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Veröffentlicht am 29.05.2023

Das Unendliche und die Fundamente der Mathematik

Die Entdeckung der Unendlichkeit
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Um 1870 wurde Mathematik noch auf ganz andere Weise betrieben als heute. Die Beweisführung war weniger streng, dass eine Aussage plausibel wirkte, reicht oft aus.
Einer der Wegbereiter der Moderne war ...

Um 1870 wurde Mathematik noch auf ganz andere Weise betrieben als heute. Die Beweisführung war weniger streng, dass eine Aussage plausibel wirkte, reicht oft aus.
Einer der Wegbereiter der Moderne war Georg Cantor, der im ausgehenden 19. Jahrhundert spektakuläre Einsichten in das Wesen des Unendlichen gewann, die häufig jeder Intuition widersprachen. Dass es genauso viele Brüche wie natürliche Zahlen gibt, obwohl erstere doch viel zahlreicher scheinen, war dabei noch eines der harmlosesten Ergebnisse. Auf seinem Weg durch die verschiedenen Stufen der Unendlichkeit gewann er überraschende Erkenntnisse und entwickelte viele kreative Beweisideen.
Doch auf eine Frage fand auch er keine Antwort.
Dieses Rätsel wurde erst in den 1960er Jahren gelöst -und das auf eine Weise, die wenige Jahrzehnte zuvor völlig undenkbar gewesen wäre.
Dazwischen gab es eine Grundlagenkrise in der Mathematik, welche letztlich dazu führte, dass dieses Fachgebiet ein ganz neues Fundament erhielt. Ungenauigkeit und Unbestimmtheit wurden getilgt, jedes noch so kleine Detail musste aus einer überschaubaren Anzahl an Axiomen abgeleitet werden.
Vor allem aber mussten die Mathematiker akzeptieren, dass ihre Tätigkeit Grenzen unterworfen ist, dass nicht jede Aussage entweder wahr oder falsch ist, sondern es in jedem Axiomensystem Fragen gibt, die unentscheidbar sind.

Von all dem erzählt der Mathematiker Aeneas Rooch in teilweise lockerem Tonfall und doch sehr fundiert. Im Gegensatz zu den meisten anderen populärwissenschaftlichen Mathe-Büchern belässt er es nicht bei ein paar theoretischen Beschreibungen und vagen Andeutungen, sondern betreibt tatsächlich „echte“ Mathematik. Er führt viele wichtige Beweise im Detail vor, beschreibt, wie die natürlichen Zahlen aus fünf simplen Axiomen abgeleitet werden können, .... und vieles mehr.
Eigenartig nur, dass er fast immer, wenn es richtig interessant wird, in die „Nerd-Zone“ ausweicht. Ich denke, er hätte auch den „normalen“ Lesern mehr zutrauen können.
Außerdem hat mir ein Stichwortverzeichnis gefehlt, wodurch es leichter gewesen wäre, wichtige Stellen nochmal nachzulesen.
Ansonsten kann ich dieses Buch allen an Mathematik Interessierten, die bereit sind, auch komplexere Gedankengänge nachzuvollziehen, nur weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Heimat oder Freiheit?

Dreieinhalb Stunden
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„Alle, die jetzt gingen, verloren ihr Zuhause. Alle, die weiterfuhren, ihre Freiheit.“
13. August 1961: Der Interzonenzug von München nach Ost-Berlin beherbergt eine bunte Mischung an Fahrgästen. Die ...

„Alle, die jetzt gingen, verloren ihr Zuhause. Alle, die weiterfuhren, ihre Freiheit.“
13. August 1961: Der Interzonenzug von München nach Ost-Berlin beherbergt eine bunte Mischung an Fahrgästen. Die wenigsten ahnen, was zeitgleich in der DDR geschieht. Als die Nachricht die Runde macht, dass in Berlin eine Mauer gebaut wird, müssen sich diejenigen, deren Ziel im Osten liegt, entscheiden: Rechtzeitig vor der Grenze aussteigen, ihr bisheriges Leben aufgeben und Freunde und Familie vielleicht nie wiedersehen. Oder weiterfahren und auf ihre Freiheit und ihre Zukunftsträume verzichten.

