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Veröffentlicht am 25.05.2023

Ein Gesellschaftsroman, der Mut macht, Veränderungen anzugehen

Morgenluft
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"Morgenluft" von Ulla Mothes

AUSSTATTUNG:
Auch wenn ich mich eigentlich nicht von Covern zum Lesen verleiten lasse, hat mich dieses sofort angesprochen, da es gleichzeitig schlicht, zart und außergewöhnlich ...

"Morgenluft" von Ulla Mothes

AUSSTATTUNG:
Auch wenn ich mich eigentlich nicht von Covern zum Lesen verleiten lasse, hat mich dieses sofort angesprochen, da es gleichzeitig schlicht, zart und außergewöhnlich ist. Vor dem ersten Kapitel befindet sich ein Lageplan der Kolonie "Flußeck". Ich freue mich immer sehr über Karten im Buch, da ich mir dann alles viel besser vorstellen kann. Die Unterabschnitte der Kapitel, die abwechselnd aus Sicht der verschiedenen Pächter erzählt werden, beginnen jeweils mit einem Piktogramm der Kolonie, in der die Parzelle der aktuellen Perspektive markiert ist - eine nette Idee!

INHALT:
Die kleine idyllische Schrebergartenkolonie "Flusseck" mit sechs Parzellen soll für ein lukratives Mehrfamilienhaus platt gemacht werden. Die Pächter und Pächterinnen kämpfen um den Erhalt ihrer Oase, doch die Entpachtung ist quasi nicht mehr zu vermeiden. Die Gemeinschaft ist bunt gemischt - ein kiffender Althippie, ein Renterehepaar mit üppigen Gemüsebeeten, eine bio-vegane Hipsterfamilie, ein Ehepaar mit türkischen Wurzeln und ein junges lesbisches Paar. In die letzte Parzelle, die seit einer Weile leersteht, nistet sich eines Nachts die geheimnisvolle Architektin Lu ein, die etwas zu verbergen scheint...

In der Kolonie treffen unterschiedliche Lebensentwürfe aufeinander, und durch den  drohenden Abriss ist die Anspannung groß.  Konflikte treten zu Tage, innere und äußere,  und jeder muss sich auf seine Art lange Verdrängtem stellen.

BEWERTUNG:
Die Situation in einer Schrebergartenkolonie wurde im Buch sehr gut getroffen und hat mich oft an den Garten meiner Großeltern erinnert. Jeder beobachtet das Tun des anderen, immer wieder gibt es Reibereien, und man muss diese Nähe und die mangelnde Privatsphäre aushalten können.

Die Erzählperspektive wechselt zwischen den einzelnen Pächtern der Parzellen und Lu, und man lernt so jeden Charakter mit seinen verborgenen Problemen, Ängsten und Zweifeln kennen. Jeder wird im Laufe des Buches dazu gezwungen, sich diesen zu stellen, sein bisheriges Leben zu hinterfragen und grundlegende Entscheidungen zu treffen. Die einzelnen Figuren machen alle eine wichtige Entwicklung durch. Das ein oder andere Problem kennt man aus eigener Erfahrung, und ich habe mich immer wieder gefragt, wie ich mich in einer entsprechenden Situation verhalten würde. Der didaktische Ansatz der Autorin ist hier vor allem im letzten Drittel deutlich spürbar, und manches ist mir zu glatt und harmonisch. Da ich nicht spoilern möchte, kann ich hier nicht näher darauf eingehen.

Vor allem die ersten beiden Drittel des Buches haben mir sehr gut gefallen, das letzte Drittel war etwas vorhersehbar. Insgesamt eine interessante und unterhaltsame Geschichte mit psychologischen Aspekten, die Mut macht, neue Wege zu gehen, sich selbst zu hinterfragen und wichtige Entscheidungen nicht aufzuschieben, sondern anzupacken.

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Interessanter Roman über Jugendkriminalität

Mit zitternden Händen
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"Mit zitternden Händen" von Malin Persson Giolito erzählt abwechselnd auf zwei Zeitebenen die Geschichte der beiden Teenager Douglas "Dogge" und Billy.  

Die erste Zeitebene spielt in der Gegenwart und ...

"Mit zitternden Händen" von Malin Persson Giolito erzählt abwechselnd auf zwei Zeitebenen die Geschichte der beiden Teenager Douglas "Dogge" und Billy.  

Die erste Zeitebene spielt in der Gegenwart und brginnt mit einem Schuss auf Billy, die zweite erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen Billy und Dogge von Kindergartenalter bis zur Gegenwart und läuft auf den Anfang des ersten Erzählstranges zu.

