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Veröffentlicht am 19.05.2023

Die Gnade einer späten Liebe

Der Liebende
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Monsieur Haslinger ist ein pensionierter Geistlicher, der auch im Ruhestand noch seelsorgerisch und begleitend tätig ist. Vor allem ist er ein Blumenliebhaber, der sich mit Hingabe und Liebe um die Pflanzen ...

Monsieur Haslinger ist ein pensionierter Geistlicher, der auch im Ruhestand noch seelsorgerisch und begleitend tätig ist. Vor allem ist er ein Blumenliebhaber, der sich mit Hingabe und Liebe um die Pflanzen auf seinem Balkon und in der Nachbarschaft kümmert. Doch mit der ruhigen, in sich ruhenden Selbstzufriedenheit ist es vorbei, als eine neue Nachbarin nebenan einzieht. Madame Jenssen lässt ihn aus seinem Gleichgewicht geraten. Plötzlich verspürt er Neugier, und vielleicht noch ein wenig mehr.

Ich habe diesen Roman schon vor ein paar Wochen gelesen, und er hat mich zutiefst berührt und wirkt immer noch nach. Seitdem versuche ich, meine Begeisterung und all die Gefühle, die er in mir ausgelöst hat, in Worte zu fassen. Die Geschichte kommt in solcher Schlichtheit daher, dass mir lobpreisende Worte laut und übertrieben erscheinen. Aber wozu soll ich die richtigen Worte suchen, wenn sie der Autor in seinem Roman doch schon gefunden hat?!

Das Verhältnis zwischen Monsieur Haslinger und Madame Jenssen ist in unaufgeregtem, ruhigem Ton mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit erzählt, greift aber dennoch – oder gerade deshalb – mitten ins Herz. So viele Emotionen sind zwischen den Zeilen versteckt, die aufwühlen und fesseln. Denn was sich aus der gegenseitigen Zuneigung entwickelt, nimmt einen tragischen Verlauf. Doch auch hier kein plakatives Drama, sondern leise, innige Töne, die mich tief im Herzen berührt haben und immer noch nachschwingen. Ein großer, leiser Roman. Es geht nicht nur um zwei Menschen, die einander finden, sondern dringt in viel tiefere Schichten vor, stellt grundlegende Fragen und wühlt auf. Ich finde kaum Worte, die dieser Erzählung gerecht werden, und kann den Roman nur aufrichtig allen ans Herz legen, die selbiges für eine zarte, bewegende, zutiefst menschliche Geschichte öffnen wollen.

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Veröffentlicht am 15.05.2023

Eintauchen in eine andere Welt

Kathmandu & ich
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Nein, das ist nicht einfach ein weiterer Reise-Fernweh-Liebes-Roman, dieses Buch ist so viel mehr! Na gut, wir haben da tatsächlich erst einmal eine Reise in ein fernes Land, nämlich nach Nepal, und dazu ...

Nein, das ist nicht einfach ein weiterer Reise-Fernweh-Liebes-Roman, dieses Buch ist so viel mehr! Na gut, wir haben da tatsächlich erst einmal eine Reise in ein fernes Land, nämlich nach Nepal, und dazu Erik und Jule, zwischen denen es gewaltig knistert. Aber das ist nicht das Geheimnis dieses wundervollen Romans! Es fängt schon einmal damit an, dass hier keine traute Zweisamkeit herrscht, sondern eine sechsköpfige Chaotentruppe die Reise nach Nepal antritt. Eigentlich war diese Reise immer Jules Traum gewesen, und um sie zu beeindrucken, ergreift Erik auf einer Party die Initiative und sorgt dafür, dass er wahr wird! Allerdings ist Erik schüchtern, ängstlich und vor allem tollpatschig, und sehr schnell fragt er sich, ob das so eine gute Idee war!

Die Dynamik innerhalb der Gruppe dieser ach so unterschiedlichen Charakterköpfe sorgt für reichlich Spannungen, Gefühle, Enttäuschungen, Schwierigkeiten und Spaß. Gerade den völlig bescheuerten Humor fand ich klasse. Zuerst einmal jedoch müssen sich Erik, Flo, Theo, Alex, Jule und Tine dem Gegenteil eines Luxusurlaubs stellen. Was schief gehen kann, geht schief, und Hygiene wird schnell zum Fremdwort. Unvergesslich Eriks Kampf mit der rattengroßen Riesenspinne oder der Flug in einem klapprigen Flugzeug! All diese Unwägbarkeiten sind jedoch schnell vergessen angesichts der Einzigartigkeit der atemberaubenden Landschaft Nepals.

