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Veröffentlicht am 17.08.2017

Die Herzensammlerin konnte auch mein Herz erobern!

Die Herzensammlerin
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Ein Hotel mit dem Namen „Happy Scheidung“ klingt im ersten Moment schon etwas kurios, aber die Geschäftsidee stammt von Lauras Mann, denn der ist Scheidungsanwalt und hat so das Hotel und seine Kanzlei ...

Ein Hotel mit dem Namen „Happy Scheidung“ klingt im ersten Moment schon etwas kurios, aber die Geschäftsidee stammt von Lauras Mann, denn der ist Scheidungsanwalt und hat so das Hotel und seine Kanzlei unter einen Hut gebracht, indem er seine Klienten im romantischen Jagdschlösschen der Familie einquartiert und ihnen, da er sie auch vor dem Scheidungsgericht vertritt, quasi einen Rundumservice für die anstehende Trennung bietet. Allerdings geht der Plan immer öfter nach hinten los, denn viele Paare finden in der schönen Umgebung wieder zueinander und zu einem neuen Glück, woran die fürsorgliche Laura keinen geringen Anteil hat. Letztendlich ist es Ralf selbst, der seine Frau verlässt und sich nach Mallorca absetzt, während Laura verzweifelt zurück bleibt und nicht weiß, wie es mit dem Hotel weitergehen soll. Sie hat ja nicht nur die Verantwortung ihren Gästen gegenüber, sondern auch für ihre Großmutter Theodora. Die alte Dame ist lebensmüde und entwickelt eine allzu starke Vorliebe für Wacholderschnaps. Und dann ist da noch Lauras fünfzehnjährige Tochter Merle, die sich in letzter Zeit nur noch schwarz kleidet, die Haare schwarz färbt und sich blass schminkt. Als Goth will sich die Jugendliche von ihrer Familie abgrenzen. Als der attraktive Adrian im Jagdschloss auftaucht, sucht er eigentlich nur nach Lauras Schwester Nina, die spurlos verschwunden ist. Aber bald schon merkt man, dass die Dinge anders liegen und er ein starkes Interesse an Laura zeigt. Damit stürzt er sie in eine ziemliche Verwirrung, denn sie ist schließlich eine verheiratete (wenn auch verlassene) Frau und hält es schier für unmöglich, dass Adrians Besuche ihr gelten.

Da ich alle anderen Romane von Brigitte Kanitz kenne, war ich anfangs ein wenig überrascht, denn unter diesem Pseudonym erschienen bisher eigentlich die Romane, die unter der Kategorie „Humor“ einzuordnen sind und meist mit vielen kauzigen Charakteren und einer äußerst turbulenten, oft überspitzt geschilderten Handlung aufwarten konnten. Die romantischen Romane wurden eher unter dem Namen Brigitte Janson veröffentlicht. Der vorliegende Roman „Die Herzensammlerin“ passt nach meinem Eindruck eher in die letztgenannte Kategorie. Zwar haben auch hier die Protagonisten ihre Eigenheiten, aber sie kommen doch recht normal daher und könnten einem im richtigen Leben jederzeit so oder ähnlich begegnen. Es gibt auch hier humorvolle Passagen, denn die Autorin ist bekannt für ihre originellen Verwicklungen, die sie ihre Charaktere erleben lässt, aber dieser Roman bietet auch Nachdenkliches, denn für Laura bedeutet die entstandene Situation eine Neuorientierung. Sie muss sich ernsthaft überlegen, wie es mir ihr und dem Hotel weitergehen soll. Glücklicherweise ist sie stärker als sie denkt, so dass sie nicht an der Trennung von Ralf zerbricht. Laura, die Heldin der Geschichte, ist eine liebenswerte Frau, die wahrlich etwas Besseres verdient hat als den feigen Ralf, der nicht einmal den Mumm hat, sich mit seiner Frau auszusprechen, sondern klammheimlich die Flucht ergreift. Letztendlich fliegen ihr aber dann gleich mehrere Herzen zu, und sie muss eine wichtige Entscheidung treffen.
Auch Theodora habe ich gleich ins Herz geschlossen, denn im Verlauf der Handlung gewinnt sie neue Energie und setzt sich tatkräftig für ihre Enkelin ein.
Nicht zuletzt ist da auch Lauras Tochter Merle, die ihre wahren Gefühle hinter einer schwarzen Maskerade versteckt und im Lauf der Geschichte eine ungeheure Wandlung durchlebt.