Billy und Dogge kommen aus völlig verschiedenen  sozialen Verhältnissen, wobei ich die familire Situation von Dogge als etwas zu dick aufgetragen und klischeehaft empfand. Sie haben mit unterschiedlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dazu führen, dass beide ins kriminelle Milieu abrutschen und früh zu Intensivtätern werden. Der Weg der beiden in die Kriminalität wird sehr eindrücklich beschrieben. Der Roman beschränkt sich nicht auf die Perspektive der Kids, sondern zeigt auch die Blickwinkel von Farid, der als Jugendpolizist arbeitet, und von Sudden, einem Ladenbesitzer, der immer wieder Opfer der kriminellen Kids wird. Das Buch gibt erfreulicherweise keine einfachen Antworten, sondern zeigt ein komplexes Bild, bei dem mehrere unglückliche Faktoren und das Versagen Vieler in die Katastrophe führen.

Es fiel mir schwer, Sympathie für Billy und Dogge zu empfinden, so dass ich in einer gewissen emotionalen Distanz zu den Jungen und der Handlung des Buches blieb. Auch wenn beide auf ihre Weise schwierige Bedingungen hatten, so führten diese nicht zwingend in die Kriminalität, und die beiden Jungs hätten auch einen anderen Weg einschlagen können. Das klingt auch im Buch an, als Farid über seine eigene Jugend nachdenkt.

Im letzten Drittel des Buches gibt es einzelne Entwicklungen, die ich für recht unglaubwürdig halte und die den Gesamteindruck des Buches beeinträchtigten. Auch ein Widerspruch vom Anfang des Buches bezüglich einer Person, die sich vom Tatort entfernt, löste sich nicht auf.

Insgesamt ein interessantes, nachdenklich stimmendes Buch mit kleinen Schwächen gegen Ende.

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  • Spannung
Veröffentlicht am 16.05.2023

Deutschland nach der Kapitulation

Heul doch nicht, du lebst ja noch
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Mit "Heul doch nicht, du lebst ja noch" setzt sich Kirsten Boie mit der Zeit unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges auseinander. Auch wenn dieser Roman inhaltlich nichts mit dem Vorgänger "Dunkelnacht" ...

Mit "Heul doch nicht, du lebst ja noch" setzt sich Kirsten Boie mit der Zeit unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges auseinander. Auch wenn dieser Roman inhaltlich nichts mit dem Vorgänger "Dunkelnacht" zu tun hat, so ähneln sich die Bücher nicht nur im Coverdesign, sondern auch hinsichtlich ihres Erzählstils. Beide behandeln einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen und sind aus der wechselnden Perspektive von 13 - 15jährigen Teenagern im zerbombten Hamburg geschrieben.

Kirsten Boie erzählt durch die Hintergründe der einzelnen Kinder von den verschiedenen Verletzungen und Traumata, die die Jugend nach 1945 mit sich trug. Kinder von Opfern des Regimes  und Geflüchtete treffen auf Kinder von Mitläufern und Tätern, die in der nationalsozialistischen Ideologie erzogen wurden und in dieser noch teilweise gefangen sind. Gemeinsam müssen sie einen Weg finden, miteinander zu leben und aufeinander zuzugehen.

Da ist Traute, die Glück im Unglück hatte, ihre Familie wurde von den Bomben verschont, die Eltern leben noch und sind gesund. In ihre kleine Zweizimmerwohnung wurde jedoch eine vierköpfige Flüchtlingsfamilie aus Ostpreußen einquartiert, alles ist beengt, Essen und Hygieneartikel sind knapp. Hermann war früher HJ-Führer, er hat die Ideologie der Nazis verinnerlicht. Sein Vater hat im Krieg beide Beine verloren, ist ständig auf Hermanns Hilfe angewiesen und lässt seine Wut und Verzweiflung an Herrmann und seiner Mutter aus. Und da ist Jakob, ein jüdischer Junge, der seine gesamte Familie verloren hat, in den Trümmern Hamburgs versteckt haust und noch gar nicht weiß, dass der Krieg zu Ende ist. Auch Max und Adolf haben ihre Familiengeschichte, die von Flucht, Verlust und Todesangst erzählt.

Kirsten Boie greift in dieser Geschichte viele verschiedene Probleme im Nachkriegsdeutschland unmittelbar nach der Kapitulation auf und macht diese durch die jugendlichen Protagonistinnen greifbar und erlebbar. Insbesondere durch Jakob lernen die Leserinnen einiges über das Schicksal jüdisch-deutscher Mischfamilien und den Repressionen, denen diese ausgesetzt waren. Die Figur des Hermann macht deutlich, wie tief verankert die Nazi-Ideologie in den Köpfen der Kinder war, die durch die Hitlerjugend von klein auf indoktriniert wurde. Auch die Ressentiments gegenüber den Flüchtlingsfamilien aus den Ostgebieten werden erwähnt und der Opportunismus vieler Deutscher im Blick auf die Entnazifizierung.

In der Fülle an Themen, die die Jugendlichen repräsentieren, liegt auch eine kleine Schwäche des Buches, da es mitunter etwas konstruiert wirkt und die Figuren dadurch an Authentizität verlieren.

Insgesamt jedoch ein sehr lehrreiches, interessantes und zum Nachdenken anregenden Jugendbuch, das die vielfältigen gesellschaftlichen und sozialen Probleme aufzeigt, vor denen  Deutschland nach dem Ende des 2. Weltkrieges stand.

