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Veröffentlicht am 27.05.2023

Humorvoller Blick auf die ungeschönte Realität

Mindset
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Mindset ist die Geschichte um zwei junge Männer in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Der eine schwimmt sprichwörtlich bereits oben auf der Welle während der andere noch darum bemüht ist, nicht im tiefen ...

Mindset ist die Geschichte um zwei junge Männer in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Der eine schwimmt sprichwörtlich bereits oben auf der Welle während der andere noch darum bemüht ist, nicht im tiefen Fahrwasser des Lebens unterzugehen.







So lerne ich Maximilian Krach, einen Lifestyle-Coach kennen, der in den sozialen Medien die Aufmerksamkeit durch hohe Followerzahlen genießt. Maximilian gibt alles, um seinem Ruf und dem durch seine Arbeit erwirtschafteten Ansehen gerecht zu werden.

Und ich lerne Mirko kennen. Mirko, der zwar schon 10 Jahre im selben Unternehmen mit denselben Kolleginnen und Kollegen arbeitet, aber trotzdem irgendwie noch nicht dazugehört und beinahe unsichtbar ist. - Bis Mirko beim Scrollen durch die Vorschläge auf seinem Social Media Account auf die Werbeanzeige von Krach Consulting stößt.

Als hätte Mirko nur auf diesen einen ersten Schulungstag gewartet, strukturiert er nun sein Leben anders, achtet auf seine Garderobe und sein äußeres Erscheinungsbild - und versucht auch gleich die Kolleginnen und Kollegen zum Umdenken zu bewegen.

Sebastian Hotz erzählt die Geschichte der beiden jungen Männer sehr lebhaft, sehr bildhaft und mit einigen einfließenden eigenen Erfahrungen. Der Schreibstil ist flüssig. Die Sätze sind teilweise sehr lang, das tut dem Verständnis hinter all den Worten aber keinen Abbruch.



"Dieser Typ riskiert täglich auf einem Fahrrad sein Leben, fährt in halsbrecherischer Geschwindigkeit über Kreuzungen, fegt bei Eisglätte und Regen durch enge Gassen, um sich beim nächsten Kunden großzügige 1,70 € Trinkgeld abzuholen." - Seite 77



Die Charaktere wirken sehr lebendig. Sie haben ihre Eigenarten und durchlaufen in ihrem Bewegungsspielraum die Entwicklung ihrer Rolle entsprechend.

Ich hatte viel Freude bei der Begleitung der beiden Hauptcharaktere und habe das Buch in kürzester Zeit gelesen und gehört.

Das Erleben in der Geschichte ist vielschichtig und nachvollziehbar. Es macht Spaß das Geschehen zu verfolgen. Auch wenn die Themen eher nüchtern sind, bleibt der Humor nicht auf der Strecke. Stellenweise musste ich laut auflachen, so herrlich bildhaft hat Sebastian Hotz das Geschehen in Worte gefasst.

Die Hörbuchfassung hat der Autor selbst eingelesen. Da Sebastian Hotz gern und viel spricht, hat seine Stimme die notwendige Kraft. Das Sprachbild ist konstant und Hörer:innen, die sonst die Geschwindigkeit nach oben korrigieren, dürfen sich auf ein etwas zügigeres Hörvergnügen freuen. Für mich war die Sprachgeschwindigkeit noch angenehm. Ich hätte aber auch nichts dagegen, wenn ich beim Zuhören etwas mehr Zeit hätte, das Geschehen gemäßigter mitzuerleben.



Fazit
Mindset ist ein starkes Buch über Selbstfindung, Selbstverwirklichung und ein ungeschönter Blick auf die Realität.

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Veröffentlicht am 19.05.2023

Ein Leseerlebnis, wie ein tiefer See an einem windstillen Tag, der mich nachdenklich zurücklässt.

Männer sterben bei uns nicht
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Männer sterben bei uns nicht ist die Geschichte von Frauen, deren Männer irgendwie abhanden gekommen sind. Es klingt nach einem gemütlichen Zusammenleben auf einem großzügigen Anwesen direkt am See. Fünf ...

Männer sterben bei uns nicht ist die Geschichte von Frauen, deren Männer irgendwie abhanden gekommen sind. Es klingt nach einem gemütlichen Zusammenleben auf einem großzügigen Anwesen direkt am See. Fünf Häuser gibt es auf diesem Anwesen. Alle diese Häuser gehören Luises Großmutter. In einem davon lebt Luise mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Leni. Die Hoffnung, das Anwesen einmal weiter zu führen, liegt auf der jungen Luise. Luise, die immer bemüht ist, zu sein, wie es am besten in Großmutters Bild passt. - Alles andere wird einfach ausgeblendet. Gilt als nicht existent.





Und genau so verschwindet eines Tages Luises ältere Schwester Leni. Leni, die ihrer kleinen Schwester Halt gibt. Leni, die alle Sorgen und Nöte versteht und immer für Luise da ist. Leni, die plötzlich nicht mehr da ist. Weil es Luise gibt. Luise, die scheinbar genau die Richtige ist.



