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Veröffentlicht am 04.07.2023

Spannend bis zum Schluss

Die Tote am Fastensee
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Der Fastensee, ein kleiner Salzwassersee, liegt im Westen der Insel Fehmarn. Dort wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, einer Polizistin aus Schleswig, wie sich herausstellt. Merle Harmsen hatte ...

Der Fastensee, ein kleiner Salzwassersee, liegt im Westen der Insel Fehmarn. Dort wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, einer Polizistin aus Schleswig, wie sich herausstellt. Merle Harmsen hatte sich krankschreiben lassen und sich auf den elterlichen Hof zurückgezogen, nachdem sie einen korrupten Kollegen angezeigt hatte.
Lena Lorenzen, Kommissarin beim LKA in Kiel, wird mit der Aufklärung des Falles betraut. Ihr zur Seite gestellt wird Naya Olsen, eine junge Beamtin mit dänisch-grönländischen Wurzeln. Später stößt noch Ole, ein befreundeter Kollege zum Ermittlerteam dazu.
Der Fall stellt sich als schwierig heraus, weil sich lange kein wirkliches Motiv erkennen lässt. Haben sich Kollegen aus Schleswig an ihr gerächt, sind die alten Freunde doch nicht so gute Freunde gewesen, wie sie das immer behauptet haben?
Es ist also zunächst einmal ein undurchsichtiger Fall, in dem die Polizei keine offenen Türen einrennt. Jeder Fortschritt in den Ermittlungen will hart erkämpft werden, weil die Betroffenen mauern, sich hinter ihrer Arbeit verstecken bzw. einfach nicht kooperieren. Oft hilft nur die Technik, die immer mal wieder Wahrheiten ans Licht bringt, seien es Bewegungsprotokolle, Anruflisten, unerwartete Zeugen, die auf Aufrufe im Internet reagieren sowie die forensischen Ermittlungen.
Das Privatleben der Inselkommissarin wird gestreift, es dürfte schon schwierig sein, ein Kleinkind und Familie mit einem so anspruchsvollen Job in Einklang zu bringen. Aber es spielt keine beherrschende Rolle und rundet das Ganze einfach nur ab.
Ich hatte bei diesem Krimi schon das Gefühl, dass Polizeiarbeit wirklich so ablaufen kann. Es schien mir nah an der Realität zu sein und die Hierarchien im Polizeialltag, die Schnittstellen zur Staatsanwaltschaft, oftmals die Konkurrenz einzelner Dienststellen untereinander schienen mir wahrheitsgemäß dargestellt zu sein.
Für mich war es ein spannender Krimi, der mich lange im Unklaren ließ. Ich hatte bislang noch keinen Krimi von Anna Johannsen gelesen, werde mich aber auch einmal um die Vorgängerbände bemühen. Ich fühlte mich gut unterhalten.
Das Titelbild wird wohl die Sicht auf den Fastensee zeigen, zumindest deuten Bilder aus dem Internet eine Ähnlichkeit an. Eine besondere Beschichtung des Umschlages vermittelt eine andere Haptik, als man sie von anderen Büchern kennt.

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Veröffentlicht am 14.06.2023

Zum Wohl - Die Pfalz

Gretas Versprechen
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Zum Wohl – Die Pfalz

Nora Engel, bzw. die beiden Autorinnen, die hinter dem Pseudonym sehen, legen hier den dritten Band der Winzerin-Saga vor und auch dieses Buch ist wieder sehr lesenswert, zumal es ...

Zum Wohl – Die Pfalz

Nora Engel, bzw. die beiden Autorinnen, die hinter dem Pseudonym sehen, legen hier den dritten Band der Winzerin-Saga vor und auch dieses Buch ist wieder sehr lesenswert, zumal es vieles zum Abschluss bringt, was in den beiden Vorgängerbänden seinen Anfang nahm.

Vom Cover her passt das Buch perfekt in die Reihe, eher sparsam und trotzdem das zeigend, was für den Inhalt des Buches wichtig ist und das sind Greta und ihre drei Töchter.

Die überall in der Welt verstreuten Töchter von Bruno und Greta kommen zu Brunos Beerdigung zurück in die Pfalz, jede mit einer Geschichte, die der Wahrheit nicht standhält. Alle vermissen ihre Mutter Greta, die vor fast 20 Jahren so plötzlich verschwand und dieses Verschwinden hat den Werdegang der Töchter mehr beeinflusst, als sie sich zunächst eingestehen wollen.