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Veröffentlicht am 13.05.2023

Hochinteressant

Die Jagd auf das chinesische Phantom
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In "Die Jagd auf das chinesische Phantom" begeben sich die bekannten Investigativjournalisten Bastian Obermayer, Christoph Giesen, Frederik Obermaier und Philipp Grüll auf die Spur des Waffenhändlers Karl ...

In "Die Jagd auf das chinesische Phantom" begeben sich die bekannten Investigativjournalisten Bastian Obermayer, Christoph Giesen, Frederik Obermaier und Philipp Grüll auf die Spur des Waffenhändlers Karl Lee. Gemessen am Rechercheaufwand, sind die greifbaren Erkenntnisse eher vage. Dennoch ist das Buch sehr lesenswert, da es auf erschreckende Weise zeigt, wie hilflos die westlichen Welt den Machenschaften skrupellosen Waffenschiebern und Geldwäschern gegenübersteht. Wirtschaftliche, geostrategische und politische Interessen stehen konsequenter nationaler und internationaler Strafverfolgung im Weg.

Trotz des vermeintlich trockenen Themas liest sich das Buch sehr flüssig und spannend, und gibt einen interessanten Einblick in die mühevolle und an Rückschlägen reiche Arbeit von Investigativjournalisten.  Es zeichnet ein eindrucksvolles und klares Bild von den wahren Interessen Chinas und den Gefahren, die uns von der Allianz zwischen China, Iran und Russland drohen.

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Veröffentlicht am 09.05.2023

Sehr schöne Geschichte

Die Schule der mittelguten Zauberer – Wirbel um den Neuen
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Niko, 11 Jahre alt, ist bei allem eher mittel. Der mittlere von 3 Geschwistern, mittelbraunes Haar, Mittelfeldspieler im Fußball und mittelgut in der Schule - ein ganz normaler Junge eben, bis er eines ...

Niko, 11 Jahre alt, ist bei allem eher mittel. Der mittlere von 3 Geschwistern, mittelbraunes Haar, Mittelfeldspieler im Fußball und mittelgut in der Schule - ein ganz normaler Junge eben, bis er eines Tages plötzlich ständig rosa Nebel vor sich sieht. Wie sich herausstellt, ist er ein Seher, und soll fortan auf eine Zaubererschule gehen. Allerdings nicht auf das Merlineum, die edle Schule für die "klassischen" Zauberer, die sogenannten Alphas, sondern auf die ziemlich heruntergekommene Schule daneben. Diese ist für die Omegas und wird von den Alphas geringschätzig als Schule der mittelguten Zauberer verspottet.

Niko findet sich in einer völlig neuen Welt wieder, mit seltsamen Mitschülern, Lehrern und skurrilen Unterrichtsmethoden, und auch das Internatsleben ist gewöhnungsbedürftig, vom merkwürdigen Essen ganz zu schweigen. Ständig geht bei den Omegas irgendetwas schief, und Niko ist hin- und hergerissen. Er wäre gerne ein echter Alpha, doch er lernt, dass auch die Omegas ihre Vorzüge haben, und dass sie, wenn sie fest zusammenhalten und gemeinsam an einem Strang ziehen, richtig stark sind.
Das Buch ist sehr unterhaltsam geschrieben, mit vielen lustigen Einfällen, und die Idee der Omegas gefällt mir richtig gut. Ich möchte hier nicht näher auf die Omegas eingehen, da ich nicht spoilern möchte, aber dass sie keine "herkömmlichen" Zauberer sind, sondern sich mit den ein oder anderen Tücken ihrer Gabe herumschlagen müssen, macht den besonderen Witz dieses Buches aus. Ganz nebenbei zeigt die Geschichte dadurch auch, wie wichtig Zusammenhalt, Freundschaft, Teamfähigkeit und gegenseitiges Vertrauen sind.

Das Buch ist sehr abwechslungsreich und unterhaltsam geschrieben und für Kids ab ca. 9 Jahren geeignet. Das Buch besteht aus 14 Kapiteln plus zwei kleinen Glossaren über die Zauberei bzw. die Spezialzauberkräfte. Mehrere  schwarz-weiße Illustrationen lockern das Buch zusätzlich auf.

Einen Wermutstropfen hat das Buch leider, der für mich zu einem Stern Abzug führt: Als es so richtig spannend wird, endet das Buch mit einem echten Cliffhanger, und das finde ich in diesem Lesealter nicht optimal, da es zwangsläufig zu Enttäuschungen führt, sofern der nächste Band noch nicht erschienen ist. Auch meinem Sohn (9) war das Ende daher zu abrupt und er möchte natürlich sofort wissen, wie es jetzt weitergeht.

Hier wäre es meiner Ansicht nach besser gewesen, das letzte Kapitel wegzulassen.

Insgesamt aber eine sehr schöne Geschichte mit Potential, und wir sind gespannt auf den zweiten Teil!

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