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Veröffentlicht am 16.06.2023

Amüsantes Romanensemble in schickem Gewand

Meine Mutter sagt
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Stine Pilgaards Debütroman „Meine Mutter sagt“ gehört eindeutig nicht zum literarischen Einheitsbrei, führt inhaltlich wie auch formelle Besonderheiten in die Romanform ein, bleibt aber leider unterm Strich ...

Stine Pilgaards Debütroman „Meine Mutter sagt“ gehört eindeutig nicht zum literarischen Einheitsbrei, führt inhaltlich wie auch formelle Besonderheiten in die Romanform ein, bleibt aber leider unterm Strich eher als amüsanter Unterhaltungsroman hängen.

Die Ich-Erzählerin des Romans, Studentin kurz vor dem Abschluss des Studiums, wurde von ihrer älteren Partnerin verlassen. Warum? Die Partnerin will Kinder, die Erzählerin nicht. Das Problem lag schon länger in der Luft, die Trennung scheinbar unumgänglich. Für die tendenziell eher labile Erzählerin ist dieses Ereignisse jedoch viel zu viel und es wirft sie komplett aus der Bahn. Sie zieht bei ihrem Vater ein, ein größtmöglich toleranter Hippie-Pastoren-Vater, der großer Pink Floyd Fan ist (wird im Roman noch einmal sehr relevant!). Die Mutter, welche schon seit der Kindheit der Protagonistin vom Vater getrennt lebt, oder vielmehr er von ihr, beschallt nun ihre Tochter sowohl mit Ratschlägen aber hauptsächlich eher mit ihren eigenen Bedürfnissen.

Unterbrochen wird die Handlungsebene, auf welcher es darum geht, dass die Protagonistin ihren Liebeskummer zu überwinden lernt, durch die sogenannten „Seepferdchenmonologe“. Gleich zu Beginn wird ihr nämlich im Gespräch mit ihrem Arzt klar, dass sie durch ihr besonders gutes Gedächtnis, welches über den Hippocampus-Bereich des Gehirns ins Langzeitgedächtnis konsolidiert wird, scheinbar mit den Seepferdchen verwandt ist. In den Monologen lässt die Protagonistin nun immer wieder vermittelt über verschiedene Sinneseindrücke Erinnerungen aus ihren früheren Partnerschaften, Liebeleien, One-Night-Stands und Affären aufleben. Das ist eine interessante Technik, die die Autorin hier anwendet, aber leider verlieren diese Einschübe im Verlauf des Romans an Dringlichkeit und Relevanz, klingen manchmal wie pseudo-philosophische Überlegungen.

Auf der formellen Ebene fällt auf, dass die Autorin auf jegliche Anführungszeichen verzichtet, obwohl ein überwiegender Anteil des Textes in direkter Rede verfasst ist. Das führt an manchen Stelle dazu, dass es so klingt, als würde der Konjunktiv I verlangt, aber nicht bedient. Soll heißen, es gibt Sätze die identisch mit „Meine Mutter sagt, ich habe dies und jenes gemacht…“ beginnen, aber einmal bedeutet es (aus dem Kontext zu erschließen), dass mit dem „ich“ die Mutter selbst gemeint ist und manchmal mit dem „ich“ die Ich-Erzählerin gemeint ist. Das macht das Lesen gerade zu Beginn sehr holprig. Man gewöhnt sich daran, aber der Sinn und Zweck des Ganzen erschließt sich mir nicht.

So fällt zwar der Roman in Bezug auf die große Masse der unterhaltenden Literatur formell auf, kann aber seine inhaltlichen Themen nicht langfristig platzieren. Denn schlussendlich bleibt nach der Lektüre wenig vom Roman hängen. Die ein oder andere Situationskomik gibt es auf jeden Fall und man kann gut schmunzeln, aber inhaltlich verläuft sich das Ganze zum Ende hin. Zunächst bekommen wir über weite Strecken den juvenilen Weltschmerz der Protagonistin mit, der eine recht einfache Auflösung erfährt. Wirklich interessant am Buch ist weniger die Erzählerin als die skurrilen Nebenfiguren, die mit ihren Eigenarten immer wieder für Amüsement sorgen. So finden wir heraus, dass die Mutter es mit der Wahrheit nicht so eng sieht und deshalb das, was sie laut Titel des Buches sagt, auch häufig auf die eigenen Bedürfnisse zurechtgebogen sein kann.

