderen", bekräftigte Alex.
Bis in die Hölle und zurück."

Genau wie in Band 1 ist auch hier ein rätselhafter Kriminalfall um zwei ermordete Professoren auf dem Campus von Yale, der gelungen mit der restlichen Handlung verknüpft wurde, Teil der Geschichte, sodass wir wieder einen Genremix aus Mystery-Horror, Urban Fantasy, College-Romanze, Thriller und Krimi lesen. Die Krimihandlung steht hier aber mehr im Hintergrund als im ersten Teil und lässt Raum für die unmöglich erscheinende Mission, Darlington aus der Hölle zu befreien. Auf der Suche nach einem Höllenpfad in verstaubten Büchern begegnen Alex und ihren Mitstreitern abermals gefährliche Rituale, blutdurstige Dämonen, uralte Geister, politische Verschwörungen und schwierige Rätsel, sodass sich abermals eine hochspannende und bis ins Detail durchdachte Handlung entspinnt, die ich mir niemals hätte selbst ausdenken können. Wie im vorherigen Band gipfelt dieser Fantasy-Spaß dann in einem grandiosen Showdown, in dem die Autorin abermals zeigt, dass sie einfach eine Größe der Fantasy-Literatur ist, mit der man rechnen muss...!

"Ist es das, wonach wir alle streben?, fragte sich Alex, während sie für Mercy die Tür zum Il Bastone öffnete und sah, wie sie staunend die Augen aufriss angesichts der Sonnenblumen-Treppe, der bunten Bleiverglasung, der handbemalten Fliesen um den Karmin herum. Warum versprach man Kindern Magie? Warum weckte man ein Bedürfnis in ihnen, das niemals erfüllt werden konnte - nach Offenbarung, nach Verwandlung -, und warum setzte man sie dann dieser trostlosen, pragmatischen Welt aus? Bei Darlington hatte sie gesehen, was die Trauer über diesen Verlust mit jemandem anrichten konnte, aber vielleicht war sie selbst von der gleichen Trauer beseelt. Von der furchtbaren Erkenntnis, dass es kein geheimnisvolles Schicksal gab, keinen wohlgesinnten Mentor, der verborgene Talente in ihr entdeckte, keine gerechte Strafe, die einen zu einem besseren Menschen machte. Vielleicht war es diese Trauer, diese von Geschichten über bessere Welten und unendliche Möglichkeiten angefachte Sehnsucht, die sie alle für Lethe zu einer so leichten Beute machte."

Wie ich schon in meiner Rezension zu "Das neunte Haus" festgehalten habe, ist die Geschichte um Alex Stern deutlich düsterer, blutiger und auch von der Sprache expliziter als die verträumten Jugendbücher, die Leigh Bardugo zuvor geschrieben hat. Man muss hier sowohl mit Blut, Mord, Innereien und krabbelndem Getier zurechtkommen, als auch angesichts leuchtender Dauerständer nicht das Gesicht verziehen. Sieht man über die teilweise sehr deftigen Beschreibungen hinweg, erwartet einen eine absolut unromantische, aber dennoch anziehende und vielschichtige Darstellung von Magie, mit der man viel Spaß haben kann. Die grundlegende Idee hinter dem Buch, einen College Campus als Schauplatz für okkulte Studentenverbindungen zu nutzen, finde ich nach wie vor einfach großartig. Über die 600 Seiten hinweg wird das Urban Fantasy Setting durch magische Artefakte, lebendige Häuser, mächtige Drogen, tiefe Abgründe, jahrzehntealte Geister und blutige Rituale lebendig gemacht. Der ab und an aufblitzende schwarze, trockene Humor rundet das Leseerlebnis angenehm ab und sorgt dafür, dass die verrückte Gesamtmischung funktioniert.

"Das war die Wahrheit über Magie - Blut und Eingeweide und Sperma und Spucke, Organe in Einmachgläsern, dreidimensionale Stadtpläne für die Menschenjagd, Schädel von ungeborenen Kindern. Bücher und Märchen waren nicht das Problem, außer dass sie nur die halbe Wahrheit erzählten. Sie suggerierten eine Welt, in der immer nur die Bösen den Blutzoll zahlten, die niederträchtige Stiefmutter, die missgünstigen Stiefschwestern; eine Welt, in der Magie für Gerechtigkeit sorgte und keinerlei Opfer forderte"

