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Veröffentlicht am 02.10.2017

Gesine, du nervtest!

Wildeule
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Ich war dereinst mit dem zweiten Gesine-Cordes-Krimi „Fuchskind“ in diese Serie eingestiegen und habe sehr gerne zugegriffen, als sich mir nun die Möglichkeit eröffnete, vom dritten Band „Wildeule“ ebenfalls ...

Ich war dereinst mit dem zweiten Gesine-Cordes-Krimi „Fuchskind“ in diese Serie eingestiegen und habe sehr gerne zugegriffen, als sich mir nun die Möglichkeit eröffnete, vom dritten Band „Wildeule“ ebenfalls ein Rezensionsexemplar zu erhalten – und nach absolvierter Lektüre eröffnet sich mir da ein kleines „Problem“. Denn „Fuchskind“ hatte ich bereits sehr angetan mit fünf Sternen versehen und vom Kriminalfall her fand ich „Wildeule“ nun sogar etwas besser; der war in diesem Fall sehr down to earth und ein wenig mehr gen whodunnit ausgerichtet. In der Hinsicht würde ich „Wildeule“ jetzt sogar einen Stern mehr als „Fuchskind“ zugestehen; in diesem Band war nun auch die persönliche Vergangenheit der Gesine Cordes nicht so überpräsent, sondern sie definitiv mehr in der Gegenwart befindlich. Obschon mir „Wildeule“ eigentlich einen Tick mehr zusagte als „Fuchskind“, werde ich für den dritten Band jedoch nicht mehr als vier Sterne vergeben – denn empfand ich Gesine Cordes mit ihren Ecken und Kanten zuletzt noch überaus authentisch und original bis originell, nervte mich ihre Art dieses Mal doch sehr; da war mir die Darstellung der Hauptfigur in diesem Fall irgendwie zu überzogen und nahm mir dadurch auch ein wenig Freude am eben sehr bodenständigen Kriminalfall.
Erschien sie mir in „Fuchskind“ eher ehemalige Polizistin und immer noch sehr neugierige und forsche Friedhofsgärtnerin zu sein, war sie für mich in „Wildeule“ viel zu sehr verhinderte und entsprechend uneinsichtige Ex-Kripobeamtin. Ja, auch dieser Fall schien im persönlichen Umfeld von Gesine Cordes zu kreisen; ihr engster Vertrauter Hannes zählt zumindest schnell zu den dringend Tatverdächtigen und natürlich ist es verständlich, dass sich die Ex-Kommissarin da für ihren Freund einsetzt, aber: Ich fand es mitunter erschreckend, wie sehr die jetzige Ermittlungschefin sie da gewähren ließ und sogar mit ihr mauschelte. Stellenweise äußerte Gesine Cordes gar schmollende Beschwerden, dass sie nicht einbezogen wurde und ich erwartete einfach, dass man ihr nun einmal klar Grenzen aufzeigen würde und ihr mal ganz klipp und klar mitteilen würde, dass sie eben NICHT mehr bei der Kripo arbeiten würde und man ihr da keine Rechenschaft mehr schuldig sei. Selbst mich als Leserin hat sie da genervt und ich habe mir einfach nicht vorstellen können, dass die Ermittler sich nicht von ihrem ständigen Auftauchen, Nachhaken, Dazwischenfunken gestört gefühlt haben sollten. Generell schrie Gesine Cordes für mich hier eigentlich nur nach ihrem alten Job; hätte sie sich etwas mehr zurückgenommen und wäre den Polizisten nicht immer nur mit relativ fordernden Erwartungen entgegengetreten, würde ich „Wildeule“ nun auch eben mindestens so hoch wie „Fuchskind“ eingestuft haben, aber ich fand die Hauptfigur in dieser Geschichte halt so extrem ärgerlich – als klassischer Krimi kann ich die erzählte Geschichte aber dennoch empfehlen und mein Ärger über die Über-/Eingriffigkeit der Protagonistin ist hier definitiv mein einziger Kritikpunkt.

Veröffentlicht am 26.09.2017

Die Verantwortung und die Schuld, der er sich nie wird entziehen können...

Drei Tage und ein Leben
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"Drei Tage und ein Leben" war mein erstes Buch Lemaitres und wird definitiv bereits nicht mein letztes gewesen sein, obschon ich die in diesem Roman erzählte Geschichte mitunter doch auch ein wenig ermüdend ...