Die Romanhandlung umfasst nur ein paar Stunden einer „von außen betrachtet“ weitgehend normal verlaufenden Bahnfahrt, während derer sich allerdings wahre Dramen abspielen und lebensverändernde Entscheidungen getroffen werden müssen. Als Leser wird man in diese Situation gewissermaßen hineingeworfen. Besonders viele Infos zum historischen Hintergrund gibt es nicht, dieser kann bei den meisten wohl ohnehin als bekannt vorausgesetzt werden.
Erzählt wird aus zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven und es kommen viele verschiedene Personen vor. Manche Persönlichkeiten und Schicksale werden ausführlicher beleuchtet als andere, sie alle sind aber auf ihre Weise interessant und ergreifend. Nicht jedes Verhalten ist immer nachvollziehbar, einiges bleibt ungeklärt und es gibt kein wirkliches Happy End. Dies alles wirkt aber stimmig.
Trotz des unaufgeregten Stils ist die Lektüre sehr packend und regt natürlich auch zum Nachdenken darüber an, wie man selbst unter vergleichbaren Umständen entscheiden würde. Ich kann dieses Buch daher nur weiterempfehlen und werde mir auch den zugehörigen Film bald ansehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2023

Die Philosophie der Physik

Universum ohne Dinge
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Jan-Markus Schwindt möchte hier die Faszination seines Fachgebiets und dessen Wert deutlich machen, befasst sich aber auch mit der in den letzten Jahren häufig thematisierten „Krise der Physik“. Er selbst ...

Jan-Markus Schwindt möchte hier die Faszination seines Fachgebiets und dessen Wert deutlich machen, befasst sich aber auch mit der in den letzten Jahren häufig thematisierten „Krise der Physik“. Er selbst hat über die Philosophie zur Physik gefunden und so finden sich in diesem Buch häufig philosophische Betrachtungen und Herangehensweisen. Vor allem in den ersten Kapiteln, wo erläutert wird, was Physik ausmacht und wie der Prozess der Erkenntnisgewinnung funktioniert.
Doch auch bei dem folgenden Überblick über die wichtigsten Theorien der Physik – von der klassischen Mechanik über Relativitätstheorien und Quantentheorien bis zur Kosmologie – wählt er bisweilen ungewöhnliche Zugänge. So nimmt er beispielsweise bei der Beschreibung der speziellen Relativitätstheorie nicht wie sonst meist üblich die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit als Ausgangspunkt, sondern die Struktur der Raumzeit. Ob dies tatsächlich, wie von ihm vermutet, der einfachere Weg ist, sei dahingestellt. Es ist aber jedenfalls eine interessante Alternative.
Besonders spannend fand ich die letzten Kapitel, wo sich der Autor mit den Grenzen der Physik befasst und überlegt, wie ihre Zukunft aussehen könnte. Was seine Aussagen zu den prinzipiellen Grenzen der Physik betrifft (als Beispiele werden das Bewusstsein und das Vergehen der Zeit genannt), wirkt er für mich zwar etwas zu sehr von seiner Meinung überzeugt. Hat sich doch im Verlauf der Geschichte schon öfters herausgestellt, dass die Wissenschaft Dinge erklären kann, die zuvor als außerhalb ihrer Reichweite angesehen wurden.
Bezüglich der praktischen Grenzen der Physik wird aber ein sehr wichtiger Punkt angesprochen. Dass die Grundlagenphysik in den letzten Jahrzehnten nichts wirklich Neues herausgefunden hat, liegt demnach nicht an Fehlern der beteiligten Physiker, sondern daran, dass uns viele Bereiche der Natur (etwa weil sie auf zu kleinen Skalen passieren oder hinter einem kosmologischen Horizont verborgen sind) mit unseren derzeitigen Mitteln einfach nicht zugänglich sind – und vielleicht nie zugänglich sein werden. Deshalb stellt sich die Frage, was passieren wird, wenn die Physik tatsächlich einmal an ihr Ende gelangt ist.

Fazit: Dieses Buch ist sicher keine leichte Lektüre und ich würde es Einsteigern in die Materie nicht unbedingt empfehlen. Wer sich tiefer in das Thema hineindenken möchte, findet hier aber zahlreiche fundierte Informationen und inspirierende Denkanstöße.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Dorfleben in den 1930er Jahren

Talberg 1935
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Dieser Auftakt zu einer Trilogie führt in das fiktive, aber von einem realen Ort inspirierte Talberg, das abgeschieden im Bayrischen Wald liegt.
1935: Der Dorflehrer Wilhelm Steiner, Spross der einflussreichsten ...

Dieser Auftakt zu einer Trilogie führt in das fiktive, aber von einem realen Ort inspirierte Talberg, das abgeschieden im Bayrischen Wald liegt.
1935: Der Dorflehrer Wilhelm Steiner, Spross der einflussreichsten Familie von Talberg, liegt tot unter einem auf seinen Wunsch gebauten Turm. Unfall oder Mord? Sein Vater besteht darauf, dass der Fall offiziell untersucht wird. Doch als Polizeimajor Leiner eintrifft, ist kaum jemand bereit, mit ihm zu kooperieren.
Inzwischen weiß die junge Witwe Elisabeth, die im Dorf als Hexe gilt, nicht, wie es mit ihr weitergehen wird. Angst macht ihr vor allem ihr Schwager, der im Ersten Weltkrieg anscheinend nicht nur einen Arm, sondern auch seine Seele verloren hat.