Im Verlauf der Handlung wird das in Band 1 nur angerissene Magiesystem rund um die einzelnen magischen Verbindungshäuser und deren Aufsichtsbehörde Lethe weiter ausgebaut und tolle, originelle Ideen und düstere Gothic-Optik schlüssiger, zugänglicher und atmosphärischer. Die am Kapitelende beigefügten Auszüge aus Büchern, Tagebüchern und Aufzeichnungen über Lethe haben dabei allerdings weiterhin mehr verwirrt als für Klarheit gesorgt. Für meinen Geschmack wendet die Autorin zudem immer noch zu viel Zeit für die Beschreibung der Gebäude und Architektur Yales auf, die Tatsache, dass fast alle beschriebenen Handlungsorte der Geschichte auch im echten New Haven zu finden sind, versöhnt mich aber wieder mit dieser Tatsache. Besonders dass die Beschreibungen der Sterling Memorial Library, welche im Buch ein Schlüsselort darstellt, auf jede Inschrift und jedes Dekoelement genau realitätsgetreu sind, finde ich ziemlich genial und kann nur den Hut vor den Recherchen der Autorin ziehen.

"Du hast dich nicht abgewandt. Selbst, als dir nicht gefiel, was du in mir gesehen hast. Du hast weiter hingesehen." Darlingtons Blick veränderte sich und flackerte wie im Schein eines Feuers. Erst golden, dann wie Bernstein. Glänzend und dann wieder verschleiert. "Vielleicht erkenne ich ein gleichgesinntes Monster, wenn ich es vor mir habe."

Neben dem Worldbuilding werden hier auch die Hintergrundgeschichten der Figuren weiter ausgebaut und weiterentwickelt. Vor allem die Hauptfigur Galaxy -Alex- Stern, welche mir auf den ersten Blick als Charakter überhaupt nicht zugänglich erschien und eine mehr als schwierige Vergangenheit mit sich bringt, ist mir entgegen meiner ursprünglichen Erwartung im Verlauf von Band 1 und nun auch in Band 2 sehr ans Herz gewachsen. Zuerst hat sie mein Mitleid errungen, dann ein wenig Sympathie und schließlich reine Bewunderung für ihre Stärke, ihr Durchhaltevermögen und ihre taktische Gewitztheit. In "Wer die Hölle kennt" dürfen wir nun beobachten, wie sie langsam ihre Rüstung abzulegen und sich gegenüber ihren Freundinnen und Mitstreitern zu öffnen beginnt. Besonders die Beziehungen zu ihrem Oculus Dawes, ihrer Mitbewohnerin Mercy, dem Haus Il Bastone (jaaaa, sie hat tatsächlich eine Beziehung zu einem Haus!!!) und Detective Turner haben mich sehr berührt und an den Found Family Trope erinnert.

"Ich würde gerne wissen, wie man mutig ist. So wie du."
"Ich bin leichtsinnig. Das ist etwas anderes."

Meine absolute Lieblingsfigur bleibt jedoch mit Abstand Lethes Goldjunge und Gentleman Demon Darlington. Auch wenn er hier deutlich weniger Auftritte hat als ich mir das gewünscht hätte und auch seine angedeutete Liebesgeschichte zu Alex leider nicht mehr vertieft oder weiterverfolgt wird, hat mir sehr gut gefallen, wie er hier als Dämon zwischen Menschlichkeit und Trieben, Sünde und Anstand, Gefahr und Verbündeter schwankt (und natürlich haben seine Hörner auch etwas für sich...😌). Wie erwartet lässt uns das Ende mit einigen Fragen und offenen Punkten zurück, sodass ich nun sehr gespannt auf Band 3 bin, welcher allerdings noch eine Weile auf sich warten lassen wird...

"Schon komisch", sagte sie schließlich, "dass die Leute über Leben und Tod reden, als gäbe es eine tickende Uhr." "Gibt es denn keine?" Alex schüttelte langsam den Kopf. "Das Tick tick tick kommt nicht von einer Uhr. Sondern von einer Bombe. Es gibt keinen Countdown. Irgendwann geht sie hoch und alles ist anders."



Fazit:


Leigh Bardugo setzt die Alex-Stern-Reihe mit "Wer die Hölle kennt" gewohnt undurchsichtig, komplex und voller neuer Ideen fort. Zwar hätten ein wenig höheres Erzähltempo und weniger Beschreibungen von Gebäuden nicht geschadet, die Figuren, der Schreibstil, das Setting und die Handlung sind aber um Welten besser gestaltet als im ersten Teil.

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