Es war eine wahre Freude, dass mit der Konstellation der Gruppe der ausgetretene Pfad von Liebesromanen verlassen wurde. Vielleicht liegt es daran, dass das Buch von einem Mann geschrieben wurde, aber ich habe noch keine männliche Stimme in einem Roman derart authentisch empfunden wie die von Erik. Auch war für mich der Zeitsprung (denn die Haupthandlung spielt vor rund 20 Jahren) hervorragend gelungen. Die Reise ist so ungeschönt und realistisch erzählt, dass man Kälte, Nässe und Schmutz fast schon spürt – aber umgekehrt auch bei den unvergesslichen Erlebnissen mittendrin ist. Und die sind es letztendlich, die zählen, denn am Ende ist es nicht nur eine Reise aufs Dach der Welt, sondern vor allem zu sich selbst.

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Veröffentlicht am 11.05.2023

Blick auf die Guckkastenbühne

Das Café ohne Namen
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„Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hoffnung als Sorgen machen. Alles andere wäre doch blödsinnig, oder?“

Es ist die Geschichte von Robert Simon, der in Wien ein Café eröffnet. Ein Café ohne Namen, ...

„Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hoffnung als Sorgen machen. Alles andere wäre doch blödsinnig, oder?“

Es ist die Geschichte von Robert Simon, der in Wien ein Café eröffnet. Ein Café ohne Namen, aber dafür mit Seele. Dabei liest sich die Erzählung nicht wie eine Geschichte, sondern es fühlt sich beim Lesen an wie das Betrachten eines Dioramas, wie der Blick auf eine Bühne. Sozusagen eine Guckkastenbühne, auf die wir neugierig einen Blick werfen dürfen. In diesem Fall eindeutig eine Volksbühne, denn es sind keine Heldenrollen, die dort aufziehen, sondern Menschen aus der Nachbarschaft, Gescheiterte, Trinker, Hoffnungsvolle und Hoffnungslose. So bunt wie das Leben ist eben auch die Besetzungsliste der Gäste des Cafés. Wir sehen Menschen auf diese Bühne treten, begleiten sie ein Stück weit und verlieren sie wieder. Und immer wieder wird geträumt. Wach und schlafend. Dies alles in einem unaufgeregten, ruhigen Erzählton, der Raum für Gedanken gibt. Selten habe ich in einem Buch so viele schöne Sätze gefunden. Immer wieder mag man beim Lesen innehalten, dem Gelesenen nachspüren und die Formulierungen in seinem Geist und Herzen bewegen:

„Wohin gehen wir?“
„Nach Hause“, sagte Simon.
„Durch Wetter, Staub und Überdruss?“
„Klar“, sagte Simon. „Wie sollte es denn sonst gehen?“

Ich gebe offen zu, dass dies mein erster Roman von Robert Seethaler war. Ich konnte mich unbefangen und unvoreingenommen auf die Erzählung einlassen und wurde mit einem ganz besonderen Stück Literatur belohnt. Besonders reizvoll fand ich die Namensgleichheit von Autor und Protagonist, die Raum breitet für die Frage, wieviel Robert Seethaler wohl in Robert Simon stecken mag?

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Veröffentlicht am 06.05.2023

Im Land der Gletscher, Wasserfälle und Vulkane

Island
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Ein großformatiges Schmuckstück erwartet uns mit „Island – Das Land aus Feuer und Eis“ von arsEdition. Der Band ist der Auftakt einer neuen Länderreihe für die ganze Familie. Ich hatte die Vulkaninsel ...

Ein großformatiges Schmuckstück erwartet uns mit „Island – Das Land aus Feuer und Eis“ von arsEdition. Der Band ist der Auftakt einer neuen Länderreihe für die ganze Familie. Ich hatte die Vulkaninsel bereits 2018 besucht, sowohl den Süden als auch den äußersten Norden der Insel. Ich muss gestehen, dass ich beim Lesen dieses wunderbaren Buches immer wieder vor Entzücken aufjauchzen musste! Der Wiedererkennungswert, und damit auch die Authentizität sind wahnsinnig hoch. Ich konnte geliebte Orte und Sehenswürdigkeiten wiederentdecken, gleichzeitig aber auch viele neue Details erfahren.