Dieser Roman ist ganz nach meinem Geschmack. Er ist warmherzig, romantisch und mit viel Humor, dabei aber nicht überzogen komisch, sondern durchaus realistisch. In der Handlung werden viele ganz alltägliche Themen angesprochen. Hier geht es um Probleme, wie sie zwischen Müttern und Töchtern während der Pubertät unausweichlich in irgend einer Form auftauchen. Theodoras Beispiel macht nachdenklich und zeigt, wie schwer es ist, verwitwet und im Alter allein zu sein. Auch um Trennung und Verlassenheit dreht sich der Roman zwangsläufig, und doch hat die Geschichte stets einen positiven Grundton. Eingebettet in die zauberhafte Landschaft der Lüneburger Heide, über die man übrigens auch so einiges erfährt, mit viel Herz und Humor erzählt, verlieren die Probleme ihre Schrecken. Sieht Laura kurz nach ihrer Trennung nur noch alles grau in grau, so kehrt langsam aber sicher wieder Farbe und Freude in ihr Leben. Alles in allem ist dies ein wunderschöner, kurzweiliger Roman, mit vielen Facetten, und die Herzensammlerin konnte auch mein Herz gewinnen.

Veröffentlicht am 30.07.2017

Literarischer Kurzurlaub auf Mallorca

Meeresblau & Mandelblüte
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Leonie fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihre Tante verstorben ist und ihr eine Finca auf Mallorca hinterlassen hat. Eigentlich passt ihr das so gar nicht in den Kram, denn sie ist Geschäftsfrau ...

Leonie fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihre Tante verstorben ist und ihr eine Finca auf Mallorca hinterlassen hat. Eigentlich passt ihr das so gar nicht in den Kram, denn sie ist Geschäftsfrau durch und durch. Ihr ganzes Leben hat sie auf ihren Job ausgerichtet. Freizeit und Freunde sind Fremdworte für sie.
Um an der Beisetzung ihrer Tante und der Testamentseröffnung teilzunehmen, fliegt sie nach Mallorca. Dort erlebt sie so manche Überraschung, denn nichts läuft so ab, wie sie es sich vorgestellt hat.
Wohl oder übel muss sie erst einmal auf der Insel bleiben, um die Finca renovieren zu können, denn ihre Tante hat ihr den Besitz nicht ohne spezielle Auflagen hinterlassen. Auch die Senioren-WG wird sie nicht so einfach los. Sie muss sich mit den Gegebenheiten und den Menschen arrangieren, und das fällt der jungen Frau nicht leicht. Auch weiß sie nicht recht, was sie davon halten soll, dass sich der attraktive Niklas so darum bemüht, ihr zu helfen.
Anfangs wirkt Leonie sehr kühl, und man tut sich schwer, sie zu mögen. Was dahinter steckt, wieso sie sich derart auf ihren Beruf konzentriert und zwischenmenschliche Kontakte scheut, wieso Niklas ihr hilft, das alles erfährt man so nach und nach in der Geschichte. Mit der Zeit gewinnt man an Verständnis für Leonie, und damit kann man dann auch gut nachvollziehen, was ihre Tante mit der Erbschaft bezweckte. Auch die Senioren lernt man im Verlauf der Handlung besser kennen und verstehen. Für sie steht ihr gemeinsames, gemütliches Heim auf dem Spiel, sollte Leonie die Finca verkaufen. Da ist es verständlich, dass sie manchmal ganz schön auf Krawall gebürstet sind. Aber sie sind clever und wissen, wann es von Vorteil ist, nachzugeben. Alt werden heißt ja schließlich nicht, irgendwann den Verstand abzugeben.
Kürzlich las ich, wie es der Zufall so will, einen Bericht, dass das Modell „Seniorenheim“ ausgedient hat, weil die „Alten von morgen“ sich nicht auf so etwas einlassen wollen, sondern ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen möchten. Wohnmodelle wie die hier beschriebene Senoiren-WG sind im Kommen. Es war für mich dann auch besonders interessant, dass dieser Aspekt im Roman behandelt wird. Ich finde es schön, wie die „Alten“ dieser Geschichte beschrieben sind, dass ihre Konflikte zur Sprache kommen und dass die Autorin in ihrer Phantasie so ein ansprechendes Wohnmodell für sie geschaffen hat. Wie die WG sich letztendlich mit Leonie arrangiert und wie deren Problem zur Sprache kommt, hat mir gut gefallen. Auch eine zarte Romanze entwickelt sich, steht aber nicht im Vordergrund.
Elke Beckers Schreibstil ist wunderbar locker, leicht und kurzweilig, und doch hat die Handlung viel zu bieten. Da werden auch alle möglichen Probleme gewälzt und dabei wird nicht nur an der Oberfläche gekratzt. Mit viel Lokalkolorit, eingebettet in die zauberhafte Atmosphäre Mallorcas, wirkt die Handlung mit all ihren Akteuren sehr authentisch. Es gibt ernste, traurige Momente, aber der Roman hat auch amüsante Passagen zu bieten. Wenn ich da an einen verliebten Pfau denke, muss ich immer wieder schmunzeln. Die Krönung der Geschichte stellt dann die einsetzende Mandelblüte dar, die in all ihrer Pracht beschrieben ist.
Ich hätte immer so weiter lesen können und war direkt traurig, als die Geschichte so schnell zu Ende war und ich Mallorca wieder „verlassen“ musste. Man merkt in jedem Satz die besondere Beziehung der Autorin zu diesem schönen Fleckchen Erde. Mit ihrem neuen Roman hat sie eine tolle Sommerlektüre geschaffen, die bestens für die Ferien geeignet ist, weil man sie am liebsten an einem Stück lesen würde, zumindest ging das mir so.

