Wundervolle Coming of Age Story
Last night at the Telegraph ClubLily wächst in Chinatown in San Francisco auf, zwischen den Erwartungen ihrer eingewanderten Eltern und dem gesellschaftlichen Druck der amerikanischen Gesellschaft der 50er Jahre. Als sie bei einem Schulprojekt ...
Lily wächst in Chinatown in San Francisco auf, zwischen den Erwartungen ihrer eingewanderten Eltern und dem gesellschaftlichen Druck der amerikanischen Gesellschaft der 50er Jahre. Als sie bei einem Schulprojekt Kath kennenlernt, wird ihr klar, dass sie anders fühlt, als von ihr erwartet wird. Gemeinsam besuchen sie nachts heimlich den Telegraph Club, eine geheime Bar für Lesben, in der eine Herrenimitatorin auftritt.
Die Geschichte dieses Buches wird sehr ruhig und herrlich unaufgeregt erzählt. In den meisten Szenen folgen wir einfach nur Lilys alltäglichem Leben. Was auf den ersten Blick langweilig wirken könnte, zeigt tatsächlich so viele Aspekte des Lebens in den 50er Jahren als junge, mehrfach marginalisierte Person. Lily und ihre Familie müssen eine Menge Rassismus über sich ergehen lassen. Bei einigen Dingen war ich geschockt, was damals als normal galt, bei anderen Dingen traurig, denn es würde mich nicht wundern, wenn so etwas auch heute noch geschehen würde. Gleichzeitig erlebt Lily aber auch, was von ihr als Frau erwartet wird und wie die Gesellschaft auf Abweichungen davon reagiert.
Gerade die Perspektive der mehrfachen Marginalisierung fand ich im Buch sehr gut ausgearbeitet, da Lily Probleme hat, einen Platz zu finden, zu welchem sie sich vollständig zugehörig fühlen darf. Es gibt in diesem Zusammenhang einige gute Diskussionen über Rassismus und Queerfeindlichkeit, aber diese scheinen immer getrennt voneinander abzulaufen – das Buch zeigt jedoch, dass diese Trennung an der Lebenswirklichkeit von Lily vorbeiläuft.
In diesem Zusammenhang gefiel mir auch das Nachwort der Autorin, in welcher sie ihre Recherchearbeit näher erläutert. Dies gibt dem ganzen Text noch einmal eine stärkere Wirkung. Auch die Übersetzerin hat eine kurze Anmerkung geschrieben, wie sie die historisch korrekte Sprache angepasst hat, um zum einen die deutlich negativer behafteten deutschen Worte zu vermeiden, andererseits aber nicht zu neueren Worten zu greifen, die Charaktere der Zeit nicht verwendet hätten.
Fazit:
Mich konnte die Geschichte rund um Lily und Kath absolut überzeugen. Schon für sich genommen ist es eine schöne Coming of Age Story, doch in Verbindung mit der historischen Komponente und der Tatsache, dass einiges der gezeigten Diskriminierung auch heute noch relevant ist, empfinde ich dieses Buch als sehr wichtig. Ich möchte es daher unbedingt weiterempfehlen!