inhaltlich mit ein paar Anfragen
Und doch sind alle Äpfel rund …"Und doch sind alle Äpfel rund" ist eine Geschichte, die Sachwissen versucht, in eine Familiengeschichte einzupacken. Die Familie ist ziemlich bunt zusammengewürfelt. Das Buch wird aus Sicht des Kindes ...
"Und doch sind alle Äpfel rund" ist eine Geschichte, die Sachwissen versucht, in eine Familiengeschichte einzupacken. Die Familie ist ziemlich bunt zusammengewürfelt. Das Buch wird aus Sicht des Kindes Jojo erzählt, die selbst "das mit der Religion [...}]... ziemlich verwirrend" findet (Seite das ist meine Familie). Das Buch soll ihr und den Leser:innen helfen, die Verwirrung kleiner zu halten. Dabei helfen die Mama (Atheistin), Papa (orthodox), Oma (evangelisch), Opa (Jude), Onkel Achmed (Muslim) und Tante Ria (katholisch). Jede Doppelseite widmet sich einem Thema. So kommt das Buch einem Sachbuch über vergleichende Religionswissenschaft für Kinder gleich. Themen, die behandelt werden, sind: Heilige Schriften, Namen Gottes, Gebet, Gotteshäuser, Essen in den Weltreligionen, Fasten, Bilder- und Bilderverbot und vieles mehr. Sehr viele Erklärungen gefallen mir wirklich gut. Etwa die Seite über die bedeckten und unbedeckten Köpfe hat mir sehr gut gefallen - eine Frage, die mich als Kind auch sehr beschäftigt hat, ebenso wie die der Gebetshaltungen. Vor allem die Schlussfolgerung des Kindes "So setze ist also in der Synagoge meine Kippa auf und denke daran, dass Gott größer ist als ich. In der Kirche nehme ich im Winter die Pudelmütze vom Kopf und stelle mir vor, dass ich der Ritter Kunibert bin, der nach dem Gottesdienst seinen Feind besiegen wird." fand ich wirklich sehr kindgerecht und toll geschrieben.
Leider sind mir als Theologin und Religionspädagogin aber auch einige Schwachstellen aufgefallen:
- Bei den Heiligen Schriten wird der Koran sachlich richtig als Buch dargestellt, dass von hinten nach vorne (rechts nach links) dargestellt wird, der Tanach nicht.
- ich finde die vielen Gottesnamen toll, allerdings hätte ich mir ein paar weibliche Attribute gewünscht, die sich ja im Text und in der Bibel finden, in den Zeichnungen aber nicht.
- die Erklärung, dass früher kleine Kinder geopfert wurden, hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht und ich finde diese Vorstellung auch für meine eigenen Kinder beängstigend. Meinem 8 Jahre alten Sohn hab ich das so nicht vorgelesen. Zumal sie sich so selbst nicht im Tanach findet und es verschiedene Deutungemöglichkeiten gibt.
- Beim Fasten wird der orthodoxe Vater ausgelassen, obwohl das Fasten in der Orthodoxie einen sehr hohen Stellenwert hat. Ich kann mich an den Vortrag eines Kopten an der Uni verinnern, der von knapp 300 Fastentagen im Jahr berichtete!
- Die Erklärungen der Oma zu Kirche sind ziemlich typisch evangelisch - ich bin mir nicht sicher, ob sich ein katholischer Priester damit zufrieden geben würde.
- Die Aussage: "Nicht einmal ein Kreuz hängt da." im Kapitel bunte Bilder oder keine Bilder mag zwar für diese eine Kirche gerade stimmen, ist aber nicht gerade aussagekräftig. Ich kenne wirklich sehr viele Kirchen, und unter den protestantischen Kirchen kenne ich eigentlich nur ganze wenige reformierte Kirchen, in denen kein Kreuz steht. Sonst ist es meist ein einfaches Kreuz ohne Krufizix. Auch der Absatz zum Bilderverbot in dem Kapitel ist sachlich etwas ungenau, denn viele Bilder von Gott geschaffen - das stimmt so nicht. Ja, Jesus und Heilige werden oft gezeichnet, es gibt einige wenige Darstlelungen von Gott als Schöpfer, aber Gott wird sonst eher symbolisch, etwa über das Auge dargestellt. Für Kinder verwirrend ist, dass in dem Abschnitt einfach so nun die Bezeichnung evangelisch-reformierte Kirche eingeworfen wird. Das kommt sonst nirgens vor und ist doch etwas viel - zumindest meine Schüler:innen können mit 15 meist damit noch nichts anfangen.
- Überhaupt erscheint die Vielfalt der christlichen Kirchen in diesem Buch etwas viel: Wird noch im Kapitel über die Kopfbedeckungen erklärt, dass in christlichen Kirchen die Männer die Kopfbedeckung abnehmen, heißt es später. dass in manchen chrisltichen Gemeinden ein Kopftuch aufsetzen. Zumindest bei meinem Kind weckte das Verwirrung und Nachfragen
- Unter dem Kapitel Wir feiern und trinken Wasser wird die christliche Taufe als von der jüdischen Mikwe abgeleitet erklärt. Das ist historisch so nicht gesichert, zumal es doch etwas ganz anderes ist und alleine die Wiederholung des rituellen Bades im Judentum sich signifikant von der Taufe unterscheidet (eine Nähe zur Proselytentaufe ist sehr viel wahrscheinlicher, und die Taufe im frühen Christentum hat ja auch neue Elemente dabei). Außerdem finde ich es etwas komisch, dass 3 Absätze vorher zwar die rituelle Waschung zwar erklärt wird, das Wort Mikwe aber nicht vorkommt, später aber schon und dort dann auch nicht erklärt wird.
Neben diesen sachlichen Anfragen an das Buch habe ich an zwei Stellen es etwas verwirrend gefunden, dass rechts ein Thema eingeführt wird und sich links die weiterführenden Bilder und Informationen finden.
Ich tu mir ein wenig schwer, eine abschließende Bewertung abzugeben. Das Buch hat wirklich viele sehr gute und gelungene Elemente. Die Bilder sind divers, die Charaktere sind im Hautton sehr unterschiedlich und die Informationen auch gut unterstreichen. Viele aktuelle Vorurteile und Themen werden aufgenommen, wie das Kopftuch (allerdings nur die Form des Hijab) und auch die Anfeindungen durch Tragen eines solchen Kopftuches werden geschildert. Viele Fachwörter werden gut eingeführt und erklärt (koscher, halal, haram, Hijab, Kippa, Ramadan). An anderen Stellen werden Informationen stark vereinfacht oder nicht ganz sachrichtig dargestellt. Jedenfalls ist es ein spannendes Buch, mit dem man gut arbeiten kann. Das eine oder andere würde ich persönlich so nicht stehen lassen und korrigieren im Unterricht.