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Veröffentlicht am 13.09.2017

Unvollständig

Sonntags fehlst du am meisten
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Unvollständig – so fühlt sich das Leben der über vierzigjährigen Protagonistin Caro seit einem Jahr an. Seitdem hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater, der jegliche Verbindung zu ihr gekappt hat, nachdem ...

Unvollständig – so fühlt sich das Leben der über vierzigjährigen Protagonistin Caro seit einem Jahr an. Seitdem hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater, der jegliche Verbindung zu ihr gekappt hat, nachdem sie volltrunken in die Mauer des Friedhofs ihres Heimatdorfes gerast ist. Er, der immer für sie da war, versagt ihr seitdem jegliche emotionale und finanzielle Unterstützung. Caro ist inzwischen trockene Alkoholikern, steht – eigentlich erstmals in ihrem Leben – auf eigenen Beinen und hat nach ihrer gescheiterten Ehe einen neuen Partner gefunden. Und doch hat sie Hemmungen, wieder einen Schritt auf ihren Vater zuzugehen, wie ihre Mutter es anlässlich der baldigen Goldhochzeit der Eltern von ihr fordert. Ist eine Versöhnung überhaupt möglich?

In Rückblenden lässt Autorin Christine Drews den Leser an Caros Vergangenheit teilhaben. Er erlebt sie als kleines Mädchen, das seinen Vater vergöttert, aber darunter leidet, dass die Arbeit immer Vorrang für ihn hat. Er lernt den Teenager kennen, der sich mit seinem ältesten Bruder zofft, die unter Prüfungsangst leidende Studentin und die im Unternehmen ihres Vaters Angestellte, die sich zunächst nicht bewusst ist, wie ihre Kolleginnen über sie denken. Es wird deutlich, dass Caros Vater sie immer in Watte gepackt hat – und dass ihr das nicht gutgetan hat. Ganz nebenbei zeigt Drews, wie der Alkohol eine immer größere Rolle in Caros Leben spielt. Es ist die vielleicht größte Stärke dieses Buches, wie die Autorin Caros Abrutschen in die Sucht nachvollziehbar macht und dabei verdeutlicht, wie gesellschaftlich akzeptiert zumindest gelegentliches „über den Durst trinken“ ist – und wie dies Süchtigen hilft, sich selbst und ihr Umfeld zu täuschen.

Doch man erfährt nicht nur, wie Caro diejenige wurde, die sie ist. In Rückblenden werden auch Erlebnisse ihres Vaters geschildert, der als kleiner Junge mit Schwestern und Mutter aus dem zerbombten Dresden floh und sich vom Flüchtlingskind zum erfolgreichen Unternehmer entwickelt hat, einem Patriarchen, der sowohl sein Bauunternehmen als auch seine Familie fest im Griff und unter Kontrolle hatte – bis er den Kontakt zu seiner Tochter kappte, die doch immer sein Lieblingskind war. Und so verdeutlicht Drews nach und nach, dass Caros Vaters ihr Leben zwar sehr bestimmt hat – dass er jedoch auch nur auf Basis seiner eigenen Erfahrungen so handelte. Die Autorin zeigt, dass niemand so ganz aus seiner Haut kann, dass wir alle auch von den Erfahrungen geformt werden, die unsere Eltern und deren Eltern gemacht haben. Und dass uns das trotzdem nicht von unserer Eigenverantwortung freispricht.

Die Erfahrungen von Caro und ihrem Vater so nebeneinander gestellt zu durchleben, fand ich interessant. Das Buch hat mich durchaus gefesselt, es ist ein spannendes Thema, wie Menschen unbewusst von lange vor ihrer Geburt gemachten Erfahrungen ihrer Eltern geprägt werden. Dennoch ging mir „Sonntags fehlst Du am meisten“ oft nicht genug in die Tiefe. Und fast von der Autorin betrogen fühlte ich mich durch das Ende des Romans. Nachdem eigentlich das ganze Buch auf ein Ereignis zusteuert, scheint das zwar am Ende stattzufinden, der Leser wird jedoch davon ausgeschlossen. Es ist ein wenig, als hätte Drews keine Lust mehr gehabt, den lange beschriebenen Konflikt zu lösen. Ich habe das als unfair empfunden – und das Buch als unvollständig. Für das interessante Konstrukt gibt es dennoch vier Sterne, es bleibt jedoch das Gefühl, dass hier mehr machbar gewesen wäre.

Veröffentlicht am 17.08.2017

Liebeserklärung an la familia mit all ihren Macken

Ein Haus voller Träume
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Die drei längst erwachsenen Geschwister Jo, Tom und Lucy treffen sich ein letztes Mal in ihrem Elternhaus, bevor dieses verkauft werden soll. Anlass ist der Tod ihrer Mutter Hope, deren Asche sie an diesem ...

