Profilbild von ein_lesewesen

ein_lesewesen

Lesejury Profi
offline

ein_lesewesen ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit ein_lesewesen über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.06.2023

Mega Pageturner

Die Hornisse (Tom-Babylon-Serie 3)
0

Nach einem etwas schwächeren Teil 2 hat Raabe hier wieder einen echten Pageturner hingelegt.
Die ausgeblutete Leiche eines umschwärmten Rockstars wird im Gästehaus der Polizei gefunden, noch bevor Tom ...

Nach einem etwas schwächeren Teil 2 hat Raabe hier wieder einen echten Pageturner hingelegt.
Die ausgeblutete Leiche eines umschwärmten Rockstars wird im Gästehaus der Polizei gefunden, noch bevor Tom Babylon mit den Ermittlungen loslegen kann, gerät er und seine Familie unter Verdacht. Wie wir es von Raabe gewohnt sind, legt er die Spuren wieder weit zurück in die Toms Vergangenheit, die in der zweiten Ebene erzählt wird. Diesmal erfahren wir viel über Toms Eltern und die letzten Monate in der DDR, die für die Familie dramatisch enden und einen grausamen Rachefeldzug nach sich ziehen.

Raabe hat es wieder geschafft, mich durch die Story rasen zu lassen. Er schubst seine Leser mitten ins Geschehen, was eine enorme Spannung aufbaut, die er über den ganzen Thriller zu halten weiß. Sein Schreibstil, der lebendig und super flüssig ist, tut sein Übriges dazu. Wir erfahren diesmal viel über Toms Kindheit, was nun auch das etwas schwierige Verhältnis zu seinem Vater aufklärt. 1989 ist Tom 5 Jahre alt, seine Mutter Inge steht zwischen zwei Männern und hat ihre eigene Vorstellung von Freiheit, doch damit bringt sie ihre ganze Familie in Gefahr. Die politischen Verwicklungen waren wieder sehr eindrücklich und realistisch geschildert. Und hier setzt Raabe eine so verblüffende Wendung, dass ich kurz den Atem anhalten musste. Es ist erstaunlich, wie genial der Plot über die drei Bände bisher angelegt ist, und ich kann nur sagen, wer es lesen will, muss mit Band 1 beginnen, sonst macht vieles keinen Sinn. Aber hey, es lohnt sich wirklich, eine der besten Reihen, die ich bisher gelesen habe.

Und natürlich geistert Viola wieder durch seine Gedanken. Das Ende und der Titel des letzten Teils »Violas Versteck« implizieren, dass wir uns nun der Auflösung nähern.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.06.2023

Ein dunkles Zeitalter wird wieder lebendig

Gestern, im Jahr 634
0

»Der Wagen ruckt, schüttelt sie, nimmt Fahrt auf. Lasst mich nicht hier mit Pest und Teufeln! Nehmt mich um Gottes Willen mit!, schreit Montana, Ermengundis sieht sie laufen, das Kleid mit beiden Händen ...

»Der Wagen ruckt, schüttelt sie, nimmt Fahrt auf. Lasst mich nicht hier mit Pest und Teufeln! Nehmt mich um Gottes Willen mit!, schreit Montana, Ermengundis sieht sie laufen, das Kleid mit beiden Händen angehoben, die straken Beine entblößt bis zu den Schenkeln, rennt sie hinter ihnen her. Wir schicken einen Arzt!, ruft Oda zu ihr hin und dreht sich um, So wir einen finden, murmelt sie. Mit einem Klagelaut, ähnlich dem Brüllen eier Kuh, die nach verlorenen Kälbern schreit, bleibt Montana stehen – im Schatten eines Hauses, das vorgestern verlassen wurde. Montana wird die Letzte sein, die in dieser Straße lebt, wenn ihre Mutter stirbt.« S.15