Veröffentlicht am 25.07.2017

Der grüne Palast

Der grüne Palast
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Das Konzept dieses Romans ist außergewöhnlich, denn er besteht komplett aus Briefen. Anfangs war ich skeptisch, da ich mir überhaupt nicht recht vorstellen konnte, dass man in so einen reinen Briefroman ...

Das Konzept dieses Romans ist außergewöhnlich, denn er besteht komplett aus Briefen. Anfangs war ich skeptisch, da ich mir überhaupt nicht recht vorstellen konnte, dass man in so einen reinen Briefroman Spannung und Leben bringen kann. Ich wurde hier eines Besseren belehrt, denn es ist der Autorin perfekt gelungen, die gesamte Handlung im Briefverkehr diverser beteiligter Personen unterzubringen, ohne dass es künstlich oder gar langatmig wirken würde. Ein Großteil der Briefe ist von Erzherzogin Leopoldine von Österreich an ihre geliebte Schwester Marie-Louise, Herzogin von Parma, Napoleons zweite Ehefrau, gerichtet.
Auch die anderen Korrespondenzen drehen sich in der Hauptsache um Leopoldine und ihre bevorstehende Heirat mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro. Die portugiesische Königsfamilie weilt jedoch in Brasilien, und daher wird auch Leopoldine dort hin reisen. Bei ihrem Aufbruch in das ferne Land möchte die junge Frau ihre engste Vertraute, Gräfin Lazansky, nicht missen. Diese wiederum unterhält einen regen Briefwechsel mit ihrer Schwester, der sie alles, was sie bewegt, anvertraut und mit Fürst von Metternich, der die Gräfin verehrt und umwirbt. Eine weitere wichtige Person des Romans und ebenfalls in den regen Briefwechsel eingeschlossen, ist Marquis de Marialva, Diplomat am königlichen Hof von Lissabon.
Ich hatte mich schnell an den Aufbau des Buches gewöhnt, das aus 185 Briefen und so auch aus 185 kurzen Kapiteln besteht. Anfangs habe ich die wörtliche Rede vermisst und befürchtete schon, dass das Fehlen von Dialogen den Roman womöglich unpersönlich erscheinen lassen könnte, aber dem war ganz und gar nicht so. Die Briefe, vor allem Leopoldines, sind sehr intensiv. Sie schüttet ihrer geliebten Schwester ihr Herz aus und vertraut ihr ihre Sorgen und so manche Heimlichkeit an. Ihre Ehe steht unter keinem glücklichen Stern, und dazu kommt, dass Leopoldine im lauf der Zeit entdeckt, dass in Brasilien, diesem wunderschönen und üppig grünen Land, so einiges im Argen liegt. Zu ihrem Entsetzen muss sie feststellen, dass hier die Sklaverei noch nicht abgeschafft wurde. Mit ganzem Herzen setzt sie sich für die Menschen ein, die im Elend leben. Bei ihrem Mann stößt sie mit ihren Anklagen und Forderungen auf taube Ohren.
Der Roman hat mein Interesse an den betreffenden Personen geweckt, und ich habe mich auch darüber hinaus mit dem Leben Leopoldines befasst. Die Autorin hat sich in weiten Teilen an die historischen Tatsachen gehalten und nur einige Änderungen vorgenommen, aus dramaturgischen Gründen, wie sie im Nachwort schreibt. Die meisten Charaktere der Geschichte hat es wirklich gegeben, so sind beispielsweise auch die Gräfin Lazansky und der Marquis de Marialva reale Personen, denen die Autorin jedoch ein fiktives Privatleben zugedichtet hat. Auch hatte Leopoldine in Wirklichkeit mehr Kinder als im Roman angegeben. Im großen und ganzen kann man sich sehr gut in die Handlung hinein versetzen, und an Leopoldines Schicksal habe ich großen Anteil genommen. Sie macht im Lauf der Jahre in Brasilien eine enorme Wandlung durch. Aus dem unbeschwerten und ein wenig naiven jungen Mädchen wird eine selbstbewusste, starke Frau, die weiß, was sie will, sich auch schon mal in die Politik einmischt und die sich für die Schwachen einsetzt, wo immer sie kann.
Mit der Gräfin Lazansky hat der Roman eine zweite, starke Frauenfigur. Lange Zeit ist sie die engste Vertraute an Leopoldines Seite, bis die beiden Frauen getrennt werden, aus Gründen, die ich hier nicht weiter ausführen möchte, um nicht zu viel vorab zu verraten.
Die Handlung und somit auch die verschiedenen Briefwechsel ziehen sich über mehrere Jahre hin. Hier habe ich es bedauert, dass die einzelnen Briefe nicht datiert sind, so dass man nie so recht wusste, in welchem Jahr sich das Erzählte abspielt. Aber das ist auch schon mein einziger Kritikpunkt. Insgesamt ist „Der grüne Palast“ ein großartiger historischer Roman, der mir vor allem die politischen Zusammenhänge und die Beziehungen zwischen Österreich, Portugal und Brasilien zur damaligen Zeit sehr lebendig nahe gebracht hat.
Schon das Cover ist übrigens eine Augenweide. Der Kontrast zwischen mattem Hintergrund und spiegelglatt glänzenden Elementen ist sehr wirkungsvoll,und so gehört das Buch optisch zu den schönsten in meinem Regal.