Besonders gefällt mir, dass sich das Buch auch verschiedenen Lebensbereichen wie z.B. der isländischen Küche widmet. Hier hatte unsere ganze Familie viel Spaß, zu identifizieren, was wir damals selbst gekostet hatten, etwa das Lavabrot oder Snúður. Übrigens: Wer denkt, Skyr zu kennen, sollte sich vor einer Reise nach Island auf eine irrsinnig große Geschmacksvielfalt einstellen! Weitere faszinierende Themenfelder sind die Vogelwelt, die Sagenwelt Islands und vor allem auch das alltägliche Leben. In letzteres bekommt man auf einer Reise nur bedingt Einblick, da bietet dieses Buch hilfreiche Erkenntnisse. Uns war es immerhin in unserer Zeit in Akureyri möglich, zumindest ein klein wenig am Alltag in Island teilzuhaben.
Mein einziger Kritikpunkt ist das Kapitel über den Walfang, wo sehr großzügig über die Problematik des Themas hinweggegangen wird. Da hätte ich mir ein wenig mehr Mut zu einem Bekenntnis gewünscht.

Die Zeichnungen im Inneren dieses kleinen Buchschatzes sind modern und wahnsinnig gut gelungen, die Ausstattung ist äußerst edel. Für uns persönlich kommt das Buch schon einem Erinnerungsalbum gleich. Wer noch nicht dort war, geht natürlich mit anderen Gefühlen an so einen Band heran, findet dann aber komprimiertes und sehr schön aufbereitetes Wissen für Familien und Kinder ab 10 Jahren.

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Veröffentlicht am 26.04.2023

Aus der Küche auf die Kanaren

Sonne über dem Salzgarten
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Julia hat es geschafft. Sie hat sich bis an die Spitze hochgearbeitet und für das Nobelrestaurant ihres Chefs einen Michelin-Stern erkocht. In ihrer Küche hat sie ihre persönliche Erfüllung gefunden, die ...

Julia hat es geschafft. Sie hat sich bis an die Spitze hochgearbeitet und für das Nobelrestaurant ihres Chefs einen Michelin-Stern erkocht. In ihrer Küche hat sie ihre persönliche Erfüllung gefunden, die sie rund um die Uhr auf Trab hält. Daher ist sie im ersten Moment überfordert, als plötzlich ihr zehnjähriger Neffe Emil ihre Unterstützung benötigt. Eigentlich braucht sie ja nur paar Tage frei, um alles zu regeln, doch damit setzt sie eine wahre Kettenreaktion in Gang. Sie begleitet Emil zu seinem Vater auf die Kanareninsel La Palma, doch ein Unwetter verhindert ihre geplante Rückkehr. Als die Flüge endlich wieder gehen, muss sie feststellen, dass sie im Restaurant ganz unfein und unfair rausgeschmissen wurde.

Der Roman bietet wahnsinnig interessante Einblicke in die Abläufe in der Spitzengastronomie mit allen Schattenseiten. Besonders lebendig wird die Geschichte durch die Eindrücke von La Palma. Ich habe die Insel schon mehrfach besucht und habe sie in den Schilderungen ganz authentisch wiedergefunden. Die landschaftlichen Beschreibungen, die kulinarischen Köstlichkeiten, die Sehenswürdigkeiten und das Lebensgefühl – alles hervorragend getroffen! Mir gefiel ganz besonders die Entwicklung, die Julia von der unter Hochdruck arbeitenden Spitzenköchin durchläuft. Der Zusammenbruch, die kritische Reflektion, die Auseinandersetzung mit ihrer Situation und der Blick nach vorn – alles glaubwürdig und lebensnah geschildert. Die Contemporary Romance bietet auch viel Raum für Emotionen. Was habe ich mich über Julias schrecklichen Bruder Jens doch aufgeregt! Und wie habe ich mit dem kleinen Emil gelitten! Nicht zu vergessen die sturen Dorfbewohner! Einzig die Lovestory mit Àlvaro blieb für mich ein wenig blass; das Ende kam für meinen Geschmack ein wenig zu abrupt. Da hätte ich mir mehr Raum für die Entwicklung von Gefühlen gewünscht.

Aaaaaber: Hier wartet schon der Fortsetzungsband sehnsüchtig darauf, gelesen zu werden! Und nur allzu gerne werde ich zurück nach La Palma reisen.

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