"Drei Tage und ein Leben" war mein erstes Buch Lemaitres und wird definitiv bereits nicht mein letztes gewesen sein, obschon ich die in diesem Roman erzählte Geschichte mitunter doch auch ein wenig ermüdend fand, denn hauptsächlich drehte sich die Handlung doch so im Kreis wie Antoines Gedanken um seine Schuld kreisten und die gesamte Erzählung teils unerträglich wirken ließen. Während Antoine mit seiner Tat hadert, Angst vor dem "Gefasstwerden" hat, fragt man sich als Leser beständig, wie Antoine "besser" hätte agieren können und wie (und ob überhaupt) das alles doch eventuell anders hätte ausgehen können.
Die Tötung des kleinen Rémi wirkt zunächst eher wie ein Unfall, allenfalls Totschlag im Affekt; ich rechnete halb damit, dass Antoine doch noch zusammenbrechen und um Hilfe ersuchen würde; unfassbarerweise versteckt er die Leiche und wirkt dabei weniger traumatisiert als klar überlegend und taktisch handelnd. Noch weniger zu fassen blieb es letztlich für mich, dass Antoine letztlich, klar: "Drei Tage und ein Leben", sein Leben rund um dieses Geheimnis aufgebaut hat. Bis zuletzt rechnete ich mit einem psychischen Zusammenbruch Antoines, mit einem herausbrechenden Geständnis, denn wie lange kann man eine solche Schuld ganz alleine mit sich tragen?

"Drei Tage und ein Leben" zeigt letztlich sehr eindrücklich, inwiefern man letztlich noch ein normales Leben führen kann, inwiefern man glücklich werden kann, inwiefern diese Tat die Zukunft (nicht) beeinflusst ... zur Tragödie trägt da sicherlich bei, dass Antoine mit 12 Jahren zum Täter wurde, ein eher unauffälliger Junge, so ziemlich der Prototyp des "netten Nachbarssohn", der während eines kurzen Moments die Kontrolle verloren hat und der nie durch wilde Prügeleien aufgefallen wäre, dem aber hier schon ein Schlag ausreicht, um ein Leben auszulöschen. Somit könnte Antoine quasi jedes Kind sein.
Ebenso könnte Beauval jeder Ort sein: Nach Rémis Verschwinden entspinnen sich bald die ersten Gerüchte, Verdächtigungen werden sowohl offen als auch hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen; jeder meint irgendetwas zu wissen und ist sich da auch ganz sicher, was die gesamte Geschichte für den Leser, der ja weiß, was tatsächlich mit Rémi geschehen ist, nur noch grausiger werden lässt, da die Gemeinde teils kurz vor Lynchjustiz zu stehen scheint.

Ich habe "Drei Tage und ein Leben" sehr gerne gelesen, wobei man das "sehr gerne" durchaus unter Vorbehalt sehen sollte, denn letztlich war dieser Roman doch eine sehr bedrückende Lektüre, zumal die Geschichte auch beständig Hoffnungslosigkeit durchschimmern lässt; da ist es schon eher ein Depri-Buch und ganz definitiv ist dies keine Gute-Laune-Lektüre. Der traurig-tragische Inhalt hallt nach und wer sich aufmacht, dieses Buch zu lesen, dem sollte bewusst sein, dass er sich damit auch auf sehr viel Traurigkeit und Einsamkeit einlässt.

Veröffentlicht am 12.09.2017

Wenn das Gestern dein Heute kreuzt...

In einem anderen Licht
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[Vorab: Ein Rezensionsexemplar war mir unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Sicherlich kann es nicht schaden, die Hintergründe des Deutschen Herbstes, der Studentenunruhen und die allgemeine ...

