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Veröffentlicht am 31.05.2023

Geheime Besucherin

Unter dem Schnee
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Nachdem sie die Baumschule fünfzig Jahre lang wohl überlegt geführt hat, ist Luise von Schwan Ende des Jahres 1978 verstorben. Am 28. Dezember 1978 soll sie bestattet werden. Allerdings macht der heraufziehende ...

Nachdem sie die Baumschule fünfzig Jahre lang wohl überlegt geführt hat, ist Luise von Schwan Ende des Jahres 1978 verstorben. Am 28. Dezember 1978 soll sie bestattet werden. Allerdings macht der heraufziehende Wintersturm dies unmöglich. Die Anteilnehmenden aus dem Dorf schaffen es gerade noch nach hause und die Familie macht sich auf den Weg zum Gut. So eng aufeinander saß die Familie schon lange nicht mehr. Klementine, Luises jüngere Schwester, deren Söhne Carl und Jo, Carls Frau, Caroline, Jos Tochter und Isa, die alte Vertraute und Haushälterin von Luise. Doch das enge Beisammensein kommen auch Themen zur Sprache, über die sonst geschwiegen wird.

Das Schicksal der von Schwans seit Gründung der Baumschule, aber hauptsächlich während und nach dem zweiten Weltkrieg, ist ein Hauptthema dieses Romans. Vor dem Hintergrund des großen Winterunwetters über den Jahreswechsel 1978/79 entfalten sich die familiären Beziehungen der Familie. Als am Abend plötzlich der Pastor mit einer jungen Frau auf dem Gut auftaucht, müssen sich die Familienmitglieder auch den letzten Geheimnissen stellen. Das Schweigen muss gebrochen werden. Die junge Generation hat ein Recht darauf, auch das von den Älteren zu erfahren, was diese gerne für sich behalten würden.

Von Verlusten geprägt ist das Leben der von Schwans und nicht nur das, auch Schuld haben die Älteren auf sich geladen. Auch wenn einige irgendwann vielleicht erkannt haben, dass unter dem Regime des dritten Reiches nichts Positives entstehen konnte, so haben sie doch bis zu einem gewissen Grad mitgemacht. Und nicht jeder sieht etwas ein. Auch die folgende Generation mit ihrem sich einfügen oder sich auflehnen, ist von der Kriegszeit geprägt. Kann unter diesen Voraussetzungen eine Entwicklung zum Besseren einsetzen? Möglicherweise entsteht erst in der Enkelgeneration die Kraft zum Neuanfang. Mit bewegenden Worten berichtet die Autorin von einer Zeit, die die meisten wahrscheinlich nur in Teilen miterlebt haben, und für die etliche zu jung sind. Dieser zeitgeschichtliche Roman bietet neben einer spannenden und aufwühlenden Familiengeschichte, auch einen Anreiz über den Hintergrund der eigenen Familie nachzudenken und sich in Erinnerung zu rufen. Auch da gab es möglicherweise Schuld, Verlust und Flucht und doch auch einen Neustart, der aber nie die Erinnerung überdecken sollte. Ein überraschend klares Buch, das zu lesen sich lohnt.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Rosa Lippenstift

Liebe oder Eierlikör
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Ernst Mannsen ist ganz verwirrt. Die liebenswerte, aber etwa unscheinbare Gemeindemitarbeiterin Hilke trägt plötzlich Lippenstift und farbenfrohe Kleidung. Wenn sie mal nicht einem Heiratsschwindler aufgesessen ...

Ernst Mannsen ist ganz verwirrt. Die liebenswerte, aber etwa unscheinbare Gemeindemitarbeiterin Hilke trägt plötzlich Lippenstift und farbenfrohe Kleidung. Wenn sie mal nicht einem Heiratsschwindler aufgesessen ist. Ernst muss unbedingt Schlimmeres verhindern. Und so kommt es, dass sein Enkel Mads ihm ein Profil auf der Online-Dating-App erstellt. So richtig was zu suchen hat der mit seiner Gudrun glücklich verheiratete Ernst natürlich nicht, aber wenn es der Rettung von Hilke dient, dann wird er sein ganzes Geschick einsetzen. Dass Ernst dabei den einen oder anderen Auftrag vergisst, den Gudrun erteilt hatte, lässt sich kaum verhindern.

Wenn einem die Namen von Ernst Mannsen und seinen Sylter Freunden und Bekannten irgendwie bekannt vorkommen, dann könnte das an „Geld oder Lebkuchen“ erinnern, wo der ehemalige Zollbeamte und verhinderte Polizist Ernst schon einmal schlimmere Verbrechen zu verhindern suchte. Im vorliegenden Band geht es auch wieder lustig zu, wenn auch das Thema durchaus auch ernste Momente hat. Man muss halt schon aufpassen in dieser Welt. Ernst jedenfalls tut sein Bestes, um seine Ermittler-Qualitäten ins beste Licht zu rücken. Schnell wird dann auch die Enkelgeneration mit ihrer technischen Expertise tätig, Manchmal scheinen die Jungen die Vernünftigen zu sein, da müssen sie den Älteren gegenüber auch einfach mal nachgeben.

