Nichts für schwache Nerven
Anny BunnyAuf den ersten Blick habe ich bei dem Cover eher an einen Thriller gedacht, da es in den klassischen Farben schwarz, weiß und rot gestaltet ist. Auf den zweiten Blick sehe ich einen gezeichneten Frauenkörper, ...
Auf den ersten Blick habe ich bei dem Cover eher an einen Thriller gedacht, da es in den klassischen Farben schwarz, weiß und rot gestaltet ist. Auf den zweiten Blick sehe ich einen gezeichneten Frauenkörper, dessen Arme scheinbar vom Körper getrennt sind. Der Farbverlauf auf den Beinen hat etwas von fließender Farbe. Das Gesamtbild finde ich sehr gut getroffen und für mich passt es perfekt zur Geschichte. Es gibt dem Buch genau den richtigen Touch.
Anny Bunny ist der zweite Roman, den ich von der Autorin Nina Casement gelesen habe. Vor ein paar Jahren habe ich den Thriller Jagdsaison verschlungen. Dieses Buch ist spannungsgeladen wie ein Thriller, allerdings mit dem erotischen Hintergrund einer Pornodarstellerin.
Das Buch startet mit einer ganz eindeutigen Szene im Jahr 2018, bei dem ich das Gefühl von absoluter Endgültigkeit und Verzweiflung sah. Danach musste ich mir erst mal das Inhaltsverzeichnis anschauen, was mich etwas hoffen ließ. Ich möchte gar nicht zu viel von dieser Szene verraten.
Die Erzählung umfasst etwa einen Zeitraum von 16 Jahren. So kann ich als Leserin Anna bzw. Anny sehr genau kennenlernen. Der Klappentext gibt in diesem Fall einen ganz guten Einblick in die Geschichte und wohin die Reise geht. Als zweiter kommt Phillip zu Wort. Während Annys Erzählung aus der Ich-Perspektive geschrieben ist, wird von Phillip in der dritten Person gesprochen. Die zwei Erzählstränge laufen parallel zueinander und ließen mich als Leser lange Rätseln wohin die Reise geht. Der Wechsel zwischen den zwei Erzählern sorgt für die nötige Spannung, gibt einem aber auch Luft zum Atmen, da Anny kein Blatt vor den Mund nimmt. Ich bin als Leser ihrem Leben als Pornodarstellerin und -produzentin zwangsläufig ausgeliefert.
Die Geschichte ist nichts für schwache Nerven, denn Anny spart nicht mit Details bei ihrer Arbeit. Allerdings brauchte der Roman ein bisschen, bis er so richtig in Fahrt kam. Das erste Drittel hätte man für mich sehr viel kürzer fassen können, wobei ich so natürlich den nötigen Hintergrund zu Annys Beweggründen bekomme. Eisern beißt sie sich im Leben durch, auf dem Weg zum Großen Ziel. Dabei hangelt sie sich an ihren Listen entlang. Ihre Erzählung hat ein wenig was von einem Tagebucheintrag, was durch die Benennung der Kapitel mit genauem Datum noch vertieft wird.
Phillips Erzählung kommt da sehr viel seichter daher, wobei seine Probleme und Sorgen im Leben nicht wirklich kleiner sind, sie haben nur eine ganz andere Tragweite. Sein größtes Problem hatte ich schnell erfasst und so wartete ich gespannt, wie es zu einer Verknüpfung der Erzählstränge kommt. Ich muss sagen, die Verknüpfung ist sehr gut gelungen. Ich hatte da beim Lesen ganz andere Ideen und war am Ende froh über die logische Lösung, auch wenn sie eine gewisse Traurigkeit in sich birgt.
Ich könnte jetzt noch ganz viel zu dem Buch schreiben, doch habe ich dabei Angst mich zu sehr in Details zu verlieren und dann mehr zu spoilern, als mir lieb ist. Also belasse ich es jetzt dabei. Für mich war es ab dem zweiten Drittel eine super spannende Geschichte, die mich so schnell nicht wieder losließ. Die Themen der zwei ganz unterschiedlichen jungen Menschen sind nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern für den ein oder anderen tägliche Realität. Ich fand es spannend in die Abgründe von günstigen Pornos abzutauchen und welche Qual sich dahinter verbergen kann. Hier hat die Geschichte auf jeden Fall Thriller Potenzial. Die sexuelle Ausrichtung von Philip sollte viel mehr Publik gemacht werden. Wie viele Partnerschaften wohl darunter leiden, weil die Erkenntnis fehlt, dass es Asexualität gibt und was diese bedeutet. Hier wünsche ich mir in Zukunft mehr Aufklärung.
Wenn du also Lust hast auf eine spannende Geschichte über die dunkle Seite des Lebens einer Pornodarstellerin, dann bist du hier genau richtig. Wie schon erwähnt ist es nichts für schwache Nerven. Ich habe das Buch verschlungen und mit erschrecken so manche Szene gelesen. Beim Lesen habe ich mal wieder festgestellt, wie gut und behütet ich doch aufwachsen durfte und mir dadurch die Welt zu allen Ausbildungsberufen offen stand.