[Vorab: Ein Rezensionsexemplar war mir unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Sicherlich kann es nicht schaden, die Hintergründe des Deutschen Herbstes, der Studentenunruhen und die allgemeine politische Situationen Deutschlands in den 70ern zu kennen, wenn man sich anschickt, diesen Roman zu lesen. Zumindest ein gewisses Basiswissen sollte vorhanden sein und wird prinzipiell auch vorausgesetzt: „In einem anderen Licht“ verliert sich zwar nie in den politischen Wirren der damaligen Zeit, aber erklärt beispielsweise, oder auch insbesondere, die RAF gar nicht. Obschon: Wie würde man Gewalt und Terrorismus überhaupt erklären können, geschweige denn auch nur wollen?
In „In einem anderen Licht“ kommt sehr schnell der Verdacht auf, dass die großzügige Gönnerin mit dem großen Herzen als junge Frau dem linksextremen Spektrum angehörte; leider bestätigt hier bereits der Klappentext, dass Dorothea Sartorius tatsächlich einer Terrorgruppe angehörte: Im Roman scheint zunächst nur eine solche Mutmaßung, dann eine vage Behauptung, dass dem so gewesen sei, durch, ausgesprochen von einer Person, deren Glaubwürdigkeit für die Journalistin Miriam unklar ist. Es scheint weder Beweise noch Gegenbeweise zu geben und Dorothea Sartorius spricht nicht über diese Zeit ihrer Vergangenheit, sondern fordert Miriam lediglich lapidar auf, ihre Tätigkeit als Journalistin auszuüben. Dabei wirkte „In einem anderen Licht“ für mich von Anfang an, als würde letztlich nur Dorothea Sartorius die „eine“ Wahrheit enthüllen können, wobei der Roman sehr mit der Frage spielte, wie viele Wahrheiten es bzgl. derselben Sache geben könnte und ob die Wahrheit nicht oftmals eine nur subjektive Entscheidung sei. Ob Dinge, die einem falsch erscheinen, mit anderen Augen betrachtet nicht völlig richtig sind etc.

Ich mochte die differenzierte und doch persönliche Art, die den Austausch zwischen den im Allgemeinen sehr klar skizzierten Figuren ausmachte; generell waren die Charaktere sehr feinsinnig gezeichnet und der Roman sog einen letztlich so ein wie man Frischluft an einem klaren Winterabend einatmet, dass ich mich tatsächlich mehrmals ermahnen musste, daran zu denken, dass die Handlung während der Osterzeit spielte. Ich war aufgrund dieser eiskristallklaren Aura eben ständig versucht, die Handlung in die Zeit kurz vor dem ersten Schneefall des Jahres zu verschieben.

Miriams Mann ist auf tragische Weise ums Leben gekommen; sie hat hernach eine Fehlgeburt erlitten und ist somit mit dem inzwischen fünfjährigen Sohn Max zurückgeblieben. Miriam kämpft immer noch damit, ihre Trauer zu bewältigen und sich auf Neues einlassen zu können; auch der Sohn scheint erst allmählich reflektieren zu können, dass der Vater fort ist, und (über)fordert Miriam zusätzlich mit seinen emotionalen Ausbrüchen und der offen ausgesprochenen und ausgelebten Trauer um seinen Vater. Miriam knüpft zaghaft neue Kontakte, auf die Max sich optimistischer zu stürzen scheint, aber sie hängt doch sehr der Vergangenheit nach, in welcher ihre Familie noch vollständig war und diese Traurigkeit erschwert es ihr auch zu bewerten, wie sehr sie die Vergangenheit der Sartorius verschreckt und inwiefern sie die Grande Dame, die sich nun seit so Langem bereits so positiv engagiert, nun eventuell geringschätzt. Ist der Sartorius-Preis letztlich gleichgültig oder gar minderwertig, weil er von einer Frau mit einer (mutmaßlich) dubiosen Vergangenheit gestiftet worden ist; was waren die Beweggründe der jungen Dorothea, sich dem Terror anzuschließen und wie sehr war sie Aktivistin, wenn ihre damalige Gruppe sie letztlich als Verräterin sah?

„In einem anderen Licht“ ist kein ausgeprägter Wälzer, die Linie ist sehr klar und ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen, da mich die Antwort auf die Frage, was letztlich mit dem Sartorius-Preis sein würde, so gespannt sein ließ. Ein wenig schwer tat ich mich allerdings mit dem teils esoterisch-spirituellen Verhalten von Dorotheas früherer Weggefährtin, die Geister wahrzunehmen schien; in diesem Zusammenhang gab es einige sehr viele Zufälle von aufeinandertreffenden Personen, was auch entsprechend angesprochen wurde, ob es überhaupt wirklich nur Zufälle waren oder doch mehr Bestimmung dahintersteckte. Ich bin zwar nicht unbedingt nicht schicksalsgläubig, aber das „Schicksal“ wurde mir persönlich letztlich etwas zu sehr ausgereizt und machte die authentische Geschichte schließlich noch ein wenig surreal, was ich einfach schade fand.
(Hinweis für die „Buchausstattungsliebhaber“: Das Cover ist hier nur auf dem Schutzumschlag zu sehen, in den die gebundene Ausgabe gehüllt ist. Unter diesem Schutzumschlag verbirgt sich ein simpler, einfarbiger, im dunklen Blaugrün gehaltener, Buchdeckel.)