"Ich war das Lieblingskind, aber eben nur in einer ganz bestimmten Version, nur wenn ich genau den Platz einnahm, den Großmutter für mich vorgesehen hatte." - Seite 196



Männer sterben bei uns nicht zeigt mir bereits auf den ersten Seiten, dass die Wohnlage noch so idyllisch sein kann, wenn das Zwischenmenschliche fehlt. Wenn eine familiäre Verbundenheit keine Verbundenheit garantiert. Wenn Mitgefühl aufgrund eigener Interessen gar durch Animositäten ersetzt wird. Was bleibt, ist ein verkrustetes Herz bis über den Tod hinaus.

Annika Reich erzählt die Geschichte in einem nüchternen Tonfall. Gleichzeitig lässt sie keinen Zweifel daran, dass ihre Charaktere unter der Familiengeschichte leiden. Durch diese Erzählweise fehlt mir die emotionale Nähe zu den Charakteren. Damit ist es mir möglich, die Frauen aus der Ferne zu betrachten. Diese Frauen, deren Männer irgendwie abhanden gekommen sind und die sich selbst so wenig emotionale Nähe geben können.



"Eure Großmutter wollte es nie wahrhaben, aber auch wir gehören dazu, wir zerrupften Rosen." "Ich gehörte nie dazu, zerrupft oder unzerrupft", sagte Olga. "Ich durfte nicht einmal ihre Stifte benutzen. Weißt du das noch, Luise? Sie räumte sie weg, wenn ich kam, sie machte die Schränke zu." - Seite 183



Männer sterben bei uns nicht ist für mich ein ruhiges, zum Nachdenken anregendes Leseerlebnis.



Fazit
Männer sterben bei uns nicht ist für alle, die sich nicht scheuen, verbildlicht an Luises Seite das durch die Großmutter gelebte Patriachat zu erleben.

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Veröffentlicht am 16.05.2023

Fluffig und fröhlich erzählte Geschichte zweier Hebammen

Storchenherzen
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Storchenherzen ist die Geschichte um zwei Hebammen. Die eine heißt Madita, hat rosafarbenes Haar und ein fluffiges Herz, das scheinbar aus Sahne besteht. Die andere heißt Helga, ist mit ihren 42 Jahren ...

Storchenherzen ist die Geschichte um zwei Hebammen. Die eine heißt Madita, hat rosafarbenes Haar und ein fluffiges Herz, das scheinbar aus Sahne besteht. Die andere heißt Helga, ist mit ihren 42 Jahren ungefähr doppelt so alt wie Madita, trinkt Unmengen guten Kaffee und wirkt - zum Leidwesen von Monika, mit der sich Helga den Betrieb des Storchennestes teilt - auf die Kundschaft mürrisch und wortkarg.

Während Monika sich schnell von Maditas fröhlicher Art einnehmen lässt, braucht Helga scheinbar etwas länger. Währenddessen wickelt Madita beinahe alle Menschen, auf die sie trifft, um den kleinen Finger. Bis auf die glorreichen Drei, die ihr ein WG-Zimmer vermieten.

Es kommt zu allerlei Verwicklungen in Storchenherzen, die mich zum Schmunzeln und zum Lachen bringen. Gelegentlich muss ich laut auflachen und amüsiere mich köstlich über Maditas unbefangene Art und Helgas trockenem, anfangs eher unbewusstem Humor.

Storchenherzen wurde für mich beim Lesen innerhalb kürzester Zeit zu einem Lieblingsroman. Liebe Fritzi Teichert, wenn Ihr das hier lest: ich hoffe, ich halte ganz bald wieder ein gemeinschaftliches Werk von Euch in Händen und habe mindestens genauso viel Freude beim Lesen.

Fritzi Teichert ist der Name des Autorinnenduos bestehend aus Friederike Grauf und Mina Teichert. Und Storchenherzen ist der erste Band einer Dilogie um die beiden Hebammen. Ich freue mich jetzt schon riesig auf den zweiten Band.

Der Schreibstil ist ebenso fluffig wie Maditas fröhliche Art und die Geschichte lässt sich genauso kurzweilig und genussvoll lesen, wie sich ein guter Espresso trinken lässt. Viel zu schnell sind die Seiten gelesen und ist die Geschichte erzählt. Zurück bleibt ein warmes Gefühl und ein Lächeln in meinem Gesicht, wenn ich an Madita, Helga und all die witzigen, spleenigen, liebenswerten und uncharmanten Charaktere in der Geschichte denke.



Fazit
Storchenherzen ist für alle, die ihr Herz auf eine turbulente Reise in einen zauberhaften Ort mit zwei Hebammen und jeder Menge neuem Leben schicken wollen.

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Veröffentlicht am 25.04.2023

Humorvoll erzählte Liebesgeschichte, die die Verschiedenheit kultureller Werte hervorhebt.

Bissle Spätzle, Habibi?
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Bissle Spätzle, Habibi? ist die Geschichte um Amaya. Amaya Baysan ist 30 Jahre alt, hat zwei jüngere Geschwister und lebt mit ihren marokkanischen Eltern in Hamburg. Amayas Eltern sind sehr modern, doch ...