Die drei längst erwachsenen Geschwister Jo, Tom und Lucy treffen sich ein letztes Mal in ihrem Elternhaus, bevor dieses verkauft werden soll. Anlass ist der Tod ihrer Mutter Hope, deren Asche sie an diesem Wochenende verstreuen wollen. Davor soll, gemäß Hopes letztem Wunsch, noch einmal eine Party steigen, wie sie die gebürtige Engländerin selbst oft in ihrem spanischen „Haus voller Träume“ veranstaltet hat. Nachbarn, Freunde und Verwandte sind eingeladen und die Geschwister haben alle Hände voll zu tun – und neben der Trauer um ihre Mutter außerdem noch mit einigen persönlichen Problemen zu kämpfen. Es wird für alle Beteiligten ein intensives Wochenende, an dem sich einiges für immer verändern wird …


Auch für den Leser ist „Ein Haus voller Träume“ ein intensives Erlebnis. Die Handlung des immerhin 475 Seiten dicken Buches erstreckt sich über vier Tage, an denen man hautnah Hopes letzte (posthume) Feier in der "Casa de Suenos“ miterlebt. Sie rollt anfangs sehr gemächlich an und stellenweise hat das Buch einige Längen; zum Teil wurde mir die Spannung über zu viele Seiten aufgebaut. Doch die Ereignisse sind nachvollziehbar, schließlich werden auch einige Geheimnisse gelüftet und trotz der vielen Figuren und ihrer unterschiedlichen Biografien ist der Roman nicht überladen. Eine der großen Stärken von Fanny Blake ist ihr Talent, Atmosphäre zu erzeugen: Im „Haus der Träume“ würde man nach der Lektüre am liebsten selbst den nächsten Urlaub verbringen, so gut hat man es während des Lesens kennen und lieben gelernt. Auch die drei charakterlich extrem unterschiedlichen Geschwister und ihre Sichtweisen bringt die Autorin dem Leser so nahe, dass man sich doch irgendwie in jede der Figuren einfühlen kann. Am Ende sind sie wie gute Bekannte, die man am liebsten weiterbegleiten möchte. Ein schöner Sommerroman, der sowohl Lust auf Spanien als auch Lust auf ein Familientreffen macht, denn wie heißt es im Roman so schön: „Was zählt, ist doch die Familie, oder?“

Veröffentlicht am 08.01.2025

Abwechslungsreiches Aktivheft mit kleinen Schwächen

Die Sendung mit dem Elefanten - Lass uns stickern, basteln, rätseln
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Stickern, basteln und rätseln für die Kleinsten – das klingt sehr vielversprechend. Und tatsächlich bietet dieses Heft verschiedenste Beschäftigungsmöglichkeiten: Labyrinth, Fehler- und Schattensuche, ...

Stickern, basteln und rätseln für die Kleinsten – das klingt sehr vielversprechend. Und tatsächlich bietet dieses Heft verschiedenste Beschäftigungsmöglichkeiten: Labyrinth, Fehler- und Schattensuche, Bastelvorlagen und Aufkleber. Toll hätten wir noch vier bis sechs illustrierte Seiten gefunden, auf denen man wie bei einem Stickeralbum Elefant und Hase in verschiedene Umgebungen kleben kann. Etwas mehr Abwechslung bei den Stickermotiven wäre auch schön gewesen.
Zum Schwierigkeitsgrad: Für einige Aktivitäten finde ich die Altersempfehlung ab drei Jahren unrealistisch, und ohne vorlesende Erwachsene geht hier eh kaum etwas. Für Fünfjährige dürften dagegen zum Beispiel Zählbild und Zwillingssuche schon zu einfach sein. Dennoch ein nettes Heft für einen Regennachmittag, das kleinen Elefanten-und-Hasen-Fans sicher eine gewisse Zeit beschäftigen wird.

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Veröffentlicht am 25.08.2024

Selbstfindung in Brasilien

Sobald wir angekommen sind
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Ben Oppenheim ist Ende vierzig, semi-erfolgreicher Schriftsteller, nicht praktizierender Jude, lebt in Zürich und von seiner Ehefrau Marina getrennt. Er hat zwei Kinder, eine Geliebte und jede Menge Selbstzweifel. ...

Ben Oppenheim ist Ende vierzig, semi-erfolgreicher Schriftsteller, nicht praktizierender Jude, lebt in Zürich und von seiner Ehefrau Marina getrennt. Er hat zwei Kinder, eine Geliebte und jede Menge Selbstzweifel. Als der Krieg in Osteuropa jedoch näher zu rücken scheint und Marina und er den Ausbruch des dritten Weltkriegs befürchten, sind sich beide für einen Moment ihrer Sache ganz sicher. Kurz darauf sitzen sie mit Kindern und Gepäck im Flugzeug nach Brasilien – in das Land, in das schon Bens Vorbild Stefan Zweig auf seiner Flucht vor den Nationalsozialisten emigriert ist. Für einen Moment scheint alles möglich, doch dann muss Ben feststellen, dass er seine Unsicherheiten und Probleme nicht in Zürich zurückgelassen hat.