Doch dann taucht Greta wieder auf, pünktlich zur Beerdigung und damit beginnt sich der Kreis ihres Lebens zu schließen und auch im Leben der Angehörigen verändert sich viel zum Guten.

Band 3 rundet die ganze Geschichte ab, trotzdem auch schmerzhafte Lücken bleiben. Leo ist nicht mehr dabei. Somit bleibt der Leser zufrieden zurück, der Kreis hat sich geschlossen. Die Faszination des 1. Bandes erreicht Band 3 für mich aber nicht. Manches ist zwar emotional und natürlich freut man sich, alle alten Bekannten der vergangenen Bände wiederzutreffen und ihren Werdegang zu erfahren.

Die beiden Autorinnen können sehr gut schreiben. Auch Band 3 liest sich flüssig, nimmt einen gefangen und man will immer wissen, wie es weiter geht.

Aber schon von Band 2 war an Fakten nicht so viel bei mir hängengeblieben, ich war dann ganz froh, dass ich für mich selbst eine Zusammenfassung geschrieben hatte. Und so wird es mir vielleicht auch mit Band 3 gehen. Im Kopf wird bleiben, dass die Geschichte abgeschlossen ist, dass wenig Fragen offen bleiben, obwohl man natürlich auch mit den Enkeln noch weitermachen könnte. Band 1 hingegen hatte lange nachgewirkt, vielleicht weil einem die vielen Ungerechtigkeiten so zu Herzen gingen.

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Veröffentlicht am 04.06.2023

Was Träume bewirken können

Wo du mich findest
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„Das Buch ist für dich“, so die Widmung am Anfang und so ist es auch geschrieben, in der Anredeform und in der Vergangenheit, wie ein fortlaufender Brief. Das führt schon manchmal dazu, dass man über Worte ...

„Das Buch ist für dich“, so die Widmung am Anfang und so ist es auch geschrieben, in der Anredeform und in der Vergangenheit, wie ein fortlaufender Brief. Das führt schon manchmal dazu, dass man über Worte stolpert, die man doch sehr selten in der Vergangenheitsform und zweiten Person Singular verwendet. („Du wechseltest“, „du öffnetest“ …)

Sophie hat sowohl ihren Vater als auch ihre beste Freundin verloren. Eines Tages stolpert in einem Büchercafé ein fremder Mann über ihre Hundeleine und Sophies Kaffee ergießt sich auf das Hemd des Fremden. Beide entschuldigen sich, mehr passiert erstmal nicht.

Zurück in Hamburg wird sie in den nächsten Wochen zunehmend unruhiger. In ihre nächtlichen Träume schleicht sich der Fremde von der Insel, sie lernt ihn im Traum immer besser kennen. Die beiden sind vertraut miteinander. Dann wacht sie auf und kann nicht mehr einschlafen. Ihr Tagesrhythmus verschiebt sich so, dass sie ihren Mann kaum mehr sieht. Sie arbeitet, wenn er schläft und schläft, wenn er zuhause ist.
Sie wartet jede Nacht auf die Rückkehr des Fremden in ihre Träume und irgendwann fällt auch ihrem Mann auf, dass da etwas mit seiner Frau nicht stimmt. Nach einer Aussprache trennen sie sich einvernehmlich.

Sophie fährt zurück nach Rügen. Ob es wohl möglich ist, den Fremden wiederzufinden? Sie mietet sich in einem kleinen Haus ein, ihre Nachbarin in der anderen Haushälfte ist eine über 70-jährige Fischerwitwe. Mit Marlene versteht sie sich auf Anhieb und sie freundet sich auch mit einer Malerin, Ella, an. Als sie die Suche nach dem Mann ihrer Träume schon fast aufgeben will, findet sie ihn doch noch. Wird die Realität mit den Träumen mithalten können? Wird sie in der Realität jemals so vertraut mit ihm sein, wie sie es in ihren Träumen war?

