Haute Tension - High Tension
STROMDer Titel meiner Rezension hat nichts mit dem gleichnamigen französischen Film zu tun. Ich verwende ihn, weil der Protagonist unter Starkstrom steht.
Der Titel des Buches hingegen ist passend und schön ...
Der Titel meiner Rezension hat nichts mit dem gleichnamigen französischen Film zu tun. Ich verwende ihn, weil der Protagonist unter Starkstrom steht.
Der Titel des Buches hingegen ist passend und schön mehrdeutig. Strom. Unter Strom stehen? Mit dem Strom schwimmen? Gegen ihn? Strom kann auch letal sein.
Hector hat es satt. Er ist invisibel und kann das nicht länger ertragen. Einer von acht Milliarden Menschen. Wie eine Ameise oder eine Arbeitsbiene im Kollektiv der Menschheit untergehen? Nein!
Er will einen radikalen Schnitt machen und mehr tun, als nur Harmloses oder Populistisches zu posten. Berühmt und gesegnet mit Erfolg.
Was braucht also das "übersättigte" Volk scheinbar? Sensation und das Außergewöhnliche.
Er betreibt einen Mordblog und tötet dafür höchstselbst für das blutdurstige Publikum.
Doch dann gerät er zunehmend in den Sog der Abwärtsspirale ...
Sensationslust gibt es anscheinend schon immer und ist nicht nur ein Phänomen der Internetzeit.
Waren die Römer von den blutigen Spektakeln im Kolosseum nicht angetan? Oder von der blutigen Morbidität des Grand Guignol in Paris? Obwohl das nur, zugegebenermaßen, sehr real anmutende Inszenierungen waren.
Löste Jack the Ripper neben Angst nicht auch ein fiebriges Kribbeln aus?
Gab es nicht welche, die sich an den Gepfählten des Vlad Țepeș ergötzt haben?
Und die Schaulustigen bei Unfällen und öffentlichen Hinrichtungen?
Viele dieser Epochen haben einen gewissen Hedonismus gemein und einen unterschwelligen Lebensekel. Nur noch starke Impulse scheinen Leuten das Gefühl zu geben, noch zu leben.
Das Buch ist spannend, und man empfindet guilty pleasure, weil einem Hector nicht ganz unsympathisch ist.
Das Werk ist ebenso eine geschickte Gesellschaftskritik, ohne die Moralkeule zu schwingen.
Ich fürchte, dass echte Morde live (im Darknet) eine erkleckliche Zahl an (zahlenden) Zuschauern hätten.
Hoffentlich haben wir nicht wie die Römer den Zenith überschritten und befinden uns im Niedergang.
Ein Roman, der sehr nachdenklich stimmt und zum Reflektieren anregt.
Danke, Laura Wohnlich!