Veröffentlicht am 17.08.2017

Eher düsteres, lokalkoloriertes Psychodrama als Krmi

Kein guter Ort
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Zweifelsohne ist es zu empfehlen, sich vor dem Lesen dieses Romans, den ich in diesem Fall als Rezi-Exemplar via NetGalley erhalten hatte, die ersten Bände der "Arne Eriksen ermittelt"-Reihe zu Gemüte ...

Zweifelsohne ist es zu empfehlen, sich vor dem Lesen dieses Romans, den ich in diesem Fall als Rezi-Exemplar via NetGalley erhalten hatte, die ersten Bände der "Arne Eriksen ermittelt"-Reihe zu Gemüte zu führen: Selbst war ich nun erst bei "Kein guter Ort" eingestiegen und hatte letztlich zwar keine echten Verständnisprobleme, aber dennoch das Gefühl, mir würde Vorwissen fehlen.
Das zeigte sich besonders in der Szene, in welcher der Protagonist sich mit halluzinogenen Pilzen in einen Rausch versetzte, welcher sein Bewusstsein schärfen und überhaupt öffnen sollte - und zugleich kundtat, diese Trance könne durchaus auch durch Meditation herbeigerufen werden. Ich fand es seltsam, dass ein Psychologe, der auch Suchtkranke therapierte, da so frei selbst Drogen konsumierte - wiederholt wurde hier erwähnt, dass es sich dabei um ein Ritual der Samen handelte, welches ihm von der alten Samifrau Akka dereinst nähergebracht war. Das weckte in mir doch die Vermutung, dass ich diese ganze Rausch-Szenerie vermutlich besser nachvollziehen hätte können, würde ich die vorherigen Bände gekannt haben; da hatte ich den Eindruck, dass dem Leser diese Riten in Band 1 und Band 2 wahrscheinlich schon besser ausgeleuchtet worden wären.

Die Kurzbeschreibung finde ich auch etwas irreführend, da eingangs der Fokus völlig auf Kari liegt und Arne vergleichsweise spät auf der Bildfläche erscheint; da muss es erst so kommen, dass Kari ihn aufsucht. Das Hotel Rabenschlucht wird somit also auch erst recht spät zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und dennoch bleibt der Fokus weiterhin auf den bisherigen Romanfiguren: Als klassischen Krimi habe ich "Kein guter Ort" erst ganz zum Schluss empfinden; in einem actionreichen Showdown (der allerdings in absolutem Kontrast zum vorherigen eher ruhigen, besonnenen Verlauf stand) zeigte sich schon Thriller-Potential; weitgehend blieb "Kein guter Ort" für mich doch Mystery-Drama.
Die regionale Einfärbung des Romans gefiel mir ausgesprochen gut; das machte durchaus Lust auf einen Urlaub in Südnorwegen; auch die Beschreibung des verlassenen Hotels in seiner abseitigen und nicht ganz ungefährlichen Waldlage fand ich sehr gelungen: Da spiegelte die Darstellung die düstere Atmosphäre sehr gelungen wider. Ohnehin mochte ich den Erzählstil Stäbers sehr gerne.
Ein wenig unglücklich fand ich, dass die Kurzbeschreibung bereits verrät, dass Arne dem Täter tödlich nahe rückt: Denn es sind letztlich nicht einmal eine Handvoll Personen in "Kein guter Ort" involviert, welche mit dem damaligen Mord bzw. den Opfern in Verbindung standen; die Anzahl der Verdächtigen ist also eh verschwindend gering und die Kurzbeschreibung lässt einen sehr schnell auf den richtigen Täter tippen (wenn ich auch kurz darauf zunächst einen anderen potentiellen Täter vermutet hätte, aber mehr als diese zwei Figuren hätte ich ohnehin nicht hinter dem Mord vermutet) - schließlich ist dies auch die einzige Person "von früher", der Arne überhaupt wirklich nahekommt. Für einen kleinen Moment der Überraschung sorgte da eher die Motivation des Täters.

Insgesamt empfand ich "Kein guter Ort" also als sehr unterhaltsamen, etwas spannenden und etwas mehr rätselhaften Norwegenkrimi, der insbesondere durch einen atmosphärischen Erzählstil und tollen Lokalkolorit mich doch zumindest auch insofern zu überzeugen wusste, als dass ich hernach dachte: "Ja, doch, nun würdest du die ersten Bände dieser Reihe aber definitiv auch noch lesen wollen!"

Veröffentlicht am 14.08.2023

Die Online-Omi mal ein wenig anders

Nicht, dass noch einer sitzenbleibt! (Die Online-Omi 19)
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Lauere ich angesichts des (sich nie von 82 Jahren fortbewegenden) Alters der Online-Omi regelrecht darauf, dass es in einem ihrer Bücher mal um eine Beerdigung gehen wird, wird nach der noch nicht allzu ...