Bissle Spätzle, Habibi? ist die Geschichte um Amaya. Amaya Baysan ist 30 Jahre alt, hat zwei jüngere Geschwister und lebt mit ihren marokkanischen Eltern in Hamburg. Amayas Eltern sind sehr modern, doch alles wollen sie ihrer Tochter auch nicht zugestehen. Amaya soll einen soliden Beruf erlernen und einen muslimischen Mann heiraten - eben alles, was sich Eltern für ihr Kind wünschen.


Amayas Herz allerdings schlägt für die Schauspielerei und für Daniel, einen Atheisten und Schwaben. Um ihre Familie und Daniel nicht zu verlieren, verstrickt sich Amaya immer mehr in ein Lügenkonstrukt. Zu groß ist Amayas Angst, dass ihre Eltern sie verstoßen, wenn sie nicht - wie es sich gehört - mit einem Muslimen eine Beziehung und Ehe eingeht.

Abla Alaoui schreibt sich mit Amayas Geschichte direkt in mein Herz. Die innere Zerrissenheit von Amaya ist für mich spürbar. Genau so wie ihr Humor und ihre moderne Traditionsverbundenheit und die Verbundenheit zu ihrer Familie und zu Daniel. Bissle Spätzle, Habibi? hat mich ausgezeichnet unterhalten. Die Geschichte ist kurzweilig erzählt, birgt die eine und andere Wahrheit im gesellschaftlichen und familiären Zusammenleben in sich und bringt mich gleichermaßen zum Kopfschütteln und zum Lachen. Ein echter Lesegenuss.



Fazit
Bissle Spätzle, Habibi? ist für alle, die humorvoll erzählte Liebesgeschichten mögen und die Verschiedenheit kultureller Werte schätzen und verstehen.

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Veröffentlicht am 10.04.2023

Mensch sein

Das glückliche Geheimnis
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Das glückliche Geheimnis ist ein autobiografischer Roman. Arno Geiger beschreibt darin die Anfänge seiner schriftstellerischen Karriere. Sie begann vor etwa 30 Jahren indem er - auf der Suche nach Literatur ...

Das glückliche Geheimnis ist ein autobiografischer Roman. Arno Geiger beschreibt darin die Anfänge seiner schriftstellerischen Karriere. Sie begann vor etwa 30 Jahren indem er - auf der Suche nach Literatur im Altpapier Wiens - durch die Straßen radelte und Bücher, Postkarten, Briefe und Tagebücher inspizierte und Lohnenswertes mit nach Hause nahm.

Lohnenswert waren zweierlei "Altpapiervorkommen": einmal die, die Arno Geiger auf dem Flohmarkt zu Geld machen konnte und einmal die, die seinen Horizont erweiterten und ihn zwischenmenschliche Beziehungen und Erlebnisse näher brachten.

"Durch Lesen verkürzen wir unsere Lebenszeit nicht, wir verlängern sie. In wenigen Stunden können wir die Erfahrungen nachvollziehen, die ein anderer Mensch in Jahren oder Jahrzehnten gemacht hat. Wir gewinnen Erfahrung im Zeitraffer. Derlei Wundersames vermögen Bücher." - Section 84



Arno Geiger beschreibt den Verlauf seines Lebens über mehrere Jahre und lässt mich als Leserin auch an seinem Leben mit seiner Frau K und seinen Eltern teilhaben. Arno Geiger macht deutlich, dass alles für ihn seine Zeit hat und Offenheit - trotz Doppellebens - für ihn einen großen Wert hat.



"Heimlich das Tagebuch seines Bruders zu lesen ist grausam. Aber das Tagebuch von jemand Unbekanntem zu lesen, versachlicht das Geschriebene. ... Es ist erstaunlich. Wenn man sich darauf einlässt, erkennt man in jedem Schreiber und jeder Schreiberin eine Ähnlichkeit mit sich selbst. Eine menschliche Familienähnlichkeit, sozusagen." - Section 83



Es ist erstaunlich, denke ich, als ich diese Zeilen lese. Nichts anderes stelle ich fest, wenn ich tagtäglich Menschen begegne. - Nur, dass ich über die zwischenmenschliche Verbindung und den mal geringen, mal etwas ausführlicheren Erlebnisberichten lauschen darf.



Matthias Brandt spricht das Hörbuch in einem sehr angenehmen Timbre. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Arno Geiger das Hörbuch nicht selbst eingelesen hat, hätte ich annehmen können, Arno Geiger erzählt mir selbst seine Geschichte. Einzig ab Section 79 - von insgesamt 89 Sections - habe ich eine etwas andere Klangfarbe der Stimme wahrgenommen, die mich zunächst irritierte, aber bald wieder ins gewohnte Klangbild zurückfiel.

Das glückliche Geheimnis ist eine wunderbare Geschichte um einen für Arno Geiger bedeutenden Lebensabschnitt, um Literatur und wahrhaften Geheimnissen von Menschen.



Fazit
Das glückliche Geheimnis ist für alle, die Geschichten und Begebenheiten von Menschen lieben und stets auf der Suche nach mehr Gehalt und Sinn für ihr Leben sind.

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