Einer der außergewöhnlichsten historischen Romane, den ich je gelesen habe. Die Autorin hat sich eine spannende Zeit ausgesucht, über die es nur wenige Aufzeichnungen gibt, das 7. Jahrhundert, die Herrschaftszeit der Merowinger. Ein dunkles Zeitalter, die Römer sind Vergangenheit, die Germanen erstarkten, Karl der Große ist noch Zukunft. In ihrem fiktiven Roman, der zwischen Metz, Trier, Verdun und Frankfurt spielt, verwebt sie gekonnt reale Fakten.
634 – Der Diakon Adalgisel Grimo diktiert sein Testament, das älteste Dokument des frühen Mittelalters, das nur noch in einer Abschrift aus dem 10. Jhd. erhalten ist. Die Autorin erzählt ausgehend vom Jahr 600 die spannende Geschichte um die Familie Grimos. Als Kind muss er mit seiner Tante Oda und seiner Schwester Ermengundis vor der Pest in die Königsstadt Metz fliehen. Da sie privilegierten Verhältnissen entstammen, genießen sie eine klösterliche Ausbildung. In vielen kleinen Episoden erfahren wir von der brutalen, harten Zeit, die geprägt war von Kriegen, Königsmorden und der Vorherrschaft der Christen. Noch herrscht viel Aberglaube in den Köpfen der Menschen, die alten Götter existieren neben dem christlichen Glauben.

»Der Herr-Gott kann sich nicht um alles kümmern, sagt sie, glaubt mir, Ermengundis, man muss die bitten, die zuständig sind.« S.184

Während Grimo als Diakon seine Berufung findet, hadert seine Schwester zunehmend mit diesem Leben und wünscht sich sehnlichst ein Kind und einen Mann. Obwohl auch sie Diakonin ist und nur an den einen Gott glaubt, findet sie es nicht verwerflich, diesen Wunsch an die alten Götter zu richten.
Im Zeitraffer zeichnet die Autorin nun das Leben der Kinder bis 698 nach, eine Zeit, in der auch die Alamannen ins Geschehen eingreifen. Das führt sie schließlich zu einem Kindergrab, das heute im Frankfurter Dom zu finden ist.

Das Beeindruckendste an dem Roman ist sicher Kemmerzells Sprache, die im ersten Moment ungewohnt erscheint. Sie schafft eine perfekte Symbiose aus unauffälliger moderner Sprache und altertümlichen Begriffen, die sich mit all den wunderbaren Bildern zu einem wahren Echtzeiterlebnis zusammenfügt. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, denn gerade für Frauen war das Leben hart. Tod, Vergewaltigung, Hunger und Krankheiten haben den Alltag bestimmt.

Im Anhang finden wir einen Merowiger-Stammbaum, Listen von historischen Personen und ein ausführliches Glossar, das mir beim Lesen sehr hilfreich war. Auch habe ich immer wieder gegoogelt, weil ich unbedingt mehr über manche Figuren erfahren wollte. Das Buch hat wirklich meine Neugier entfacht.
Ich spreche hier eine eindeutige Empfehlung aus für alle, die sich nicht nur geschichtlich interessieren, sondern auch eine Vorliebe für Sprache haben und rate daher, erst die Leseprobe zu lesen. Ich bin jedenfalls restlos begeistert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2023

Unfassbar gut!

Gleich unter der Haut
0

»Und was wünscht du dir vom Leben?«, frage ich.
»Weiß nicht. Tot sein vielleicht«, antwortet sie, und ihre Stimme wird mit jedem Wort leiser. S.88

Es gibt Bücher, da weiß ich nach nur wenigen Absätzen, ...

»Und was wünscht du dir vom Leben?«, frage ich.
»Weiß nicht. Tot sein vielleicht«, antwortet sie, und ihre Stimme wird mit jedem Wort leiser. S.88

Es gibt Bücher, da weiß ich nach nur wenigen Absätzen, dass sie mich ganz tief in meinem Inneren treffen werden. Ich schalte runter in den ersten Gang, lese keine Sätze, sondern lese jedes einzelne Wort, weil es genau an der Stelle steht, wo es hingehört. Und dieses Buch hat mich in meinen Sessel gepresst, hat von mir verlangt, jedes einzelne Wort zu spüren.
Ein schonungsloser Angriff auf meine Seele. Ich musste mich entscheiden, lasse ich es zu, dass mich die Geschichte berührt, oder schütze ich mich? Immer wieder legte ich das Buch weg, musste durchatmen, musste mich erden. Wollte ich wirklich wissen, wie es weitergeht? Nie lag ein Buch so schwer in meiner Hand. Was bitte ist das für ein grandioses Debüt?!