Es handelt sich hier um ein durchaus kurzweiliges Buch, welches sich trotz der anfänglichen Eingewöhnungszeit gut lesen lässt, aber leider darüber hinaus nicht lange hängen bleiben wird. Besonders hervorheben möchte ich die liebevolle Gestaltung des Buches, welche dem Kanon Verlag ganz hervorragend gelungen ist. Das lässt das bibliophile Herz höher schlagen.

3,5/5 Sterne

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Die phantastischen Tierwesen der Essiggasse

Der Schrank
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Die Erzählung „Der Schrank“ ist der dritte Teil der sogenannten „Essiggassen“-Trilogie. Als ich das Buch las, war mir nicht bewusst, dass es zwei Vorgänger gibt, aber eins sei betont: Man kann dieses Büchlein ...

Die Erzählung „Der Schrank“ ist der dritte Teil der sogenannten „Essiggassen“-Trilogie. Als ich das Buch las, war mir nicht bewusst, dass es zwei Vorgänger gibt, aber eins sei betont: Man kann dieses Büchlein auch ohne Kenntnis ebendieser lesen.

Inhaltlich dreht sich alles um Lena, eine Möbelpackerin, die mit ihren beiden Kollegen Yilmaz und Korni zum letzten Auftrag des Tages, dem Transport eines antiken Kleiderschranks durch die Innenstadt von Wien geschickt wird. Im Laufe der Geschichte tauchen immer mehr Tiere in den Straßen Wiens auf und immer mehr Personen, inklusive der beiden Kollegen, verschwinden.

Während der erste Teil der Geschichte sich noch im Realismus bewegt und Themen aufgreift wie Arbeitsbedingungen, Zeitdruck sowie die Unvereinbarkeit mit Privatleben, kippt sie im zweiten Teil eindeutig nicht nur in die Phantastik sondern gar in den kafkaesken Surrealismus. Sprich, es wird auf rätselhafte Weise unheimlich und auch unerklärlich. Ich hatte hier aufgrund des Klappentextes eher mit Magischem Realismus gerechnet. Das Kafkaeske war mir letztlich zu viel und ließ mich mit zu vielen Fragezeichen nach der Lektüre zurück.

Auch wenn ich die großartigen Illustrationen von Jorghi Poll wirklich gemocht habe, so konnte mich Sailer mit seinem Schreibstil und dem Plot der Erzählung nicht überzeugen. Dafür war mir die Sprache einfach zu simpel gestrickt und z.B. auch mit zu vielen Aussagen in Klammern versehen, die den Lesefluss störten.

Abschließend war es eine gute Lektüre für zwischendurch, aufgelockert durch die wunderschönen Illustrationen, die mir aber manchmal mehr gesellschaftskritische Aussagekraft besaßen als der Text von Sailer an sich. Und das störte mich dann wiederum. Denn Illustrationen zu einem Text, sollten keine Inhalte vermitteln, die der Text nicht mitbringt. Sie können Bereicherung sein ja, aber ein Text sollte auch für sich stehen können.

Somit spüre ich leider keine Begeisterung über die Geschichte, sodass ich mir wohl doch nicht, wie vorgenommen, als ich herausfand, dass es noch zwei vorangegangene Veröffentlichungen gibt, die anderen beiden dazukaufen werde. Die Lektüre bereue ich nicht, trotzdem schade, dass es mich nicht gepackt hat. 3,5 Sterne von mir für dieses liebevoll gestaltete Büchlein von Edition Atelier.

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Fantastische Trauer?

Schlangen im Garten
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Ja, Trauer kann fantastisch sein. Und zwar nicht im Wortsinne von „super, spitze, mega“ für „fantastisch“ sondern im Sinne von „unwirklich, übernatürlich, märchenhaft“. Denn so sieht die Trauer der Familie ...