Auch wenn es auf der äußeren Ebene um die Suche nach diesem Mann geht, so ist Sophie auch auf der Suche nach sich selbst. In ihrer Ehe hatte sie sich zusehends verloren, die beiden Verluste, der ihres Vaters und der ihrer besten Freundin Tessa, haben sie in eine tiefe Krise gestürzt, aus der ihr Mann ihr weder helfen kann noch will. Er scheint mehr die Annehmlichkeiten einer Partnerschaft zu genießen und sich neue Annehmlichkeiten zu suchen, wenn die alten nicht mehr verfügbar sind. Und so werden die kleinen Traumfluchten zu einer großen Flucht nach vorne und ins Ungewisse.

Sophie hilft ihre Direktheit. Nicht jeder hätte unter dem Vorwand, für den Schaden bezahlen zu wollen, dem Fremden ihre Adresse und Telefonnummer gegeben. Und sie erzählt Anton sogar von ihren Träumen, sie macht sich schwach und zeigt dabei doch innere Stärke. Das verfehlt seine Wirkung nicht. Die beiden freunden sich an, auch wenn sich keine engere Beziehung zwischen ihnen anbahnt. Aber auch Freundschaft kann inspirierend sein, nie fiel ihr die Arbeit des Übersetzens von Romanen aus dem 19. Jahrhundert leichter als auf Rügen. Und schließlich greift sie selbst zur Feder.

So haben die Träume Sophie zu einem ganz neuen Leben verholfen. Als sie es sich selbst noch nicht eingestehen wollte, sagte ihr Unterbewusstsein ihr bereits, dass in ihrem Leben etwas nicht stimmte, dass mit den beiden Verlusten auch in ihrem Leben eine Änderung anstand. Der Zufall führte sie nach Rügen und dort findet sie schnell neue Freunde. Anton ist dabei eigentlich nur Steigbügelhalter, zumal ihm seine Unabhängigkeit einfach zu wichtig ist. Aber da sind Marlene und Ella und da scheint nach einem Jahr auch Robert der Fotograf zu sein. Das Ende bleibt offen, vielleicht verabschiedet sie sich mit dieser Buchvorstellung von ihren Träumen und kommt wieder in der Realität an.

Ich mochte das Buch, es sprach mit mir. Auch das Cover passt dazu, man kann sich Sophie vorstellen, wie sie sich bei Sonnenaufgang auf dem Rücken der Sonne entgegentreiben lässt. Und gerade das Überspringen des letzten Jahres lässt so vieles offen, es regt die Phantasie an.

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Veröffentlicht am 30.05.2023

Der lange Atem der Geschichte

Verhängnisvolle Lügen an der Côte d’Azur
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Der mit Léon Duval befreundete Richter Dussolier wird auf offener Straße erschossen. Ein Racheakt dafür, dass Dussolier den bekannten „Paten“ Cosenza hinter Gitter gebracht hatte? Die Polizei geht offenbar ...

Der mit Léon Duval befreundete Richter Dussolier wird auf offener Straße erschossen. Ein Racheakt dafür, dass Dussolier den bekannten „Paten“ Cosenza hinter Gitter gebracht hatte? Die Polizei geht offenbar davon aus.

Léon Duval ermittelt parallel zu einer Pariser Einheit, die extra für den Fall abgestellt wurde. Er besucht Cosenza im Gefängnis und kommt zu dem Eindruck, dass seine Familie mit diesem Attentat nichts zu tun hatte. Da gibt es aber neue Banden, die sich in Cannes breit machen wollen, vor allem die von Driss Abidi.

Duvals Recherchen ergeben, dass Dussolier sich kurz vor seinem Tod mit der Staudammkatastrophe von Malpasset beschäftigt hatte. 1959 waren bei einem Bruch des Staudammes 423 Menschen zu Tode gekommen und niemand war je beschuldigt worden, diese Katastrophe herbeigeführt oder mitverschuldet zu haben. Duval weiß wenig über diese Zeit und beginnt, auch in der Vergangenheit zu forschen. Eine Reportage in Arte gibt der algerischen Befreiungsfront FLN die Schuld an dem Unglück.

Duval nimmt Kontakt zu allen möglichen Stellen auf, den Pieds noirs (französischen Einwanderern aus Algerien), Anwohnern und Zeitzeugen und lässt zunächst einmal nicht locker. Auch nicht, als die Behörden den Fall schon lange zu den Akten gelegt haben und Dussoliers Tod als bedauernswerten Kollateralschaden im Kampf der Banden untereinander abstempeln. Doch dann holt ihn ein nicht erwarteter Schlag gegen die eigene Familie ein.