Das Buch spielt im Winter in Konstanz und wer diese einheitsgrauen Tage am See kennt, weiß, was das mit einem machen kann. Wir lernen Niklas kennen, der in der Trauer um seine Eltern feststeckt und sich um seine demenzkranke Oma kümmert. Seine Last, seine Überforderung, seine Einsamkeit waren von Beginn an spürbar. In einer nebelverhangenen Nacht lernt er Lou kennen und verliebt sich in sie. Auch Lou kämpft mit ihren Dämonen, ihren Erinnerungen, die sie aber mit Niklas nicht teilen möchte. Zwei einsame, verletze Seelen, traumatisiert, in sich selbst gefangen. Können sie sich Halt geben? Niklas Schwester, die ihre Trauer unter Essstörungen begräbt, warnt ihn, dass Lou ihm nicht guttut.

Die moderne griechische Tragödie: die Suche nach dem Sinn des Lebens, die allgegenwärtige Todessehnsucht, Ausweglosigkeit, die auf eine unausweichliche Katastrophe zusteuert. Berthe Obermanns packt hier alles rein, Missbrauch, Selbstverletzung, nicht bewältigte Trauer, Verlust, Trauma, etc. Viel. Zu viel, dass man Niklas und Lou gern etwas davon abnehmen möchte.

Das Buch hat mich an schwere Zeiten in meinem Leben erinnert und noch jetzt beim Schreiben der Rezension habe ich einen Kloß im Hals und einen Knoten im Magen. Ja, das Buch ist schwere Kost und sicher nicht für jeden geeignet. Aber genauso fühlt es sich an, wenn die Welle über einem zusammenbricht. Wenn man sich zu jemanden hingezogen fühlt, aber immer wieder die Flucht ergreift, wenn Erinnerungen unaushaltbar sind, dass man die Flucht vor sich selbst ergreift.
Die Autorin hat hier sehr lebensnahe, tiefe ProtagonistInnen geschaffen, denen ich jedes Wort, jeden Gedanken abgenommen habe, deren Leid und Verzweiflung mich zutiefst berührt und zu Tränen gerührt haben. Sprachlich war das Buch aufs Wesentliche reduziert, was die Geschichte genaustens reflektiert hat, absolut perfekt. Ich habe lange nichts so gelungenes gelesen, kann es eigentlich kaum glauben, dass es ein Debüt ist. Muss ich noch sagen, dass ich dieses Highlight jedem ans Herz lege, der sich der Thematik gewachsen sieht?

Liebe Berthe Obermanns, ich ziehe meinen Hut vor dir, das war ganz großes Kino. Das Buch ist jetzt voller Post-Its, denn mit deinen Worten hast du mir aus der Seele geschrieben, Worte, die für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Vielen Dank dafür, auch wenn ich jetzt wahrscheinlich nie mehr unbefangen über die Rheinbrücke laufen kann. Denn:

»… manchmal, in bestimmten Momenten, wünschte ich, mein Kopf würde auch eine Auswahl treffen, aussortieren, einen festen Kokon um all die Gedanken und Erinnerungen spinnen, die ich nicht haben möchte, sie darin festzurren, ihnen jede Bewegungsmöglichkeit nehmen. Aber er tut es nicht, mein Kopf, so sehr ich mich auch bemühe, er vergisst nicht.« S.77

Und noch ein Zitat, das für immer bleibt:
„Wenn es am Ende keine Erinnerungen gibt oder nur schlechte, gab es kein Leben.“ S.64

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.06.2023

Das Sterben einer Stadt

Mohawk
1

»Der Pool, dessen Wasser mittlerweile abgelassen wurde, ist ein klaffender Betonschlund … ein paar trockene Blätter treiben raschelnd in der Nähe des Abflusses. Er sieht ihnen bei ihrem Tanz zu und wie ...

