Leben mit dem Vulkan
Die römische Stadt Pompeji rund 80 Jahre nach Christus: Der Halbwaise Josse lebt nach dem Tod seines Vaters, eines gelernten Metzgers, mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als Zuwanderer hat es ...
Die römische Stadt Pompeji rund 80 Jahre nach Christus: Der Halbwaise Josse lebt nach dem Tod seines Vaters, eines gelernten Metzgers, mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Als Zuwanderer hat es seine Familie nie leicht gehabt in der neuen Stadt. Doch anstatt zu arbeiten oder sich zu bilden verbringt Josse lieber seine Zeit mit dem Herumstreunen und besäuft sich mit seinen Freunden. Eines Tages jedoch kommt ihm zu Ohren, dass ein Vulkan nahe der Stadt vor dem Ausbruch steht. Mit anderen Aussteigern macht er sich daran, am „Fenster am Meer“ eine neue Siedlung zu planen…
„Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna“ ist ein Roman von Eugen Ruge.
Meine Meinung:
Der Roman gliedert sich in sechs Teile, die wiederum aus 18 Kapiteln („Rollen“) bestehen. Der etwas unzuverlässige namenlose Erzähler geht chronologisch vor, arbeitet aber mit Rückblenden und Vorausdeutungen. Die Handlung umfasst einige Jahre und endet mit dem Vulkanausbruch. Sie ist vor allem in Pompeji und im direkten Umfeld der Stadt verortet.
In sprachlicher Hinsicht ist der Roman kreativ und ungewöhnlich. Mit viel gelungenem Sprachwitz, süffisanten Bemerkungen und pointierten Beschreibungen sorgt der Schreibstil für ein unterhaltsames Lesevergnügen.
Josse steht im Vordergrund der Geschichte. Darüber hinaus richtet sich der Fokus nach und nach auf weitere Charaktere, die teils ebenfalls fiktiv, teils historisch belegt sind. Die Figuren werden bewusst überzeichnet, sind aber nicht gänzlich unglaubwürdig.
Inhaltlich dreht sich der Roman erwartungsgemäß um das Thema Vulkanismus. Wieso haben die Menschen die Vorzeichen des Ausbruchs nicht wahrgenommen oder nicht ernst genommen? Einer Antwort auf diese Frage nähert sich der Roman an. Zugleich ist er aber weitaus mehr als eine Dokumentation der historischen Ereignisse. Immer wieder schweift der Blick auf die Gesellschaft der Stadt, insbesondere auf politisch einflussreiche Persönlichkeiten. Machtstreben, Ränke, Gier, Demagogie, die frühe Demokratie, politischen und religiösen Wahn und vieles mehr werden dargestellt.
Das Zusammenspiel von gesellschaftlichen Tendenzen, die sich auch aktuell finden lassen, und Formulierungen, die an die Politik der jüngeren Geschichte erinnern, lassen bisweilen den Eindruck entstehen, dass es sich beim Roman um eine Parabel oder eine Satire in Bezug auf die Neuzeit handelt. Tatsächlich wird immer wieder deutlich, dass sich der Erzähler über seine Figuren und die Entwicklungen lustig macht. Mir ist es jedoch schwergefallen, das Buch als klassischen Schlüsselroman einzuordnen. Zu umfangreich und verschieden sind dafür die Verweise und Anklänge.
Obwohl das Ende, der Ausbruch, hinreichend bekannt und damit wenig überraschend ist, hat mich der rund 350 Seiten umfassende Roman auf keiner Seite gelangweilt. Trotz der ernsten Thematik habe ich mich beim Lesen köstlich amüsiert. Die eindrücklichen Beschreibungen des Ausbruchs konnten mich sehr bewegen. Dass sich Ruge, der frühere Erdbebenforscher, intensiv mit dem Vulkanismus und Pompeji beschäftigt hat, ist dem Buch anzumerken.
Der prägnante Titel und das ausdrucksstarke Cover passen sehr gut.
Mein Fazit:
Mit „Pompeji oder Die fünf Reden des Jowna“ hat mich Eugen Ruge erneut überzeugt. Eine vergnügliche Lektüre, die zugleich zum Nachdenken anregt und aktuelle Themen aufgreift. Definitiv empfehlenswert.