Ja, Trauer kann fantastisch sein. Und zwar nicht im Wortsinne von „super, spitze, mega“ für „fantastisch“ sondern im Sinne von „unwirklich, übernatürlich, märchenhaft“. Denn so sieht die Trauer der Familie Mohn im Roman „Schlangen im Garten“ von Stefanie vor Schulte aus, fantastisch.

Johanne, die Mutter von Steve, Linne und Micha und Ehefrau von Adam ist gestorben. Als sei dieser Schicksalsschlag nicht schon schwer genug zetern nun die Menschen im Umfeld der Familie, diese solle doch langsam mal darüber hinwegkommen und weiter machen mit diesem Ding, das Leben heißt. Trauer bewegt sich innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Normen und wer nicht ins Bild passt stört. Denn Steve treibt auf seinem Longboard mit geschlossenen Augen durch die Stadt, Linne prügelt sich mit allem und jedem, Micha zieht sich gefährlich weit zurück und Adam bekommt die alltäglichsten Dinge nicht mehr auf die Reihe. Also kommt Post vom Traueramt und mit ihr Herr Ginster ins Leben der Familie. Er ist Trauerbeamter und dafür zuständig, dass die Familie doch nun bitte mal vorankomme in ihrem Trauerprozess. Alles bürokratisch korrekt, wie es sich gehört.

Und mit Herrn Ginster ziehen ebenso immer mehr märchenhaft-fantastische Elemente in das Leben der Mohns ein und somit auch in das Schreiben von Stefanie vor Schulte. Im Verlauf der Geschichte wird deutlich, dass die Trauer der Familie nur in der Fantastik dargestellt werden kann, denn Trauer ist etwas Unausprechliches. Das Leben in Trauer ist ver-rückt. So verrückt die Realität des Romangeschehens immer weiter in eine skurrile, surreale Fantasiewelt. Immer häufiger kommt es zu unrealistischen Ereignissen. Die Bilder, die dieses Stilmittel erschafft, sind besonders im Mittelteil unglaublich stark. Die Herangehensweise der Autorin an die Thematik erscheint geradezu frisch im Vergleich zu vielen anderen Veröffentlichungen der letzten Jahrzehnte zum Thema Trauer. Aber sie schlägt wiederum auch in eine Kerbe, welche gerade in den letzten ca. fünf Jahren häufiger in der Literatur auftaucht: Trauer und Verlust mit Absurdität bis skurriler Komik zu begegnen. Man denke an „Marianengraben“ von Jasmin Schreiber, „Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky oder ähnliches. Das Besondere von vor Schultes Buch ist sicherlich die Fantastik.

Leider sehe ich hier allerdings auch die größte Schwäche des Romans. Denn gerade im letzten Drittel verschwimmt nicht nur Realität mit Fantasie, das Fantastische verdrängt vollständig das Realistische. Unglaublich viele übernatürliche Dinge geschehen und man verliert beim Lesen fast den Überblick, was jetzt eigentlich geschieht. In die Realität finden wir nicht wieder zurück und treiben verschollen in der Mystik. Ohne zu viel zum Ende zu verraten, so hätte es mir doch besser gefallen, wenn wir uns zuletzt hätten wieder in einem realistischen Raum des Trauerprozesses wiederfinden können.

Die Haupt- und Nebenfiguren waren durchaus interessant gezeichnet, auch wenn ich ihnen nur punktuell wirklich richtig nahe war und mit ihnen gefiebert habe. Auch dieser Kontakt zu den Figuren, welcher im Mittelteil besonders eng war, verlor sich zunehmend im letzten Drittel des Buches. Der Schreibstil der Autorin ist solide und findet passende Bilder und Beschreibungen für diesen unaussprechlichen Zustand nach dem Tod einer geliebten Person.