»Der Pool, dessen Wasser mittlerweile abgelassen wurde, ist ein klaffender Betonschlund … ein paar trockene Blätter treiben raschelnd in der Nähe des Abflusses. Er sieht ihnen bei ihrem Tanz zu und wie sie an den türkisen Längsseiten des Pools entlangstreichen, ehe sie wieder zurückgleiten, um auf einen neuen Windstoß zu warten.« S.160

So ungefähr fühlt sich das Leben 1967 in Mohawk, der kleinen Stadt im Norden des Bundesstaates New York an. Bröckelnde Fassaden der mühsam vom Mund abgesparten Häuser, geschlossene Gerbereien, die einst nur wenig Wohlstand aber viele Träume in die Kleinstadt brachten. Man sieht den anderen mit neidischen oder bemitleidenden Blicken zu, gefangen im eigenen Unvermögen, ihr zu entkommen. Ein halbherziges Aufbäumen, dann lässt man sich wieder treiben – mit der Eintönigkeit, mit der Zeit, mit dem vorbestimmten Schicksal. Bis erneut ein Windstoß alles für einen Moment durcheinanderbringt.

Russo hat mich mit seiner Art zu erzählen von Anfang an begeistert, voller Witz und bitterer Ironie. Kein Wunder, wenn er einem Atemzug mit Irving genannt hat. Mit viel Liebe zum Detail entwickelt er ein kluges Gesellschaftsporträt einer Kleinstadt, die langsam verfällt. Das bisschen Aufschwung zahlen sie heute mit einer erhöhten Krebsrate. Doch die Menschen haben sich arrangiert, will man aus dem Alltag ausbrechen, geht man zum Glückspiel oder ein paar Drinks in Harrys Grill.

„Dann borgte er sich von Harry einen Fünfziger und gesellte sich zu der Spielrunde im oberen Stock. Die anderen Spieler waren ausschließlich Familienväter, die genug von ihren Familien hatten und vom Anblick der Truthahnkarkasse offenbar furchtbar deprimiert waren.“ S.177

Eine der zentralen Figuren ist Mather Grouse, der rechtschaffene, ehrliche Familienvater, der nie trank, wettete oder spielte. Auch hielt er sich aus den krummen Machenschaften in der Fabrik raus. Daher wird er über die Jahre zum Außenseiter.

„Warum verkündeten sie bei jeder Gelegenheit, Mohawk sei die Hauptstadt der Lederindustrie, und ermutigten neue Arbeiter, sich hier anzusiedeln, wo doch alle wüssten, dass auch so schon nicht genug Arbeit für alle da sei? Diese Leute fliesten ihre Pools mit dem Schweiß und der Arbeitsmoral von Männern wie Marther Grouse.“ S.241

Doch Marther hat Träume für seine Tochter Anne und ermutigt sie früh, mit ihrem Leben etwas Besseres anzustellen. Anne jedoch ist zurückgekehrt mit ihrem Sohn Randall, kümmert sich um ihren schwerkranken Vater, kann aber in den Augen ihrer Mutter Mrs Grouse nichts richtig machen. Mrs Grouse und ihre alte zänkische Schwester Milly sind für mich zwei hervorragende, kauzige Figuren, wenig sympathisch aber herrlich gezeichnet.
Dann wären da noch … ach was, das überlassen wir lieber Russo, seine Figuren vorzustellen. Denn das macht er wirklich bravourös. Ich habe sie alle vor Augen gehabt, sie geliebt, gehasst, Verständnis entwickelt oder mit ihnen mitgelitten. Ihre Frustration und Resignation war stets greifbar, lebt doch keiner das Leben, das er sich erträumt hat. Was bis zum Ende bleibt, ist die Hoffnung, es möge alles gutgehen.

Mohawk ist hauptsächlich ein Roman über die beiden Familie Grouse und Gaffney über drei Generationen und sechs Jahre hinweg. Die leise Spannung entsteht allein dadurch, dass Russo uns die Verbindungen der Charaktere untereinander erst nach und nach aufdeckt. Mohawk ist voll von liebenswerten Versagern, die sich durchs Leben treiben lassen. Und aus dem leichten Windhauch wird am Ende ein ausgewachsener Orkan, der die ständig schwelende Fehde eskalieren lässt.
Russo bedient sich dem etwas antiquierten allwissenden Erzählers, was ich für sehr gelungen empfand. Obwohl die Geschichte zwischen 69 und 71 spielt, gibt es nur wenige zeitlich einzuordnende Detail, was das Buch somit zu einem zeitlosen Lesevergnügen werden lässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.05.2023

Krönender Reihenabschluss

Waldgrab
0

Nachdem Band 2 der Reihe für mich nicht so überzeugend war und ich einige negative Kritiken zu Waldgrab gelesen hatte, bin ich skeptisch an den den Band gegangen. Ob es sich gelohnt hat?