Lauere ich angesichts des (sich nie von 82 Jahren fortbewegenden) Alters der Online-Omi regelrecht darauf, dass es in einem ihrer Bücher mal um eine Beerdigung gehen wird, wird nach der noch nicht allzu lang zurückliegenden Organisation einer Hochzeit im fortgeschrittenen Alter („Man muss sich nur trauen“) nun also zur Schule gegangen und den dortigen Lehrkräften als Assistenz zugearbeitet. Inzwischen zig erschienene Bände der Online-Omi-Reihe haben Renate Bergmanns Kult-Faktor regelrecht zementiert, wozu meiner Meinung auch die kongenial vorgetragenen Hörbücher beitrugen und nach wie vor beitragen: Die Stimme von Carmen-Maja Antoni und ihre Lesart SIND einfach die Online-Omi. Ich würde auch in diesem Fall wiederum raten, sich eher das Hörbuch zu Gemüte zu führen als selbst zu lesen; ich versuche es zwar auch immer wieder, aber ohne Antonis Stimme fehlt Renate Bergmann meiner Meinung nach einfach etwas ganz Wesentliches.

Im Falle von „Nicht, dass noch einer sitzenbleibt“ fehlte mir aber nun noch etwas ganz Anderes: die Bergmann-Bücher drehen sich in der Regel doch längst immer um ein bestimmtes Geschehnis, welches hernach abgeschlossen ist (Hochzeit, Camping-Urlaub, Kreuzfahrt, Krönung…), und hier ist bereits im Vorfeld klar, dass die kleine Lisbeth nun definitiv noch sehr viel länger zur Schule gehen wird als die Online-Omi dort tätig sein würde und dass es der Online-Omi auch nicht gelingen wird, die Schullandschaft zu reformieren. Es gab da einfach keinen klaren Dreh- und Angelpunkt wie z.B. eine Schulaufführung (ähnlich des Krippenspiels aus einem anderen Bergmann-Buch) oder ein Schulfest. Stattdessen besteht dieser Titel hauptsächlich aus Beobachtungen des heutigen Schulalltags und dessen Be- bis Verurteilung durch die Online-Omi; da war nun schon sehr viel Gesellschaftskritik und Sozialstudie enthalten. Aber abgesehen davon, dass der Inhalt hier meiner Meinung nach ein wenig aus dem typischen Rahmen fiel, hatte ich auch häufig das Gefühl, die Online-Omi würde sich sehr unentschlossen zwischen „früher lief das alles besser“, „gut, dass sich dies und das geändert hat“ und „ich bin allem gegenüber absolut aufgeschlossen“ bewegen; da dachte ich doch so manches Mal: „Möchte sie jetzt eine eher konservative oder doch eher progressive Figur sein?“

Andererseits war es durchaus interessant, so diverse Generationsunterschiede nochmals deutlich gemacht zu bekommen, aber außer einem diffusen „irgendwas muss sich ändern“; und dass es im Lande Schulsystem seit geraumer Zeit absolut nicht rundläuft, sollte dabei längst klar sein; wurde hier nur wenig an Essenz und sehr viel Verwünschung der gegenwärtigen Verhältnisse (wobei massiver Unterrichtsausfall bei uns auch vor 20 Jahren bereits zum Thema wurde; wenn auch nicht wegen direkten Mangels an Lehrkräften, sondern weil der Etat schon damals einfach keine weiteren Einstellungen vorsah) geboten. Nach einem Bergmann-Titel eher ratlos dazusitzen, ist allerdings auch mal etwas ganz Neues. Allerdings positiv, dass durch dieses etwas andere Renate-Bergmann-Buch ebenfalls das Publikum einen durchaus authentischen Einblick in die Schullandschaft der letzten Jahr(zehnt)e erhält, das womöglich längst sehr viel weiter weg von diesem System ist.
Ansonsten ist die leicht verschrobene Online-Omi in diesem Buch wiederum charmant wie eh und je; ihrem Kultfaktor wird „Nicht, dass noch einer sitzenbleibt“ wohl nix anhaben können, aber meiner Meinung nach wird er durch diesen Titel auch nicht weiter befeuert. Ein schlechtes Buch ist es nicht, halt ungewöhnlich für die Reihe, und wie gesagt: mir fehlte einfach ein großer Zielpunkt inmitten des ganzen Schwadronierens, Philosophierens und Reflektierens.