Über zwei Drittel des Buches hinweg wähnte ich mich in einem sehr guten, wenn auch nicht grandiosen Werk zum Thema Trauerprozess bzw. Trauerbewältigung. Das letzte Drittel schoss dann meines Erachtens jedoch etwas zu weit übers Ziel hinaus und ließ mich eher unzufrieden zurück. Wenngleich „Schlangen im Garten“ für mich mit 3,5 Sternen „nur“ ein insgesamt (überdurchschnittlich) gutes Buch darstellt, kann ich es durchaus für eine unkonventionelle Lektüre zum Thema Trauer weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Eine gänzlich andere Welt

Ein anderes Brooklyn
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Das Brooklyn der 1970er Jahre und der ethnischen Minderheiten scheint wie eine andere Welt im Vergleich zum Bild vom „Disco“-New York der weißen Bevölkerung. Hier wurde Kinder erwachsen, die auf unsicheren, ...

Das Brooklyn der 1970er Jahre und der ethnischen Minderheiten scheint wie eine andere Welt im Vergleich zum Bild vom „Disco“-New York der weißen Bevölkerung. Hier wurde Kinder erwachsen, die auf unsicheren, dreckigen Straßen unterwegs waren. Die Mädchen waren jedoch einfach aufgrund ihres Genders und ihrer Race noch größeren Gefahren ausgesetzt.

Erzählt wird die Geschichte von August, welche zu einem Vierer-Gespann von Freundinnen gehörte, die in diesem anderen Brooklyn aufgewachsen ist. Sie erzählt größtenteils aus der Erwachsenenperspektive heraus von ihrem Aufwachsen, das jedoch sehr bruchstückhaft und nur an einzelnen szenischen Beispielen. Sie selbst ist mittlerweile Anthropologin, welche Beerdigungsrituale verschiedener Völker erforscht.

Durch die recht kurzen Textpassagen wirkt die Geschichte recht locker erzählt. Inhaltlich zeigen sich jedoch zunehmend die Erschwernisse eines Aufwachsens in dieser Gegend in dieser historischen Ära. Neben Armut, Missbrauch und Drogenkonsum wird die Verwahrlosung eines Viertels beschrieben. Leider bleiben viele Themen nur oberflächlich angekratzt oder lassen gänzlich eine historische Einordnung vermissen. Gerade die Perspektive der erwachsenen August hätte hier mehr Reflexionsfähigkeit bieten können. Zeitweise war ich von einzelnen Sätzen und Feststellungen im Roman emotional tief getroffen, aber über die nur 160 Seiten hinweg verpuffte dies wieder. Um einen tiefgreifenden Eindruck zu hinterlassen fehlten dem Roman vielleicht noch 100 weitere Seiten. Wäre ich nicht mit einem gewissen Vorwissen zum zeitlichen, räumlichen und ethnischen Rahmen an das Buch herangegangen, hätten sich mir einige Zusammenhänge nicht aus der Lektüre heraus erschlossen.

Schlussendlich handelt es sich durchaus um einen lesenswerten Roman, der sehr gut hätte werden können, wenn die Autorin etwas mehr Substanz geboten hätte. Für den Einstieg ist dieser jedoch sicherlich geeignet, um dann das Interesse an diese (im negativen Sinne) herausstechende Zeit in Brooklyn (und anderen ärmeren Stadtteilen) zu bieten.

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Veröffentlicht am 03.06.2023

Interessantes Konzept, aber noch Luft nach oben

Lukusch
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Benjamin Heisenberg erschafft in seinem Debütroman ein Buch zwischen Reportage, Deep Fakes und Roman. So lesen wir bereits auf den ersten Seiten, dass das Buch angeblich von Heisenberg nur „herausgegeben“ ...

Benjamin Heisenberg erschafft in seinem Debütroman ein Buch zwischen Reportage, Deep Fakes und Roman. So lesen wir bereits auf den ersten Seiten, dass das Buch angeblich von Heisenberg nur „herausgegeben“ sei. Die Eltern des verschwundenen Filmemachers Simon Ritter haben sich an ihn gewandt, um ein größeres Publikum für die Suche nach ihrem Sohn zu aktivieren. Von ihm sei lediglich eine Mappe mit Dokumenten, Schriftstücken, Zeitungsausschnitten sowie Fotos erhalten. Er habe sich auf die Suche nach seinem Jugendfreund Anton und dessen ewigen Begleiter Igor gemacht und sei in Kiew verschwunden. Ob alle Mitschriften von Simon stammten sei nicht bekannt, so der „Herausgeber“.