Veröffentlicht am 23.07.2017

Die kleine Bäckerei am Strandweg

Die kleine Bäckerei am Strandweg
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Nicht nur Pollys Beziehung zu Chris ist gescheitert, auch die gemeinsame Firma ist am Ende. Wegen der bestehenden Schulden mussten sie ihre Wohnung verkaufen, und Polly betreibt Schadensbegrenzung, indem ...

Nicht nur Pollys Beziehung zu Chris ist gescheitert, auch die gemeinsame Firma ist am Ende. Wegen der bestehenden Schulden mussten sie ihre Wohnung verkaufen, und Polly betreibt Schadensbegrenzung, indem sie ein möglichst günstiges Mietobjekt sucht. Dieses findet sie auf einer kleinen Insel vor der Küste Cornwalls. Was auf Mount Polbearne fehlt, ist eine gute Bäckerei, denn in dem kleinen Inselort gibt es nur fabrikmäßig abgepacktes und recht geschmackloses Brot zu kaufen. Kurz entschlossen macht Polly ihr großes Hobby zum Beruf und versorgt die Insulaner mit frischem, selbst gebackenem Brot. Allerdings ergibt sich ein Hindernis, denn ausgerechnet ihre Vermieterin ist auch die Inhaberin der bisherigen Bäckerei mit dem faden, gummiartigen Gebäck. Ihrem Einfluss können sich auch die anderen Inselbewohner nicht entziehen. Wieso die alte Dame derart biestig ist und Polly am liebsten von der Insel verbannen würde, erfährt diese erst nach und nach, während sie sich langsam aber stetig in Mount Polbearne einlebt. Dass sie sich mit der Zeit richtig heimisch fühlt, dafür sorgt auch der kleine Papageientaucher Neil, den sie kurz nach ihrer Ankunft verletzt gefunden und wieder gesund gepflegt hat.
Auf der Insel wohnen mehr Männer als Frauen, und für Polly ergeben sich einige Probleme, denn plötzlich gibt es nicht nur einen Mann in ihrem Leben, und die junge Frau muss schwierige Entscheidungen treffen.