Durch diese Fast-Romanze führt die Vorleserin Katja Danowski mit traumwandlerischer Sicherheit. Sie verleiht dem Hörbuch große Lebendigkeit. Auch dieses zweite Treffen mit Ernst Mannsen und seinem Sylt und den Inselbewohnern macht richtig Spaß. Mit Witz und Humor werden auch durchaus ernste Themen aufgegriffen, aber gelungen mit der einem Cozy-Crime oder eben Romance angemessenen Leichtigkeit verarbeitet. Der aufrechte Ernst, der gerne die Welt, aber mindestens die Inselbewohner retten möchte, die dorfälteren Frauen, welche ihm dabei mit großem Einsatz helfen, die Enkel, die gegen die Älteren manchmal nur so in etwa bestehen. Humorig, ohne platt zu wirken. Das wünscht man sich von einem leichten und dennoch sehr intelligentem Roman, der ein paar Elemente eines Kriminalromans hat und bei dem es sich dennoch fast um eine Romanze handelt.

Veröffentlicht am 25.05.2023

Der Protokollant

Wenn Worte töten
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Der Autor Anthony Horowitz fühlt sich manchmal eher wie der Co-Autor von Damiel Hawthorne, einem ehemaligen Polizisten. Mit diesem hat er einen Fall protokolliert und als Kriminalroman veröffentlicht. ...

Der Autor Anthony Horowitz fühlt sich manchmal eher wie der Co-Autor von Damiel Hawthorne, einem ehemaligen Polizisten. Mit diesem hat er einen Fall protokolliert und als Kriminalroman veröffentlicht. Bald soll es ein neues Buch geben und der Verlag meint, Horowitz und Hawthorne sollen zu einem Literaturfestival nach Alderney. Womit die beiden Herren, die sich nicht immer ganz grün sind, nicht rechnen, dass sie sich auf der beschaulichen Kanalinsel nicht nur mit Literatur beschäftigen werden. Zu dem Festival hat sich eine illustre Runde versammelt, etwas skurril, aber interessant. Nur der Mäzen scheint nicht die Freundlichkeit in Person zu sein.

Dies ist der dritte Roman, in dem der Autor Anthony Horowitz als Chronist des Privatdetektivs Daniel Hawthorne auftritt. Besonders am Anfang wird die Beziehung zwischen Verlag, Autor und Agent beleuchtet. Wobei der Ideengeber Hawthorne seinen Anteil an der schriftstellerischen Tätigkeit doch als überaus wichtig einschätzt, schließlich hätte man ohne seine Nachforschungen keine Romane. Eigentlich ist Horowitz der Co-Autor, es ist ihm nur nicht so klar. Und Alderney ist doch ein nettes Reiseziel. Das der Mäzen schon am nächsten Morgen tot aufgefunden wird, führt natürlich dazu, dass Hawthorne unerwartet ermitteln muss. Möglicherweise hatte er auch noch einen ganz anderen Grund, an dem Festival teilzunehmen.

Der Anfang dieses klassischen Whodunit mit seinen Anspielungen auf das Verlagswesen und der Irritation des Autors über seinen selbstgerechten Co-Autoren ist wirklich klasse. Auf der Insel angekommen entwickelt sich der Roman mehr zu einem normalen Krimi, in dem eben Täter und Motiv gefunden werden sollen. Natürlich ist Hawthorne schlauer als die Polizei oder Horowitz. Und von sich eingenommen bleibt er immer. Dennoch verfolgt man gespannt, wie mögliche Motive eruiert und Verdächtige ausgeschlossen werden. Auch ist es vergnüglich, die Irrtümer des Autors zu erkennen. Wobei es beim Lesen nicht gelingt, das Rätsel selbst zu lösen. Da muss und darf man sich getrost auf Hawthorne verlassen, über dessen Persönlichkeit es etwas zu erfahren gibt. Diese Reihe ist lesenswert und das Hörbuch wird hervorragend vorgetragen von Uve Teschner.

Veröffentlicht am 18.05.2023

Hinter der Maske

Die einzige Frau im Raum
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Mit achtzehn hat Hedwig ihre erste Rolle am Theater, sie spielt die Sissi. Was könnte sie sich mehr erträumen. Ihr Vater ist ein Mann mit Weitblick. Anfang der 1930er schon erkannt, dass es für Menschen ...