Was ich an Christine Cazons Büchern mag, ist, dass sie sehr oft einen realen Hintergrund haben. Ich konnte mich in diesem Fall eines profunden Nicht-Wissens rühmen, ich hatte von dieser Katastrophe noch nie gehört. Bei ihren anderen vorangegangenen Fällen erging es mir ähnlich. Man erfährt in Romanform, was unsere Nachbarn im südlichen Frankreich beschäftigt und so behält es sich auch am besten. Und so würde ich das Buch nicht nur als Krimi bezeichnen, sondern auch als Gesellschaftsstudie.

Es mag nicht durchgehend spannend sein, bietet aber darüber hinaus einigen Stoff zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 19.05.2023

Ein Leben für die Fotografie

Das Licht im Rücken
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Sandra Lüpkes hat sich mit dem Buch „Das Licht im Rücken“ der Geschichte der Leica, aber noch mehr der Geschichte der Familie Leitz vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des 2. Weltkrieges angenommen.

Anfang ...

Sandra Lüpkes hat sich mit dem Buch „Das Licht im Rücken“ der Geschichte der Leica, aber noch mehr der Geschichte der Familie Leitz vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum Ende des 2. Weltkrieges angenommen.

Anfang des 20. Jh. verdiente die Firma ihr Geld noch hauptsächlich mit Mikroskopen und doch gab es damals schon begnadete Tüftler im Unternehmen, die Visionen für die Zukunft hatten. Oskar Barnack ist einer von ihnen, er träumt von und entwickelt an einer Kamera, die in jede Jackentasche passt und bei der es nicht Stunden dauert, bis ein Bild entstanden ist. Auch der Transport der schweren Glasplatten würde der Vergangenheit angehören. Es gehören mutige unternehmerische Entscheidungen dazu, diesen Weg einzuschlagen, Ernst Leitz der Zweite trifft diese Entscheidung und letztendlich gibt der Erfolg dem Unternehmen Recht.

Im Umfeld der Familie Leitz gibt es in Wetzlar mehrere Familien, deren Schicksal im Buch ebenfalls beleuchtet wird. Da ist zum einen die Familie Gabriel, Herr Gabriel ist Jude, seine Frau Christin. Ernst Leitz ist mit Herrn Gabriel schon seit Jugendtagen befreundet. Schon in den 20er Jahren merkt man die ersten Ressentiments in der Stadt, die von den rechten Parteien eifrig unterstützt werden. Die Gabriels betreiben einen Geschenkeladen und Sohn Milan und Tochter Dana helfen schon als Kinder fleißig mit, bis die Schikanen der Nazis die Kunden aus ihrem Laden fernhalten.

Da sind am Rande aber auch Alma und Ulli, die Geschwister Julie und Gustav Schlemm und später die Partner der Kinder Elsie, Ernst und Ludi. Und in den 30er Jahren treten die neuen Machthaber immer stärker in den Vordergrund, so dass die Familie sogar fürchten muss, enteignet zu werden.

Schlaglichter werden in erster Linie auf Ernst den Zweiten und seine Tochter Elsie geworfen, die Söhne sind nur am Rande Teil des Geschehens und selbst Hedwig, Ernsts zweite Frau nach dem Selbstmord seiner ersten Frau Elisabeth tritt selten auf.
Ernst und seine Tochter sind beide mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet, sie gehören für die Nationalsozialisten den falschen Parteien an und sie machen keine Unterschiede zwischen den Rassen. Da können Schwierigkeiten nicht ausbleiben und Elsie wird sie am eigenen Leibe erfahren. Sie hat aber auch das nötige Selbstbewusstsein, sich gegen diese Schikanen zur Wehr zu setzen.

Für mich war das Buch so ein Zwischending zwischen Familienroman und Firmengeschichte. Immer in gewisser Weise neutral, niemals rührselig, selbst wenn die Situation es zugelassen hätte. Diese neutrale Schreibweise macht aber auch die schrecklichen Ereignisse erträglicher.

Das Titelbild zeigt ein Bild, wie es mit der alten Technologie niemals möglich gewesen wäre. Eine Momentaufnahme, vielleicht ein Bild von Danas Überfahrt nach England, die von Sturm und hohen Wellen begleitet war mit dem Licht im Rücken, einem der wichtigsten Lehrsätze für angehende Fotografen.

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