Es hat viel Spaß gemacht, Polly bei ihrer Ankunft auf Mount Polbearne zu begleiten und mit ihr zusammen die Insel zu entdecken. Dass sie dabei nicht nur gute Erfahrungen macht, ist ganz normal und realistisch. Auch wenn Mount Polbearne anfangs sehr ungastlich wirkt und die Bewohner nicht allesamt freundlich zu Polly sind, so gewinnt man den Ort und seine Menschen doch sehr schnell lieb. Viele der Einwohner sind Fischer und fahren täglich zur See, was eine mühevolle Arbeit ist, die auch viele Gefahren mit sich bringt. Polly wird es erst hier bewusst, wie einfach vieles in der Stadt war, und doch liebt sie das Leben auf der Insel, denn zum ersten Mal verdient sie ihr Geld mit etwas, das sie mit ihren eigenen Händen selbst herstellt und das ihre Kunden zu schätzen wissen, weil ihr Brot von guter Qualität ist und viel besser schmeckt als das vorher gewohnte Industriebrot. Aus dem heruntergekommenen Laden macht Polly mit der Zeit eine schnuckelige kleine Bäckerei, und auch die Wohnung darüber hat, trotz aller Baufälligkeit, ihre Reize.Als sie den Imker Huckle kennenlernt, nimmt sie seinen feinen Honig mit ins Sortiment der Bäckerei auf, denn Huckles Honig bringt nicht nur Süße aufs Brot, sondern auch in ihr Leben.
Mir hat der Roman sehr gefallen, denn er hat einerseits Wohlfühlcharakter und vermittelt eine leichte, lockere Stimmung, ist dabei aber alles andere als oberflächlich. Das Leben auf der kleinen Insel, die Polly mittlerweile so lieb gewonnen hat, ist einerseits beschaulich und entbehrt auch nicht einer gewissen Romantik, aber es ist zugleich auch ein ständiger Existenzkampf, denn das Meer ist nicht nur wunderschön, sondern es hat auch die Kraft, alles zu zerstören, was sich die Menschen aufgebaut haben.
Ja, es ist ein Roman zum Wohlfühlen, mit vielen sympathischen Charakteren, aber die Autorin hat sich hier nicht auf Oberflächlichkeiten beschränkt, sondern tiefer geschaut und dabei auch die Probleme erkannt, die so ein Insel-Leben mit sich bringt.
Polly ist eine liebenswerte Protagonistin, die sich mutig und voller Tatkraft ihren Problemen stellt und sich quasi in die Herzen ihrer Mitmenschen bäckt. Daneben hat die Geschichte auch noch einen kleinen gefiederten Helden, denn Papageientaucher Nils ist immer mit von der Partie, und er ist einfach allerliebst.
Dass dieses Buch gerne dem Genre Chic Lit zugeordnet wird, hat es hauptsächlich Jennys bester Freundin Kerensa und dem Millionär Reuben zu verdanken. Diese beiden Charaktere fallen aus dem Rahmen und wollen auf den ersten Blick so gar nicht zu Polly und den Inselbewohnern passen. Auf jeden Fall bringen sie viel frischen Wind in die Geschichte und haben jede Menge außergewöhnlicher Einfälle. Andererseits könnte man das Buch auch gut den Liebesromanen zuordnen, wenn es auch kein typischer Vertreter dieses Genres ist, denn Pollys Erlebnisse und Erfahrungen sind nicht auf die Liebesgeschichte reduziert, und diese entwickelt sich eher so ganz nebenbei. Jenny Colgans Schreibstil ist erfrischend und schön, und ich habe den Roman richtig genossen. Er ist eine richtig schöne Sommerlektüre – nicht zu leicht aber auch nicht zu schwer, sondern schön luftig und locker und doch gehaltvoll, wie Pollys Brotteig, einfach wunderbar.
Zur Abrundung liefert Jenny Colgan im Anhang gleich noch ein paar Rezepte aus ihrer Backstube mit, so dass man sich so manche Leckerei, über die man im Buch gelesen hat, schnell selbst nachmachen kann.