Mit achtzehn hat Hedwig ihre erste Rolle am Theater, sie spielt die Sissi. Was könnte sie sich mehr erträumen. Ihr Vater ist ein Mann mit Weitblick. Anfang der 1930er schon erkannt, dass es für Menschen mit jüdischer Abstammung in Wien schwierig werden könnte, einfach nur am Leben zu bleiben. Er hofft, die Heirat seiner Tochter mit einem älteren Waffenfabrikanten, würde wie eine Schutzmauer wirken. Leider erweist sich ihr Ehemann als gewalttätiger Despot und nach einigen Jahren des Erleidens dieser Ehe gelingt es Hedy zu fliehen. Mit Hilfe von Louis B. Mayer gelangt Hedy nach Hollywood, wo sie ihre Schauspielkarriere unter ihrem Künstlernahmen Hedy Lamarr wieder aufnimmt.

Welch eine ungewöhnliche Frau. Ihr Start ins Leben wohlbehütet in einer Bankiersfamilie. Doch die Ehe, die sie so jung eingeht, wird nicht glücklich. Vor der Hochzeit verstand ihr Mann es, sie mit Geschenken zu locken. Indem er sie gleichberechtigt behandelte, nahm er Hedy für sich ein. Doch nach der Hochzeit entpuppt er sich als eifersüchtiger Despot, der seine Frau in allen Belangen einschränkt und sie mehr als Schmuckstück ansieht, denn als Mensch. Inzwischen wird auch die politische Lage in Österreich immer gefährlicher. Hedy sieht keine andere Möglichkeit als zu fliehen.

Beim Lesen der Beschreibung zu diesem Buch ist man sofort Feuer und Flamme. Der Name Hedy Lamarr hat etwas Mystisches. Schnell merkt man, wie wenig man über die Schauspielerin weiß. Weder ihre österreichisch-jüdische Herkunft war bekannt, noch ihr genialer Erfindergeist. Wohl hat sie auch darunter gelitten, dass sie in Amerika ein relativ angenehmes Leben führte, in Europa jedoch ein perfider Machhaber den ganzen Kontinent mit Leid und Tod überzog. Die spannende Jugend der Künstlerin und Erfinderin hat die Autorin in ruhigen Worten erzählt, wobei ein kurzes Nachwort noch mit beeindruckenden Erläuterungen aufwartet. Diese Lebensbeschreibung bringt einem den Menschen Hedy Lamarr näher, die wie so viele ihrer Generation als starke Frau nicht wirklich wahrgenommen wurde. Ein literarisches Denkmal, von dem man wünscht, dass es ihr gefallen hätte.

Veröffentlicht am 14.05.2023

Ein schönes Paar

Just Like You
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Die Trennung war das einzig Richtige. Doch nun ist die Englischlehrerin Lucy allein mit ihren zwei Söhnen. Da sind die Treffen mit ihrer Bekannten Emma fast eine Abwechslung, wenn nicht Emma so offensiv ...

Die Trennung war das einzig Richtige. Doch nun ist die Englischlehrerin Lucy allein mit ihren zwei Söhnen. Da sind die Treffen mit ihrer Bekannten Emma fast eine Abwechslung, wenn nicht Emma so offensiv mit dem Metzgereiverkäufer flirten würde. Irgendwie kommt Lucy selbst mit Joseph ins Gespräch und irgendwie wird er der Babysitter ihrer Söhne. Obwohl Lucy um einiges älter ist versteht sie sich gut mit Joseph. Genau genommen besser als mit den gelegentlichen Blind Dates, die Freundinnen manchmal organisieren. Im Jahr 2016 kurz vor der Brexit-Abstimmung ist noch alles gut. Jedoch sind die Diskussionen intensiv und die Menschen uneinig.

Im Jahr 2016 ist in England der Brexit das große Thema. Es scheint, als meinten die Menschen, sie könnten diskutieren und abstimmen, aber es würde nichts geschehen. Bis zum Tag des Erwachens. Recht bald macht sich Katerstimmung breit. Gegen diese Grundstimmung bilden Lucy und Joseph einen Kontrast. Eigentlich wirken sie wie ein unmögliches Paar. Er ist so viel jünger und schwarz, sie, zweiundvierzig, mit einem Mittelklassehintergrund und mit Kindern und Beruf gut ausgelastet. Aus ihren Gesprächen über die Jungs wird langsam mehr und sie merken, dass sie sich richtig gut verstehen. Kann das allerdings gutgehen?

Natürlich ist heute besser bekannt, was mit der Brexit-Abstimmung angerichtet wurde. Doch der Roman ist erstmal im Jahr 2020 erschienen, wo man das noch nicht überblicken konnte. Nun ist das Thema doch etwas vorbei und man liest das Buch sicherlich anders als es damals der Fall gewesen wäre. Dennoch ist der Autor für seine liebenswerten Charakterzeichnungen bekannt und damit kann auch dieses Werk punkten. Witzige Dialoge, wohlgeratene Kinder, ein Paar, das lebensecht wirkt, dem man sofort abnimmt, dass es um seine Beziehung kämpft, dass es den Gefühlen folgt. Ein besonderes Geschick hat der Autor dafür, seine Leser mit einem Ausklang zu beglücken, mit dem man sehr gut leben kann, dem aber nicht der Realitätsbezug abhanden kommt. So hat man das gerne.