Wäre die Hauptfigur nicht schon fortgeschrittenen Alters, wäre ich glatt versucht, diesen Roman mit „Coming of Age“ zu beschreiben. Doch Ben ist längst erwachsen. Eventuell befindet er sich in einer Midlife-Crisis, doch die Ängste, mit denen er kämpft, scheinen ihn bereits den Großteil seines Lebens zu begleiten und werden von ihm gerne auf seine jüdische Herkunft und die Last der Geschichte zurückgeführt – Bens Reflektionen hierzu haben mich zum Teil berührt und zum Teil überfordert. Paradoxerweise sind diese Ängste sowohl mit extremer Selbstkritik als auch der Gewohnheit, die Schuld bei anderen zu suchen, gepaart. Da der Erzähler Bens Innenleben und Gedanken minutiös enthüllt, bleibt Leserinnen und Lesern wenig erspart: Seine Larmoyanz ist allgegenwärtig und nur erträglich durch die glücklicherweise ebenfalls vorhandene Selbstironie und die pointierte Sichtweise auf das Leben. Als seine Ex zu ihm sagt: „Je schlechter es dir geht, desto lustiger bist du“ antwortet Ben zum Beispiel: „Ohne Deine Hilfe könnte ich das nicht.“
Der Humor und die Neugier darauf, ob und wie Ben sein Leben in den Griff kriegt, haben mich bei der Stange gehalten. „Sobald wir angekommen sind“ liest sich kurzweilig, auch wenn die Hauptfigur einem ein gewisses Maß an Geduld abverlangt. Etwas ratlos, was ich aus diesem Roman eigentlich mitnehme, bleibe ich am Ende dennoch zurück.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Gute Spannungsunterhaltung trotz Logikschwächen

Schneesturm
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Thriller, in denen ein Mord passiert, wenn eine Gruppe von Menschen entweder geplant oder ungewollt von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es viele. Sehr viele. Da es unendliche Möglichkeiten gibt, ...

Thriller, in denen ein Mord passiert, wenn eine Gruppe von Menschen entweder geplant oder ungewollt von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es viele. Sehr viele. Da es unendliche Möglichkeiten gibt, diese Ausgangssituation auszugestalten, ist das aber kein Problem. Tríona Walsh hat sie auf die abgelegene irische Insel Inishmore verlagert, auf der immerhin über 900 Leute leben. Die Clique, die sich nach zehn Jahren dort wiedersieht, ist also nicht wirklich unter sich. Das Cover grenzt die Identität des Mörders/der Mörderin allerdings trotzdem schon stark ein – wer es schafft, sollte also am besten drauflos lesen und sich das Buch nicht zu genau angucken. Ganz interessant ist allerdings die Karte in der hinteren Umschlagklappe – die hätte ich wiederum fast übersehen.

Hauptfigur Cara ist die (einzige) Inselpolizistin auf Inishmore und verwitwete Mutter von zwei Kindern. Nachdem ihr Mann Cillian bei einem tragischen Unglück vor 10 Jahren gestorben ist, hat sich die Clique um die beiden zerstreut – nur drei der Freunde wohnen noch auf der Insel, zwei leben in London und Cillians Bruder Seamus hat sogar in den USA Karriere gemacht. Doch zu diesem traurigen Jubiläum treffen sie sich zwischen den Jahren in Cillians‘ und Seamus‘ verwaistem Elternhaus. Draußen tobt ein Schneesturm, doch richtig kuschlig wird es drinnen auch nicht. Nähe und Vertrautheit lassen sich nicht auf Knopfdruck wieder herstellen – vor allem nicht, wenn mehrere Anwesende Geheimnisse hüten …

Das Cover von „Schneesturm“ wirkt durch die Farbgebung und die hinter den Bergen verschwindende Schrift ziemlich bedrohlich (der orange Farbschnitt passt perfekt dazu und ist ein toller Hingucker!). Der Thriller selbst kann da nicht ganz mithalten – tatsächlich geht „Schneesturm“ vielleicht eher in Richtung Krimi; ganz am Ende kam es sogar zu einer Situation, bei der ich an Hercule Poirot denken musste. Zweifellos gibt es spannende Passagen, aber atemlos mitgefiebert habe ich nicht. Teilweise verfranst sich die Geschichte auch etwas, doch am Ende schafft es Tríona Walsh erstaunlich gut, die losen Enden wieder zusammenzuführen. Bei näherem Nachdenken erschien mir längst nicht alles so richtig logisch, gut unterhalten habe ich mich jedoch trotzdem gefühlt.

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