Mir ist nach ...

Nachdem Band 2 der Reihe für mich nicht so überzeugend war und ich einige negative Kritiken zu Waldgrab gelesen hatte, bin ich skeptisch an den den Band gegangen. Ob es sich gelohnt hat?

Mir ist nach wie vor klar, dass die Autoren eine ganz spezielle Art haben, ihre komplexen Geschichten aufzubauen. Sie sind ausführlich und tiefer, entwickeln sich langsamer, nicht zuletzt wegen der vielen Perspektiven. Doch genau das mag ich so an ihnen. Hier muss ich mich reinknien, dranbleiben und verstehen.
In ihrem letzten Teil der Kronoberg-Reihe begegnen wir der Ermittlerin Jeanette Kihlberg wieder, die wir schon aus der Victoria-Bergman-Reihe kennen. Seit Victoria (Sofia) aus ihrem Leben verschwunden ist, ebenso wie ihr undankbarer Künstlergatte, hat sie sich noch immer nicht mit ihrem Leben arrangiert. Sie wird mit ihrem Kollegen zu einer Baustelle gerufen, wo ein Mann getötet wurde. Am anderen Ende von Stockholm wird eine Frau tot in der Badewanne aufgefunden. Dann wird ein verwahrlostes, verstörtes Mädchen in einem weißen Kleid aufgegriffen, das nicht spricht. Ihre Ermittlungen führen sie zu einem aktuellen Buch, das von einer Frau erzählt, die vor über hundert Jahren ein einsames Leben führte und für verrückt erklärt wurde.
Diese drei Fälle werden sauber, detailliert und glaubhaft zusammengeführt. Diesmal wurde es auch bei weitem nicht so gewalttätig, wie ich es aus den vorigen Bänden gewohnt war. Und wir sind zum ersten Mal ganz nah an den eigentlichen Ermittlungen dran. Es gab wieder viele Namen und Schauplätze, mit denen ich erstmal zurechtkommen musste. Doch die Geschichte um Stina hat mich dann so gefesselt, dass ich das Buch wieder in kürzester Zeit durchsuchtet hatte. Leider wäre hier jedes weitere Wort ein Spoiler.

Keine Frage, dass wir auch diesmal mit den eigensinnigen Ermittlern kaum warmwerden. Aber das war für ich auch nie nötig. Dennoch fühlen sie sich alle authentisch an mit ihrem menschlichen Unzulänglichkeiten. Ich brauche keine tausendste Macke, wenn doch klar ist, wie kaputt einen der Polizeidienst machen kann. Der Fokus liegt vielmehr auf den anderen Charakteren, sowohl den Opfern als auch den Tätern. Immer wieder führt es mich zu denselben Fragen: Was geht in den kranken Köpfen vor? Wie viel kann ein Mensch aushalten? Und für mich war alles schlüssig, nachvollziehbar und spürbar.

Und dann kam dieser eine Satz, etwa hundert Seiten vor Schluss, und mich beschlich so eine Ahnung. Und wahrlich, sie haben es geschafft, einen ganz großen Bogen zu schlagen. Was für ein Finale! Das zeigt mir einmal mehr, dass die beiden Autoren größer denken und nichts aus den Augen verlieren. Wer also auch die Victoria-Bergman-Reihe gelesen hat, wird sich freuen.
Für alle, die die Bücher noch nicht kennen, kann ich sagen, man kann die Teile der Kronoberg-Reihe getrennt lesen, weil alle Fälle abgeschlossen sind. Kennt man die anderen aber, wird man viele Zusammenhänge besser verstehen und am Ende wahrscheinlich genauso überrascht sein wie ich. Denn ich freue mich schon auf das, was da noch kommt.
Mit diesem Ende haben sie die minimalen Längen wieder wettgemacht. Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist werden wohl Ausnahmeautoren bleiben, den ich gern weiter folgen will.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere