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Veröffentlicht am 10.07.2023

Schöne, zwischendurch traurige Liebesgeschichte

Vom Ende der Nacht
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Will und Rosie sind die typischen Underdogs, vielleicht auch Nerds. Beide sind ein bisschen verschroben, tun teils seltsame Dinge und haben eine Einstellung zum Leben, die in unserer Leistungsgesellschaft ...

Will und Rosie sind die typischen Underdogs, vielleicht auch Nerds. Beide sind ein bisschen verschroben, tun teils seltsame Dinge und haben eine Einstellung zum Leben, die in unserer Leistungsgesellschaft nicht unbedingt als normal gilt.
Will ist kein schlechter Schüler, könnte an die Uni gehen, doch seine Zukunft sieht er in der Werkstatt. Er schraubt lieber an Motorrädern rum, egal, ob er dann als ungelernte Kraft schlecht bezahlt wird. Will folgt hier seiner Leidenschaft.
Rosie scheint mit dem hinterletzten Probenraum verwachsen zu sein. Hier schreibt sie Songs und gibt sich ihren Träumen hin. Von Hause aus sollte sie allerdings lernen für beste Noten, um an einer Eliteuniversität studieren zu können. Um ihre Figur sollte Rosie sich ebenfalls kümmern. All zu gern drückt sie sich vor ihrem Fitnessprogramm.

Als Will und Rosie sich zum ersten Mal begegnen, ist es vielleicht nicht Liebe auf den ersten Blick, aber es gibt eine gewisse Anziehungskraft. Doch obwohl die beiden für einander bestimmt zu sein scheinen, kommt ihnen das Leben dazwischen. Sie folgen den Zwängen ihres Umfelds, können aber auch irgendwie nicht voneinander lassen.

Claire Daverley schafft eine Atmosphäre von Zuneigung und Schmerz. Die Autorin erzeugt bei den handelnden Personen wie auch bei ihrer Leserschaft intensive Emotionen. Einerseits schmerzt es, der Entwicklung dieser On-Off-Beziehung beizuwohnen, andererseits möchte man den beiden zurufen, doch endlich ihrer Leidenschaft zu folgen. Ich schwankte stark zwischen Mitgefühl und Wut über die Unfähigkeit von Will und Rosie auch nur eine Grenze zu überschreiten.

An einigen Stellen war die Story mir etwas zu vorhersehbar. Auch waren es mir zu viele Schicksalsschläge, die beide ertragen mussten. Hier hätte ich mir entweder mehr Abwechslung oder einfach weniger gewünscht. Nichts desto trotz war der Roman angenehm zu lesen. Wer Lovestories liebt, wird sich damit ganz und gar wohlfühlen. Ich hatte mir etwas mehr drumherum vorgestellt, vielleicht auch einen größeren Kreis an tatsächlich handelnden Personen. Schließlich wird ein recht langer Lebensabschnitt behandelt, da wären mehr Begegnungen und etwas mehr Komplexität durchaus angebracht gewesen.

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Veröffentlicht am 03.07.2023

Von kleinen Helden, die über sich hinauswachsen

Meck und Schneck. Ein Löwe ist kein Kuscheltier
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„Ein Löwe ist kein Kuscheltier“ ist eine kurze Geschichte, die vorgelesen werden kann, sobald Kinder in der Lage sind einen Augenblick zuzuhören. Sie ist aber auch gut geeignet für Erstleser, die gerade ...

„Ein Löwe ist kein Kuscheltier“ ist eine kurze Geschichte, die vorgelesen werden kann, sobald Kinder in der Lage sind einen Augenblick zuzuhören. Sie ist aber auch gut geeignet für Erstleser, die gerade die erste Klasse beenden. Das Vokabular ist einfach gestaltet, trotzdem liebevoll arrangiert. Der Umfang der Geschichte ist so übersichtlich, dass beide Zielgruppen das (Vor)gelesene erfassen können.

Schneck ist eine Schnecke mit viel Angst und großen Augen. Da es nicht so bleiben kann, dass er sich vor Allem fürchtet, beschließt er einen Löwen zu fangen, um seine Ängste zu überwinden. Denn wer einen Löwen fängt, braucht vor nichts mehr Angst zu haben. Auf seiner Suche trifft er Meck, der ihn fortan auf seiner Reise begleitet und jede Menge Tipps auf Lager hat.

Meiner Tochter, einer Erstleserin, hat das Buch gut gefallen. Sie hat sich gefreut, dass sie es ohne jegliche Hilfe lesen kann. Ich finde diese Erfolgserlebnisse motivierend und freue mich, wenn sie das nächste Buch in die Hand nimmt. Zudem gefallen uns die Illustrationen sehr, denn neben dem Text gibt es jede Menge zu entdecken.

Sehr gern empfehle ich dieses textlich und bildlich sehr ansprechende Buch. Ich kann regelrecht mitfühlen, wie viel Liebe in der Entstehung steckt.

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Veröffentlicht am 05.06.2023

Was für ein Buch?

Die geheimste Erinnerung der Menschen
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Mit dem Lesen des vorliegenden Romans habe ich an einem vielschichtigen Erlebnis teilgenommen. Multiple Emotionen wurden ausgelöst und gleichzeitig kann ich das Gelesene nicht vollständig greifen. Wenn ...

Mit dem Lesen des vorliegenden Romans habe ich an einem vielschichtigen Erlebnis teilgenommen. Multiple Emotionen wurden ausgelöst und gleichzeitig kann ich das Gelesene nicht vollständig greifen. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich viele interessante, angesprochene Themen wieder. Trotzdem habe ich das Gefühl, der Inhalt des Romans würde mir entgleiten, so als ob Sand unaufhaltsam durch die Finger rinnt. Das war auch schon während des anspruchsvollen Leseprozesses der Fall.

Inhaltlich lässt sich der Roman somit kaum rekapitulieren. Übergreifend kann ich sagen, dass die Protagonisten dem französischen Literaturbetrieb angehören und überwiegend afrikanische Wurzeln haben. Ihr Schaffen findet in zeitlicher Hinsicht auf Distanz statt. Die beiden Hauptfiguren, der Doktorand Diégane Faye und der Autor des legendären Buches „Das Labyrinth des Unmenschlichen“, T. C. Elimane, treten dabei lediglich über Dritte in Kontakt. Streng genommen, stößt Diégane Faye auf der Suche nach der eigenen Identität als Schriftsteller mehr oder weniger zufällig auf Elimanes Roman, der dann in der Folge scheinbar Besitz von Diégane ergreift. Fast nebenbei finden Themen wie die Weltkriege aus Sicht der kolonialisierten Welt, maßlose Gewalt, Rassismus im Literaturbetrieb, Glaube und Spiritualität sowie freie Sexualität ihren Platz in Mohamed Mbougar Sarrs Roman.

Das war in meiner Wahrnehmung eigentlich ein Overload, ein bisschen zu viel von Allem. Manchmal gingen mir die vielen Erzählperspektiven auch ein Stück weit auf die Nerven. Nur mit höchster Konzentration war es überhaupt möglich, den Gedanken des Autors zu folgen. Dennoch habe ich mich von Diéganes Wahn, Elimane zu finden, anstecken lassen. Dabei bin ich interessanten Zwischengeschichten begegnet, habe auf historische Ereignisse einen anderen Blickwinkel eröffnet bekommen. Eine beeindruckende Erfahrung.

Rückblickend empfinde ich den Roman als literarisches Kunstwerk und ein bisschen auch als Geniestreich. Wir lesen einen literarisch sehr hochwertigen Text, in dem Elimane mit seinem Roman als „schwarzer Rimbaud“ zunächst gefeiert, später fast ausschließlich verrissen wird. Dabei ist Elimanes Werk eine Ode an die Weltliteratur. Passend zu diesem Geniestreich greifen auch die Titel der Romane gekonnt ineinander. Wir lesen „Die geheimste Erinnerung der Menschen“, der Roman im Roman ist mit „Das Labyrinth des Unmenschlichen“ überschrieben. Ausgehend von ihren Titeln gehen die beiden Geschichten ineinander über, verschwimmen ein wenig und das Lesen fühlt sich ein bisschen an wie in Trance. Das hatte schon was.

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Veröffentlicht am 22.05.2023

Eine Erfindung ihre Familie und Freunde

Das Licht im Rücken
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Die Geschichte der Leica beginnt 1914 in Wetzlar, als der Feinmechaniker und Tüftler, Oskar Barnack, den Fotoapparat im Taschenformat, dessen Konstruktion ihm soeben gelungen ist, seinem Chef bei den Leitz-Werken ...

Die Geschichte der Leica beginnt 1914 in Wetzlar, als der Feinmechaniker und Tüftler, Oskar Barnack, den Fotoapparat im Taschenformat, dessen Konstruktion ihm soeben gelungen ist, seinem Chef bei den Leitz-Werken vorstellt. Obwohl die Firma eigentlich Mikroskope entwickelt und produziert, sieht Ernst Leitz, der Sohn des Firmengründers das Potenzial des Gerätes. Der neue Roman von Sandra Lüpkes resümiert aber nicht nur die technischen Entwicklungsschritte der Kamera, sondern erzählt aus dem Leben der Inhaberfamilie, deren Freunden und Bekannten sowie von wichtigen Mitarbeitern der Firma Leitz. Durch den historischen Hintergrund fällt die Geschichte in die Zeit der Weltkriege.

Zunächst läuft die Handlung recht dokumentarisch ab. In unzähligen kurzen Sätzen werden Fakten präsentiert, Familienverhältnisse aufgeklärt. Wichtige Stationen der Firmengeschichte werden berichtet. Dadurch habe ich in der ersten Hälfte des Romans auch ein paar Längen empfunden. In dieser Phase mochte ich die Beschreibungen aus dem Haus der Präsente sehr gern. Ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie die Wetzlarer große Augen machen, wenn sie silberne Kerzenständer oder so einen neumodischen Eierschneider bestaunen. Im weiteren Verlauf, mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten, wurde der Roman für mich emotionaler. Schon während der ersten Aufmärsche haben mich Einzelereignisse berührt. Die Nähe zu den Protagonisten wuchs stetig an, so dass mich manches Schicksal zum Ende hin Tränen in die Augen getrieben hat. Ich musste ganz schön kämpfen, sie nicht los zu lassen.

Den angenehm lesbaren Schreibstil in Kombination mit dieser ansteigenden Handlung mochte ich gern. Neben dem Emotionalen nahm auch die Spannung immer weiter zu. Abgerundet wird die Geschichte der Leica durch ein kurzes Nachwort der Autorin und ein Personenregister in alphabetischer Reihenfolge. Da es eine Häufung der männlichen Vornamen Ernst und Gustav gibt und vier Generationen Leitz im Roman Platz finden, hätte ich einen zusätzlichen Familienstammbaum hilfreich gefunden. Dafür wartet das Buch mit einer besonders schönen Gestaltung auf. Neue Entwicklungsstufen der Leica tauchen zeitlich korrekt zwischen den entsprechenden Kapiteln auf. Auch die weltweite Verbreitung der Kamera wird bildhaft dokumentiert. Im Vor- und Nachsatz befinden Fotos der Familie Leitz, deren Nachweis und Erläuterung sich auf den letzten Seiten befinden.

So entsteht insgesamt ein sehr lesenswerter Roman, der tatsächliche Ereignisse mit literarischer Fiktion ergänzt, und somit einen glaubwürdigen Eindruck des Lebens in politisch veränderlichen Zeiten zwischen zwei Weltkriegen vermittelt. Es braucht etwas Geduld bis der Roman richtig Fahrt aufnimmt. Für mich hat es sich gelohnt.

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Veröffentlicht am 22.04.2023

Ultimative Überwachung

Going Zero
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Kaitlyn Day ist eine scheinbar naive Bibliothekarin, die als Durchschnittsbürgerin für eine Challenge ausgewählt wurde, bei der es ums digitale Verschwinden geht. Wer es von den zehn Kandidat:innen schafft ...

Kaitlyn Day ist eine scheinbar naive Bibliothekarin, die als Durchschnittsbürgerin für eine Challenge ausgewählt wurde, bei der es ums digitale Verschwinden geht. Wer es von den zehn Kandidat:innen schafft im Rahmen des Betatests eines neuen Überwachungsapparates aus CIA und modernsten Silicon-Valley-Algorithmen, dreißig Tage verborgen zu bleiben, gewinnt drei Millionen Dollar.

Alle glauben, dass Kaitlyn eine der ersten sein wird, die den Überwachern in die Fänge gerät. Doch sie schlägt sich tapfer, obwohl sie sich mancher brenzliger Situation stellen muss. Parallel dazu erleben wir, mit welchen Methoden der Überwachungsapparat arbeitet und durch welche Spuren andere Kandidaten entdeckt werden. Unsere Spurendichte, wenn wir einfach nur ein normales Leben führen, ist schon enorm. Die Vorstellung, dass diese Überwachungsmöglichkeiten eigentlich schon fast real sind, ist beängstigend. Diese Technologie in den falschen Händen wird extreme Auswirkungen haben.

Im zweiten Teil des Romans erfahren wir in Ansätzen, wie negativ die Macht aus dieser Überwachungsdimension wirken kann. Lockere dynamische Typen werden zu verbissenen Hass erfüllten Menschen mit entsprechenden Fantasien. Der Schritt zur Gefährdung Dritter ist dann nicht mehr weit, wie der Roman temporeich vermittelt.

Von den Charakteren her fühlte ich mich niemandem besonders nah. Die ausgeschiedenen Kandidaten hatten zwar Namen, blieben allerdings dermaßen blaß, dass sie für mich eher Nummern waren. Selbst bei der Hauptfigur Kaitlyn war es eher ein Mitfiebern aus dem Wettbewerb heraus als echte emotionale Zuneigung. Ablehnung empfand ich im Verlauf gegenüber dem Silicon-Valley-Wunderkind Cy Baxter, obwohl Nerds es eigentlich immer leicht mit mir haben.

Trotzdem hat mir der Roman gefallen. Die inhaltliche Idee ist zwar nicht ganz neu, aber es lohnt sich, immer mal wieder die Facetten der totalen Überwachung zu betrachten. Zudem war er spannend geschrieben und ließ sich ein bisschen wie im Rausch lesen. Ich liebe kurze Kapitel und Szenenwechsel, die den ein oder anderen Cliffhanger ergeben.

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