Der Erzählstil ist eher einfach, dennoch entwickelt das Buch schnell eine gewisse Sogwirkung und es wird einige Spannung aufgebaut.
Es gelingt dem Autor hervorragend, die Atmosphäre in einem Dorf der 1930er Jahre einzufangen. Die Stadt oder auch nur der nächste größere Ort ist weit, der Horizont der meisten Bewohner eng, das Leben spielt sich zwischen Feld, Wald und Wirtshaus ab. Im Gegensatz dazu sind die Charaktere der beteiligten Personen und die Beziehungsgeflechte innerhalb der Dorfgemeinschaft durchaus komplex. Außerdem scheint fast jeder etwas zu verbergen zu haben und die Gegenwart wird durch diverse Ereignisse aus der Vergangenheit beeinflusst.
Am Ende bleiben einige Fragen offen und es wird nicht jedes Geheimnis gelöst. Auch dies wirkt aber stimmig.

Alles in allem also eine rundum gelungene (und streckenweise etwas düstere) Mischung aus Krimi und Gesellschaftsstudie. Ich freue mich schon darauf, die Fortsetzung zu lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2023

Umfassender Überblick

Macht euch die Erde untertan
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Dieses Buch gibt einen breit angelegten Überblick darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur im Laufe der letzten Jahrtausende gestaltet hat. Der Autor, ein US-amerikanischer Historiker, ...

Dieses Buch gibt einen breit angelegten Überblick darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur im Laufe der letzten Jahrtausende gestaltet hat. Der Autor, ein US-amerikanischer Historiker, betrachtet dieses Thema von beiden Seiten, beschreibt also sowohl die unterschiedlichen Arten, wie Menschen die Natur beeinflussen und zu beherrschen suchen, als auch die Einwirkung der Natur auf Menschen und menschliche Zivilisationen, beispielswiese durch Vulkanausbrüche, Klimaänderungen oder Krankheiten.
Der Bericht beginnt schon in der Steinzeit und folgt dann dem Lauf der Geschichte, beschreibt etwa welche Folgen die Erfindung der Landwirtschaft, die ersten Hochkulturen, der Imperialismus, die industrielle Revolution, die Kriege des 20. Jahrhunderts oder das aufkeimende Umweltbewusstsein für Flora und Fauna hatten. Betrachtet werden dabei Kulturen rund um den Globus, sodass man nicht nur die Großteils allgemein bekannten Entwicklungen in Europa oder Nordamerika, sondern auch jene in Südamerika, China, Arabien etc mitverfolgen kann. (Lediglich in den letzten Kapiteln sind die USA etwas überrepräsentiert.)

Dabei ist es immer wieder interessant, zu beobachten, dass die konkreten Maßnahmen zur Umgestaltung oder Ausbeutung der Natur sich zwar aufgrund unterschiedlicher geographischer Situationen oder politischer und gesellschaftlicher Gegebenheiten von Region zu Region unterschieden, dass sie einander in ihren Grundzügen und Auswirkungen aber meist erstaunlich ähnlich waren. Ebenfalls spannend ist der zeitliche Verlauf. Zwar begannen Phänomene wie die Beeinflussung des Klimas durch menschliche Aktivitäten oder das Menschgemachte Artensterben schon deutlich früher, als gemeinhin angenommen, doch in den letzten Jahrhunderten hat die Sache zunehmend Fahrt ausgenommen.
Abschließend wirft der Autor einen Blick in die Zukunft und betrachtet verschiedene mögliche Szenarien, die alle ihre Schattenseiten haben. Er wirkt dabei aber nicht übertrieben pessimistisch, sondern eben realistisch.
Auch sonst haben mir Tonfall und Art der Darstellung sehr gut gefallen. Die Ausführungen sind inhaltlich fundiert (und mit vielen Quellenangaben belegt) und anschaulich. Obwohl sich permanent zeigt, dass das Zusammentreffen von Mensch und Natur nicht gut ausgeht (oft genug für beide Seiten), verfällt der Autor nicht in die bei derartigen Publikationen häufigen Klagelieder oder Vorwürfe.

Ich kann nur empfehlen, sich nicht von dem unhandlichen Format und der relativ hohen Seitenzahl abschrecken zu lassen. Man erhält hier eine Fülle an Informationen und wird natürlich auch zum Nachdenken angeregt.