Im eigentlichen Text begleiten wir nun Simon dabei, wie er sich auf die Spuren von Anton und Igor begibt. Diese waren kurz nach der Tschernobyl-Reaktorkatastrophe aus der Ukraine mit einem damaligen Kinderhilfsprogramm nach Westdeutschland in die Familie von Simon gekommen, um sich von der gesundheitlichen Belastung zu erholen. Nach einigen Jahren wurden sie zurück in die Ukraine geholt und der Kontakt brach ab. Das Merkwürdige: Nun taucht Igor 2019 in den Medien auf als Schachgroßmeister, obwohl doch Anton damals das Schachwunderkind gewesen ist und Igor nur der Begleiter im Hintergrund.

Auf der Verfolgungsjagd, die Simon in verschiedene Städte und Länder führt, begleitet ihn Maria, die Jugendliebe von Anton, Tochter des ehemaligen Schachlehrer Antons und heimliche, unerfüllte Liebe von Simon. Sie entdecken zusammen parapsychologische Phänomene, die bereits in der Jugend der beiden Jungs zu beobachten waren und begeben sich auf riskante Abenteuer.

Die Stärken dieses Romans liegen meines Erachtens ganz klar im Spiel von Heisenberg mit Wahrheit und Fälschung. Er produziert äußerst authentisch wirkende Dokumente und Fotos, die sicherlich einige Leser:innen dazu verführen werden, im Internet nach dem Schachgenie Anton aus Tschernobyl, der sogar mit dem Bundeskanzler Kohl Schach spielte, zu suchen. Die Deep Fakes sind Heisenberg wirklich sehr gut gelungen. Auch weiß man bis zum Schluss nicht, was hier alles in diesem Buch von Heisenberg geplant wurde und was nicht. Das Buch ist ein Schachspiel an sich. Auch die parapsychologischen Anteile sind gut gemacht und regen das Interesse an.

Leider gibt es auch zwei größere Schwächen des Romans. Zum einen drehen sich viel zu viele Textfragmente um die Befindlichkeiten von Simon und Maria in der Jetztzeit. Die Verliebtheit von Simon ging mir richtiggehend auf den Geist beim Lesen. Von Maria erfahren wir zudem einiges aus dem Privat-, Ehe- und Sexleben sowie aus deren Träumen (Nachtschlaf, nicht Hoffnungen). Warum ein Filmemacher seine eigenen Liebeleien aus der Ich-Perspektive heraus erzählt, in einer Dokumentenmappe mit Recherchematerial detailliert beschreiben und abheften sollte, ist fraglich. Genauso fraglich wie warum sich dort aus der personalen Erzählperspektive heraus geschriebene Nachtschlafträume von Maria (und all die anderen persönlichen Informationen) befinden sollten, die nichts zum eigentlichen Plot um Anton und Igor beitragen. Und das ist mein letzter Kritikpunkt: Ich hätte in diesem Roman einfach sehr gern viel mehr von Anton und Igor gelesen. Viel zu stark breitgetreten wird das Hier und Jetzt. Ganz zum Schluss kommt noch einmal richtig Spannung auf und ich las atemlos die Geschichte um Anton. Aber da fehlte mir zwischendrin einfach zu viel.

Somit komme ich zu dem Schluss, dass Heisenberg hier ein sehr interessantes Konzept vorgelegt hat, was aber noch Potential zur Ausarbeitung und Umgewichtung gehabt hätte. Ein guter Roman, den ich durchaus für eine Lektüre empfehlen kann, der entweder noch nicht ganz ausgereift ist oder den ich nicht vollständig verstanden habe, da vielleicht ganz gewiefte Schachzüge darin verwebt sind. Somit 3,5 Sterne von mir für dieses ambitionierte Werk.

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