Veröffentlicht am 10.07.2017

Die Schicksalswächterin

Die Schicksalswächterin
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Österreich 1760: Sophie, die junge Gräfin von Waldbach, steckt gerade mitten in ihren Hochzeitsvorbereitungen, als sie an den Pocken erkrankt. Sie überlebt, aber die Blattern hinterlassen Narben, und ihr ...

Österreich 1760: Sophie, die junge Gräfin von Waldbach, steckt gerade mitten in ihren Hochzeitsvorbereitungen, als sie an den Pocken erkrankt. Sie überlebt, aber die Blattern hinterlassen Narben, und ihr Bräutigam wendet sich von ihr ab. Es scheint für Sophie nur noch den Weg ins Kloster zu geben, aber dann kann ihr Onkel ihr am Wiener Hof eine Stellung vermitteln, wo sie eine Ausbildung als Erzieherin erhalten soll.
Als sie jedoch erfährt, dass einige der ihr anvertrauten Kinder von ihren Eltern getrennt wurden, weil diese der Lehre Luthers anhängen, wandelt sich ihre anfängliche Freude über die neue Stelle schnell in Betroffenheit. Während die Eltern verfolgt und nach Siebenbürgen abgeschoben werden, hat die Kaiserin Maria Theresia für die Kinder verfügt, dass sie an ihrem Hof im katholischen Glauben erzogen werden sollen. Eines der Mädchen, die Sophie betreut, ist die Tochter des Reitlehrers Benno. Dieser ist seiner Tochter heimlich an den Hof gefolgt und will alles tun, um wieder bei seinem Kind zu sein. Er vertraut sich Sophie an, und die beiden planen eine riskante Aktion, um Caroline aus der Hofburg zu befreien.

Mit Sophie hat der Roman eine außergewöhnliche, starke Heldin. Hier hat man einmal eine Protagonistin, die nicht vom ersten Moment an durch Schönheit besticht, sondern sich durch Herzensgüte und großen Mut bewährt. Als sich ihr Verlobter von ihr abwendet, bricht für Sophie eine Welt zusammen, aber sie lässt sich nicht unterkriegen, sondern kämpft für ihr Glück, denn sie erkennt, dass es eine Gnade für sie ist, die Krankheit überlebt zu haben.
Und dann ist da noch Benno, der aus Liebe zu seiner Tochter alles wagt und sogar sein Leben aufs Spiel setzt. Die Handlung ist sehr realitätsgetreu und damit glaubhaft, war es doch unter der Herrschaft Maria Theresias wirklich so, dass die Kaiserin nur den katholischen Glauben anerkannte und diesen als den einzig wahren in Österreich zulassen wollte. Ich muss gestehen, dass ich mich bisher noch nicht allzu stark mit dem Leben Maria Theresias befasst hatte. So war mir auch nicht bekannt, mit welcher Intoleranz sie Andersgläubigen gegenüberstand. Ihr Bestreben, alle Protestanten aus ihrem Land zu vertreiben, grenzt an Fanatismus. Mehr über die damaligen Ereignisse und auch über die Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Sohn und Thronfolger Joseph zu erfahren, fand ich sehr interessant und lehrreich.
Sowohl die fiktiven als auch die realen Charaktere sind allesamt sehr plastisch beschrieben und vermitteln ein farbiges Bild der damaligen Zeit,besonders am Wiener Hof.
Auch die Liebe spielt im Roman eine Rolle, aber die Handlung wirkt zu keiner Zeit rührselig oder gar kitschig. Sehr schön beschreibt die Autorin beispielsweise, wie Benno Sophie sieht, dass er zwar ihre Narben registriert, sie aber trotzdem als attraktive Frau wahrnimmt und dabei mehr auf die Schönheit ihres liebenswerten Wesens achtet.
Die Autorin hat hier einige Probleme angesprochen, die auch heute noch aktuell sind, denn auch in unserer Zeit werden noch Menschen wegen ihrer Religion verfolgt, und mag man den Medien glauben, steht die Unversehrtheit des Körpers beim Schönheitsideal an oberster Stelle. Diese Themen sind im Roman sehr glaubwürdig und feinfühlig dargestellt
Alles in allem hat „Die Schicksalswächterin“ sehr viel zu bieten: jede Menge Spannung, viel Wissenswertes über die Zeit Maria Theresias am Wiener Hof, ganz besondere Charaktere und eine Handlung, die fasziniert und berührt, ein wirklich großartiger Roman.